Buchgeplauder 11

Es wird Zeit …

Buchgeplauder 11

„Dritte Möglichkeit: aus dem Leser einen Komplizen machen, einen Weggenossen. Und einen Zeit-Genossen, da ja die Lektüre die Zeit des Lesers tilgt und in die des Autors überführt. So könnte der Leser Mitbeteiligter und Mitbetroffener der Erfahrung werden, die der Romanautor durchgemacht hat, im gleichen Augenblick und in der gleichen Weise.“ (Zitat Seite 456-457, 79. Kapitel, Rayuela von Julio Cortázar)

Geht es nicht jedem Leser, jeder Leserin so, dass es in den Regalen Bücher gibt, die man „schon lange“ lesen wollte, aber doch aus einer Art Respekt einen imaginären Bogen darum macht – und zu einem anderen, noch ungelesenen, Buch greift.

Bei mir sind dies immer noch Ulysses – James Joyce, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit – Marcel Proust (allerdings besitze ich vorerst nur die ersten drei Bände, die ich erst lesen möchte, bevor ich über weitere Bände nachdenke) und Der Zauberberg – Thomas Mann.

Wie ich auf dieses Thema gekommen bin, nun, ich lese gerade Rayuela – Julius Cortázar und bin überzeugt, nach diesem Leseabenteuer endgültig bereit für die oben genannten Werke zu sein. Rayuela, ein Roman, den man in 56 fortlaufenden Kapiteln lesen kann und der dann bei Seite 406 endet – oder aber man liest das Buch, benannt nach dem Kinder-Hüpfspiel Himmel und Hölle, in der vom Autor vorgegebenen Reihenfolge und mit ergänzenden Kapiteln. Dann beginnt man bei Kapitel 73, gefolgt von 1 und 2, springt dann auf 116 und zurück auf 3 und so geht es fort über insgesamt 636 Seiten. Diese zusätzlichen Kapitel ergänzen mit vertiefenden Gedanken, Überlegungen, Bewusstseinsströmen, aber auch Ausflügen in die Literatur, natürlich nicht willkürlich, sondern immer im Zusammenhang mit den ursprünglichen Kapiteln und auch immer wieder in die Reihenfolge 1 – 56 zurückkehrend. Die praktische Umsetzung ist einfach, am oberen Rand von jeder einzelnen Seite sieht man (in meiner TB-Ausgabe) gegenüber der Seitenzahl die Nummer des Kapitels und am Ende eines Kapitels steht die Nummer des Kapitels, welches als nächstes gelesen werden soll. Deshalb kann man auf meinem Foto vielleicht die beiden Lesezeichen erkennen, eines beim jeweiligen Ausgangskapitel, das zweite nach dem Buchende Kapitel 56 und somit am Beginn aller zusätzlichen Kapitel – meine Idee, mir das durch das Buch Springen, in dem Fall Blättern, zu vereinfachen.

Es ist ein literarisches, sehr ungewöhnliches Kapitel-Springen, ein Labyrinth, das auch sprachlich und inhaltlich eine Herausforderung ist. Keine Lektüre „für zwischendurch“, wenn man sich entscheidet, dem Wegweiser des Autors durch das ganze Buch zu folgen, aber es lohnt sich, so viel kann ich schon jetzt, etwa in der Buchhälfte, sagen.