Die kleine Inselbuchhandlung – Janne Mommsen

AutorJanne Mommsen
Verlag Rowohlt Taschenbuch
Erscheinungsdatum 27. März 2018
FormatTaschenbuch
Seiten228
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3499291548

„Ich sehne mich danach, einfach hier zu sein und mitzuerleben, wie das Wasser kommt und wieder geht, jeden Tag aufs Neue.“ (Zitat Seite 148)

Inhalt

Greta Wohlert ist seit über zwanzig Jahren Flugbegleiterin, als sie nach einer plötzlichen Panikattacke spontan einige Tage bei ihrer Tante Hille auf einer kleinen Nordseeinsel verbringt. Tante Hille will sich von der umfangreichen Büchersammlung von Gretas Opa trennen, die in ihrem ehemaligen Ladenlokal gelagert ist. Spontan veranstaltet Greta einen Bücherflohmarkt. Aus den zwei Tagen auf der Insel werden vierzehn Tage und Greta denkt darüber nach, hier zu bleiben und eine Buchhandlung zu eröffnen. Sie trifft Claas wieder, den Freund ihrer Kindheitstage und da ist auch noch Florian, der Flugkapitän. Als sie in alten Geheimnissen forscht, sind nicht alle Inselbewohner begeistert …

Thema und Genre

Der Autor hat eine enge Beziehung zu Nordfriesland, insbesondere zur Insel Föhr, und dort siedelt er auch seine Geschichte von der Buchhandlung am Meer an. Durch seine lebhaften Schilderungen der Landschaft und der Menschen fühlt man sich sofort auf dieser Insel heimisch. Man schmunzelt über die Eigenheiten der wortkargen Friesen und hofft, dass sich die Pläne der Hauptprotagonistin Greta erfüllen.

Handlung und Schreibstil

Der Roman ist in der personalen Erzählform geschrieben, Bezugsperson ist Greta. Der Schreibstil ist unterhaltsam und vergnüglich wie ein Urlaubstag am Meer. Die Entwicklung der Buchhandlung von der ersten Idee bis zur Umsetzung sorgt für Spannung, ebenso wie ein altes Familiengeheimnis, das Greta durch Zufall entdeckt und ergründen will.

Die Inselbewohner schließt der Leser rasch ins Herz, nicht nur Tante Hille, Mitte 70, mit ihrer Vorliebe für T-Shirts, sondern auch die junge Pastorin Carola mit ganz speziellen Literaturvorlieben, die junge Polizistin Ellen, die am liebten Thriller liest, in denen das Böse siegt, die eigenwillige Sandra, die Bücher nach Farben ordnet und noch einige mehr, die Greta als Freunde bei ihrem Vorhaben unterstützen. Etwas Besonderes ist Greta, die ohne langes Zögern, aber dennoch überlegt, den Neubeginn wagt, sich den Traum von einer eigenen Buchhandlung erfüllen will. Auch wenn Schwierigkeiten auftreten und sie nicht immer ganz sicher ist, das Richtige zu tun, verharrt sie nie lange in ihren Zweifeln, sondern macht energisch weiter. Selbst wenn ihre Gefühle manchmal im Tangoschritt Achterbahn fahren, erkennt sie schließlich, was für sie wichtig und richtig ist. Eine wirklich sympathische Hauptprotagonistin, die man gerne durch ihre Geschichte begleitet.

Fazit

„Die kleine Inselbuchhandlung“ ist ein unterhaltsamer Roman für Inselliebhaber und für Leser, die wie ich Bücher aller Genre sammeln, die in Buchhandlungen oder Bibliotheken spielen. Es ist aber auch eine Geschichte für graue Tage, wo wir uns wenigstens in gemütlichen Lesestunden in einen Sommertag am Strand träumen können, in eine kleine Buchhandlung auf einer Insel, wo man sich am Tag der Sonnenwende gegenseitig Bücher schenkt.

Killer City – Wolfgang Hohlbein

AutorWolfgang Hohlbein
Verlag Bastei Lübbe
Erscheinungsdatum 29. März 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten496
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3785725986

„Sie wussten es noch nicht, aber der Tod war in ihre Stadt gekommen.“ (Zitat Seite 26)

Inhalt

Als Thornhill, damals noch Boy, in der Schlacht von Gettysburg für die Konföderierten kämpfend, verwundet wird, ist er erst zwölf Jahre alt. Ein sterbenden Indianer gibt das Geschenk des Großen Geistes, das er vor langer Zeit von einem Wendigo erhalten hatte, an ihn weiter. Wenn Thornhill einen Menschen tötet, geht dessen nicht gelebte Lebenszeit auf ihn über und seine eigene Lebenszeit wird dadurch verlängert. Viele Jahre später lockt die Weltausstellung auch Thornhill nach Chicago, wo er erwartet, in der Menschenmenge nicht aufzufallen. Doch die Ereignisse zwingen ihn zum spontanen Handeln – war es ein Fehler, nach Chicago zu kommen? …

Thema und Genre

Der Roman spielt in Chicago zur Zeit der Weltausstellung 1893, doch wird die Handlung von Rückblenden unterbrochen, die den Leser Kapitel für Kapitel durch das Leben des Hauptprotagonisten führen, von der Schlacht bei Gettysburg, über Little Bighorn und durch die Goldgräberzeit. Dadurch erhält der Thriller mehrere spannende Handlungsstränge, die sich im dichten, intensiven Finale in Chicago verbinden.

Die brodelnde Stadt Chicago in jener Zeit wird sehr realistisch beschrieben, wie auch die historischen Ereignisse, um die der Autor seine Geschichte entwickelt, sehr genau recherchiert sind. Thornhill sucht nicht den Reichtum, daher führt sein Weg den Leser in das Leben der einfachen Menschen und auch in Chicago ist sein Ziel das Hotel von Dr. Holmes in Englewood, dem Stadtteil mit dem schlechtesten Ruf.  

Charaktere

Der Hauptprotagonist Thornhill ist gezeichnet durch seine kurze Kindheit in Amerikas Südstaaten und daraus erklärt sich auch seine deutliche Abneigung gegen alle Menschen anderer Hautfarbe, auch wenn er im Laufe seine Abenteuer gerade von diesen Menschen Hilfe und Mitgefühl erfährt. Er selbst ist ein Getriebener, nicht immer ist er es, der die Ereignisse bestimmt, sondern oft muss er einfach reagieren. Kurz nach Gettysburg wird er Zeuge eines Verbrechens und er schwört Rache an allen Beteiligten, die er über die Jahre hin aufspürt. Diese Rache treibt ihn an und er kann das Versprechen, das er dem sterbenden Indianer geben musste, nur Menschen zu töten, die eine Schuld auf sich geladen haben, nicht immer einhalten. Keinesfalls ist Thornhill der typische Killer mit Freude am Töten, auch wenn, sobald er sein Rasiermesser zieht, das Dunkle in ihm die Oberhand gewinnt und er völlig unbeteiligt bleibt. In Chicago kommt es zum Show-down.

Handlung und Schreibstil

Durch die personale Erzählperspektive wird Thornhill als Charakter keinen Leser unbeteiligt lassen.  Natürlich ist er nicht der „Gute“, aber auch nicht wirklich der „Böse“. Hier hat der Autor einen Protagonisten mit vielen unterschiedlichen Facetten geschaffen und ich hatte als Leser von ihm keineswegs denselben negativen Eindruck oder Schauer, wie man ihn als Leser gegenüber Killern in einem Thriller empfindet. Teilweise hat man sogar Mitleid mit ihm, obwohl er unbestritten ein Mörder ist.

Fazit

Killer City ist ein dunkler, teilweise mystischer Roman. Die historischen Tatsachen sind eingebunden und nicht verfälscht, dann werden die Erlebnisse des Hauptprotagonisten eingefügt, sodass sich ein stimmiger Handlungsbogen ergibt. Allerdings blieben für mich einige Fragen unbeantwortet, es fehlte „das gewisse Etwas“ im Gesamtbild. Hier überlässt der Autor mögliche Deutungen der Phantasie der Leser.

Wo ist Norden – Barbara Handke

AutorBarbara Handke
Verlag Books on Demand
Erscheinungsdatum 12. März 2018
FormatTaschenbuch
Seiten308
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3746067582

„Mein Kopf schien voller Fragen zu sein, allesamt Tore, hinter denen sich die Erkenntnisse türmten, zu denen ich bisher nicht gelangt war.“ (Zitat Seite 254)

Inhalt

Ein altes Gutshaus im Dorf Plenskow, Ende der 80er Jahre als Ambulatorium genutzt, zieht den jungen Arzt Nikita Wander sofort in seinen Bann. Doch es ist sein jüngerer Bruder Konrad, ebenfalls Arzt, der Nikitas große Liebe geheiratet und mir ihr inzwischen drei Kinder hat, der auch das Gutshaus kauft. Gemeinsam renovieren sie das Haus und Marion eröffnet ihr Café „Granatapfel“. Das Café läuft gut, doch es muss noch viel Geld in die Erhaltung des Hauses investiert werden. Aus manchen Bewohnern Plenskows werden Freunde, andere bleiben abweisend und die Ablehnung gegenüber den neuen Besitzern des Gutshauses vergrößert sich mit den Jahren noch. Die Familie hält zusammen, doch wird das genügen?

Thema und Genre

In diesem Roman von Barbara Handke geht es um das Gefüge innerhalb einer Großfamilie, den Zusammenhalt, aber auch die Differenzen dieser Zweckgemeinschaft. Die Geschichte hat jedoch auch die Probleme zwischen Eltern und Kindern, schwierige Schwiegermütter, und Kinder, die ihren eigenen Platz im Leben suchen, zum Thema. Dazu kommt ein altes, teilweise verfallenes Gutshaus in einem Ort in Mecklenburg-Vorpommern. Eines jener Objekte, die es zahlreich gibt und die bis heute noch Menschen zum Träumen bringen, die sich der Realität nicht immer bewusst sind. Diese Problematik wird hier sehr gut geschildert.

Charaktere

Nikita Wander könnte man als typische Figur des Antihelden bezeichnen. Da seine große Liebe Marion zur Familie gehört, kann er sich nicht von ihr lösen und sie nützt das aus. Nikita, der beim Hauskauf finanziell mithilft, Nikita, der auch sonst für sämtliche anfallenden Arbeiten nach Plenskow gerufen wird und dem Ruf folgt. Sein eigenes Leben stagniert und hat gar keine Zeit, sich zu entfalten. Bei einem Weihnachtsfest vergleicht die junge Selma die Mitglieder der Familie mit Blumen und anderen Pflanzen. Sie tut dies ohne Hintergedanken, mit ihrer kindlichen Begeisterung für Botanik. Nikita ist für sie eine Mispel und damit beschreibt die Autorin perfekt seinen Platz in Plenskow.

Handlung und Schreibstil

Die Autorin schreibt in der Ich-Form, aus der Sicht von Nikita Wander. Die Geschichte spannt sich über den Zeitraum 1993 – 2002, mit einem Ausklang 2003. Die erzählende Sprache liest sich leicht und flüssig. Interessant ist, wie einzelne Stimmungen zwischen den Menschen durch Metapher der sie umgebenden Natur dargestellt und betont werden.

Mich beeindruckte die Geschichte des Dorfes und seiner Bewohner, sowie die Geschichte der Familie als Gesamtbild, ich habe keinen der Charaktere als besonders liebenswert und Hauptprotagonist empfunden. Alle handelnden Personen haben ihre Eigenheiten, die positive Ausnahme sind die drei Kinder von Konrad und Marion: Selma, Laure und Jakob. Marion ist eine Frau, die es versteht, alle Menschen zu ihrer Unterstützung einzusetzen, besonders Nikita, ihren Schwager, der dadurch kaum in der Lage ist, endlich sein eigenes Leben zu leben. Heimlich träumt er noch immer von der gemeinsamen Zukunft mit Marion und erst der Ärztin Dr. Elsa Dahle gelingt es, Nikita, inzwischen Mitte 40, langsam von Plenskow zu lösen.

Fazit

Ein Roman über den Traum vom Leben auf dem Land, dem Charme eines alten Hauses und über die Befindlichkeiten einer Großfamilie. Ein Abschnitt von zehn Jahren im Leben dieser Menschen. Die Geschichte liest sich wie ein Tagebuch, mehr beschreibend als spannend.

Leinsee – Anne Reinecke

AutorAnne Reinecke
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 28. Februar 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257070149

„Vielleicht bin ich ja nur der erfundene Freund eines verrückten Kindes, dachte er.“ (Zitat Seite 74)

Inhalt

Der junge, aufstrebende Vakuumkünstler Karl Sund, eigentlich Stiegenhauer, ist der Sohn des berühmten Künstlerpaares August und Ada Stiegenhauer. Zusammen mit seiner Freundin Mara lebt er in Berlin. Als bei Karls Mutter ein Gehirntumor festgestellt wird, nimmt sich sein Vater das Leben. Nach sieben Jahren Abwesenheit muss Karl daher nach Leinsee fahren, in die Villa seiner Kindheit. Die Situation, zusammen mit seinen Erinnerungen an Eltern, in deren Leben er nie wirklich gepasst hat, überfordert ihn. Eines Tages sitzt ein Mädchen auf dem Kirschbaum in seinem Garten und dieses Kind, Tanja, lehrt ihn die Freude und Spaß an den kleinen Dingen des Alltags. In Berlin findet seine bisher größte Ausstellung ohne ihn statt und Mara stellt ihm ein Ultimatum. Doch ist Karl bereit, wieder in sein altes Leben zurück zu kehren? …

Thema und Genre

Leinsee ist ein überaus vielschichtiger Roman, der eine Reihe von Themen und Problematiken verknüpft. Es ist einerseits eine Familiengeschichte, Eltern, in deren Zweisamkeit und Künstlerleben ein Kind wenig Platz hat, die Karl viel zu früh in die Selbstständigkeit entlassen. Daraus ergibt sich Karls im Grunde nie erfüllte Sehnsucht nach Mutterliebe. Andererseits ist diese Geschichte auch ein Ausflug in die Kunstszene zwischen Kreativität und Kommerz. Es fnden sich aber durchaus auch Anklänge an den traditionellen Entwicklungsroman, da Karl erst durch seine Beziehung zu der phantasievollen, direkten und ehrlichen Tanja langsam zu sich selbst und in sein eigenen Leben findet.

Charaktere

Der Hauptprotagonist Karl hat sich schon mit 26 Jahren einen Namen als Künstler gemacht, doch in seinem Leben fehlt noch immer etwas, er ist ein Suchender mit einigen Rückschlägen. Als in der Kunstszene durch die Ereignisse seine wahre Identität bekannt wird, macht ihn dies zwar noch erfolgreicher, aber er steht plötzlich wieder im Schatten seiner berühmten Eltern, genau das wollte er nicht. Er muss lernen, sich selbst und seinen eigenen Weg zu definieren. Mara ist eine erfolgreiche Regisseurin, die gewohnt ist, zielorientiert zu denken und zu agieren und erwartet von Karl, dass er ebenso handelt. Zwei weitere Protagonisten kommen aus der Kunstszene. Torben Behning, ebenfalls 26 Jahre alt, war zuletzt der Sekretär seiner Eltern und möchte unbedingt die Kunstsammlung auch weiterhin verwalten. Max Raiken, Galeriebesitzer ist Karls Manager und ehrlicher Freund. Mit diesen beiden Charakteren skizziert die Autorin völlig unterschiedliche Akteure in der Kunstszene, denen wir im realen Leben immer wieder begegnen. Die zweite Hauptprotagonistin Tanja – ist einfach Tanja und zieht den Leser sofort in ihren Bann.

Handlung und Schreibstil

Der Roman ist in einzelne Kapitel gegliedert, deren Überschrift jeweils eine genau definierte Farbe ist, nicht Blau, sondern Kornblumenblau, nicht Violett, sondern Kirschviolett, wobei jede Farbe auf den Inhalt des Kapitels Bezug nimmt. Die Erzählform stellt Karl in den Mittelpunkt, mit Ausnahme von einigen Rückblenden, seine Eltern betreffend.

Die Sprache spielt mit Beschreibungen, Metaphern und kommt dann wieder mit ein-Wort-Sätzen aus.  Sie führt den Leser mit Leichtigkeit und Zartheit durch die Geschichte, trotz der durchaus ernsten Themen und Ereignisse. Trauer ist tief und ehrlich, aber nie larmoyant. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, manche Szenen sind so skurril und genial geschildert, dass man als Leser laut auflacht. Die Liebesgeschichte entwickelt sich sanft und leise, kommt manchmal mit nur wenigen Worten aus.

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass uns Anne Reinecke und der Diogenes Verlag hier ein Romandebüt vorlegen, welches wir in absehbarer Zeit auf den Shortlists für diverse Literaturpreise finden werden. Ein auch sprachlich beeindruckendes Buch, das man lesen und genießen sollte.

Der Schlüssel des Salomon – J.R. Dos Santos

AutorJ.R. Dos Santos
Verlag luzar publishing
Erscheinungsdatum 15. März 2018
FormatTaschenbuch
Seiten
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3946621027

„Wenn es niemanden gäbe, der den Mond anschaut, würde er schlicht und einfach nicht existieren.“ (Zitat Seite 167)

Inhalt

Ein bahnbrechendes, wissenschaftliches Experiment im CERN in Genf muss auf Grund eines plötzlichen Alarms abgebrochen werden. Im Hochsicherheitsbereich liegt ein Toter: Frank Bellamy, Wissenschaftsdirektor der CIA. In der Hand hält er einen Zettel, welcher auf Tomás Noronha hinweist. Damit ist für die CIA klar, wer der Mörder ist: der portugiesische Geschichtsprofessor und Kryptologe.

Eine geheime Jagd auf Tomás Noronha beginnt. Dieser muss nicht nur vor seinen Verfolgern, Spezialagenten der CIA, fliehen, sondern gleichzeitig den Fall aufklären und den wahren Mörder finden. Dazu muss er das Pentakel entschlüsseln, das ihm ein Unbekannter geschickt hatte.

Doch worum geht es hier wirklich? Was genau ist das Quantenauge, das die CIA unbedingt in die Hände bekommen will?

Thema und Genre

Dieser Roman ist ein Wissenschaftsthriller und beschäftigt sich mit den großen physikalischen Entwicklungen im Bereich der Quantenphysik, Teilchenexperimente im Mikrokosmos-Bereich und modernen Theorien in Bezug auf das Universum, was ist Zufall, was ist Realität. Wie passt das menschliche Bewusstsein tatsächlich in dieses Gesamtbild, ist ebenfalls ein Thema. Auf der Suche nach Antworten in Bezug auf den Mord an FRank Bellamy müssen sich Tomás und seine Freundin Maria Flor immer wieder mit den aktuellsten Entwicklungen in diesem Bereich auseinandersetzen.

Der Autor bindet die neuesten Erkenntnisse der Quantenphysik und Bewusstseinsforschung in eine spannende Verfolgungsjagd ein, Tomás wird von erfahrenen CIA Agenten gejagt und die Geschichte hält den Leser bis zum Show-down in Atem.

Charaktere

Tomás Noronha, den der Leser vielleicht schon vom Fall „Einstein Enigma“ kennt, ist ein sympathischer Hauptprotagonist und es fehlt ihm trotz seines umfassenden Wissens jegliche Überheblichkeit. Im Prinzip ist er ein friedlicher, begeisterter Wissenschaftler, doch wenn es die gefährlichen Situationen erfordern, reagiert er schnell und durchaus kreativ.

Handlung und Schreibstil

Wenn man „Das Einstein Enigma“ nicht gelesen hat, ist das kein Nachteil, der vorliegende Roman kann für sich alleine gelesen werden und es gibt einige Hinweise auf die Vergangenheit.

Die Sprache ist packend und liest sich sehr flüssig, aber auf Grund der Thematik ist dieser Thriller doch eine anspruchsvolle Herausforderung an den Leser. Auch wenn die Erklärungen der Schrödingergleichung, des Doppelspaltexperiments und weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse im Bereich der Quantenphysik verständlich formuliert sind, kann man nicht so einfach darüber hinweglesen. Doch gerade dieses Thema macht diesen Roman nicht nur extrem spannend, sondern auch hochinteressant. Der Autor wirft hier Fragen auf, über die man bisher vielleicht noch wenig wusste und die zum intensiven Nachdenken anregen, die mit der letzten Seite dieses Romans noch längst nicht abgeschlossen sind.

Obwohl man Genre, Thema und Protagonist mit Dan Browns Büchern vergleichen kann, sind die Geschichten, die uns diese beiden großartigen Autoren erzählen, völlig unterschiedlich und ich sehe das auf jeden Fall positiv, da es noch zu wenig gute Bücher und Autoren in diesem speziellen Genre gibt. 

Fazit

Ein Buch für alle Leser, denen nur ein spannender Thriller zu wenig ist, die sich zusätzlich brisante, interessante Themen wünschen. Nur Leser, denen Origin, der neueste Dan Brown, „zu langweilig“ war, werden auch mit J.R. Dos Santos keine Freude haben.

Innere Sicherheit – Christa Bernuth

AutorChrista Bernuth
Verlag Piper Taschenbuch
Erscheinungsdatum 1. Oktober 2009
FormatTaschenbuch
Seiten416
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492263375

„Nicht wir haben das System im Griff, das System hat uns im Griff.“ (Zitat Seite 74)

Inhalt

An einem kalten Sonntag im November wird eine tote Frau, getötet durch einen Schuss in den Hinterkopf, an Rügens Küste angeschwemmt. ABV Martin Beck, Volkspolizist, beginnt zu ermitteln und klärt die Identität der Toten: Johanna Schön, loyal, hilfsbereit – und es war nicht die DDR Küstenbrigade, die geschossen hat. Da erhält Beck die Weisung von oben, die Ermittlungen unverzüglich einzustellen. Doch es gibt zu viele Ungereimtheiten und Martin Beck recherchiert heimlich weiter, obwohl er sich in eine Gefahr begibt, deren Dimensionen er nicht abschätzen kann. Kann er überhaupt noch jemandem vertrauen?  

Thema und Genre

Die Geschichte spielt in der DDR, auf der Insel Rügen und in Berlin. Thematik sind die unterschiedlichen Akteure und Auswirkungen des Kalten Krieges, aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit den einzelnen Staatsformen:  westliche Demokratie gegen DDR, Machtgefüge und die Haltung einzelner Protagonisten auf beiden Seiten. Es ist jedoch kein reines Hinterfragen des Systems DDR, sondern es geht vor allem darum, wie die Menschen damit umgehen.

Charaktere

Der Hauptprotagonist Martin Beck sieht den Sinn der DDR auf Ideale begründet, Ideale, welche gerade die jungen Menschen mittragen. Man ist bereit, Opfer zu bringen für das, was noch im Aufbau ist, auf manche Annehmlichkeiten zu verzichten. Auch er teilt diese Ideale, kann jedoch die Augen nicht vor den Entwicklungen verschließen, kritisch nimmt er wahr, was um ihn vorgeht, was vor allem in den Menschen vorgeht. Schon vor Jahren ist seine Mutter in den Westen geflohen, während er und sein Bruder in der DDR geblieben sind. Dadurch hat Martin Beck kaum Chancen auf Beförderungen. Dies kann er nachvollziehen, doch die Dinge, die er im Laufe seiner heimlichen Recherchen herausfindet, führen dazu, dass er umzudenken muss. Ein sympathischer Hauptcharakter, um den man sich als Leser Sorgen macht.

Handlung und Schreibstil

Die Autorin verpackt die zeitgeschichtlichen Themen in einen aufregenden Politik- und Spionagethriller in dem kaum etwas so ist, wie es scheint. Immer wieder neue Wendungen halten die Spannung aufrecht und doch sind alle Entwicklungen realistisch. Dennoch nimmt sich die Autorin auch Zeit für Beschreibungen der Örtlichkeiten, der Natur und der einzelnen Personen. Der Schreibstil und die flüssige Sprache erzeugen ein positives Leseerlebnis.

Fazit

Ein spannender Politthriller, den man nicht aus der Hand legen will, bis die letzte Seite gelesen ist. Hier wird leise gemordet, um der Ziele willen, nicht aus gewaltbereiter Brutalität. Ein Buch für Fans von Spionagethrillern mit zeitgeschichtlichem Hintergrund und für alle, die mehr über die Insel Rügen zu DDR Zeiten erfahren wollen, verpackt in eine packende Geschichte. Wer leichte Regionalkrimis sucht, wird von dieser dichten, intensiven Geschichte eventuell enttäuscht sein.

Leere Herzen – Juli Zeh

AutorJuli Zeh
Verlag Luchterhand
Literaturverlag
Erscheinungsdatum 13. November 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3630875231

„Jetzt weiß ich, dass richtig und falsch erst existieren, nachdem man sich entschieden hat.“ (Zitat Seite 324)

Inhalt

Richard und Britta sind mit Knut und Janina seit Jahren eng befreundet, trotz der unterschiedlichen Lebensperspektiven. Während Janina sich auf das alte Haus im Grünen freut, das sie kaufen wollen, hat Britta sich bewusst für ein modernes Haus in Braunschweig entschieden. Britta Söldner ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Zusammen mit dem IT Spezialisten Babak Hamwi führt sie die „Brücke“, eine Heilpraxis im Bereich Psychotherapie und Tiefenpsychologie. Kern ihres Unternehmens ist der von Babak entwickelte Algorithmus, „Lassie“. Sie selbst sehen sich als Dienstleister, spezialisiert auf Menschen mit Selbstmordabsichten.

Plötzlich taucht gefährliche Konkurrenz auf, die nicht nur ihr Geschäftsmodell stehlen will und dadurch ihre Existenz bedroht, sondern auch ihr Leben und das ihrer neuesten Kundin Julietta …

Thema und Genre

Them

Charaktere

Mein Lieblingscharakter in diesem Roman ist Juliette, eine junge Frau, die genau weiß, was sie will und was sie nicht will. Verletzlich und dennoch selbstbewusst. Durch sie beginnt Britta, ihr Leben und ihre Handlungen zu hinterfragen.

Handlung und Schreibstil

Der Roman spielt in der nahen Zukunft, die BBB „Besorgte Bürger Bewegung“ hat die Regierung Merkel abgelöst. Den Menschen sind die Ideale abhanden gekommen, sie nehmen die Situation als gegeben und versuchen, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu führen. Wichtige Themen sind Demokratie und Demokratieverständnis und die Frage, ob und wie lange man ein Leben im „Wegschauen“ führen kann. Speziell ist natürlich auch die Geschäftsidee der „Brücke“, definiert als Terrordienstleister.

Beispielhaft für den Zeitgeist, rund um den die Autorin ihre Geschichte entwickelt, steht die Lebenssituation der beiden Ehepaare Knut-Janina mit Tochter Cora, 7 Jahre alt, und Richard-Britta mit Tochter Vera, 7 Jahre alt. Erstere wollen ein altes, weit abgelegenes Haus auf dem Land kaufen, während Britta bewusst eine gute Lage in einer mittelgroßen Stadt gesucht hat und so auf Braunschweig gekommen ist. Britta verdient mit ihrer Firma viel Geld, dies und der Erfolg sind für sie das Wichtigste im Leben – ihre Ziele verfolgt sie skrupellos. Für ihre Familie bleibt da wenig Zeit. Von ihrem Geschäftspartner Babak erwartet sie, dass er ihre Ideen ausführt und sich ihren Zielen unterordnet.

Man könnte den Roman, geschrieben in der neutralen Erzählform, als gesellschaftskritisches Zeitbild beschreiben, eingepackt in einen fesselnden Thriller. Die Handlung ist spannend und enthält zahlreiche Andeutungen und Wendungen, die den Leser lange über die wahren Gegner und Hintergründe im Unklaren lassen.

Fazit

Die Autorin zeigt in ihrem Roman eine mögliche Zukunft Deutschlands mit Menschen, denen Träume und Wertvorstellungen weitgehend abhanden gekommen sind. Sie zeichnet ein ziemlich düsteres, aber nicht hoffnungsloses Bild.

Mich erinnert dieses Buch an die früheren psychologisch-spannenden Romane von Juli Zeh und hat mich, im Gegensatz zu Unterleuten, wieder völlig überzeugt. Ein Thema mit Tiefgang, großartig umgesetzt.

Gedichte schreiben: Von Akrostichon bis Sonett – Sabine Hartmann

AutorSabine Hartmann
Verlag Hottenstein
Buchverlag
Erscheinungsdatum 25. Januar 2018
FormatTaschenbuch
Seiten84
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3935928823

Zit

Ein Sonett kann so nett sein, ein Limerick kann kokett sein, eine Ballade kann fett sein und Sie dürfen beim Reimen im Bett sein … (Zitat Klappentext) „Jetzt sind Sie dran …“ (Zitat S 34)

Inhalt

Dieses Büchlein wurde als Lehr- und Übungsbuch geschrieben. Es ist in zwei Teile geteilt. Teil I: In jedem Kapitel wird eine Gedichtform vorgestellt, kurz beschrieben, dazu ein Beispiel und freie Zeilen, um sofort zu üben. Der Teil II am Ende des Buches befasst sich mit der entsprechenden Theorie, Versformen, Fachausdrücken und bietet weiterführende Links an.

Thema und Genre

Es handelt sich hier um ein praktisches, kleines Buch, das man überall mitnehmen kann. Es beginnt mit der Praxis, mit einer einfachen Gedichtform, dem Elfchen. So kann man sofort kreativ werden. Will man mehr wissen, findet man am Ende des Buches einen theoretischen Teil, den man natürlich auch vorher lesen kann.

Das gesamte Büchlein ist sehr übersichtlich aufgebaut. Die einzelnen Kapitel und die freien Zeilen – wenn es um längere Gedichte geht, werden es freie Seiten – sind ansprechend gestaltet und laden zum Ausprobieren ein.

Dieses kleine Buch macht einfach Spaß. Einmal begonnen, entwickelt man Ideen und eine eigene Kreativität, von der man zuvor vielleicht gar keine Ahnung hatte. Besonders der Limerick gräbt sich in die Gedanken und man kommt auf immer neue Varianten, man kann buchstäblich nicht mehr aufhören, wenn die Verse erst mal fließen.

Fazit

„Gedichte schreiben“, dieses kleine Buch ist auch ein perfektes Geschenk für alle Menschen, die einfach mal probieren wollen, mit der Sprache zu spielen. Oder man schenkt es sich selbst, einfach zum Abschalten und etwas völlig Neues zu entdecken.

Aisha (Axel Steen ermittelt, Band 4) – Jesper Stein

AutorJesper Stein
Verlag KiWi-Taschenbuch
Erscheinungsdatum 26. Januar 2018
FormatTaschenbuch
Seiten560
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462050783

„Er war Axel Steen und er verstand die Prioritäten nicht, die es in ihrer Welt gab und auf die man Rücksicht nehmen musste.“ (Zitat S 382)

Inhalt

Kommissar Axel Steen ist seit neun Monaten zurück im Einsatz und wird an den Tatort eines Mordes gerufen. Erste Recherchen ergeben, dass der Ermordete ein Charmeur mit vielen Frauengeschichten war, doch Axel glaubt nicht an ein Eifersuchtsdrama, als er erfährt, das der Tote bis vor zwei Jahren als Spezialagent an Anti-Terror Einsätzen beteiligt war. Er muss in der Vergangenheit ermitteln, vier Jahre zurück, doch er stößt auf eine Mauer des Schweigens, kaum vorhandene Unterlagen und immer wieder rät man ihm, sich nicht in Vermutungen und Gerüchte zu verrennen und die Vergangenheit ruhen zu lassen. Kann er seinem neuen Mitarbeiter trauen, Khalid Taleb, der ihm vom PET zu Seite gestellt wird? Wird diese Ermittlung seine persönliche Beziehung zu Henriette Nielsen beeinflussen, ebenfalls PET, die damals an diesem Einsatz beteiligt war? Doch er wäre nicht Axel Steen, ließe er sich durch irgend etwas oder jemanden aufhalten, wenn es darum geht, ein Verbrechen aufzuklären …

Thema und Genre

Dieser spannende Thriller, der vierte Band um Kommissar Axel Steen, ist im Umfeld der aktuellen Anti-Terror Einsätze angesiedelt und stellt auch die Frage, ob der Zweck wirklich alle eingesetzten Mittel entschuldigt. „Wir befinden uns im Krieg, und im Krieg gibt es Verluste.“ (Zitat S 387) Das persönliche Abwägen der leitenden Einsatzkräfte ist ebenfalls ein Thema und die Aufstiegschancen von Kollegen mit Migrationshintergrund wie Khalid, ungeachtet der Qualifikationen. Gesellschaftskritisch erfasst der Autor auch die Entwicklung einzelner Stadtteile von Kopenhagen. Unter der Fülle der Problematiken, die der Autor in dieser Geschichte unterbringen und weiterführen will, leidet die Logik der Handlung an manchen Stellen.

Charaktere

Der Hauptprotagonist Axel Steen, als Ermittler vielen Lesern schon aus den früheren Büchern bekannt, hat sich verändert, versucht weniger verbissen zu ermitteln und bemüht sich um seine Tochter Emma. Er ist aber auch ein von Selbstzweifeln bis hin zu depressiven Momenten Getriebener und genau diese Einblicke in seine Befindlichkeiten, die sich immer wieder in die Handlung schieben, unterbrechen den Handlungsfluss und nehmen dadurch leider auch mehrfach die Spannung aus dem Geschehen. Als bedingungslos korrekter Ermittler, der sich nicht beeinflussen lässt, gefällt er mir sehr gut, seine persönlichen Entscheidungen im Privatleben sind teilweise für mich schwer nachvollziehbar.

Insgesamt sind die Charaktere, sowohl im PET, als auch bei der Kriminalpolizei, gut beschrieben und die Geschehnisse sind durchaus glaubwürdig.

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt die Geschichte abwechselnd in zwei Erzählsträngen, den Einsatz 2007 und die Ermittlungen 2011, sodass der Leser mit dem Fortschreiten der Ereignisse im Jahr 2007 ein genaues Bild darüber erhält, was damals tatsächlich vorgefallen ist, während Axel Steen im Zuge seiner Ermittlungen im Jahr 2011 mühsam nachforschen muss, was damals passiert ist und ob es einen Zusammenhang zum aktuellen Mordfall gibt.

Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen, mit notwendigen kurzen Rückblenden auf Axel Steens frühere Ermittlungen. Das örtliche und gesellschaftliche Umfeld in Kopenhagen ist interessant und gut beschrieben.

Fazit

Ein spannender Thriller, auf alle Fälle für Leser, die Axel Steen schon aus früheren Büchern kennen, jedoch ist es auch kein Problem, mit diesem vierten Band in die Thriller-Serie einzusteigen. Hier wird der Autor Leser ansprechen, die Thriller im Bereich von Geheimdiensten und mit unterschiedlichen, ermittelnden Interessensgruppen schätzen, auch wenn mich der Autor nicht vollkommen überzeugen konnte.

Der Wortschatz – Elias Vorpahl

AutorElias Vorpahl
Verlag Buchblatt Verlag
Erscheinungsdatum 1. Januar 2018
FormatBroschiert
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3000571695

„Dinge müssen nicht unbedingt einen Namen tragen, um bedeutend zu sein.“ (Zitat S 32)

Inhalt

Ein Wort besucht gerade seinen Freund, als es von den Stimmbändern erfasst und ausgesprochen wird. Dadurch vergisst es, wer es ist und welchen Sinn es hat. Ein altes Wortpaar, Dichterin und Denker, pflegen es gesund und dann macht das Wort sich auf die Suche nach seinem Sinn. Es trifft eigenartige Wesen und nimmt an den berühmten Wortspielen teil. Doch es ist nicht einfach, den eigenen Sinn zu finden und zu alledem wird es von zwei finsteren Gestalten verfolgt …

Thema und Genre

Dieser Roman „Wortschatz“ ist auch als Buch ein Schatz, phantasievoll illustriert und passend dazu auch die Überschriften der einzelnen Kapitel und sogar die Seitenzahlen.

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt eine magische Geschichte aus dem Reich der Sprache, der Worte, der Buchstaben, aber auch vom Geschichtenerzählen und bindet auch bekannte Bücher ein. Es tauchen immer wieder spielerische Hinweise auf Alice im Wunderland auf, in diesem Zusammenhang jedoch neu interpretiert. Die Suche nach dem eigenen Sinn ist durchaus auch philosophisch zu verstehen und als Spiel mit der Phantasie.

Natürlich überlegt man als Leser, um welches Wort es sich handeln könnte, es ergeben sich im Laufe der Handlung auch einige Hinweise. Doch vor allem wird man dieses Buch wegen des humorvollen, spielerischen Umgangs mit der Sprache lesen, die Worte und ihr Leben sind durchaus vermenschlicht dargestellt. So frühstückt das Wort zum Beispiel Aufstrich und Unterstrich, um nur ein Beispiel aus dem ersten Kapitel zu nennen.

Fazit

Ein Buch für genussvolle Lesestunden, für Leser, welche die Feinheiten einer poetischen, phantasievollen Sprache schätzen und sich auf den Humor der Sprachspielereien einlassen.

Die Hauptstadt – Robert Menasse

AutorRobert Menasse
Verlag Suhrkamp Verlag
Erscheinungsdatum 11. September 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten459
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3518427583

„Wir haben Experten für alles, sagte Hidekuti. Wir können Regen machen, und wir können das so machen, dass die Kommission im Regen steht.“ (Zitat Seite 330)

Inhalt

Fenia „Xeno“ Xenopoulou hat Wirtschaft studiert, doch der erhoffte Aufstieg innerhalb der Europäischen Kommission beförderte sie ausgerechnet ins Kultur Ressort, als Leiterin der Direktion C, Kommunikation. Dies möchte sie rasch ändern und zumindest wieder ins Ressort Handel zurück. Gleichzeitig sucht Grace Atkinson, die neue Generaldirektorin des Kommunikationsdienstes nach einer zündenden Idee, das Image der Europäischen Kommission bei den EU Bürgern zu verbessern, das 50 Jahre-Jubiläum in zwei Jahren scheint ihr der perfekte Anlass. Fenia Xenopoulou wiederum sieht eine Chance, sich zu profilieren und erklärt das Big Jubilee Project zu einer Sache des Ressorts Kultur. Ihr Mitarbeiter Dr. Martin Susman kommt von einem Besuch in Auschwitz zurück und mit der hat eine Idee für das Jubiläumsprojekt. Die Überlebenden von Auschwitz, die der Wunsch nach einem Leben in Würde und Freiheit einte. Doch wo findet man diese Überlebenden?

Neue Visionen zur Zukunft der EU „New Pact for Europe“ sind auch das Thema eines Think-Tank aus internationalen Fachleuten, dem auch der österreichische Professor DDr. Alois Erhart. Er schlägt dem Gremium die Errichtung einer neuen Hauptstadt vor …

Für weitere Verwirrung sorgt ein Schwein, das durch Brüssel irrt und ein Mord im Hotel Atlas, den Kommissar Brunfaut untersuchen will, aber nicht darf.

Thema und Genre

Robert Menasse beschreibt in diesem Roman das Gefüge der Europäischen Union, Abläufe in der Bürokratie von Brüssel, und dies alles so realistisch, dass es genau so passiert sein könnte, teilweise auch ist. Ähnliche Personen wie die Hauptakteure seiner Geschichte kennen wir alle. Kritisch werden Verträge hinterfragt, die internen Querelen nachvollzogen, aber Kernstück ist die Frage nach der Eigenständigkeit der Nationen unter der Idee einer supranationalen Zukunft – und der nach wie vor aktuelle Umgang mit der Vergangenheit.

Charaktere

In seinem Europa-Roman stellt der Autor die Hauptpersonen, um die er seine Geschichte entwickelt, dem Leser vor, indem er sie durch eine Gemeinsamkeit eint: alle sehen ein Schwein, dass durch Brüssel läuft und einen keineswegs friedlichen Eindruck macht.

Dies sind die ehrgeizige Fenia „Xeno“ Xenopoulou, gegen ihre Wünsche ins Kultur Ressort befördert und Kai-Uwe Frigge, Kabinettchef Generaldirektion Handel, mit dem sie eine lockere Beziehung hat;

Dr. Martin Susman, Mitarbeiter in ihrem Team, Kind österreichischer Bauern, dessen Bruder Florian den elterlichen Schweinemastbetrieb erfolgreich weiterführt;

Ryszard „Mateusz“ Oswiecki, der einen Auftrag ausgeführt hat und untertaucht;

David de Vriend, der in Brüssel lebt, Auschwitz überlebt hat und gerade in ein Altersheim übersiedelt ist;

Prof. DDr. Alois Erhart, auch im Alter noch damit beschäftigt ist, seine Kindheit zu verarbeiten und endlich seine eigenen Visionen findet;

Kommissar Emile Brunfaut der einen Mordfall vergessen soll, statt ihn aufzuklären.

Jede dieser Hauptpersonen hat ihre eigene Geschichte, die Menasse erzählt, teilweise durch Rückblenden, vor allem aber, indem er uns an ihren Gedanken teilhaben lässt. Dadurch erklären sich Verhaltensweisen und Handlungen. Manche der Personen kennen einander, andere begegnen sich, verharren jedoch in der Anonymität der Großstadt  und als Leser möchte ihnen zurufen, doch miteinander zu reden, weil es wichtig wäre. Die Sprachenvielfalt in Brüssel macht die Kommunikation nicht einfacher.

Handlung und Schreibstil

Die parallel laufenden Einzelschicksale machen die Geschichte spannend, dazu kommt die gekonnte sprachliche Qualität, die Lesevergnügen garantiert. Besonders die genialen philosophischen Betrachtungen über Dinge wie Senf und Insekten, die der Autor Dr. Martin Susman anstellen lässt, sind skurril, geistreich und witzig.

Leider lässt die Spannung in der zweiten Hälfte des Buches etwas nach, der Autor will uns hier meiner Meinung nach einfach zu viel über Abläufe in der EU und in den Kommissionen mitteilen und auch die langatmigen inneren Selbstdialoge von Prof. Erhart haben dazu geführt, dass mich der Autor kurzzeitig verloren hat, die Geschichte schien mir irgendwie in Nebensächlichkeiten auszufransen. Dann jedoch führt der Autor die Personen im Finale nochmals zusammen und lässt das Schicksal einen gewaltigen Schlusspunkt setzen.

Fazit

Beim Erscheinen dieses Romans war ich natürlich gespannt, aber die Leseprobe hat mich eher ratlos gemacht. Als Österreicherin kannte ich Menasse bisher nur als Essayist und dieser Roman schien für mich in Richtung Essay, zum Ganzen zusammengefügt, zu gehen. Doch trotz kleiner Einschränkungen hat mich dieser Roman überzeugt und ich habe ihn mit Vergnügen gelesen. Ich empfehle ihn für Leser, die am Thema Europa uinteressiert sind und mögliche Lösungswege für eine gemeinsame Zukunft, und an mit ihren Eigenheiten nur allzu menschlichen Personen. Wenn sie zu wissen glauben, dass EPP für European People’s Party, Europäische Volkspartei, steht, dann sollten sie lesen, was Menasse dazu eingefallen ist.

Verfolgung (Millennium, Band 5) – David Lagercrantz

AutorDavid Lagercrantz
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 7. September 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten480
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3453270992

„Erst musste man die Wahrheit kennen. Und dann konnte man sich rächen.“ (Zitat S 181)

Inhalt

Lisbeth Salander sitzt wegen des letzten Falles für zwei Monate im berüchtigten Frauengefängnis Flodberga ein und bemerkt, dass die Gefangene „Benito“ Beatrice Andersson und eine Gruppe rund um sie im Sicherheitstrakt B Mitgefangene terrorisieren. Besonders haben sie es auf Faria Kazi abgesehen, eine junge Frau aus Bangladesch und da auch die Aufsehen wegschauen, greift Lisbeth ein und macht sich Benito zur Todfeindin.

Mikael Blomkvist besucht sie jeden Freitag. Eines Tages erhält sie überraschend Besuch von ihrem alten Vertrauten und Mentor Holger Palmgren, der ihr von völlig neuen Spuren, ihre Kindheit betreffend, berichtet. Lisbeth beginnt zu recherchieren und Mikael unterstützt sie bei ihren Ermittlungen über in wichtiges Forschungsprojekt in der Vergangenheit. Was genau hat Leo Mannheimer, Chefanalyst bei einer Investmentgesellschaft, damit diesem Projekt zu tun? Jemand ist bereit, die Aufdeckung mit allen Mitteln zu verhindern und scheint ihnen immer einen Schritt voraus zu sein …

Thema und Genre

Dieser Roman ist der insgesamt fünfte Band aus der Millennium-Serie und der zweite aus der Feder von David Lagercrantz. Auch diesmal gelingt es dem Autor wieder, die Geschichte vom charakteristischen Aufbau bis hin zu den Charakteren im Sinne von Stieg Larsson fortzusetzen.

Diesmal geht es um zwei aktuelle Themen, einerseits die Stellung der Frau in einer traditionellen, muslimischen Familie und andererseits um wissenschaftliche Forschungsprojekte und vor allem um die Frage, wie weit man als Wissenschaftler gehen kann und darf, zählt wirklich nur der Erfolg und das Ergebnis. Was ist mit der ethischen Verpflichtung der Forschung? Ein wirklich zeitlos wichtiges Thema, um welches der Autor seine Geschichte aufbaut.

Charaktere

Char

Handlung und Schreibstil

Das Buch beginnt mit einem kurzen Prolog, der ein Gespräch zwischen Holger Palmgren und Lisbeth Salander vorausnimmt, welches später im Zusammenhang nochmals genauer geschildert wird. Der Zeitrahmen umfasst nur wenige Tage, er reicht vom 12. bis zum 30. Juni. Der Roman ist in drei Teile gegliedert, diese wiederum umfassen einzelne Kapitel, die jeweils durch eine Datumsangabe definiert und unabhängig von den drei Hauptteilen fortlaufend durch die gesamte Erzählung nummeriert sind. Ein kurzer Epilog beendet die Geschichte. Ergänzend dazu setzt der Autor Rückblenden ein, um den Verlauf mancher Geschehnisse zu erklären.

Der Autor verwendet die neutrale Erzählperspektive, nützt jedoch die einzelnen Kapitel dazu, um Ereignisse zu beschreiben, die mit wechselnden Hauptcharakteren im Mittelpunkt an völlig verschiedenen Orten, jedoch gleichzeitig, stattfinden. Durch diese dicht gedrängte Erzählform ergibt sich ein intensiver Spannungsbogen, der den Leser bereits mit dem Einstieg in seinen Bann zieht und auch diesen fünften Teil der Millennium-Reihe zu einem Page-Turner macht.

Fazit

Bereits beim vierten Band der Millenniums-Serie gab es durchaus kritische Stimmen, die meinten, der Autor käme nicht an Stieg Larsson heran, ich habe das damals schon anders gesehen und auch nach dem Lesen dieses fünften Bandes bleibe ich bei meiner Meinung: mit David Lagercrantz wurde in meinen Augen ein großartiger Nachfolger gefunden, diese spannende Reihe um den Millennium Verlag, den Journalisten Mikael Blomkvist und vor allem die einzigartige Lisbeth Salander weiterzuführen. Ein spannender Thriller, den man nicht aus der Hand legen wird, bis man das letzte Wort des Epilogs gelesen hat.

Lied der Weite – Kent Haruf

AutorKent Haruf
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 12. Januar 2018
FormatGebundenes Buch
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257070170

„Victoria. Hör mir zu. Du bist jetzt hier. Du bist hier und nicht woanders.“ (Originalzitat, Maggie Jones zu Victoria)

Inhalt

Victoria, 17 Jahre alt, wohnt bei ihrer Mutter. Der Vater hatte die Familie längst verlassen und dementsprechend verbittert reagiert die Mutter, als Victoria von einer Sommerliebe schwanger ist. Sie wirft Victoria aus dem Haus. Ihre Lehrerin Maggie nimmt sie vorübergehend auf, aber ihr alter, verwirrter Vater reagiert verstört auf Fremde im Haus. In Holt lebt auch ein altes Brüderpaar, die McPherons, die nie geheiratet haben und seit früher Kindheit gemeinsam ihre Rinderfarm bewirtschaften. Victoria kann bei ihnen wohnen. Doch werden die raubeinigen alten Herren und das eigenwillige junge Mädchen den Alltag meistern können? Und was ist mit Ella los, Mutter der beiden Jungs Ike und Bobby, die großteils von ihrem Vater Tom Guthrie versorgt werden, der an der Highschool Amerikanische Geschichte unterrichtet? …

Thema und Genre

Kent Haruf lässt uns in seinem Roman am Leben einiger Bewohner der fiktiven Kleinstadt Holt irgendwo in der endlosen, flachen Weite (Plains) von Colorado teilhaben. Allerdings erkennt man rasch, dass es dem Schriftsteller mehr um die Schilderung des kleinteiligen Alltagslebens in Holt ging und weniger um die Einzelschicksale.

Charaktere

Er wählt die neutrale Erzählperspektive und stellt dem Leser insgesamt sieben Bewohner von Holt genauer vor, die er in kurzen Kapiteln abwechselnd in den Vordergrund treten lässt, wo er eine Situation oder ein Ereignis im Tagesablauf der jeweiligen Person schildert. So lernen wir Victoria Roubideaux kennen, die mit 17 ein Baby erwartet und die Brüder Harold und Raymond McPheron, zwei alte Junggesellen, Farmer, die Victoria bei sich aufnehmen. Wir erhalten auch Einblick in das Leben von Ike und Bobby Guthrie, 10 und 9 Jahre alt, und das ihres Vaters Tom, der an der Highschool unterrichtet, so wie auch seine Kollegin Maggie Jones. Weitere Bewohner von Holt ergänzen die Ereignisse rund um die Hauptpersonen jeweils als Beteiligte. Dadurch ergeben sich mehrere parallele Spannungsbögen,  jede der sieben Personen hat eine eigene Problematik, die sich im eigenen Rhythmus zuspitzt und erst am Ende der Geschichte mit den anderen verbindet.

Handlung und Schreibstil

Der Autor lässt seine Protagonisten in knappen, kurzen Sätzen sprechen. Geht es jedoch um die Landschaft, die Natur in einzelnen Tagesabschnitten und Jahreszeiten, wechselt er in sprachgewaltige, bildhafte Beschreibungen, in die er die Stimmung der Personen einbettet. Gezielt setzt er auch manchmal Metapher ein,  so verwendet der Autor die Ulmen im Zusammenhang mit alten Brüdern McPheron und verstärkt durch diese Schilderung der Bäume auch das Bild in den Gedanken des Lesers: zwei Männer, alt, wortkarg, „knorrig“, aber unter der rauen Schale gute, freundliche Menschen, vom harten Leben vielleicht gebeugt, aber immer noch fest verwurzelt, wie die alten Bäume auf ihrem Anwesen.

„Dann sahen sie in ihre dicken, schwieligen Hände, die sie flach ausgebreitet vor sich auf den Tisch gelegt hatten, und schließlich schauten sie aus dem Fenster zu den kahlen, verkrüppelten Ulmen hinüber.“ (Zitat 140).

Dieser Roman hat mich sehr beeindruckt, weniger die einzelnen Personen, sondern hier ist es das Gesamtbild aus dieser weiten, aber einsamen Landschaft mit der typisch amerikanischen Kleinstadt und ihren Einwohnern. Dazu die kraftvolle und dennoch fließende Sprache, die für mich beinahe pures Lesevergnügen war – mit einer persönlichen Einschränkung: einige Szenen mit Tieren sind sehr realistisch und detailgetreu beschrieben. Ich konnte keinen Zusammenhang mit der Geschichte erkennen, es diente weder dem Handlungsablauf, noch der Erklärung für ein Verhalten eines Protagonisten und mir ist nicht klar, was der Autor damit aussagen wollte.

Fazit

Ein Buch für Leser, welche die sprachliche Qualität eines Schriftstellers zu schätzen wissen und eine Geschichte in ihrer Gesamtheit sehen können, denen es aber nicht so wichtig ist, jedes Detail aus dem Leben der einzelnen Protagonisten zu kennen.

Das Geheimnis meines Vaters, von dem er selbst nichts wusste – Bert Sieverding

AutorBert Sieverding
Verlag BoD
Erscheinungsdatum 1. Dezember 2017
FormatTaschenbuch
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3746032382

„Spät kommt er doch noch nach Hause“ (Originalzitat Seite 139)

Inhalt

Karl Siemer ist seit vielen Jahren in einem internationalen Konzern tätig, er entwickelt IT Projekte und sieht sich selbst als kundenfreundlichen Dienstleister.

Aufgewachsen auf einem Bauernhof in einem kleinen Dorf auf dem Land, hat er sofort nach dem Abitur, 20 Jahre alt, sein Elternhaus verlassen. Nun ist er Mitte 50, ein sportlicher Single mit Angst vor zu viel Nähe.

Karls Mutter ist bereits seit zwanzig Jahren tot, als er die Nachricht vom überraschenden Tod seines 80-jährigen Vaters erhält. Er ist der einzige Sohn und muss daher in das Dorf und sein Elternhaus zurück, um alles Notwendige zu regeln. Vor zwanzig Jahren hatte er seinen Vater zuletzt gesehen und seither waren Weihnachts- und Geburtstagskarten der einzige Kontakt. Zu seinem Erstaunen ist sein Elternhaus renoviert, saniert und in einem gepflegten Zustand. Doch dies ist nicht die einzige Überraschung, die Karl erwartet ….

Thema und Genre

Der Roman ist in der Ich-Form aus Sicht des Hauptprotagonisten Karl Siemer geschrieben. Er spricht nicht nur das Hauptthema Vater-Sohn-Beziehung an, sondern auch die Kriegsjahre, wie sie von den Großeltern erlebt wurden, Erzählungen, an die sich Karl in Rückblenden erinnert. Wir erfahren einige Details aus dem Leben des heranwachsenden Karl, der sich weniger für das Leben als Landwirt, sondern vor allem für Kunst interessiert. Aus diesem Grund kam es immer wieder zu Streit zwischen Vater und Sohn.

Ein weiteres Thema ist das Leben auf dem Land in einer kleinen Dorfgemeinschaft, wo man kaum anonym bleiben kann. Der Leser lernt Karls Nachbarn kennen, sowie den Gastwirt, den Pfarrer und Karl trifft auf Schulkollegen, die in diesem Dorf geblieben sind und sich hier ein Leben aufgebaut haben. Beschreibungen wie „Outfit ist im Dorf wichtig“, daher muss Karl sich angemessene Trauerkleidung kaufen, zeigen, wie sehr die gesellschaftlichen Zwänge noch immer gültig sind. Landleben entzaubert, könnte man dies zusammenfassen.

Charaktere

Der Hauptprotagonist Karl ist ein angepasster Einzelgänger, sportlich, kollegial und kundenorientiert im Beruf, als Mitarbeiter aber oft zu nachgiebig. Seine Rückkehr ins Dorf wird für ihn auch eine Reise in die eigene Vergangenheit, seine Beziehung zum Vater schwankt zwischen Trauer, Schuldgefühlen und nach wie vor Zorn. Als er auf die junge, selbstbewusste Natalia trifft, kann und will er auch ihr nicht Paroli bieten. Karl ist ein von den Ereignissen Getriebener und es gibt eine Menge offene Fragen, auf die er Antworten sucht. Doch nehmen die Dinge dann einen unerwarteten Verlauf, der dem Leser einen positiven Blick in die wahrscheinliche Zukunft des Hauptprotagonisten gibt, nachdem Karl von einem wichtigen Ereignis in der Vergangenheit erfahren hat, von dem auch sein Vater nichts wusste.

Handlung und Schreibstil

Der Schreibstil ist flüssig, erzählend, technische Details werden durch Beschreibungen der Natur und des Umfeldes durchbrochen und aufgelockert. Überraschende Wendungen geben der Handlung die Spannung.

Fazit

Ein Buch für Leser mit Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend in einer engen Dorfgemeinschaft auf dem Land, die keine verklärten Geschichten über das Landleben suchen, sondern Realität mit allen schönen Seiten, aber auch den Schattenseiten. Obwohl  es um eine problematische Vater-Sohn-Beziehung geht, prägende Kindheitserfahrungen und um die Frage, wie weit erwachsene Kinder ihren alten Eltern gegenüber Verantwortung haben, sollte man keinen Familienroman erwarten.

DNA – Yrsa Sigurdardóttir

AutorYrsa Sigurdardóttir
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 9. Oktober 2017
FormatTaschenbuch
Seiten512
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442715756

Kommissar Huldar und Psychologin Freyja, Band 1

Inhalt

Helgi muss an diesem Morgen zu einem wichtigen Meeting. Da sieht er die beiden Söhne des Nachbarn mitten auf der Straße stehen. Seine Frau verständigt die Polizei. Kriminalkommissar Huldar und sein Kollege Ríkhardur werden gerufen, denn die Mutter der beiden Jungen ist grausam ermordet wurden. Unter dem Bett findet Huldar die kleine Tochter der Ermordeten, Margrét, die so zu einer wichtigen Zeugin für die Polizei wird. Kurz darauf wird eine weitere Frau ähnlich brutal ermordet.

Es ist der erste Fall, der Kommissar Huldar als leitendem Ermittler übertragen wird. Ein extrem schwieriger Fall, da es keinerlei Spuren gibt und auch keine Zusammenhänge zwischen diesen beiden Fällen zu finden sind, obwohl es sich um den selben Täter handeln muss. Beinahe unmöglich ist auch die notwendige Befragung von Margrét, erst die Psychologin Freyja kann ein gewisses Vertrauen zu ihr aufbauen.

Doch was hat der Chemiestudent Karl Pétursson mit diesem Fall zu tun, ein begeisterter Amateurfunker, der plötzlich über einen Zahlensender täglich Meldungen erhält, die nur aus Zahlenreihen bestehen, darunter seine ID und die ID Nummern von zwei ihm völlig unbekannten Frauen? …

Thema und Genre

Der bekannten isländischen Autorin ist hier wieder ein atmosphärisch dichter Thriller mit psychologischem Hintergrund gelungen. Thema sind Adoptionen und davon betroffene Kinder. Es geht aber auch im Kinder als Zeugen oder Opfer von Verbrechen, die nur mit äußerster Zurückhaltung und Fingerspitzengefühl von der Polizei einvernommen werden können. Sehr gut geschildert ist auch die Zusammenarbeit mit Kinderpsychologen in Bezug auf Fragenstellung, Interpretation und Glaubwürdigkeit. Themen, die mehrmals und in unterschiedlichen Settings auftreten, sind Familie, der Verlust der Mutter, Zusammenhalt unter Geschwistern.

Charaktere

Der ermittelnde Kommissar Huldar wurde eher durch Zufall mit diesem Fall betraut und ist so plötzlich der Vorgesetzte seiner bisherigen Kollegen. Ihm ist klar, dass es ihm unbedingt gelingen muss, den Fall zu lösen. Dieses Wissen im Hintergrund verunsichert ihn manchmal, lässt ihn ungeduldig werden und je deutlicher es wird, dass sie alle völlig im Dunkeln ermitteln, weil es kaum Spuren gibt, desto größer wird der innere Druck. „Es war sicher angenehm, ein Berg zu sein, der nie in Schwierigkeiten geriet oder Aufgaben übernehmen musste, denen er nicht gewachsen war.“ (Zitat Seite 182)

Auch wenn er in zwischenmenschlichen Beziehungen etwas tollpatschig agiert, ist er ein insgesamt sympathischer Ermittler, dessen Gedankengänge auf der Suche nach dem Täter und auch die Anstrengungen, aus seinen Leuten ein Team zu bilden, authentisch bleiben.

Der immer ernste, sehr korrekte, an den Folgen seiner gerade stattfindenden Scheidung leidende Ríkhardur ist sein Freund und engster Mitarbeiter, der sich vor allem mit der mühsamen Durchsicht aller Unterlagen und Recherchen beschäftigt. Auf Grund eines Vorfalls mit dessen damals Noch-Ehefrau Karlotta hat Huldar ein stetes schlechtes Gewissen gegenüber Ríkhardur, was auch die Zusammenarbeit beeinflusst.

Die junge Psychologin Freyja hat sich vor kurzer Zeit von ihrem Lebensgefährten getrennt und bewohnt die Wohnung ihres Bruders und versorgt seine Hündin Mollý, während dieser eine Gefängnisstrafe absitzt. Obwohl persönlich noch immer von Hulgar enttäuscht und zornig auf ihn, lernt sie seine Arbeit im Zuge der Ermittlungen schätzen.

Karl Pétursson könnte man als Loser bezeichnen, auch er selbst sieht das so. Durch den Tod seiner Ziehmutter aus der Bahn geworfen, quält er sich irgendwie durch sein Chemie-Studium, trifft sich mit seinen einzigen Freunden Börkur und Halli, ähnliche Einzelgänger wie er selbst. Er gibt jedoch die Hoffnung nicht auf, sein Leben ändern zu können, was ihn für den Leser sympathisch macht. Seine wirkliche Leidenschaft ist der Amateurfunk und als er zufällig einen geheimnisvollen Sender abhört, wo jemand eigenartige Zahlenreihen vorliest, scheint für ihn sein Leben endlich wirklich spannend und abenteuerlich zu werden.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte beginnt mit einem Ereignis, das 28 Jahre vor der aktuellen Handlung liegt und wo es zunächst keinen erkennbaren Zusammenhang gibt. Dieses Ereignis ist nur dem Leser bekannt, nicht den ermittelnden Kommissaren, sodass es der Phantasie des Lesers überlassen ist, mögliche Verbindungen zu den aktuellen Verbrechen herzustellen. Dadurch beginnt die Handlung spannend und die Autorin hält diesen Spannungsbogen bis zum Finale und Aufklärung aufrecht. Sie entwickelt mehrere mögliche Lösungen, denen sie auch die Ermittler folgen lässt, um sie dann durch einen Twist als falsch zu erklären und statt dessen neue Varianten anzubieten. Dennoch bleibt die Handlung nachvollziehbar und auch die Erklärung der Lösung des Falles ist stimmig.

Die Sprache ist dem spannenden, sachlichen Genre Thriller angepasst, mit detaillierten Beschreibungen der einzelnen Protagonisten, ihres Lebensumfeldes und auch der örtlichen Gegebenheiten. Bei der Schilderung der Morde ist es ihr wesentlich wichtiger, das verzweifelte Schwanken zwischen Angst und Hoffnung der Opfer zu zeigen, als verbale Blutbäder zu verfassen.

Fazit

Ein spannender Thriller einer bekannten Autorin, die Themen und Charaktere geben dem Plot den notwendigen Tiefgang, um ein umfassendes Lesevergnügen zu garantieren.

Zwitschernde Fische – Andreas Séché

AuthorAndreas Séché
Verlag ars vivendi verlag
Erscheinungsdatum 1. Februar 2012
FormatGebundene Ausgabe
Seiten168
SpracheDeutsch
ISBN-13978-1521122815

„Wer meinen Laden betritt, verliebt sich ins Bücherschreiben.“ (Originalzitat)

Inhalt

Yannis, 31, zelebriert Buchkäufe, zuerst ein passendes Frühstück und dann geht er los, ein Buch kaufen. Er träumt davon, selbst ein Buch zu schreiben. Eines Tages, wieder in Gedanken und Träume versunken, steht er plötzlich in einer kleinen Gasse vor einem alten Buchladen. Ein eigenartiges Buchgeschäft, findet Yannis, hier steht keine Kassa, die Bücher stehen scheinbar völlig ungeordnet in den vielen Regalen und auf manchen liegt sogar Staub. Er ist von der Buchhändlerin Lio verzaubert, wusste er ohnedies schon immer, die Frau seines Lebens entweder im Stadtpark, oder in einer Buchhandlung zu treffen. Beinahe täglich besucht er sie in der Buchhandlung und sie unterhalten sich über Bücher, Geschichten, Buchanfänge. Doch eines Tages ist Lio verschwunden und auch die Atmosphäre im Buchladen scheint sich irgendwie verändert zu haben. Und wer ist der Fremde mit der Leier, er nennt sich Eyn, der ihn angeblich helfen will, Lio zu finden? …

Thema und Genre

Dem Autor ist ein be- und verzauberndes Buch über Bücher, Literatur und Schriftsteller gelungen und vor allem über das Erzählen von Geschichten und ihren Einfluss auf unser Denken. Geschrieben in der Erzählform, umgibt die Rahmenhandlung um Yannis weitere, in verschiedenen Epochen der Vergangenheit stattgefundene Handlungen, wobei sich der Bezug dem Leser erst im Laufe der Geschichte erschließt. Gekonnt vernetzt der Autor Gerüchte und ungelöste Fälle der jeweiligen Ereignisse, schreibt seine eigene Geschichte in einer eigenen Version, wie es stattgefunden haben könnte und bleibt dennoch in einem „das wäre doch möglich“-Bereich.

Charaktere

Auch seine Figuren überzeugen den Leser, da ist der im Alltag etwas schüchterne Yannis mit seinen Träumen, der langsam lernt, sich den Flügeln der Phantasie anzuvertrauen, da ist die geheimnisvolle Lio mit ihrer ruhigen Gelassenheit und schließlich der mystische Eyn.

Handlung und Schreibstil

Wer schon Bücher von Andreas Séché gelesen hat, kennt die magischen Bilder, die er mit seiner beeindruckenden Sprachintensität in die Köpfe der Leser malt und man lässt sich gerne darauf ein, auch auf verwinkelte Handlungen und eine manchmal scheinbar willkürliche Symbolik. Doch man kann sich auch darauf verlassen, dass der Autor seine Geschichten stets magisch, manchmal verwirrend um einen ihm bekannten Erzählfaden webt, den er am Schluss nachvollziehbar auflöst.

Fazit

Für mich sein bestes Buch, das ich jedem Bücherfreund empfehle und auch allen Lesern, die sich manchmal einfach nur in die Schönheit der Sprache einer poetischen Geschichte vertiefen wollen. Im Gegensatz zu Lio und Yannis ordne ich meine Bücherregale nach Genres und ich habe auch eine Reihe von Büchern, die von Büchern, Buchhandlungen, biografisch und fiktiv, literarisch und belletristisch, handeln. Dieses Buch hier habe ich in e-Form auf meinem Kindle gelesen, aber es wird demnächst „auf Papier“ in meinem Regal stehen, um Zitate öfter mal nachzuschlagen und öfter wieder reinzulesen. Daher mein letzter Hinweis zu diesem außergewöhnlichen Buch – lieber gleich die gedruckte Version kaufen.

Haus im Schnee – Günter Hesse

AutorGünter Hesse
Verlag Militärverlag der DDR
Erscheinungsdatum 2. Aufl. 1985
FormatGebundene Ausgabe
Seiten170
SpracheDeutsch
ASINB001Q7D7GA

„Dieses Stillstehen und Stillhalten am Fuße der Insel war Luftholen, Kraftsaugen, Besinnung auf Kommendes.“ (Zitat Seite 6)

Inhalt

Alle sind eingetroffen, Sohn Klaus mit Ulla, den Zwillingen Ilona und Bettina und der Nachzüglerin Paula, ein Jahr alt. Tochter Brigitte mit Ehemann Wolfgang und Sohn Lothar, 27 Jahre alt. Die jüngste Tochter kommt mit Sohn Uwe. Nur Enkel Bernd bleibt bei seiner Fallschirmjäger-Einheit.

Doch dieser Silvester auf Rügen hat es in sich, ein gewaltiger Schneesturm zieht auf und die ganze Insel versinkt buchstäblich im Schnee und unter einer dicken Eisschicht. Das Haus am Moor ist komplett eingeschneit und vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten, wie die gesamte Insel Rügen. Genau in diesen Stunden erwartet Petra Koslowski, 19 Jahre alt und alleinstehend, ihr erstes Baby, also muss sich Lydia zu Fuß zu Petras entferntem Anwesen durchkämpfen, sie nimmt Lothar zur Unterstützung mit. Unterwegs retten sie Doktor von Droll mit Frau und Tochter vor dem sicheren Erfrieren im hängen gebliebenen Auto, bringen sie ins Haus am Moor mit, wo alle noch enger zusammenrücken müssen. Als auch noch der Strom ausfällt, sind Kreativität, spontane Hilfsaktionen und Mut gefragt. Ausnahmsweise sind da auch Julius Starke und Bürgermeister Willi Unger einer Meinung.

Thema und Handlung

Die Geschichte spielt im bis heute unvergessenen Katastrophenwinter 1978/1979, welcher mit riesigen Schneemengen und großer Kälte vor allem den Norden und Osten Deutschlands ins Chaos stürzte. Auch Rügen war schwer betroffen, Tiere verendeten Menschen starben, andere überlebten und haben diese Tage in abgeschiedenem, bangen Warten, ohne Strom, ohne Heizung. Viele der Ereignisse im Buch haben sich so ähnlich tatsächlich abgespielt. Aber auch an die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Menschen, wie Günter Hesse sie schildert, erinnert man sich noch heute, beinahe 40 Jahre später.

Interessant sind aber auch die parallelen Einzelschicksale der Mitglieder der Familie Starke. Besonders Julius, etwas starrköpfig, der gewöhnt ist, seinen Willen durchzusetzen, ruht nicht, bis er mit immer neuen Ideen, der dann sofort umgesetzt werden, das Schlimmste verhindert. Doch auch andere Familienmitglieder wachsen in dieser Gefahr über sich hinaus und es gibt überraschende Wendungen und Erkenntnisse.

Fazit

Menschsein ist Programm. Weich nicht aus. Streng dich an, Mensch!“ (Zitat Seite 141)

Dieses Buch ist nur mehr antiquarisch zu finden, ich habe es zufällig in der Stadtbibliothek Sassnitz entdeckt und damit auch ein kleines Stück Geschichte Rügens.

Sieh mich an – Mareike Krügel

AutorMareike Krügel
Verlag Verlag Piper
Erscheinungsdatum 1. August 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492058551

„All das hier wird weiter existieren, mal wird das Meer einen Eisrand haben, mal wird es glatt und gleißend im Sonnenlicht liegen, mal werden Herbststürme seine Oberfläche aufpeitschen, und ich werde nicht dabei sein.“ (Zitat Seite 183)

Inhalt

Katharina, Anfang 40, seit 17 Jahren verheiratet, zwei Kinder, 17 und 11, lebt auf dem Land an der Ostsee, nahe Lübeck. Ihr Ehemann Costa ist Architekt und arbeitet seit etwas mehr als einem Jahr in Berlin, sie führen daher eine Wochenendehe. Katharina selbst hat Musikwissenschaften studiert und hält im Kindergarten Kurse für frühkindliche Musikerziehung ab. Als sie zufällig „das Etwas“ an ihrer Brust entdeckt, ignoriert sie es zunächst und versucht, ihren Alltag wie bisher zu leben. Dann kommt wieder ein Freitag und sie beschließt, das soll das letzte normale Wochenende sein, am Montag danach wird sie einen Arzt suchen und vor allem, darüber reden. Gerade an diesem Wochenende jedoch hat ihr Mann einen wichtigen Geschäftstermin und muss in Berlin bleiben. So ist Katharina mit ihrem Wissen um das „Etwas“ und dem turbulenten Familienalltag allein und zudem hat ein langjähriger, sehr guter Freund aus Studienzeiten seinen Besuch angekündigt. Chaos ist vorprogrammiert…

Handlung, Thema und Schreibstil

Die komplexe Geschichte spielt an einem einzigen Wochenende, in Ich-Form aus Sicht der Hauptprotagonistin Katharina. Ihr bisheriges Leben wird durch ihre Erinnerungen, Rückblenden, erklärt. So erscheint der Zeitraum für den Leser weitaus länger, auch auf Grund der Dichte der Ereignisse – und es passiert eine Menge an diesem Wochenende. Tochter Hella, mit 11 Jahren irgendwo am Beginn der Pubertät und durch ADHS ohnedies schwierig und jederzeit für Überraschungen gut, ist daran nicht unbeteiligt. Dadurch hält die Autorin den Leser im Bann, bis zum Finale furioso steigt der Spannungsbogen langsam aber stetig und ohne Längen an.

Katharina fühlt sich durch ihren Mann in Berlin allein gelassen, während sie in ländlicher Umgebung mit den Tücken des Alltags  kämpfen muss. Durch ihren ausgeprägten Beschützerinstinkt ist ziemlich chaotisch, obwohl sie ihr Leben in einzelne Listen zu vielen Themen ordnet. Haushalt ist definitiv nicht ihr Lebensinhalt. Insgesamt macht sie gerade das unfreiwillige Chaos, in das sie immer wieder schlittert, sehr liebenswert und lebensnah.

Es geht in diesem Roman nicht darum, wie eine Frau Krebs bewältigt, die Protagonisten müsste ja zunächst einen Arzt aufsuchen, um Gewissheit zu haben. Genau dieser Phase der Vermutungen, Unsicherheit, aber auch, was ist wenn, lässt die Autorin die Geschichte spielen.

Die Thematik reicht jedoch weit über das vordergründige Problem „Frau entdeckt ein Etwas an ihrer Brust“ hinaus. Die Hauptprotagonistin hatte sich ihren Berufsweg völlig anders vorgestellt, wollte ihre Dissertation in Musikwissenschaften beenden und eine interessante Lehrstelle in diesem Bereich suchen, als der Frauen gut bekannte Unterbruch durch die Familiengründung entstand. So stellt sich auch Katharina zwischendurch die Frage „was wäre gewesen, wenn“, besonders, da ihre drei Jahre jüngere Schwester Sissi ebenfalls an der Musikhochschuhe studiert hat und Cellistin geworden ist.

Buch ist trotz der ernsten Themen in einer humorvollen, wunderbar fließenden Sprache geschrieben, jede Seite birgt Sätze, die man am liebsten alle würde zitieren wollen. In keiner Phase der Geschichte gleitet die Hauptprotagonistin in jene wehleidige Larmoyanz ab, die sich in manchen Büchern zu ähnlichen Themen wie Alltagsleben, Probleme mit dem Partner, Verlust der Träume durch die banale Realität, findet, wo sich dann erwachsene Frauen wie Teenager gebärden und die mich als Leserin überlegen lassen, das betreffende Buch ärgerlich zur Seite zu legen. Hier ist es völlig anders, die Umsicht, Humor und Sprachqualität, mit der diese Autorin an das Thema herangeht ist beeindruckend und überzeugt. Vor allem gelingt es ihr, in der gesamten Geschichte einen positiven Unterton mitschwingen zu lassen.

Fazit

Es ist das erste Buch von Mareike Krügel, das ich gelesen habe, aber es wird keinesfalls das einzige bleiben. So sollte ein moderner Frauenroman geschrieben sein, keine Trivia, sondern Themen, die uns alle betreffen, überzeugend und sprachlich großartig umgesetzt.

Romeo oder Julia – Gerhard Falkner

AuthorGerhard Falkner
Verlag Berlin Verlag
Erscheinungsdatum 1. September 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3827013583

„Als ich meine Zimmertür von außen zuzog, war dick gelb umrandet ein Throw-up draufgesprayt: Romeo oder Julia: peng, peng.“ (Zitat Seite 162)

Inhalt

Kurt Prinzhorn ist ein Schriftsteller in einer Phase zurückgezogener, ländlicher Abgeschiedenheit, die er nur unterbricht, um zu wichtigen Literaturtreffen zu reisen, wo er als Vortragender eingeladen ist – so stehen nun Innsbruck, Moskau, Madrid auf dem Programm. Als er in Innsbruck ins Hotelzimmer zurückkehrt, steht er vor einer zwischenzeitlich benützen Badewanne, wo lange, schwarze Haare hinterlassen wurden. Sein Schlüsselbund fehlt und nach einem nächsten Einbruch auch die Tasche mit allen Notizbüchern, in denen er seine Vorträge vorbereitet hat. Weitere Zwischenfälle folgen in Moskau und Madrid – jemand verfolgt ihn, aber warum?

Thema und Genre

Der Roman wird aus Sicht des Schriftstellers Kurt in der ersten Person erzählt. Dies ermöglicht es dem Autor, teilweise humorvoll überzeichnete, teilweise sarkastische Bemerkungen zur Literaturszene, Kritik an der heutigen Hochglanz-Gesellschaft, literarische Anspielungen gekonnt in die Handlung einzufügen. Seine Liebe zur Sprache zeigt der Autor aber auch in den bildhaften Beschreibungen der Hotels, Städte, Landschaften. In den Personen rund um den Schriftsteller finden sich Charaktere, wie sie heute im Kunst- und Kulturbetrieb überall anzutreffen sind.

Charaktere

Der Hauptprotagonist Kurt scheint sich in einer Schaffenskrise zu befinden, ist aber auf Grund seiner bestehenden Werke bekannt und anerkannt. Der Leser fühlt mit ihm, besonders am Beginn der Vorkommnisse, da nicht nur er selbst zeitweise, sondern auch sein Bekanntenkreis nicht sicher ist, ob sich der Schriftsteller nicht alles nur einbildet.

Handlung und Schreibstil

Handlung und Schreibstil TextBeschreibungen von langen Hotelfluchten, Vorhängen, die „tosen“, dunklen Gassen und das Geheimnisvolle, Unerklärliche der Vorfälle lehnt der Autor an Elemente des Schauerromans des 19. Jhd. an. Wie auch dort, erfolgt die Aufklärung erst mit dem Schluss der Geschichte.

Der Roman ist in vier Teile gegliedert: Innsbruck, Moskau, Madrid und Endstation Berlin, welche dann in bezifferte Kapitel unterteilt sind. Eine besondere Bewandtnis gibt der Autor allen 13. Kapiteln, die jeweils den Abschluss der Teile Innsbruck, Moskau und Madrid bilden, denn hier erhält der Leser Hinweise auf mögliche Erklärungen für die Vorfälle. Sehr speziell ist das Kapitel 13 Moskau, denn hier führen die sprachgewaltigen Phantasien des Autors, scheinbar völlig zusammenhanglos, uns in vergangene Jahrhunderte zurück. Im Kapitel 13 Madrid erfährt Kurt und damit auch der Leser schließlich die tatsächlichen Hintergründe und Auflösung.

Fazit

Ein Roman für Leser zeitgenössischer Literatur, die bereit sind, auch die Sprache an sich wirken zu lassen, teilweise lange Satzgebilde, die sich nicht einfach mal so zwischendurch lesen lassen. Dennoch empfehle ich diesen Roman auch Lesern, die einen Gegenpol zu Trivia und Fantasy suchen, einfach Lust haben, sprachliches Neuland zu erlesen.

Olga – Bernhard Schlink

AutorBernhard Schlink
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 12. Januar 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257070156

„Du kannst aus dem, was dir gegeben ist, nicht das Beste machen, wenn du es nicht annimmst.“ (Originalzitat)

Inhalt

Olga Rinke wächst bei der Großmutter in ärmlichen Verhältnissen auf, da ihre Eltern früh ums Leben kamen. Für ihren Traum von einer Ausbildung hat die Großmutter wenig Verständnis. Doch Olga schafft durch Fleiß und ihren starken Willen die Aufnahmeprüfung auf das staatliche Lehrerinnenseminar, beendet die Ausbildung zwei Jahre später mit Erfolg und erhält ihre erste Anstellung als Lehrerin.

Herbert Schröder stammt aus einer sehr begüterten Familie, die Eltern besitzen ein Landgut, eine Zuckerfabrik und eine Brauerei. Seine Ausbildung ist vorgegeben: Abitur, dann Einritt ins Garderegiment.

Olga und Herbert kennen einander, seit sie Kinder sind und als sie älter werden, wird Liebe daraus. An eine Heirat ist jedoch nicht zu denken, da Herberts Eltern eine reiche Erbin ausgesucht haben. Doch Herbert zieht es ohnedies in der Ferne, zuerst Deutsch Südwest, dann Argentinien, Karelien, Brasilien, Sibirien. Doch zwischen diesen Reisen kehrt er immer wieder zu Olga zurück und sie verbringen gemeinsame Zeit. Dann beginnt er, sein größtes Vorhaben zu planen, die Nordostpassage und die Arktis für Deutschland zu erforschen. Ende Juli 1913 bricht die Expedition von Tromsö aus auf und scheitert. Herbert gilt als verschollen und Olga muss ihr eigenes Leben weiterleben.

Thema, Handlung und Schreibstil

Der Autor gliedert den Roman in drei Teile. Im ersten Teil wird von einem beobachtenden Erzähler die Kindheit von Olga und Herbert geschildert und Olgas Leben während der zwei Weltkriege, Flucht aus Schlesien bis in die frühen 50er Jahre. Dann wechselt die Erzählform in die Ich-Form, erzählt von Ferdinand, für dessen Mutter, Frau eines Pfarrers, sie als Näherin tätig war. Damals ist Ferdinand ein Kind und Olga nimmt sich Zeit für ihn. In diesem zweiten Teil schildert Ferdinand sein Leben, aber immer auch mit Bezug auf Olga, denn sie bleiben in Verbindung. Der dritte Teil wird anhand der Briefe, die Olga ab 1913 nach Tromsö, postlagernd, an Herbert geschrieben hat und die Ferdinand viele Jahre später in dieser Stadt entdeckt. Diese Briefe schließen noch offene Lücken in Olgas Leben.

Diese ungewöhnliche Erzählform ist großartig umgesetzt, da der Autor durch diese Form eine wichtige Periode der deutschen Geschichte am Beispiel eines einzelnen, langen Menschenlebens in die Handlung schlüssig einfügt. Dadurch und durch wechselnde weitere Protagonisten ergibt sich ein Gesellschaftsbild des 20. Jahrhunderts. Dennoch sorgen die flüssige Sprache und der Handlungsstrang dafür, dass die Lektüre spannend bleibt, überraschende Wendungen eingeschlossen.

Herbert ist zwar einer der Hauptcharaktere, da auch seine Geschichte jedoch aus der Sicht Olgas geschildert wird, dominierten hier seine Suche nach Ferne, Weite und der Wunsch, etwas Besonders zu tun. Auch wenn er immer wieder zu Olga zurückkehrt, hält er es nicht an einem Ort aus.

Olga dagegen zeigt sich uns als starke Frau, die ihren Weg geht, weil sie es will. Sie ist von großer Herzenswärme, besonders Kindern gegenüber. Als Lehrerin fördert sie die Ausbildung von begabten Kindern, setzt sich für Stipendien ein. Sie erkennt klar Ferdinands Einsamkeit und fördert ihn, wie zuvor schon Eik. Sie steht Kriegen und vor allem der Entwicklung Deutschlands immer sehr kritisch gegenüber.

Ferdinand studiert und arbeitet sein ganzes Leben in einem Ministerium. Er ist, im Gegensatz zum ruhelosen Herbert, ruhig und beständig.

Fazit

Bernhard Schlink enttäuscht auch mit seinem neuen Roman seine Leser nicht und ich empfehle diese Lektüre allen, die eine Erzählung mit zeitgeschichtlichem Hintergrund schätzen, in literarischer Qualität, aber ohne je bemüht zu wirken.

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