Ein Haus und geteilte Leben: Teil zwei der Familiengeschichte von Rügen – Christiane Töllner

AutorChristiane Töllner
Verlag EDITION POMMERN
Erscheinungsdatum 10. August 2022
FormatTaschenbuch
Seiten230
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3939680710

„Aber als ein Haus ohne Gäste erreicht mich das Geschehen im Ort längst nicht mehr so wie früher. So geht diese Saison ziemlich an mir vorbei. Es fühlt sich an, als hätte es sich ausgesommert.“ (Zitat Seite 35)

Inhalt

Nach der „Aktion Rose“ am Beginn des Jahres 1953 sind Otto und Alma auf ihrer Flucht in Berlin angekommen und leben dort unter sehr bescheidenen Umständen. Das Haus vermisst sie sehr und sie vermissen ihre Heimat Rügen. Auch ihr Sohn Horst musste mit seiner Frau Rosi Greifswald verlassen, in den Westen fliehen. Er bewirbt sich um eine Stelle als Dozent auf Schloss Bieberstein in der Rhön, die er auch erhält. Immer mehr Freunde und Bekannte verlassen die DDR, das Haus beobachtet mit Sorge, wie es in Sellin leiser wird. Doch dann nimmt auch hier das Leben wieder Fahrt auf, wenn auch völlig anders als bisher. Das Haus wurde in kleine Wohneinheiten unterteilt und diese einzeln vermietet. Die Jahre vergehen, nun gibt es Radio und Fernsehen, und so ist auch das Haus über die aktuellen Ereignisse informiert, denkt darüber nach, es sind viele Themen: von der Politik, über das Tagesgeschehen, Kultur, bis zu den wichtigen Sportereignissen. Nach der Wende wartet das Haus sehnsüchtig auf Horst und Rosi, bis es im Jahr 1993 endlich so weit ist. Genau einhundert Jahre nach dem Bau des Hauses stehen sie nach mehr als vierzig Jahren zum ersten Mal wieder vor dem Haus und überlegen. Wird es ein neues Kapitel für das Haus „Helene“ geben?

Thema und Genre

Dieses Buch ist der zweite Teil der Geschichte des Hauses „Helene“ in Sellin auf Rügen und die damit verbundene Geschichte der Familie Töllner.

Charaktere

Der Erzähler ist das Haus 1903 erbaute Haus. Vor allem jedoch ist es die Geschichte der Menschen aus mehreren Generationen. Es sind Familienmitglieder, Freunde und Bekannte der Familie der Autorin.

Handlung und Schreibstil

Wie bereits im ersten Teil der Familiengeschichte ist es das Haus, das beobachtet, über die Beobachtungen und Informationen nachdenkt und diese erzählt. Es ist eine lebhafte, facettenreiche Mischung. Schilderungen des Alltags in der DDR, gleichzeitig auch in der Bundesrepublik, das Leben auf beiden Seiten der Mauer, werden mit der jeweils relevanten politischen und wirtschaftlichen Situation verknüpft. Auch über kulturelle Ereignisse berichtet das Haus und besondere Ereignise wie den Katastrophenwinter 1979 und so wird auch die Geschichte des Ostseebades Sellin und der Insel Rügen Teil der Handlung.

In der zweiten Hälfte des Buches geht es um das wiedervereinigte Deutschland, die Unsicherheiten in den Jahren danach und die  Veränderungen. Ein architektonisch interessantes Kapitel zeigt Bilder des baulichen Zustandes der  einzelnen bekannten Häuser nach der Wende und heute, nach umfassenden Erhaltungsarbeiten. Anekdoten, Briefausschnitte und viele Fotografien ergänzen den Text. Im Anhang am Buchende finden sich der Stammbaum, das Abbildungsverzeichnis und eine ausführliche Quellenangabe.

Fazit

Eine facettenreiche, packende Reise durch die letzten siebzig Jahre Zeitgeschichte Sellins, der Insel Rügen und Deutschlands, und gleichzeitig ein Streifzug durch die zeitlose, beeindruckende Schönheit der Natur dieser Insel. Wer diese wechselvollen Jahre erlebt hat, wird durch dieses Buch sicher auch in eigene Erinnerungen zurückgeführt. Für die jüngere Generation, die Urlaubsgäste aus allen Teilen Deutschlands und Europas, oder eine Wienerin auf Rügen wie mich, bietet dieses Buch eine Fülle von neuem Wissen, eindrücklich und persönlich berichtet, aus einer originellen Erzählperspektive geschildert, und mit unterhaltsamer Leichtigkeit zu lesen.  

Die Welt ist voller Sommer, Eine Familiengeschichte von Rügen – Christiane Töllner

AutorChristiane Töllner
Verlag EDITION POMMERN
Erscheinungsdatum 23. März 2020
FormatTaschenbuch
Seiten208
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3939680574

„Seit mehr als hundert Jahren bin ich mal Mittelpunkt dieser Geschichte, mal Zuschauer, mal ganz nah, dann abgeschnitten und weit entfernt. Ich habe während dieser Zeit Vieles erlebt, erfahren, gesehen und gelernt. Ich möchte sie jetzt gerne erzählen.“ (Zitat Seite 5)

Inhalt

Fritz Töllner hatte 1899 in Sellin zunächst die Villa Hedwig gebaut, doch diese war rasch zu klein geworden und so hat er sie drei Jahre später wieder verkauft und auf einem 2.000 m2 großen Grundstück 1903 die Villa Helene gebaut, ein neues Haus für die Familie, mit Fleischerei und Pensionszimmern für Sommergäste. Dieses Haus erzählt die abwechslungsreiche Geschichte der Familie Töllner.

Thema und Genre

Diese biografische Familiengeschichte ist gleichzeitig die Geschichte der Entwicklung des Bädertourismus und der Seebäder am Beispiel des Ortes Sellin. In diesem ersten Band stehen die Jahre 1903 bis 1953 im Mittelpunkt.

Handlung und Gestaltung

Es ist das Haus selbst, das sich an die wechselhafte Geschichte erinnert, beginnend mit dem Jahr 1903, gefolgt von dem kalten Winter 1904 und dem gespannten Warten auf die ersten Sommergäste und den Beginn der Saison im Frühling. Es folgt der Bau der ersten Seebrücke im Jahr 1906 und die erfolgreiche Entwicklung der Seebäder. Zwei Weltkriege und die mühevolle, entbehrungsreiche Zwischenkriegszeit hat diese Familienvilla gut und sicher überstanden, bis zu jenen Schicksalstagen der Aktion Rose im Frühjahr 1953, denen sich die Familie Töllner in letzter Minute durch die Flucht in den Westen entziehen kann.

Es sind Bücher wie dieses, das die Geschichte wirklich spannend und erlebbar machen. Dieses Alltagsleben von Menschen wie du und ich, mit den glücklichen und traurigen Tagen, versetzt uns beim Lesen in diese Zeit zurück. Wir erleben den Beginn des Bädertourismus, den Aufstieg von Sellin im Schatten von Binz, aber auch damals schon ruhiger, mit mehr Persönlichkeit und Flair.

Woher kann ein Haus dies alles wissen? Die Autorin löst das auf eine originelle, plausible Art. Das Haus ist ein interessierter Zuhörer und Beobachter. „Ich höre nicht nur die Stimmen von Familie Töllner innerhalb meiner etwas mehr als vier Wände, sondern der Wind trägt mir über die Dächer und Gärten der anderen Häuser außerdem den neuesten Tratsch und Klatsch und Wichtigkeiten durch Fenster und Türen.“ (Zitat Seite 28).

Viele Fotografien, Dokumente, Originaltexte und ein genau recherchierter, geschichtlicher, internationaler Hintergrund ergänzen die erzählte Familiengeschichte.

Fazit

Ein Leseerlebnis nicht nur für Menschen, die hier leben und aufgewachsen sind, und Menschen, die ihren Urlaub an der Ostsee und vielleicht sogar auf der schönen Insel Rügen verbrinden, sondern auch für die interessierte jüngere Generation. Es sind diese Geschichten der Vorfahren, die nicht verloren gehen dürfen, sondern erzählt und angehört werden sollen. Ich musste beim Lesen dieser packend und lebhaft erzählten Lebensgeschichte einer Familie an ein Zitat des bekannten Autors Alessandro Baricco (Novecento, Piper Verlag, Seite 19) denken: „Du bist nicht wirklich aufgeschmissen, solange du noch eine gute Geschichte hast und jemanden, dem du sie erzählen kannst.“