Wintermeer und Dünenzauber – Tanja Janz

AutorTanja Janz
Verlag HarperCollins
Erscheinungsdatum 22. September 2020
FormatTaschenbuch
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3959675512

„Vorsichtig schwenkte sie das Glasgefäß hin und her und roch nach einer Weile an der Mischung. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. So rochen Agatha-Christie-Bücher für sie.“ (Zitat Pos. 2060)

Inhalt

Nach drei Jahren Gran Canaria kehrt Jana im November die Nordsee zurück. In ihrem Heimatort St. Peter-Ording eröffnet sie gemeinsam mit ihrer Freundin Pütti einen Wohlfühlladen. Pütti ist für das Backen von speziellen Kuchen, Keksen und für die köstlichen wärmenden Getränke zuständig. Jana mischt wie schon in Spanien ganz besondere Düfte, wohltuende Kräuteröle und erzeugt auch die entsprechenden Seifen und Duftkerzen. Auf der anderen Straßenseite liegt der Bücherladen „Bookbantje Truels“ von Ayk Truels, in den sie in der Schulzeit heimlich verliebt war. Bücher und Düfte – passt das zusammen?

Thema und Genre

In diesem Wohlfühlroman geht es um Freundschaft, Familie, Kräuterwissen, die raue Schönheit der Nordsee im Winter und natürlich um die Liebe.

Charaktere

Jana und Pütti sind schon seit der Kindheit beste Freundinnen und so unterschiedlich sie sind, eines haben sie gemeinsam: sie wissen, was sie wollen, sind zielstrebig, kreativ und können zupacken. Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden.

Handlung und Schreibstil

Die gemütliche Geschichte spielt im Winter an der Nordsee. Die Ereignisse, in deren Mittelpunkt die beiden Hauptfiguren und ihr neuer Laden stehen, werden durch Janas Erinnerungen an ihre Oma ergänzt. Beim Lesen träumen wir uns in das romantische St. Peter-Ording zur Weihnachtszeit. Die lebhaften Schilderungen der Handlungsorte und Landschaften und die treffend beschriebenen Personen zaubern uns rasch die entsprechenden Bilder in die Gedanken. Die Sprache ist flüssig und angenehm zu lesen und entspricht dem Genre.

Fazit

Ein lockerer, gemütlicher Wohlfühlroman, der uns bei Tee und Kerzenschein zum Lächeln bringt. Perfekt für kuschelige Lesestunden in der Vorweihnachtszeit.  

Aus der Zuckerfabrik – Dorothee Elmiger

AutorDorothee Elmiger
Verlag Carl Hanser Verlag
Erscheinungsdatum 17. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3446267503

 „Wenn ich meine Hefte und Kopien durchblättere, die Abbildungen, Schemata und Fotografien, wenn ich die im Verlauf der vergangenen Monate erstellten Dateien öffne, sehe ich keinen Pfad, keine sich an den Rändern überlagernden, aufeinander hinweisenden Bilder, Illuminationen, sondern einen Platz, einen Punkt, von dem ich vor vier oder fünf Jahren ausgegangen bin; seither habe ich alles, was mir in die Hände fiel, alles, was ich so sah, das in einem Zusammenhang mit diesem ersten Ort zu stehen schien, dorthin zurückgetragen und vorläufig abgestellt auf diesem weitläufigen Platz.“ (Zitat Pos. 45)

Inhalt

Eine Ich-Figur, Schriftstellerin, sieht einen Dokumentarfilm über den ersten Schweizer Lottomillionär Werner Bruni und eine Szene, eine Versteigerung, ist einer der Auslöser für viele Fragen, die sich daraus ergeben. Der symbolische Gang durch ein Gestrüpp, am Beginn und am Ende des Buches steht für die immer neuen Verästelungen und Themen, die in Fragmenten auftauchen, durch neue Gedankenverbindungen unterbrochen und dann später irgendwann weitergeführt werden. Daraus ergibt sich ein vielfältiges Mosaik aus Themen und Fragen unserer Gesellschaft und Zeit.

Thema und Genre

An einer Stelle des Buches stellt die Ich-Figur fest, ihr Buch sei kein Roman, sondern ein Recherchebericht. Es geht um Zucker, als Metapher für Gier, Ausbeutung aus wirtschaftlichen Gründen, Geldgier, aber auch für Gier im Sinne von Begierde, die Sehnsucht nach Süßem, nach Liebe.

Handlung und Schreibstil

Es sind Fragmente, Geschichten, die zwischen den Jahrhunderten pendeln, Szenen und Auszüge aus Biografien, aus bekannten literarischen Werken, teilweise neu gedeutet und neu verknüpft. Von der Schweiz an die amerikanische Ostküste, mit Max Frisch nach Montauk, nach Port-au-Prince, zu den Sklaven auf den Zuckerplantagen auf Haiti, führt die Reise kreuz und quer, dokumentiert durch Notizen der Recherchen in Bibliotheken, dazwischen Tagebucheinträge, manchmal nur in Stichworten, Textauszüge und Originalzitate in mehreren Sprachen, die sich immer wieder neu um den Grundbegriff „Zucker“ ergeben, ohne Ordnung und dennoch irgendwie geordnet. „Jetzt alles noch einmal revidieren: Zu allen Dingen ein letztes Mal zurückkehren, sie ins Licht halten, befragen.“ (Zitat Pos. 2690)

Eine literarische Achterbahnfahrt, manchmal episch schildernd, langsam sich steigernd, dann atemlos rasch, Satzteile, Ereignisse über Zeilen aneinandergereiht, weil ja auch in der Realität viele Dinge immer gleichzeitig geschehen, dazu kommen noch die sich dazu aufdrängenden Überlegungen und genau so will die Ich-Figur es auch erzählen. Das Ende? „Aber wenn du glaubst, es gebe ein Ende, dann täuschst du dich.“ (Zitat Pos. 2529)

Fazit

Ein ungewöhnliches Buch, das eine der Facetten der aktuellen Gegenwartsliteratur zeigt, komplexe Themen, kritische Fragen unserer Zeit in eine neue Form des Erzählens gebracht. Keine leichte Lektüre, aber gerade wegen dieser sprunghaften Gedankenläufe, der unvorhersehbaren, breit gefächerten Geschichtenfragmente interessant und packend und nach einem ersten erstaunten, etwas verwirrten Innehalten las ich mit neugieriger Begeisterung weiter, gespannt, wohin mich die nächste Seite führen würde.

Über allem und nichts – Gunther Neumann

AutorGunther Neumann
Verlag Residenz Verlag
Erscheinungsdatum 18. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3701717262

„Alte Kreise öffnen sich, mit der Zirkelspitze am Staffelsee. Sri Lanka. Ozean., kein See. All die Jahre hatte sie die Kreise immer weiter gezogen, der Kern der hart gewordenen Erinnerung hatte dabei festgesteckt.“ (Zitat Pos. 2714)

Inhalt

Clara Fink, bald siebenunddreißig Jahre alt, träumte schon als Kind von fernen Ländern, grenzenloser Freiheit und vom Fliegen. Heute ist sie Berufspilotin bei einer spanischen Billigfluglinie, als Copilotin für Maschinen wie die Boing 777 ist sie ehrgeizig und zielorientiert auf dem Weg zur Beförderung zum Flugkapitän. Die knappen Stunden zwischen den Flügen reichen nicht aus, um irgendwo innezuhalten und so wie zwischen den unterschiedlichen Destinationen rund um den Globus, pendelt sie auch im Privatleben ruhelos zwischen zwei Männern: Matthias, Anwalt in München, der sie umsorgt und sich mehr gemeinsame Zeit wünscht, wodurch sie sich eingeengt fühlt, und dem dominanten, manipulativen Gabrio Estevez in Madrid, ihrem ehemaligen Fluglehrer. Als sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kommt, nimmt sie zwei Wochen Urlaub, findet ein günstiges Ticket nach Colombo, packt ihre Sachen in Motorrad-Satteltaschen und fliegt auf die Insel, die sie seit elf Jahren gemieden hat. Diese Reise durch das noch immer vom Bürgerkrieg gezeichnete Sri Lanka wird für sie eine Reise durch ihr bisheriges Leben, Zeit, sich ihren verdrängten Erinnerungen zu stellen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um prägende Erfahrungen und das Schweigen darüber, Familie, Beziehungen. Wichtige Themen sind die Situation von erfolgreichen Frauen in männerdominierten Berufen und Sri Lanka als Beispiel steht für globale Konfliktsituationen, Bürgerkriege als Gegenpol zu großartiger Natur.

Charaktere

Das Leben der Pilotin Clara ist von moderner Rastlosigkeit geprägt. Von der Großmutter hat sie gelernt, dass man über schlimme Erlebnisse nicht spricht, dieses Schweigen bestimmt Claras Leben. Sie wird Pilotin, weil sie die Welt sehen will, aber im intensiven Berufsalltag sieht sie nur mehr die austauschbaren Flughäfen. Erst als ihre Erinnerungen ihr bis ins Cockpit folgen, erkennt sie, dass sie sich der Vergangenheit stellen muss.

Handlung und Schreibstil

Der Roman beginnt mit ihrem Flug nach Sri Lanka am Anfang ihres vierzehntägigen Urlaubs. Vor elf Jahren war Sri Lanka ihre erste Tropendestination als Flugbegleiterin gewesen. Damals war der Tamile Surya, eigentlich Lehrer, ihr Fahrer gewesen, der ihr die Insel gezeigt und über dieses Land erzählt hatte. Jetzt mietet sie nach der Landung in Colombo ein Motorrad und beginnt ihre Reise über die Insel. Die chronologisch erzählte Jetztzeit mit Schilderungen der Landschaft und der Menschen, die Clara begegnen, wird durch Erinnerungen unterbrochen. Es sind Bruchstücke ihres Lebens, die ungeordnet auftauchen, dazwischen Träume, Sehnsüchte, Gedankenkreise, die Männer in ihrem Leben. Ihre stillen Beobachtungen der tropischen Natur enden in Parallelen zu ihrer Kindheit, ihre Familie, Sommer am Staffelsee. Blumen führen ihre Gedanken zu Gabrio, zu Matthias, verbunden damit ihr erfolgreicher beruflicher Werdegang. Sie verlängert den Urlaub um einige Tage, doch die Hoffnung auf einen Neubeginn endet bei den Vorsätzen.

Die eindrückliche Sprache wechselt zwischen poetischen Schilderungen und rasant-kurzen Momentaufnahmen, man spürt die atemlose Getriebenheit der Hauptfigur. Diese Mischung zieht uns Leser rasch in den Sog dieser Geschichte einer starken, im Beruf zielorientierten Frau, die im realen Leben eine Suchende, eine rastlose Nomadin bleibt.

Fazit

Es ist beeindruckend, wie es auch diesem Autor der modernen Gegenwartsliteratur gelingt, eine kraftvolle, lebendige, absolut authentische Frauenfigur zu schaffen und ihre Geschichte einfühlsam, intensiv, packend und glaubhaft zu erzählen, verbunden mit einer bildgewaltigen Reise und Sprache.

Final Control – Veit Etzold

AutorVeit Etzold
Verlag Droemer TB
Erscheinungsdatum 1. Oktober 2020
FormatTaschenbuch
Seiten480
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3426307090

„Es gibt kein richtiges Handeln im falschen.“ (Zitat Seite 257)

Inhalt

Die zweite Heimat des Mediziners Tom Bayne ist Shenzhen, Sonderwirtschaftszone, Sitz bedeutender ausländischer Investoren. Seine Firma CUMO arbeitet im Bereich medizinischer Start-ups und er braucht dringend einen Investor. Die Chinesen sind sehr an seiner innovativen Cure-Mobile App in Kombination mit einem Chip interessiert, doch Tom entscheidet sich für den Milliardär Dairon Arakis, der ihn als persönlichen Betreuer engagiert. Dann überschlagen sich die Ereignisse, Toms App zeigt eigenartige Werte in Verbindung mit Fake News, in der Schweiz gibt es ein Seebeben, die italienischen Banken stehen vor dem Zusammenbruch und drohen die gesamte Eurozone mitzureißen. Die NSA macht Tom ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.

Thema und Genre

In diesem Polit-Thriller geht es um modernste technische Lösungen für die umfassende Überwachung, nicht nur der virtuellen Daten, sondern auch des realen Lebens der Menschen. Themen sind die aufstrebende Weltwirtschaftsmacht China und das uneinige, zögerliche Europa, sowie weltweite Finanztransaktionen.

Charaktere

Tom Bayne ist in Deutschland und China zu Hause, ein deutscher Vater und eine englische Mutter machen ihn zu einem international denkenden Menschen. Auf der Suche nach einem Investor für seine innovative App im Bereich Medical Big Data und der Wahl zwischen der höchst interessierten chinesischen Regierung und einem privaten Global Player, Milliardär und Investor, steht er plötzlich im Zentrum einer brisanten Mischung aus internationaler Hochfinanz und internationaler Politik mit durchaus unterschiedlichen Interessen, deren Spielball Europa ist.

Handlung und Schreibstil

Dieser packende Thriller spielt in einer straffen Zeitspanne. Die unterschiedlichen Handlungsorte liegen in China, Amerika, Deutschland, Großbritannien, Italien, Schweiz, in Büros in modernsten Hochhaustürmen, Banken, Luxushotels, im Vatikan und auch in einer kleinen italienischen Trattoria. Die Geschichte selbst ist sehr genau recherchiert und zeigt das Fachwissen des Autors in den Bereichen neueste Forschung, Unternehmensstrategien, Wirtschaftsmacht China, Politik der Großmächte und internationale Finanzmärkte. Manche Entwicklungen im Bereich Digitalisierung und umfassende Überwachung sind vielleicht in dieser Form noch nicht umgesetzt, aber durchaus reale, nahe Zukunft. Trotz dieser komplexen Themen sind die Zusammenhänge klar, verständlich und nachvollziehbar geschildert, wobei der Schwerpunkt durchgehend auf der spannenden Handlung und bei den agierenden Figuren liegt. Die Sprache beschreibt, wo es um Situationen, Orte, Stimmungen und Zusammenhänge geht, und zieht rasant vorwärts, wo es um Einsatz und Action mit dem entsprechenden Zeitdruck geht.

Fazit

Ein packender Wirtschafts- und Politthriller, interessant, informativ und sehr spannend.

Die Erfindung des Countdowns – Daniel Mellem

AutorDaniel Mellem
Verlag dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum 15. September 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3423282383

 „Bei allem Respekt, Professor, aber das nimmt niemand ernst. Sie sind der beste Theoretiker, den ich kenne, und wir haben ihnen viel zu verdanken – aber wir wussten auch, mit Ihnen wird es schwierig, ein so großes Unternehmen zu leiten.“ (Zitat Seite 201)

Inhalt

Hermann Oberth wächst in Schäßburg, Siebenbürgen, als ältester Sohn eines angesehenen Arztes auf. Er ist ein begabtes, technisch sehr interessiertes Kind, liest begeistert Jules Verne und sieht seine Zukunft buchstäblich in der Zukunft, er wird eine Rakete entwickeln, die bis zum Mond fliegt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs heiratet er Tilla und beginnt gleichzeitig in Göttingen zu studieren. Als seine fertige Dissertation abgelehnt wird, bringt diese erfolgreich als Buch heraus. Ein Angebot der Sowjetunion lehnt er ab, doch 1941 holt ihn Wernher von Braun nach Peenemünde und aus der erträumten Rakete zum Mond wird eine moderne Waffe.

Thema und Genre

In diesem Roman mit biografisch-historischem Hintergrund geht es um die Pioniere der modernen Astronautik und Raketentechnik, um Wissenschaft und Forschung. Damit verbunden sind die Problematik der Entwicklung von Raketenwaffen in der NS-Zeit und die Frage nach Verantwortung und Forschungsethik.

Charaktere

Hermann Oberth ist ein Visionär und arbeitet intensiv an seinen Berechnungen, Konzepten und Konstruktionsentwürfen, bis er sicher sein kann, dass sie auch funktionieren. Für seine Ehefrau Tilla und seine vier Kinder bleibt kaum Zeit und so wiederholt er, ohne dass es ihm bewusst ist, die Fehler seines Vaters, seine Kinder bleiben ihm fremd. Als Siebenbürger Deutscher fühlt er sich Zeit seines Lebens als Deutscher und niemals als Rumäne.

Handlung und Schreibstil

Der Autor schildert das Leben des Raketenforschers und Menschen Hermann Oberth chronologisch, von seiner Kindheit in Schäßburg, Siebenbürgen, bis zum Start von Apollo 11 am 16. Juli 1969. Die nummerierten Kapitel entsprechen einem Countdown und beginnen bei Zehn, um mit dem Kapitel Null zu enden. Dies erinnert an eine Episode im Leben von Hermann Oberth, als Fritz Lang ihn 1929 als technischen Berater für seinen Stummfilm „Frau im Mond“ ins Team holt und wo der Regisseur tatsächlich die Idee mit dem Rückwärtszählen hat, um Spannung zu erzeugen. Dem Physiker und Raketenpionier Hermann Oberth und seinen visionären Entwicklungen stellt der Autor literarisch den Menschen gegenüber, den meistens abwesenden Familienvater, dessen Gedanken seine Ehefrau Tilla immer mit Formeln und Berechnungen teilen muss. Auch die Frage nach der eigenen Verantwortung in den Jahren seiner Tätigkeit für die Nationalsozialisten fließt in die Ereignisse in diesem Roman ein, jedoch nicht anklagend, sondern berichtend, fragend. Die Sprache erzählt und schildert eindrücklich und spannend.

Fazit

Ein Roman, der sich in literarischer Form mit der wenig bekannten Biografie des Visionärs und Wegbereiters der modernen Raumfahrt, Hermann Oberth, beschäftigt und sowohl den Wissenschaftler, als auch den Menschen als Resultat seiner Träume und seines Schicksals in einer bewegten Zeit zeigt.

Das Tartarus-Projekt – Gerd Schilddorfer

AutorGerd Schilddorfer
Verlag Carl Ueberreuter Verlag
Erscheinungsdatum 30. September 2020
FormatBroschiert
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3800090013

„Da war etwas, das im Hintergrund blieb, sich versteckte, wie unter einem Tarnmäntelchen, und sich ins Fäustchen lachte. Und Landorff hatte keine Ahnung, was es war.“ (Zitat Seite 84)

Inhalt

Natürlich geht der Journalist und Autor Michael Landorff auf die exklusive Party des erfolgreichen Unternehmers und Milliardärs Gregory Winter, auch wenn er keine Ahnung hat, warum er auf der Einladungsliste steht. Schon des großartigen Buffets wegen, denn obwohl seine Thriller die Leser begeistern, fehlt ihm noch immer ein Verlag. Dies will seine langjährige Bekannte Melissa Warttemberg ändern, die mit ihrer Agentur professionelle Kampagnen für bekannte internationale Großkonzerne durchführt. Als Gregory Winter am Morgen nach der Party grausam ermordet aufgefunden wird, sieht Melissa für Landorff als erfahrenen Journalisten eine einmalige Chance: er muss sofort mit der Suche nach dem Mörder beginnen, den Fall vor der Polizei aufklären und gleichzeitig darüber ein Buch schreiben. Bei der Durchsicht der Gästeliste trifft er auf Alexandra Buschmann, eine professionelle Pokerspielerin, die ebenfalls eingeladen war, ohne Gregory Winter zu kennen. Gemeinsam beginnen sie zu recherchieren, und dies wird binnen kürzester Zeit lebensgefährlich. Umgeben von Geheimdiensten mit unterschiedlichen Interessen und skrupellosen Gegnern, finden sie heraus, worum es eigentlich geht: um ein brisantes Forschungsprojekt mit dem Namen „Tartarus“, das die Welt verändern wird.

Thema und Genre

In diesem packenden Wissenschafts- und Politthriller geht es um die Forschungsbereiche KI, Drohnen als Kampfroboter, modernste Steuerungstechnik, Geheimdienste, Politik und internationale Wirtschaftsinteressen.

Charaktere

Michael Landorff ist Autor, doch er ist auch ein erfahrener Journalist mit einem entsprechenden Netzwerk. Die ersten Recherchen zeigen, dass wesentlich mehr hinter diesem Mordfall steckt, als zunächst angenommen. Jede Antwort wirft neue Fragen auf, doch er gibt nicht auf, obwohl er rasch erkennt, dass sein Einsatz sein Leben ist, denn bald weiß er zu viel. Alexandra Buschmann, studierte Mathematikerin und Wirtschaftswissenschaftlerin, recherchiert mit ihm, denn plötzlich erkennt sie ihre Verbindung zum Unternehmen des Ermordeten.

Handlung und Schreibstil

Ein Journalist und eine Pokerspielerin: die spannende Recherche führt die beiden Hauptfiguren von München aus durch Bayern bis nach Wien, und über Umwege wieder zurück, mit Gegnern aus aller Welt, die ihren Spuren folgen. Die Handlung wird in einer straffen Zeitspanne geschildert, Rückblenden ergänzen mit Details.

Man erkennt die genaue Recherche und das Fachwissen des Autors, die Geschichte ist realistisch und nachvollziehbar. Seine Geburtsstadt Wien schildert Gerd Schilddorfer, eingebunden in spannende, gefährliche Situationen, mit Charme und Schmäh abseits der Touristenrouten – wer Wien kennt, liest dies mit einem Lächeln, Wien-Neulinge finden hier ganz sicher Ideen für den nächsten Wienbesuch. Die Sprache passt perfekt zum Genre, spannend, mit einer guten Prise Humor. Die  wissenschaftlichen Erklärungen sind gekonnt in lockere Dialoge eingebaut, sodass sie verständlich und interessant zu lesen sind.

Fazit

Ein packender Thriller mit brisanten Themen und unvorhersehbaren Wendungen. Wem können wir überhaupt noch trauen?, fragen sich nicht nur die beiden sympathischen Hauptfiguren, sondern auch wir Leser*innen, denn es gibt immer wieder Überraschungen. Ein spannender Pageturner, der vergnügte Lesestunden bietet.

Sam ist weg – Sophie Bienvenu

AutorSophie Bienvenu
ÜbersetzerSonja Finck
Verlag Claassen
Erscheinungsdatum 28. September 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3546100175

„Vielleicht hat sie sich gesagt, wir treffen uns an unserem Schlafplatz, und sie hätte auch gern eine Nachricht hinterlassen, aber so was machen Hunde nicht. Sie ergreifen eher selten die Initiative, deshalb haben sie nie gelernt, wie man Bescheid sagt.“ (Zitat Pos. 394)

Inhalt

Das Leben von Mathieu war nie einfach gewesen, doch der letzte  Schicksalsschlag wirft ihn endgültig aus der Bahn und er landet er auf der Straße. Seine Hündin Sam, die ihm aus seinem früheren Leben geblieben ist, begleitet ihn auch jetzt mit ihrem stillen Vertrauen und in den Nächten wärmen sie einander, denn der Winter hat begonnen.  Doch sie haben Glück, ein Bekannter verreist über den Winter, seine leerstehende Wohnung überlässt er seiner Cousine Gabrielle und diese ist bereit, die beiden vorübergehend aufzunehmen. Da ist Sam plötzlich verschwunden. Mathieu hatte sie nur kurz vor einem Laden angebunden, in dem er öfter einkauft. Mathieu macht sich sofort auf die Suche und Gabrielle hilft ihm dabei, doch Montreal ist eine Großstadt und Sam kann überall sein.

Thema und Genre

Es geht um anonyme Schicksale in einer Großstadt, um Menschen, die durch besondere Umstände plötzlich aus ihrem Leben geworfen werden und versuchen, auf der Straße irgendwie über die Runden zu kommen. Themen sind Erinnerungen, Trauer, Verzweiflung und neue Hoffnung, Mut, und die Liebe.

Charaktere

Mathieus Kindheit ist von seiner dominanten Mutter und einem schweigsamen Vater geprägt. Sehr jung verliebt er sich in Karine, die Frau seines Lebens, die ihn und die gemeinsame Tochter Lila jedoch verlässt. Manchmal will Mathieu einfach aufgeben, doch er kann es nicht, irgendwie macht er immer weiter, gefangen in seinen Erinnerungen. Sam ist ein wichtiger Teil des früheren Lebens und darum muss er sie wiederfinden, er gibt nicht auf, folgt jeder Idee, wo er suchen könnte.

Handlung und Schreibstil

Der obdachlose Mathieu erzählt seine Geschichte selbst. Die aktuelle Handlung, die Stunden und Tage der Suche nach seiner Hündin Sam, wird in kurzen Abschnitten erzählt, die immer wieder durch seine Erinnerungen durchbrochen werden. So erfahren wir die wichtigsten Ereignisse aus seinem Leben, allerdings nicht chronologisch, sondern bruchstückhaft, kurze Geschichten und Situationen, die sich schließlich zu einem Gesamtbild über das bisherige Leben von Mathieu zusammenfügen. Die Hündin Sam ist das Bindeglied zu seinem früheren Leben und die Suche nach seiner Hündin wird für ihn auch zum Versuch, mit der Vergangenheit weiterzuleben. Die Frage, ob es ihm gelingen wird, Sam in der Metropole Montreal wiederzufinden, sorgt für Spannung und wir bangen und hoffen mit Mathieu. Die Sprache ist einfühlsam und gibt in teilweise einfachen, sehr persönlichen Sätzen nicht nur die aktuelle Situation und die Erinnerungen, sondern auch die Gedanken und Gefühle der Hauptfigur packend und glaubhaft wieder, führt uns direkt in sein Leben.

Fazit

Ein einfühlsamer, leiser, nachdenklicher Roman über die Hintergründe, die dazu führen können, einen Menschen völlig aus der Bahn zu werfen. Gleichzeitig ist es jedoch eine poetische Geschichte über das Leben, die Kraft der Liebe und den Mut, dass es irgendwie weitergeht.

Das Meer der Libellen – Yvonne Adhiambo Owuor

AutorYvonne Adhiambo Owuor
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 22. September 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten608
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832181147

„Frag dich immer: Wo will ich hin? Und wenn du es weißt, mach dich auf den Weg.“ (Zitat Pos. 882)

Inhalt

Die Insel Pate gehört zum Lamu Archipel an der Nordküste Kenias. Dort wächst Ayaana mit ihrer Mutter Munira auf. Ayaana hat viele Fragen an das Meer und als der weitgereiste, alternde Seemann Muhidin, der nun ein kleines Buchgeschäft besitzt, ihr zuhört und auf manche Fragen auch Antworten kennt, hat sie endlich einen Vater gefunden. Denn ihre Mutter Munira schweigt darüber, wer ihr richtiger Vater ist. Sie ist beinahe einundzwanzig Jahre alt, als sie als Nachfahrin einer sechshundert Jahre alten Geschichte eine Einladung nach China und ein Studienstipendium erhält. Doch die Sehnsucht nach ihrer Heimat und dem Meer bleibt und noch immer hat sie keine Antwort auf die Frage: Nhi shi shei -Wer bist du?

Thema und Genre

In diesem Coming-of-Age-Roman, der in Afrika und China spielt, geht es um die Frage, wer man ist, um Heimat, Wurzeln, Sehnsucht, menschliche Schicksale, Gewalt, Trauer, Verlust, Familie und die Liebe in vielen Facetten. Doch es geht auch um die Geschichte eines kleinen Insel-Archipels als Spielball der Mächtigen und den Kampf um die Unabhängigkeit, um den Erhalt der Natur und der eigenen Freiheit.

Charaktere

Es sind die vielschichtigen Charaktere, alle auf ihrer eigenen, unterschiedlichen Suche nach einem Platz im Leben, die diese intensive Geschichte prägen. Ayaana ist ein unabhängiges, wissbegieriges Mädchen mit vielen Fragen an die Menschen und an die Natur, die sie umgibt. Da sie keinen Vater hat, sucht sie sich selbst einen aus. Später, als junge Frau in China, bleibt sie trotz Heimweh stark und mutig, setzt Schritte, geht ihren Weg, der sie, immer noch auf der Suche, zurück nach Pate führt.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman ist fiktiv, so wie auch die Hauptfigur, Ayaana Abeerah Mlingoti. Dennoch gibt es das „China Girl“ und die Fakten dazu wirklich und daraus, sowie dem realen historischen Hintergrund, entstand diese Geschichte.

Die Handlung beschreibt das Leben von Ayaana beginnend in ihrer Kindheit, bis sie eine erwachsene junge Frau ist. Damit verbunden sind die Geschichten der Menschen, die sie auf diesem Weg begleiten oder ihren Weg kreuzen, aktuell und in Rückblenden. Die politischen Ereignisse sorgen für Spannung und unvorhersehbare Wendungen, welche die aktuelle Handlung beeinflussen. Es ist eine vielschichtige, interessante und lebendige Geschichte, welche das packende Geschehen und Schicksale der Hauptfiguren verknüpft.

Die Sprache ist eindrücklich und sehr poetisch, die Beschreibungen malen Bilder aus einer phantastisch bunten Farbpalette.

Fazit

Ein intensiver, packender Roman, farbenprächtig, lebensbejahend und gleichzeitig stürmisch und dunkel vor Trauer und Verlust, wie das Leben. Eine großartige Geschichte und ein spannender Einblick in die moderne afrikanische Literatur.

Das Haus an der Keizersgracht – Rinske Hillen

AutorRinske Hillen
Verlag Schöffling & Co.
Erscheinungsdatum 21. Juli 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895613678

„Die Zeit, in der sie dachte, sie könnte mit einer komfortablen Lüge besser leben als mit der schmerzlichen Wahrheit, war vorbei.“ (Zitat Seite 130)

Inhalt

Der Naturphilosoph Bram Wenksterman wird fünfundfünfzig Jahre alt, doch ein Geburtstagsfest ohne ihre Mutter kann sich seine Tochter Amber, gerade nach dem Abbruch ihres Studiums wieder nach Hause zurückgekehrt, nicht vorstellen. Ihre schwer depressive Mutter lebt zur Zeit in einer psychiatrischen Klinik. Außerdem will Ambers introvertierter Vater keine Party, er sucht die Ruhe in den Dingen und in der Natur, für die er sich begeistert. Doch Ella, die Cousine ihrer Mutter, sieht dies anders, bereit, in dem alten, gefährlich baufälligen Haus der Familie den Platz als Frau an der Seite von Ambers Vater einzunehmen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Trauer, nie bewältigte Schuldgefühle und die Auswirkungen des Schweigens auf alle Mitglieder der Familie. Ein gefährlich baufälliges Haus als Symbol einer entsprechend zerrütteten Familie.

Charaktere

Es sind keine Figuren, die man ins Herz schließt, die Beziehungen untereinander sind durch offene Fragen, Missverständnisse und Schweigen gekennzeichnet. Was wir über sie wissen, ergibt sich aus immer wieder in den Text eingeworfenen Details, doch die Fragmente schließen sich nicht zu einem Ganzen.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung, ergänzt durch Rückblenden und Erinnerungen, spielt innerhalb von wenigen Tagen, im Mittelpunkt steht das Geburtstagsfest von Bram Wenksterman. Immer neue Konflikte und Problematiken kommen neben den Kernthemen an die Oberfläche, aber die Figuren haben nicht die Ruhe, sich damit auseinanderzusetzen. Auch die Sprache wirkt eigenartig gehetzt, die Autorin findet keine Zeit, bei einer Schilderung zu verweilen, den Lesenden Zeit für Gedanken zu geben, die Sätze fliegen vielmehr zwischen den Beobachtungen und Befindlichkeiten hin und her, treiben die Fragmente aus Handlung und Ereignissen aus der Vergangenheit voran.

Fazit

Ein Roman, der eine Vielfalt an Konflikten und Themen anspricht, sich aber nicht die Zeit nimmt, sie genauer zu betrachten. Der straffe Zeitrahmen schafft Augenblickssituationen und lässt den Figuren wenig Raum, nach möglichen Lösungen zu suchen. Eine Fülle, der es an Tiefe fehlt.

Das Geburtstagsfest – Judith W. Taschler

AutorJudith W. Taschler
Verlag Droemer TB
Erscheinungsdatum 1. September 2020
FormatTaschenbuch
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3426306468

„Als ihm bewusst wurde, dass es Tevi sein musste, da sie den Kopf etwas zur Seite neigte, stand er da wie angewurzelt. Ines sah in den Augen ihres Sohnes Triumph, in den Augen ihres Mannes bestürzte Hilflosigkeit und beides rührte sie so sehr, dass auch ihr die Tränen kamen.“ (Zitat Seite 27)

Inhalt

Kim Mey, Architekt, will seinen fünfzigsten Geburtstag nicht besonders feiern, doch seine Frau Ines sieht das anders. Ende 1978 war Kim vierzehn Jahre alt und Tevi zwölf, als sie auf abenteuerlichen Wegen als Flüchtlinge aus Kambodscha über Thailand nach Österreich kamen, wo sie von Ines‘ Mutter aufgenommen worden waren. Seit dreiundzwanzig Jahren haben sie sich nicht mehr gesehen, doch Jonas, der zwölfjährige Sohn von Kim findet Tevi und lädt sie als besonderen Überraschungsgast zum Geburtstagsfest ein. Seine beiden älteren Geschwister helfen ihm dabei – es ist das Geburtstagsgeschenk der Kinder an ihren Vater und sie sind voll Vorfreude.

Thema und Genre

Kernthema ist die Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha, Schuld und der Preis des Überlebens, Flucht, Kindheitstraumata, Liebe, Familie und ein Familiengeheimnis, das alles verändert.

Charaktere

Kim ist ein erfolgreicher Architekt. Seine Ehe mit Ines wurde mit den Jahren mühsam, da er ihre Erwartungen nicht immer erfüllen kann. Er war zwar noch ein Mal in Kambodscha, 1993, aber er schweigt über die Vergangenheit. Tevi dagegen spricht auf Vortragsreisen über ihre Kindheit in Kambodscha und erzählt auch Kims Kindern von dieser Zeit. Sie verbringt drei bis vier Monate des Jahres dort und ist ehrenamtlich tätig.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in mehreren Handlungssträngen auf unterschiedlichen Zeitebenen erzählt.  Die Jetztzeit in Österreich betrifft die Tage um Kims Geburtstagsfest zwischen 17. und 19. Juni 2016 und wird durch Abschnitte unterbrochen, die in der Vergangenheit spielen, deren zeitliche Abfolge jedoch immer in sich chronologisch bleibt. Die Zeit in Kambodscha, Siebzigerjahre, Familie Mey, wird von einem Ich-Erzähler geschildert, Kambodscha Siebzigerjahre, Familie Chhang dagegen in einer personalen Erzählform, in deren Mittelpunkt Tevi steht. Dazwischen erfahren wir auch  mehr über die Kindheit von Ines, die gemeinsame Zeit von Kim, Tevi und Ines und über die Ehejahre von Kim und Ines.

Judith Taschler ist eine großartige Erzählerin, sicher, einfühlsam und stimmig entwickelt sie ihre Geschichte aus diesen einzelnen Erzählsträngen, bis sich langsam Vergangenheit und Gegenwart zu einem Ganzen verbinden. Doch nicht immer sind die Dinge so, wie sie scheinen.

Fazit

Ein sehr vielschichtiger, spannender Roman um das Schicksal Kambodschas unter der Herrschaft der Roten Khmer. Parallel dazu wird das Leben von zwei inzwischen längst erwachsenen Menschen erzählt, die damals als Kinder alles verloren haben und deren Geheimnisse und Entscheidungen ihr Leben geprägt haben. Eine sehr intensive, packende Geschichte mit überraschenden Wendungen, die lange nachklingt.

Die Herrin: Eine schaurige Novelle aus böser, alter Zeit – Helmut Barz und Raquel Erdtmann

AutorHelmut Barz
IllustratorinRaquel Erdtmann
Verlag Edition Coeurart
Erscheinungsdatum 17. April 2015
FormatTaschenbuch
Seiten279
SpracheDeutsch
ISBN-13978-1511744065

„Ich habe da eine Theorie, die den Fluch der Stadt erklären würde: Es gibt hier einen Vampyr.“ (Zitat Seite 140)

Inhalt

Jonathan Hansen, ein junger Staatsanwalt in Berlin, freut sich auf eine Tätigkeit als Amtsrichter in der kleinen, beschaulichen Stadt Broiversum an der Nordsee. Seine Ehefrau Katharina ist weniger begeistert, sie rechnet mit einem langweiligen Kleinstadtleben, auch wenn sie die Zeit für das Schreiben ihrer Doktorarbeit nützen will. Daher freut sie sich über die Einladung einer gebildeten und interessanten alte Dame, sie zu besuchen. Von allen Menschen nur „Herrin“ genannt, ist diese Philanthropin seit vielen Jahren die Wohltäterin von Broiversum. Warum aber werden gerade hier am Strand immer wieder tote junge Frauen gefunden, die offensichtlich aus einer ausweglosen, persönlichen Notlage den Freitod im Meer gewählt haben? Ist der berüchtigte Puntendreher, der hier gebrannte Schnaps, wirklich das einzige Gefährliche in Broiversum? Der Arzt Mies van Helsing, Jonathans bester Freund, sieht dies völlig anders, als er zu Besuch kommt.

Thema und Genre

Diese Geschichte ist ein Vampirroman im Sinne der klassischen Schauerliteratur. Es muss nicht unbedingt der düstere Borgopass in Rumänien sein, die dunkle Seite Londons oder ein einsames Schloss in der Steiermark im späten 19. Jahrhundert, es können auch die Zwanzigerjahre nach dem Ende des ersten Weltkrieges sein und die stürmische Nordsee. Auch Faust’sche Elemente spielen eine Rolle, es muss nicht immer der Teufel sein, dem wir unsere Seele verkaufen, und es muss nicht immer die Seele sein, die wir in den Handel einbringen.

Charaktere

Dass Jonathan Hansen und Mies van Helsing an Bram Stokers Figuren erinnern, ist Absicht. Für den Familiennamen „van Helsing“ hat der Autor eine durchaus originelle Erklärung. Auch in dieser Geschichte ist Jonathan diplomatisch, etwas vorsichtig und realitätsgebunden, während Mies als großer Freund von Schauergeschichten auch in der Realität die deutlichen Zeichen erkennt: in Broiversum lebt ein Vampyr.

Handlung und Schreibstil

Die Sprache nimmt Anleihe an den klassischen Vorbildern und passt in die Ausdrucksweise der frühen Zwanzigerjahre, jedoch in einer modernen, sehr angenehm zu lesenden Interpretation.

Die Ereignisse finden im Jahr 1921 statt. Tagebucheinträge des Vampyrs ergänzen die Handlung durch Details, die niemand sonst wissen kann.

Obwohl bereits auf dem Buchrücken bestätigt wird, dass zu den in ihrer Art sehr treffend geschilderten Einwohnern von Broiversum auch ein Vampyr gehört, ist es eine spannende Geschichte, denn die Hintergründe, die sich erst nach und nach zeigen, sind überraschend anders, als erwartet.

Fazit

Ein spannender, unterhaltsamer Schauerroman mit einer neuen Interpretation eines Vampyrwesens, das schon vor sehr langer Zeit einen gegenseitigen Pakt mit den Menschen eingegangen ist.

Österreichischer Buchpreis – Longlist 2020 und Shortlist Debüt 2020

Autor 13 Autorinnen und Autoren
VerlagHauptverband
Erscheinungsdatum 3. September 2020
FormatKindle und Broschüre
Seitenca. 120
SpracheDeutsch

Originalzitat aus dem Vorwort der hier vorgestellten Broschüre: „Literatur braucht Öffentlichkeit, Bücher benötigen Leserinnen und Leser, und Autorinnen und Autoren ein Publikum – nur so können neue Sprachwelten und frische Ideen ihre volle Wirkung entfalten.“

Inhalt

Das Lesebuch „Österreichischer Buchpreis und Debütpreis 2020“ umfasst etwa 120 Seiten und stellt die zehn nominierten Titel der Longlist 2020 und die drei Titel der Shortlist Debüt 2020 vor.

In Buchhandlungen erhält man die Broschüre in gedruckter Form kostenlos, doch NetGalley Deutschland stellt diese in elektronischer Form ebenfalls kostenlos zum Download bereit. Zwar sind die Titelseite mit ihren Abbildungen in der Kindle-Version nicht zu sehen, was jedoch kein Problem ist.

Die insgesamt dreizehn Autorinnen und Autoren werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt, mit Foto, kurzem Lebenslauf und künstlerischem Werdegang. Daran schließt eine ausführliche Leseprobe an. Ein Bild der Titelseite mit den Angaben über Verlag, Erscheinungsdatum, Seitenzahl und Preis schließt die jeweilige Präsentation ab.

Fazit

Eine perfekte Alternative zur gedruckten Broschüre, die nicht in allen Buchhandlungen erhältlich und auch dort rasch vergriffen ist. Ein interessanter Überblick über die nominierten Romane mit ausführlichen Leseproben.  Auf die Angaben zum Inhalt der einzelnen Romane wurde verzichtet, doch diese sind auf der Homepage des Österreichischen Buchpreises und natürlich auf den Seiten der Verlage zu finden und sind, zusammen mit der Leseprobe, sicher wichtig die Entscheidung, welche dieser Bücher auf die persönliche Liste für den nächsten Buchkauf kommen. Mein persönlicher Favorit, den ich mit Freude auf der Longlist 2020 gefunden habe, steht allerdings schon gelesen im Regal: „Fremdes Licht“ von Michael Stavarič.

Vögel füttern, aber richtig: Das ganze Jahr füttern, schützen und sicher bestimmen – Peter Berthold und Gabriele Mohr

AutorPeter Berthold
AutorinGabriele Mohr
Verlag Franckh Kosmos Verlag
Erscheinungsdatum 7. September 2017
FormatTaschenbuch
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3440156933

„So ist ein wunderbares Buch entstanden, das auf den heute verfügbaren wissenschaftlichen Grundlagen aufbaut und eindeutig zeigt: Vogelfütterung – sowohl als Winterfütterung und besser noch als Ganzjahresfütterung – leistet, verantwortungsvoll durchgeführt, einen überaus wertvollen Beitrag zum Vogelschutz und zum Erhalt der Artenvielfalt.“ (Zitat Seite 5, Vorwort Heinz Sielmann)

Thema, Inhalt und Umsetzung

Dieses Sachbuch mit zahlreichen Farbfotografien ist ein umfassender, informativer Ratgeber zum Thema Ganzjahrsfütterung unserer gefiederten Gäste aus der heimischen Vogelwelt.

Das über viele Jahre recherchierte Fachwissen ist wie folgt eingeteilt:

Zunächst werden in zwei übergeordneten Kapiteln die Grundlagen dargelegt.

Vögel füttern: es geht um den Artenrückgang und die Geschichte der Fütterung. Den Abschluss dieses Teiles bildet der Haussperling als detailliertes Beispiel.

Was Vögel zum Leben brauchen: hier sind die wissenschaftlichen Grundlagen nachzulesen.

Es folgt der umfangreiche Praxisteil.

Vögel Füttern in der Praxis: hier geht es um Futterspender, die unterschiedlichen geeigneten Futterarten, eine Übersicht der Fütterung im Jahreslauf. Diesmal ist der Star das Musterbeispiel. Doch auch auf die nicht gewünschten Besucher des Futterplatzes wird Bezug genommen, auf die erforderliche Hygiene und auch Tipps, was bei kranken oder toten Vögeln zu tun ist. Ein umfangreicher Teil mit ergänzenden Maßnahmen vom vogelfreundlichen Garten bis zu geeigneten Nistplätzen beendet diesen Praxisteil.

Den Abschluss bildet ein vierzig Seiten langes Porträt der heimischen Vogelarten, die an den Futterstellen zu beobachten sind, jeweils eine genaue Beschreibung, Ähnlichkeiten und Unterschiede für die Bestimmung werden durch zahlreiche Farbfotografien klar erkennbar.

Am Buchende findet sich ein kurzer Serviceteil mit Quellenangaben und Adressen von Futtermittelherstellern.

Fazit

Ein praxisnaher Ratgeber, verfasst nach jahrelanger Forschung von Prof. Peter Berthold und seiner leitenden Assistentin Gabriele Mohr. Klar strukturiert und sehr verständlich und lesbar geschrieben, finden auch schon bisher überzeugte Ganzjahresfütterer wie ich viele neue, wichtige Informationen und Tipps. Ein Sachbuch, das man immer wieder gerne zur Hand nimmt, um nachzulesen, oder einfach aus Freude an den vielen wunderbaren Fotografien.

Und das Meer vor uns – Franziska Fischer

AutorFranziska Fischer
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 18. August 2020
FormatTaschenbuch
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832165413

„Uns wird ständig eingebläut, dass Fehler etwas Negatives sind, aber das Leben ist dazu da, Fehler zu machen. Sonst leben wir es nicht richtig, sondern nur knapp am Leben vorbei.“ (Zitat Seite 229)

Inhalt

Caja Rodinger, ihre beste Freundin Jolie Mossmann und Ludwig Gruber, ein lebhafter, älterer Witwer, fahren spontan ans Meer. Sie landen in der großen Künstlervilla des bekannten Regisseurs Riccardo Renzi in Caorle, wie sich herausstellt, ein alter Freund von Ludwig. Caja ist Künstlerin, nimmt aber seit Jahren nur mehr Auftragsarbeiten als Kinderbuchillustratorin an. Für ihren Ehemann Ben ist sie von Berlin nach Graz gezogen, doch die Ehe ist im Alltag zu einem wortlosen Nebeneinander geworden und Caja flüchtet sich in die persönliche Welt einer Fremden, deren Smartphone sie gefunden hat und deren tagebuchartige Einträge sie liest. In Italien beginnt Caja, den Grund für den Stillstand in ihrem Leben zu suchen und darüber nachzudenken, wie es weitergehen könnte.

Thema und Genre

Das Cover lässt einen unbeschwerten Sommerroman für den Liegestuhl erwarten, doch schon die Leseprobe zeigt, dass es hier um ein Netz von ernsten Konflikten geht, um Stagnation und Selbstzweifel, um die Suche nach dem Platz im eigenen Leben. Themen sind Liebe, Verlust und Freundschaft. Auch Farben, die Malerei und das Meer spielen eine Rolle.

Charaktere

Jolie ist unabhängig, kommt gerade von einem Auslandsjob in Chile nach Berlin zurück. Juran ist Musiker und Maler, nimmt notfalls auch jeden Gelegenheitsjob an, reist von Künstlerkolonie zu Künstlerkolonie. Caja dagegen hängt in einem Leben fest, das völlig anders verläuft, als sie es sich gewünscht hatte. Ihre Kreativität ist blockiert, unter Auftrags- und Termindruck fehlen ihr die Ideen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte, in deren Mittelpunkt die Reise nach Italien und daran anschließend ein Aufenthalt in Berlin stehen, wird von einer Parallelgeschichte begleitet, Nathalie und ihr Tagebuch, das sie selbst  in ihrem Smartphone führt. Die Handlung ist stimmig, die Autorin lässt der Hauptfigur Caja, die ihre Geschichte ebenfalls als Ich-Erzählerin schildert, viel Freiraum. Besonders die Szenen, in denen Caja sich langsam wieder auf ihre Malerei besinnt, sind sehr einfühlsam geschildert. Andererseits jedoch lässt die Autorin Caja zu lange in einer dauernden Schleife der Entscheidungslosigkeit, Unschlüssigkeit und Selbstzweifel verharren, lässt sie mit einer gewissen Verbissenheit dem Leben Nathalies folgen, statt sich endlich mit dem eigenen auseinanderzusetzen, was leider zu einigen Längen in der Handlung führt. Die einfühlsame, lebhafte und dann wieder poetische Sprache überzeugt jedoch.

Fazit

Ein Frauenroman mit einer unentschlossenen Hauptprotagonistin, welcher der Mut für die Umsetzung der eigenen Wünsche und Träume fehlt.

Eisblumenwinter – Anne Barns

AutorAnne Barns
Verlag HarperCollins
Erscheinungsdatum 25. August 2020
FormatTaschenbuch
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3959675369

„Hedwig, Erika und ich -, wir sind drei Personen mit verschiedenen Wahrnehmungen und Wirklichkeiten, aber keine von uns kennt die Wahrheit.“ (Zitat Seite 258)

Inhalt

Es ist der erste Adventsonntag, der Tag, an dem der jährliche Kuchenwettbewerb bei Oma Anni im Haus auf Rügen stattfindet. Alle sind gekommen, ihre Freundin Thea, ihre Schwester Erika und ihre drei Enkelinnen Katharina, Pia und Jana. Erika hat Anni ein Geschenk mitgebracht, mit dem sie nicht bis Weihnachten warten wollte. Es sind Annis rote Stiefel, sie vor vielen Jahren plötzlich verschwunden waren. Ihre Tange Hedwig hatte sie ihr damals geschenkt. Alle dachten, die alte Tante sei längst gestorben, doch Hedwig, die demnächst fünfundneunzig Jahre alt wird, lebt gesund und rüstig am Schönberger Strand. Für Oma Anni scheint es an der Zeit, offene Fragen und Lücken in der Familiengeschichte zu klären. Pia begleitet ihre Oma auf dieser Reise zu Tante Hedwig und will die Zeit nützen, sich über ihre Beziehung zu Paul, eine Fernbeziehung zwischen Rügen und Juist, klarzuwerden.

Thema und Genre

In diesem Frauen- und Familienroman geht es um Geheimnisse in der Vergangenheit, um Familie, Beziehungen und natürlich um die Liebe. Es ist der zweite Band einer Serie ,ist jedoch in sich abgeschlossen und kann auch unabhängig vom ersten Band gelesen werden.

Charaktere

Pia, Katharina und Jana sind selbstbewusste junge Frauen. Jede der drei Schwestern steht vor der Entscheidung, sich auf die Liebe und eine echte Beziehung einzulassen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt an der Ostsee, auf Rügen und am Schönberger Strand. Die aktuelle Handlung wird durch Erinnerungen und Erzählungen, wichtige Ereignisse in der Vergangenheit betreffend, ergänzt. Dies führt zu Überraschungen, doch langsam ergeben sich Antworten auf viele seit Jahrzehnten offene Fragen und der Stammbaum, den Erika erstellt hat, füllt und erweitert sich.

Die Sprache ist angenehm, flüssig zu lesen und humorvoll. Sehr einprägsam sind die lebhaften Schilderungen der Ostsee im Winter. Ein Rezeptteil im Anhang lädt zum Ausprobieren ein.

Fazit

In dieser Geschichte erhält Pia einen weichen, warmen Schal als Geschenk, dessen Design „Cozy Hugs“ heißt. Das ist auch die perfekte Beschreibung für diesen unterhaltsamen Wohlfühlroman: Cozy Hugs.

Der Hund und sein Mensch: Wie der Wolf sich und uns domestizierte – Josef H. Reichholf

AutorJosef H. Reichholf
Verlag Carl Hanser Verlag
Erscheinungsdatum 17. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3446267794

„Über die Jahre, die ich mit Branko lebte, lösten sich manche Annahmen und Gewissheiten, die ich als Zoologe und Evolutionsbiologe über die Beziehung zum Hund mitgebracht hatte, in eine Vielzahl von Fragen und Ungewissheiten auf.“ (Zitat Seite 151)

Thema und Inhalt

In diesem Sachbuch geht es um die besondere Beziehung zwischen Hund und Mensch und die Frage, wie und warum sich der Wolf als Hund zum Weggefährten des Menschen entwickelte. Der Autor und Evolutionsbiologe nimmt uns mit auf eine Reise, die weit in der Vergangenheit beginnt, in der späten Eiszeit.

Umsetzung

Das spannend und verständlich geschriebene Buch ist in drei große Abschnitte geteilt: I Wie aus Wölfen Hunde wurden, II Die Beziehung zwischen Hund und Mensch, III Hund und Mensch – und Katze? Ein Ausblick.

Eine Vorbemerkung umfasst die grundsätzliche Fragestellung, die in den nachfolgenden Texten aus verschiedenen Perspektiven untersucht und mit aktuellen Forschungsergebnissen dokumentiert wird. Ein Nachwort fasst nochmals die Überlegungen und die Gründe, warum dieses Buch entstanden ist, zusammen.

Abschnitt I schildert die kontinuierliche Interaktion zwischen Menschen und Tieren, die bereits in der Steinzeit begonnen hat und deren Erforschung wissenschaftlich noch lange nicht abgeschlossen ist. Ein einzigartiges Beispiel dafür sind die Wölfe, die sich mit dem Homo sapiens in zwei ökologischen Formen weiterentwickelt haben, die wilden Wölfe und die Hundewölfe, und damit die Hundwerdung von Wölfen durch Selbstdomestikation.

Abschnitt II beschreibt den Alltag des Autors mit dem Familienhund Branko, der als Welpe in die Familie kam, seine persönlichen Beobachtungen und praktischen Erfahrungen.

In Abschnitt III geht es um den Vergleich der Ähnlichkeiten und der Unterschiede in der Beziehung Mensch-Hund und Mensch-Katze. Auch bei der Katze ist die Ausgangssituation die Selbstdomestikation, sie hat sich ebenfalls den Menschen angeschlossen, blieb aber unabhängig.

Fazit

In seinen Dankesworten am Ende des Buches schreibt der Autor, er hoffe, dass es immer mehr Hunden vergönnt sein möge, ein Leben mit den Menschen zu führen, das nicht auf strenger Dressur beruhe, sondern auf jener liebevollen Beziehung, zu der die Hunde befähigt sind. Es ist diese Einstellung des Autors und Evolutionsbiologen, die uns Leserinnen und Leser aus jeder Zeile dieses Sachbuchs erreicht. Teilweise nicken wir bestätigend, aber viele dieser interessanten Fakten sind neues Wissen und führen so auch zu einem besseren Verstehen des Wesens dieser besonderen Beziehung zwischen dem Hund und seinem Menschen.

Wolkenballett: Poesie der Begegnung – Verena Liebers

AutorVerena Liebers
Verlag dahlemer verlagsanstalt
Erscheinungsdatum 20. August 2020
FormatBroschiert
Seiten158
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3928832939

„In diesen Tagen war ich draußen, / draußen mit dir, / war ich drinnen, / ganz innen bei mir.“ (Zitat aus „Drinnen und draußen, Seite 8)

Inhalt

Die Texte in diesem Lyrikband umfassen die Veränderungen der Natur und Stimmungen der Jahreszeiten im Laufe eines Jahres, wobei der Winter den Anfang macht.

Die insgesamt sieben übergeordneten Abschnitte beginnen mit dem Kapitel „Als Schnee schneite“ und enden mit „Drinnen, ganz innen“, dessen Abschluss das „Noch-Nicht-Gedicht“ bildet.

Das erste Gedicht des Buches ist keinem Kapitel zugeordnet und dieses „Drinnen und draußen“ ist gleichsam eine Zusammenfassung, denn es führt uns Strophe um Strophe durch alle Jahreszeiten, Eindrücke und Gefühle, welche in der Sammlung der einzelnen Gedichte dann vertieft, neu interpretiert, nochmals aufgegriffen und nachgefühlt werden.

Das Buch endet mit einem Nachwort von Ralph Köhnen, Universität Bochum.

Themen und Sprache

Verena Liebers, die Biologin, liebt die Natur. Bei jedem Wetter beobachtet sie, horcht und spürt, schildert, und fügt ihre eigenen Gedanken, Erinnerungen und Wünsche ein. Sie reist mit uns ans Meer, in die Berge, spaziert durch Städte und Gärten, durch große Eindrücke und kleine Dinge.

Beim Lesen stellt man dann überrascht fest, dass diese Gedichte in dieser Reihenfolge nicht nur den Ablauf der Jahresablauf der Natur beschreiben, sondern dass auch die Gefühle einer Beziehung, von der stürmischen, noch neuen jungen Liebe, über den warmen, intensiven Sommer bis zur Einsamkeit im Herbstnebel leise mitschwingen.

Die Sprache malt Bilder, schildert, reimt sich manchmal, wie beinahe zufällig, aber immer mit einer wunderbar leichten Sprachmelodie.

Fazit

„Poesie der Begegnung“, so nennt die Autorin ihren Lyrikband und besser kann es nicht zusammengefasst werden. Poesie, die unsere Gedanken mit den Wolken fliegen lässt, als Reise durch die Vielfalt der Natur und dabei auch zu uns selbst.

Die Tochter des Zauberers: Erika Mann und ihre Flucht ins Leben – Heidi Rehn

AutorHeidi Rehn
Verlag Aufbau Taschenbuch
Erscheinungsdatum 18. August 2020
FormatTaschenbuch
Seiten448
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3746635811

„Wenn Amerika jetzt nicht aufwacht, um sich gegen Hitler zu stellen, werden wir uns eines Tages verwundert die Augen reiben, weil wir unsere Chance verpasst haben. Danke, Erika, dass Sie uns die Augen geöffnet haben.“ (Zitat Pos. 824)

Inhalt

Schon 1933 verlässt die Familie Mann Deutschland, um in der Schweiz zu leben. Doch Erika Mann ist das nicht weit genug weg von Nazideutschlad und sie wandert zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Klaus nach Amerika aus. Sie logieren im Hotel Bedford, wo sie auf bekannte deutsche Exilkünstler und Journalisten treffen und Erika knüpft rasch wichtige Verbindungen. Sie braucht jede Unterstützung, denn in wenigen Wochen trifft auch das Ensemble ihres Kabaretts „Die Pfeffermühle“ in New York ein, welches sie als „Peppermill“ weiterführen will. Ihr größtes Anliegen ist es, den Amerikanern die Augen über die Vorgänge in Deutschland zu öffnen und sie von den drohenden, realen Gefahren durch das NS-Regime zu überzeugen.

Thema und Genre

Dieser Frauenroman mit biografischem Hintergrund ist der Band 14 der Serie „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“. Im Mittelpunkt steht die Künstlerin Erika Mann, eine starke, eigenständige, engagierte Frau, die dennoch, ebenso wie ihr Bruder Klaus, ihr Leben lang im Schatten ihres berühmten Vaters Thomas stand. Themen sind die ersten Jahre der Naziherrschaft in Deutschland, Exilkunst, die großartige Kulturszene im New York der Vierzigerjahre und natürlich auch die Liebe in allen Facetten.

Charaktere

Der Wunsch nach einer künstlerischen Eigenständigkeit dominiert das Leben der Schauspielerin und Schriftstellerin Erika Mann, verbunden mit einen starken Drang nach persönlicher Freiheit und Ungebundenheit. Rastlos und engagiert eilt sie von Termin zu Termin und durch ihr Leben.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in den prägenden ersten Monaten in New York, zwischen September 1936 und Dezember 1937, wo Erika Mann, erst etwas über dreißig Jahre alt, wichtige Entscheidungen für ihr späteres Leben trifft. Persönlich steht sie zwischen zwei Männern und einer Frau und die Schilderung ihrer Zweifel und Überlegungen geraten etwas langatmig und bringen ihr Handeln zweitweise in die Nähe von Berechnung, was nicht zu dieser eigenwilligen, selbstbestimmten Frau passt, der die eigene Unabhängigkeit viel zu wichtig ist.

Die Sprache ist angenehm und entspannt zu lesen. In den Schilderungen und Beschreibungen hätte ich gerne noch mehr über das Leben in der pulsierenden Weltstadt New York gelesen, über die lebhafte, bunte Künstlerszene dieser Zeit und weniger über Cocktails und Erikas unentschlossene Selbstzweifel, ihre Gefühle betreffend.

Fazit

Ein interessanter Frauenroman mit biografischem Hintergrund, in dessen Mittelpunkt eine oft nur als Tochter des Nobelpreisträgers Thomas Mann wahrgenommene, vielseitige und ausdrucksstarke  Künstlerin steht. Die Handlung, die nur etwas mehr als ein Jahr erfasst, regt an, sich als Vertiefung durch einige der in der Literaturauswahl am Buchende genannten Titel zu lesen.

Schwarzer Jasmin – Manfred Rumpl

AutorManfred Rumpl
Verlag Picus Verlag
Erscheinungsdatum 26. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3711720979

„Es wäre nicht das erste Mal, dachte Franz, dass ihnen von höherer Stelle in die Arbeit gepfuscht würde. Und es wäre auch nicht das letzte Mal, dass sie sich keinen Deut darum scherten.“ (Zitat Seite 80)

Inhalt

Julia arbeitet für ein Projekt, das Asylwerber und Migranten betreut. Nach fünf Jahren kriselt es in ihrer Beziehung zu Jakob, einen Fachjournalisten und Weinkritiker. Ihre kurze Auszeit soll am 19. Dezember enden, bis dahin wollen sich beide klar sein, ob es eine gemeinsame Zukunft gibt.

Frank ist Kriminalhauptkommissar beim GTAZ, Terrorismusabwehr. Seit Monaten gibt es ernstzunehmende Hinweise, dass in Berlin „ein Zeichen gesetzt werden soll“. In diesem Dezember 2016 sind Frank und sein Team mit ihren Ermittlungen wesentlich weiter, doch es fehlen immer noch das Wann, Was, Wo. Für das Wer gibt es einen konkreten Verdacht. Die jungen Tunesier Eymen und sein bester Freund Ahmed waren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, doch während Ahmed erfolgreich eine Ausbildung als Koch beginnt, gleitet Eymen am Rande der Kriminalität dahin, bis er im Islamkreis Unterstützung und Freundschaften findet. Doch damit steht er in ihrer Schuld …

Thema und Genre

In diesem spannenden Roman und Thriller geht es um wichtige Entscheidungen, die, einmal getroffen, das Leben verändern können und gleichzeitig um die Frage, wie weit es möglich ist, den Lauf der Dinge zu beeinflussen. Ein wichtiges Thema ist die Migration als Chance, aber auch als Bedrohung.

Charaktere

Die Figuren dieser Geschichte haben eines gemeinsam, sie alle sind auf der Suche. Julia sucht Möglichkeiten, Migranten zu helfen. Sie will in ihrer Beziehung intensiv über dieses Thema reden und sieht bei Jakob mehr Einsatz für tunesische Qualitätsweine, als für die europäische Flüchtlingsbewegung. Beide suchen mehr Tiefe in ihrer Beziehung. Frank und sein Team suchen in einem Gewirr aus Politik, Religion und V-Männern nach realen Gefährdern. Eymen und Ahmed, junge Flüchtlinge, suchen in Deutschland ein neues, besseres Leben.

Handlung und Schreibstil

Im Mittelpunkt der Handlung stehen einige Tage im Dezember 2016 in Berlin. Unterbrochen werden diese Ereignisse durch weitere Erzählstränge, welche früher beginnen und die Geschichte der einzelnen Hauptfiguren bzw. Figurengruppen schildern, bis sie alle in diesem Dezember 2016 aufeinandertreffen Ein sehr klug und gekonnt entwickeltes Netz aus Zufall und Unabwendbarkeiten, eindrücklich und achtsam erzählt. 

Fazit

Ein packender, vielschichtiger Roman mit einem brisanten Thema und authentischen Figuren, deren Schicksale nachdenklich stimmen. Eine leise Geschichte mit einem gerade deshalb intensiven Sog und einer beeindruckenden Dichte.

Die Unschärfe der Welt – Iris Wolff

AutorIris Wolff
Verlag Klett-Cotta
Erscheinungsdatum 22. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten216
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3608983265

„Es gab eine Zeit, die vorwärts eilte, und eine Zeit, die rückwärts lief. Eine Zeit, die im Kreis ging, und eine, die sich nicht bewegte, nie mehr als ein einzelner Augenblick.“ (Zitat Pos. 390)

Inhalt

Der junge Pfarrer Hannes erhält seine erste eigene Pfarrstelle und so zieht er mit Florentine, seiner Frau, in ein Dorf im Banat, wo auch ihr Sohn Samuel geboren wird. Das Leben der deutschsprachigen Bevölkerung im kommunistisch regierten Rumänien ist schwierig. Misstrauisch wird beobachtet, wer die Gastfreundschaft des Pfarrhofes für Übernachtungen in Anspruch nimmt, besonders, wenn es Reisende aus der DDR sind. Samuel beginnt spät zu sprechen und ist wie seine Mutter nachdenklich und schweigsam, ein Außenseiter. Nika, die sehr jung gestorben ist, war die beste Freundin von Florentine und Nikas Sohn Oswald „Oz“ ist jetzt der beste Freund von Samuel. Nach den Erfahrungen im Militärdienst will Oz Rumänien verlassen, doch er bekommt keine Ausreisegenehmigung. Was bedeuten seine Visionen von Drachen, die ihn immer wieder heimsuchen? Samuel erklärt es ihm, denn er hat die Lösung – Drachen fliegen…

Thema und Genre

In diesem zeitgeschichtlichen Generationenroman geht es um eine Familie und ihre Freunde und Bekannten, um das Leben und Schicksal von vier Generationen in einer politisch unsicheren Zeit, die geprägt ist von der Diktatur und Unterdrückung unter Nicolae Ceaușescu, und von den nachfolgenden Veränderungen. Es geht um Entscheidungen, Zufälle, und um die Liebe, vor allem aber um den  uneingeschränkten Zusammenhalt einer Familie.

Charaktere

Im Mittelpunkt stehen die Mitglieder der Familie um Hannes und Florentine, das sind Karline und Johann, die Eltern von Hannes, sowie Samuel, der Sohn von Hannes und Florentine. Sie alle versuchen auf unterschiedliche Art, das Leben mit allen Höhen und Tiefen zu meistern.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung spielt in Rumänien und Deutschland, in den Jahren vor und nach dem Fall der Berliner Mauer und der Grenzöffnung. Die Ereignisse im Leben der Familienmitglieder werden episodenhaft erzählt. Neue Begegnungen erweitern den Personenkreis, manche bleiben als Freunde, andere entfernen sich wieder, bis sich mit den Jahren und den Erinnerungen langsam der Kreis schließt. Teilweise fühlte die Handlung sich für mich zu bruchstückhaft an, wie Momentaufnahmen, die rasch vorbeiziehen. Was mich jedoch beeindruckte und immer wieder in die Geschichte zurückholte, war die auf eine leise Art sehr intensive, eindringliche Erzählsprache.

Fazit

Ein Roman von der Suche nach dem Platz im Leben, vom Aufbruch und von Menschen, die zwischen Heimat, Freiheit und Fremde entscheiden müssen, bevor die Grenzen fallen und sich der Kreis der Generationen wieder schließt. Ein Zeitbild, eindrücklich erzählt.

1 26 27 28 29 30 44