Unter dem Nussbaum – Michael Donhauser

AutorMichael Donhauser
VerlagMatthes & Seitz Berlin
Datum16. Januar 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten508
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3751809917

„Fluchtgedanken ins Gestrüpp./Mit dem Wunsch, es zu verdichten./Seiner Verdichtung sprachlich näherzukommen./(Um dicht im Sinne von undurchdringlich zu sein.)“ (Zitat Pos. 504)

Thema und Inhalt

Diese Sammlung von Lyrik und Prosa 1986 bis 2023 vereint eine Auswahl von bereits in früheren Einzelausgaben veröffentlichten Texten. Teilweise wurden sie neu geordnet und ergänzt durch wiedergefundene Texte, Fragmente und neue Gedichte, die nach 2018 entstanden sind, drei davon sind in hier zum ersten Mal veröffentlicht. Eine weite Themenvielfalt führt durch beinahe vierzig Jahre schriftstellerisches Schaffen, oft sind es Varianten der Natur in allen Jahreszeiten und Zwischenjahreszeiten, manche Titel werden im Lauf der zeit nochmals zum Thema, ergänzt, anders betrachtet. Es geht auch um Kindheitserinnerungen, die Großeltern, sonntägliche Familientreffen, Festtage, das Sarganserland, Reisen, wo der lyrische Erzähler zum lyrischen Ich wird.

Gestaltung

In den Sammlungen „Der Holunder“ und „Die Wörtlichkeit der Quitte“ beobachtet der Schriftsteller einzelne Vögel, aber auch unterschiedliche Bäume, oder den Flug eines Stück Papiers im Wind, Er schaut und lässt seine Gedanken sprachlich weit schweifen. Im Abschnitt „Von den Dingen“ ergeben Beobachtungen eines Gestrüpps oder eines Misthaufens Sprachspiele in allen möglichen und immer neuen Varianten von Deutungen eines Begriffes und der lyrische Pfad führt vom Gestrüpp zum Misthaufen zu den Obstbäumen und gleichzeitig durch die religiösen Festtage des Jahres, Gedichte zwischen Erinnerung, Gegenwart und Vergangenheit. Umfassende Betrachtungen über den Kies sind gleichzeitig Metapher als Philosophie eines Lebens.

„Die Sprache ist eine unterhaltsame Einöde. (Meine leidenschaftliche Unterhaltung: der Kies. Hin und her und weggewischt: bis auf den Staub.)“ (Zitat Pos. 994)  

Venedig im Oktober und Aufenthalte in Frankreich inspirieren Michael Donhauser, seine Eindrücke in Worte zu fassen. Zwei Jahre nach der Verwirrung des Gestrüpps findet sich dann Klarheit in den Reihen der Zypressen in Siena.

Die Lyrik von Donhauser ist nicht in Formen und Reime gepresst, sie entfaltet sich frei. Nicht eingeschränkt durch Zeilenlängen lässt Michael Donhauser seinen Gedanken, die seine Beobachtungen begleiten, Zeit und Raum zur Entfaltung. So werden auch die Grenzen zwischen seiner Lyrik und lyrischen Prosa fließend. Wer ein neugieriges Interesse an den vielen Facetten von möglichen Ausdrucksformen der Sprache hat, wird diese Sammlung genießen.

Fazit

Auch wenn in der Beschreibung des lyrischen Schaffens von Michael Donhauser präzisiert wird, dass es ihm weniger um die Beobachtung geht, als um die Fragen im Zusammenhang des Beobachteten, so ist es doch die hier in sprachlicher Fülle geschilderte Vielfalt der Bewegungen und Erfahrungen in der Natur im Lauf der Jahreszeiten, der Eindrücke auf Reisen, der Stimmungen und Erinnerungen an seine Kindheitsheimat Liechtenstein und das nahe Sarganserland, die uns beim Lesen seiner Texte sofort in den Bann zieht und die Gedankenbilder, Stimmungen, Erfahrungen, Erinnerungen mit unseren eigenen verbindet. En Lyrikband, den man immer wieder in die Hand nehmen wird, um sich darin im positiven Sinne zu verlieren.

Mondlabyrinth – André Schinkel

AutorAndré Schinkel
Verlag Mitteldeutscher Verlag
Erscheinungsdatum 9. September 2024
FormatTaschenbuch
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3963116865

„Ein Stift huscht über die Fasern. Wir aber/ Sitzen, schauen, schweigen, denken und sehn/ In den Bäumen: So einfach könnte es sein.“ (Aus: Südpark, Seite 62)

Inhalt

Diese Gedichtsammlung, Teil drei einer Tetralogie, besteht aus vier voneinander unabhängigen Abschnitten: Versunkener Kontinent, Mondbucht, Stille Bewegung, Das Porphyrne Land. Diese Abschnitte umfassen jeweils zwischen sechzehn und zweiunddreißig Gedichte und Texte, die großteils in den Jahren 2014 bis 2024 entstanden sind.

Themen und Sprache

Es ist immer wieder die Natur, beobachtende Augenblicke, Stimmungen, welche die Gedanken zwischen Mitteldeutschen Hängen, Flüssen und Orten einfangen und loslassen, auf Reisen schicken zwischen Tag und Nacht, Erde und Mond. Eine weite Gefühlswelt mit allen Höhen und Tiefen, Liebe, glückliche Momente und Erinnerungen, fragende Zweifel, Träume, Sehnsucht und immer wieder der Wunsch nach Innehalten in der Stille. „Es ist diese wundersame Stille im Gesang / Der Gestirne und Vögel, unten am Fluß.“ (Aus. Gedicht bei den Bäumen am Fluss, Seite 107). So vielfältig wie die Themen sind auch die Texte selbst, von Gedichten in unterschiedlicher Dichte und Länge bis zu kurzen Prosatexten. Die Sprache nützt viele Ausdrucksmöglichkeiten, Wörter, Sätze, immer wieder Brüche, manchmal rastlos, manchmal in getragener Tiefe, und  drängt sich so in unsere Gedanken.

Fazit

Diese Gedichtsammlung ist, wie schon das Wort ‚Labyrinth‘ im Titel besagt, kein Buch für eine schnelle Lesestunde, rasch mal ein Gedicht zwischendurch, sondern es ist Lyrik, angesiedelt im Raum zwischen Erde und Mond, die in ihrer Vielfalt und Dichte der Beobachtungen und Gefühle unsere Aufmerksamkeit fordert, manchmal öfter gelesen werden will, um erfasst zu werden. Eine Herausforderung und gleichzeitig eine faszinierende Leseerfahrung, da sich in den Sprachbildern immer neue Gedankenspiele entdecken lassen.

Ich spreche von Blau, nicht vom Meer – Hussein Bin Hamza

AutorHussein Bin Hamza
NachwortMichael Krüger
Verlag Edition CONVERSO
Erscheinungsdatum 25. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten96
SpracheArabisch/Deutsch
ÜbersetzerGünther Orth
ISBN-13978-3981976366

„Wir begruben unsere Lieben / unter einer dünnen Schicht Erde / in der Hoffnung / dass sie noch einmal nachwachsen.“ (Gedicht Aussaat, Seite 51)

Inhalt

Dies ist eine zweisprachige Ausgabe von Gedichten des syrisch-kurdischen Dichters und Journalisten Hussein Bin Hamza. Geboren in Al-Hasaka, Syrien, lebte er ab 1995 in Beirut, wo er als Schriftsteller, Literaturkritiker, Redakteur und Verlagsleiter tätig war und floh 2017 mit seiner Familie nach Deutschland. Dieser Gedichtband umfasst neunundfünfzig Gedichte, die eines gemeinsam haben: sie alle sind ab 2017 in Deutschland entstanden. „In Deutschland, wo ich seit 2017 lebe, fühle ich mich nicht wie einer, der nach langer Zeit wieder anfängt zu dichten, sondern wie einer, der zum ersten Mal schreibt. Hier in Deutschland wurde ich zu einem neuen Dichter.“ (Hussein Bin Hamza, Seite 88). Der Gedichtband schließt mit einem Nachwort des Schriftstellers und Dichters Michael Krüger.

Themen und Sprache

In einem Teil dieser Gedichte geht es um die Liebe, um Sehnsucht und um die Zerbrechlichkeit der Liebe. In dem Gedicht „Nach der Liebe“ stellt der Dichter fest, „Wenn wir lieben, hat die Poesie Pause“ (Seite 39), denn die richtig guten Gedichte entstehen erst, nachdem man verlassen wurde. Hussein Bin Hamza beobachtet aber auch erstaunt und skeptisch seine neue Heimat, seinen deutschen Nachbarn, die Natur, doch das Hauptthema dieser Texte sind Flucht, Fremde und vor allem Einsamkeit. „Ich kleidete meine Einsamkeit in einen Wollschal / gab ihr zwei dicke Handschuhe / und zerrte sie nach draußen“ (Zitat aus „Zwei Flecke“, Seite 70). Es ist die poetische Sprache, die, oft lyrisch-metaphorisch knapp, mit einer unglaublichen Intensität ihrer Worte Bilder malt, die sich sofort tief in unsere Gedanken und Gefühle prägen und die uns einzelne Sätze und Gedichte immer wieder lesen und mit neuen Facetten entdecken lässt.

Fazit

Es sind Gedichte, die ihren Gedanken- und Gefühlsreichtum oft in wenig Worte und kurze Sätze fassen, dies so poetisch leise und eindringlich, dass wir beim Lesen Tränen in den Augen, gleichzeitig aber ein Lächeln auf den Lippen spüren.

Ein Vogelruf trägt Fensterlicht: Gedichte – Christine Langer

AutorChristine Langer
NachwortMirko Bonné
Verlag Alfred Kröner Verlag-
Edition Klöpfer
Erscheinungsdatum 17. März 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten104
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3520765017

„Den Schatten, die nunmehr alle Winkel schlucken, / Stelle ich einen Zeilenanfang entgegen. / Das Gegenteil von Verzicht? / Das Licht fällt ein, bricht sich / Im Fensterglas“ (Zitat aus „Innere Ordnung“, Seite 13)

Inhalt

Dieser Gedichtband ist in fünf Abschnitte geteilt, jeder trägt als Überschrift einen vertiefenden Gedanken, ein einleitendes Gedicht, bereits auf die Themen der nachfolgenden Gedichte verweisend. Auch diese poetische Einleitung öffnet schon ein eigenes Gedankenbild. „Doch auch, wenn du Gedanken vorauseilst, / Ziehst du deinen Körper hinter dir her“ (Titel Abschnitt III., Seite 41)  

Themen und Sprache

Jedes der Gedichte der Abschnitte I bis IV ist eine poetische Momentaufnahme, ein Dialog mit der Natur, mit dem Umfeld, mit einer Situation an irgend einem Tag. Daraus ergeben sich Fragen, Gedanken, Erinnerungen, Ausblicke oder auch Schlussforderungen für diesen einen, speziellen Moment. Manchmal wendet sich das lyrische Ich in seinem Dialog auch an ein fiktives Du. Die Sprache malt und vertieft die Farben der Natur, das Gelb des Rapsfeldes, immer wieder das Grün der Blätter, der Bäume. Bewegung bringen die Wolken und das Blau des Himmels, auch noch in der Dämmerung „Ins Blau fallende Sterne“ (Zitat Seite 8, aus Tage wie dieser). Immer wieder finden wir das Kernthema, Licht und Schatten, Schatten und Licht. Der Abschnitt V. trägt die Überschrift „Traumnuancen – Übungen im poetischen Sprechen“. Hier führt uns Christine Langer in vierzig unterschiedlichen Eindrücken, Beobachtungen, Gedankenflügen durch den Tag, immer in Bewegung, Leichtigkeit in Worte gefasst, in poetische, eindrückliche Bilder zum Nachfühlen, Mitempfinden, Mitdenken. Ein ebenfalls poetisches, interessantes Nachwort des Schriftstellers Mirko Bonné lädt am Ende dieses Gedichtbandes nochmals zum Nachdenken ein.

Fazit

„Schließ die Augen, ich lese dich auf“ (aus Traumnuancen 11, Seite 75). Dieser einfache Satz beschreibt besser als noch mehr Worte von mir, warum es immer wieder ein Erlebnis ist, Lyrik zu lesen. Es sind die Phantasie, Schönheit und innere Ruheräume, die wir in den mit leiser, poetischer Sprache eindrücklich gemalten Gedankenbildern finden.