Samson und Nadjeschda – Andrej Kurkow

AutorAndrej Kurkow
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 27. Juli 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinnenSabine Grebing, Johanna Marx
ISBN-13978-3257072075

„Dem musste er einfach zustimmen. Und erkannte plötzlich, dass manchmal das Denken störte. Genau dann, wenn man nur ohne zu überlegen etwas Wichtiges tun konnte. (Zitat Seite 211)

Inhalt

Am 11. Mai 1919 ermorden Kosaken Samsons Vater. Er selbst entkommt verletzt, doch dieser Tag verändert sein Leben für immer. Als kurze Zeit später der Schreibtisch seines Vaters requiriert wird, folgt er dem Möbelstück in das Milizrevier. Den unrechtmäßig beschlagnahmten Schreibtisch erhält er zwar nicht zurück, dafür aber einen Posten bei der Polizei, an seinem Schreibtisch. Seine Aufgabe ist es, Diebstähle zu bekämpfen und die Ordnung zu hüten. Er entdeckt einige Kisten mit von Rotarmisten eindeutig unrechtmäßig beschlagnahmtem und nicht abgeliefertem Diebesgut und auf Grund der Besonderheit einiger Gegenstände beginnt er zu recherchieren.

Thema und Genre

Dieser sozialkritische, politische Kriminalroman spielt in Kiew, im Jahr 1919, mitten in der Zeit der politischen Umbrüche. Es geht um das Leben der Menschen in dieser gefährlichen, unsicheren Zeit, um Armut, Korruption, aber auch um Anständigkeit, Freundschaft und die Liebe.

Charaktere

Samson glaubt an die Ordnung, das Recht und ist überzeugt von der Tätigkeit der neuen Miliz. Doch obwohl er rasch in seine Arbeit als Polizist hineinwächst, ist er auf Grund seiner Jugend etwas naiv und manchmal zu vertrauensselig. Andererseits besitzt er seit dem Anschlag eine besondere Gabe, die ihm bei seinen Ermittlungen hilft. Nadjeschda hat Pharmazie studiert, arbeitet jedoch aus Überzeugung in der Statistikabteilung des Gouvernementsbüros, sie glaubt an die Zukunft und will etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in einer politisch spannenden Zeit der Umbrüche, des Aufbruchs, doch noch herrschen große Armut und eine gefährliche Unsicherheit. Die Handlung verläuft chronologisch von Tag zu Tag. Der Autor nimmt sich Zeit, nicht nur Samsons Ermittlungen und Erlebnisse zu schildern, sondern auch die unterschiedlichsten Menschen, die Samson dabei trifft und die alltäglichen Lebensumstände und Probleme dieser Zeit. Als Schauplatz wählt er die Stadt Kiew, die in diesem bedeutungsvollen Jahr 1919 im Mittelpunkt der Kämpfe unterschiedlicher Gruppierungen und politischer Umstürze stand. Genau diese Themen bilden die wichtige, abwechslungsreiche Handlung, die den Kriminalfall umschließt.

Fazit

Ein interessanter historischer Kriminalroman, der in einer Zeit der Unruhen, Straßenkämpfe und politischen Umbrüche in der Stadt Kiew spielt. Der junge Polizist Samson Koletschko, eigentlich studierter Elektromaschinenbauer, ermittelt in seinem ersten Kriminalfall. 

Die blaue Liste: Denglers erster Fall – Wolfgang Schorlau

AutorWolfgang Schorlau
Verlag KiWi-Taschenbuch
Erscheinungsdatum 15. März 2005
FormatTaschenbuch
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462034790

„Die Möglichkeit, die du gerade genannt hast, war für uns nicht relevant. Es ist unwahrscheinlich – aber ich kann es nicht ausschließen.“ (Zitat Seite 142)

Inhalt

Georg Dengler, ein erfolgreicher, kompromisslos ehrlicher Ermittler beim BKA Wiesbaden legt sich mit seinen Vorgesetzten an und verlässt das BKA. Um näher bei seinem kleinen Sohn zu sein, zieht er nach Stuttgart und startet einen Neubeginn als Privatermittler. Sein erster Auftrag betrifft ein Ereignis, das bereits zwölf Jahre zurückliegt. Es geht um den Absturz der Lauda-Air Maschine über Thailand am 26. Mai 1991, bei dem auch der Vater der Lebensgefährtin des Auftraggebers ums Leben kam. Dieser, der Wirtschaftswissenschaftler Paul Stein, hatte  seine Tochter  kurz nach dem Abflug der Maschine angerufen, weil er das Flugzeug verpasst hatte. Doch dann steht sein Name doch auf der Liste der Toten, identifiziert vom BKA. Leicht verdientes Geld, denkt Dengler, und nimmt den Auftrag an.

Thema und Genre

Dieser Politthriller handelt von nie schlüssig aufgeklärten Ereignissen im Zusammenhang mit der Treuhandanstalt, die nach der Wende die wichtigen Betriebe der ehemaligen DDR verwalteten sollte, wobei die Interessen der einzelnen Vorstandsmitglieder zwischen Erhalt und Sanierung einerseits, und sofortigem Verkauf andererseits, einander widersprachen. Ein Thema ist auch die Ermordung des damaligen Präsidenten der Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder,  am 1. April 1991, zu der sich zwar die RAF bekannte, aber Täter und Motiv unklar blieben.

Charaktere

Georg Dengler ist ein brillanter Ermittler, der logische Zusammenhänge erkennt, die andere vor ihm nicht gesehen haben. Oder aber bewusst nicht sehen wollten, weil rasch die passenden Ermittlungsergebnisse präsentiert werden mussten. Doch genau in diesen Fällen ist Dengler nicht bereit, wegzusehen und zu schweigen.

Handlung und Schreibstil

Da Teile der Handlung in der Vergangenheit liegen, gibt es mehrere Erzählebenen, die abwechselnd und in sich chronologisch geschildert werden. Zusätzliche Details in Form von Erinnerungen ergänzen die Ereignisse. Die intensive Recherche führt zu einer absolut glaubwürdigen Geschichte, in der sich Fakten und fiktive mögliche Versionen, reale und fiktive Figuren, zu einem nachvollziehbaren, spannenden und sehr interessanten Ganzen verbinden. Denglers Liebe zum Blues und zu gutem italienischen Essen ergänzen die Handlung sympathisch und lockern sie auf. Der Humor des Autors zeigt sich auch in der Gestaltung seiner Figuren. Denglers neuer Wohnungsnachbar ist Martin Klein. Mit seinen Kriminalromanen mit Privatdetektiven hatte Klein keinen Erfolg, also verfasst er Horoskope für Tages- und Frauenzeitungen und lebt sehr gut davon. „Wenn Sie also jemals einen Kriminalroman schreiben, wählen Sie nie einen private eye als Helden.“, erklärt er Georg Dengler auf Seite 93.

Fazit

Ein facettenreicher politischer Kriminalroman, der Fiktion und bekannte Fakten zu einer spannenden, brisanten Geschichte mixt, die immer im Bereich des absolut Möglichen bleibt.  

Der Schwur – Sunil Mann

AutorSunil Mann
Verlag GRAFIT
Erscheinungsdatum 24. Februar 2020
FormatTaschenbuch
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3894256760

„Die Madames zahlen ihren Schützlingen die Reise aus einem afrikanischen Land und schlagen großzügig Provision drauf. Hier werden sie dann mit der Realität konfrontiert.“ (Zitat Seite 162)

Inhalt

Als die Flugbegleiterin Marisa Greco durch Zufall Bashir Berisha kennenlernt, Türsteher in einem Klub und Privatdetektiv, erkennt sie das Potenzial, um mehr aus seiner Detektei zu machen. So entsteht die gemeinsame „Agentur für unliebsame Angelegenheiten“. Rasch haben sie erste, wenn auch sehr unterschiedliche, Aufträge. Dann kommt die Nigerianerin Joy zu ihnen. Ihre jüngere Schwester Faith ist auf dem Weg nach Europa und Joy will mit allen Mitteln verhindern, dass Faith hier ihr Schicksal teilt. Bashir muss Joys Koffer aus einer Wohnung holen, denn ihr Reisepass war ihr vor Jahren abgenommen worden und befindet sich, zusammen mit ihren alten Sachen, in diesem Koffer. Bashir bekommt den Schlüssel und muss pünktlich, auf die Minute genau, vor Ort sein. Alles geht glatt, doch als Bashir den beschriebenen Schrank öffnet, in dem Koffer auf Koffer gestapelt sind, sieht er zwei rosa Koffer. Bashir hört Schritte, die Zeit drängt, er nimmt einfach beide Koffer mit und löst damit eine Reihe von lebensgefährlichen Ereignissen aus.

Thema und Genre

In diesem politischen Kriminalroman geht es um aktuelle Themen wie die internationale Flüchtlingspolitik, Menschenhandel, Unterdrückung und Gewalt an Frauen, Politik und politischen Populismus, und die Szene der Verbrecherorganisationen in Zürich.

Charaktere

„Er eher wortkarg und ernst – manchmal zu wortkarg und ernst, wie Marisa findet -, sie lebenslustig und redselig – manchmal zu redselig, wie Bashir findet -, sie hat Fantasie, er analytisches Denkvermögen, sie hat den guten Geschmack, er verfügt über technisches Geschick.“ (Zitat Seite 48) Besser als der Autor selbst kann man die beiden Hauptfiguren nicht beschreiben. Seine unterschiedlichen Figuren werden beim Lesen sofort lebendig, sehr treffend beobachtet und realistisch ist zum Beispiel auch Andrea Graf beschrieben, die ehrgeizige Politikerin.

Handlung und Schreibstil

Der Zeitrahmen ist straff und knapp, die Abläufe nachvollziehbar. Die packende Handlung zeigt die intensive und extrem genaue Recherche, das Fachwissen, nicht nur die Situation in der Schweiz betreffend, sondern auch im Hinblick auf die internationalen Vorgänge. Die Geschichte wird in zwei unterschiedlichen Handlungssträngen erzählt, im ersten wird der Weg von Faith geschildert, einem Mädchen aus Nigeria auf dem beschwerlichen, von Schleppern organisierten Weg nach Europa, die versprochene Arbeit als Friseurin gibt Hoffnung. Diese Ereignisse beginnen bereits Monate vor der zweiten Geschichte, in der es um das aktuelle Geschehen in Zürich geht, wo einerseits das Detektivteam Marisa und Bashir, sowie Joy im Mittelpunkt stehen, andererseits, davon getrennt, eine weitere Geschichte, in deren Mittelpunkt Andrea Graf steht, die nach einer Pause politisch wieder durchstarten will. Die einzelnen Handlungsstränge werden abwechselnd erzählt und ergeben, in Verbindung mit erklärenden Fakten und privaten Episoden der beiden Ermittler, eine komplexe, sehr spannend zu lesende Geschichte.

Fazit

Ein packender, komplexer politischer Kriminalroman mit brisanten aktuellen Themen und kompetent recherchierten Hintergründen.

Das Gebot – Sunil Mann

AutorSunil Mann
Verlag GRAFIT
Erscheinungsdatum 23. März 2021
FormatTaschenbuch
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3894257743

„Sie müssen ihn aufhalten, unbedingt! Der Mann ist eine tickende Zeitbombe, eine Gefahr für das ganze Land!“ (Zitat Seite 128)

Inhalt

Die Agentur für unliebsame Angelegenheiten der Geschäftspartner Marisa Greco und Bashir Berisha hat nach dem coronabedingten Lockdown kaum Aufträge. Beide Privatermittler nützen diese Zeit, in der die Agentur ruht, für persönliche Recherchen. Bis Marisa einen Anruf von Bashir erhält, sie haben einen neuen Auftrag. Das vermögende Ehepaar Bodmer hat zuletzt vor drei Jahren und vier Monaten etwas von ihrem Sohn Erich gehört, einige Monate zuvor war er auf eine Weltreise aufgebrochen. Nun hat er in Zürich Geld abgehoben. Marisa und Bashir sollen Erich finden. Rasch ergeben erste Ermittlungen in Erichs Freundeskreis, dass Erich sich plötzlich intensiv und verbissen mit dem Islam beschäftigt hat, neue Freunde gefunden, und seither in Syrien für den IS kämpft. Jetzt ist er zurück, untergetaucht, und je näher die beiden Privatermittler seinen Spuren kommen und Schritt für Schritt die Zusammenhänge aufdecken, desto gefährlicher und realer wird die Bedrohung für sie, und nicht nur für sie.

Thema und Genre

In diesem politischen Kriminalroman geht es um die Radikalisierung junger Menschen und um die Hintergründe, die dazu führen, dass diese zu fanatischen Kämpfern für den Islam werden. Auch Politik und Waffenlieferungen sind Themen.

Charaktere

Die verwitwete Marisa sorgt alleine für ihren Sohn Luca. Der Unfalltod ihres Mannes vor mehr als zwei Jahren hat sie mit einigen offenen Fragen zurückgelassen. Bashir war fünfzehn Jahre alt, als er von seinem gewalttätigen Vater aus der elterlichen Wohnung geworfen wurde und heute noch versucht er, seine Mutter vor diesem Mann zu schützen, auch gegen ihren Willen. Die beiden sind ein sympathisches Team und sind, ebenso wie alle weiteren Figuren dieser Geschichte, authentisch und realistisch, ihre Handlungen nachvollziehbar. Man spürt beim Lesen, dass sich der Autor einfühlsam und intensiv mit menschlichen Verhaltensweisen auseinandersetzt.

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Handlung spielt in der Zeit zwischen Ende März und der zweiten Aprilhälfte in Zürich und wird durch einen parallel verlaufenden Erzählstrang ergänzt, der Episoden in Syrien schildert. Auch die aktuellen Ereignisse betreffen zunächst unterschiedliche Themenkreise, einerseits die Vorbereitungen des IS-Rückkehrers, die Ermittlungsarbeit des Agentur-Teams, und andererseits die Tätigkeit der Politikerin Andrea Graf, die heuer Ehrengast beim Zürcher Sechseläuten ist und in einer anderen Sache ebenfalls die Agentur mit Nachforschungen beauftragt hat. Der knappe Zeitrahmen und die in Details einfließenden, immer neuen Informationen, bis sich schließlich die Handlungsstränge schließen, ergeben eine packende, brisante, sehr genau recherchierte Geschichte. Ausführliche Dialoge, in denen der Autor auf die Problematik seiner Themen aufmerksam macht, und die interessanten Erklärungen zum Sechseläuten, dem traditionellen Frühlingsfest in Zürich, ergänzen die straffe Handlung.

Fazit

Ein vielschichtiger, interessanter gesellschaftspolitischer Kriminalroman mit aktuellen Themen und einem authentischen, sympathischen Ermittlerteam, packend erzählt.