Glut – Sven Petter Naess

AutorSven Petter Naess
VerlagAufbau Taschenbuch
Datum15. Januar 2024
AusgabeTaschenbuch
Seiten463
SpracheDeutsch
ÜbersetzerAndreas Brunstermann
ISBN-13978-3746640358

„Gleichwohl konnte er nichts gegen den sich bildenden Kloß in seinem Hals ausrichten, als er zum ersten Mal nach zwei Jahrzehnten die grüne Stahlbrücke wiedersah. Er wusste, dass auf der anderen Seite noch alte Gespenster warteten.“ (Zitat Seite 20)

Inhalt

Am Palmsonntag, 25. März, geht in der Polizeistation Elvestad die Meldung ein, dass bei der Brücke über den Fluss Glomma ein verlassenes Fahrzeug stehe. Per Lyngstad und seine Kollegin Dina Martinsen finden nicht nur den Wagen, sondern auch die Leiche eines Mannes. Dieser Mordfall führt dazu, dass Kommissar Harinder Singh von der Kripo Oslo nach einundzwanzig Jahren in die Stadt seiner Kindheit und Jugend zurückkehrt, wo für ihn jede gute Erinnerung mit mindestens einer schlechten verbunden ist. Gemeinsam mit seiner Kollegin Rachel Hauge wird er bald mit einem weiteren Mordfall konfrontiert. Ist es möglich, dass die aktuellen Ereignisse irgendwie mit dem noch immer unaufgeklärten, spurlosen Verschwinden der jungen Carina Johnson im Sommer vor zwanzig Monaten zusammen hängen? Es ist ein dicht gesponnenes Netz aus Lügen und Schweigen, in dem Harinder und Rachel ermitteln müssen, verstärkt wird diese Aufgabe durch Harinders Erinnerungen, die sich durch die Ermittlungsarbeit ziehen.

Thema und Genre

In diesem Kriminalroman des Genre Nordic Noir geht es um Verbrechen, Ermittlungsarbeit, ungeklärte Fälle in der Vergangenheit, Rache, Erinnerungen, und eine einflussreiche Familie im Gefüge einer kleinen Stadt, wo die Menschen ihre eigenen Geheimnisse haben.

Erzählform und Sprache

Dieser erste Band der Serie „Team Oslo ermittelt“ spielt in Elvestad, einer kleinen Stadt in Norwegen, nahe der schwedischen Grenze. Die Geschichte beginnt mit einem kurzen Prolog, eine Situation, die nicht ganz zwei Jahre zurückliegt. Daran schließt die aktuelle Handlung an, die am Palmsonntag beginnt und während der Karwoche stattfindet. Dazwischen führen weitere kurze Episoden zurück zu den Ereignissen, die vor zwanzig Monaten stattgefunden haben, ergänzt durch Harinders Erinnerungen, Ereignisse im September 1996 betreffend. Erst mit dem Fortschreiten der straffen, packenden Handlung erschließen sich überraschende Zusammenhänge. Die Sprache entspricht dem Genre Kriminalroman, nimmt sich Zeit für die Charakterisierung jeder einzelnen Figur, und unterstützt die perfekte Mischung aus Spannung und Schilderungen des Umfeldes.

Fazit

Eine realistische, spannende, sehr gut durchdachte und kombinierte Geschichte, glaubwürdig, überraschend, facettenreich. Der Beginn einer Serie, deren zwei Folgebände ich schon vorab notiert habe.

Tage des letzten Schnees – Jan Costin Wagner

AutorJan Costin Wagner
Verlag Goldmann Verlag
Erscheinungsdatum 16. März 2015
FormatTaschenbuch
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442474073

„Gebt mir Bescheid, wenn ihr mir sagen könnt, was das alles zu bedeuten hat. Einverstanden?“  (Zitat Seite 179)

Inhalt

Am 1. Mai fällt der letzte Schnee. Lasse Ekholm fährt mit seiner elfjährigen Tochter Anna von deren Eishockeytraining nach Hause. Plötzlich taucht hinter ihm ein PKW in rasanter Fahrt auf, überholt, drängt sein Auto von der Straße – Unfall mit Fahrerflucht. Lasse Ekholm, Inhaber eines Architekturbüros, war der Chef von Sanna, der verstorbenen Ehefrau von Kommissar Kimmo Joentaa und damit wird der Fall zu Joentaas Fall. Am selben Tag macht ein erfolgreicher Fondsmanager in Helsinki mit einer jungen Frau eine Schneeballschlacht, anschließend liest er zu Hause seinem kleinen Sohn eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Am Morgen des nächsten Tages werden auf einer Parkbank in Helsinki zwei Tote gefunden, eine junge Frau und ein Mann. Die junge Frau hat in einem Club in Salo bei Turku gearbeitet und so arbeiten die Ermittler Kimmo Joentaa in Turku und Marko Westerberg und Seppo in Helsinki bei der Suche nach der Identität der Toten wieder einmal zusammen. Doch wer sind die beiden Toten, denn in dieser Art Clubs arbeiten die Frauen nie unter ihrem eigenen Namen.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman, Teil einer Serie um den Ermittler Kimmo Joentaa, spielt in Finnland. Themen sind zwischenmenschliche Beziehungen, Familie, Verlust, Schuld, Rache.

Charaktere

Der Schwerpunkt in dieser Serie liegt natürlich auch im Bereich der kriminellen Taten, doch vor allem geht es um die einzelnen unterschiedlichen Figuren und um die psychologischen Hintergründe ihres Handelns und Verhaltens.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte beginnt an diesem besonderen ersten Mai, ein ungewöhnlicher Tag, weil es nochmals schneit, und endet am ersten September, als der erste Schnee fällt. Die Handlung ist außergewöhnlich vielfältig, Ereignisse finden parallel statt, an anderen Orten, in völlig anderen Situationen und auch zwischen den Personen gibt es keine erkennbaren Bezugspunkte. Erst langsam und mit einigen unvorhersehbaren Details und Wendungen werden erste Zusammenhänge deutlich. Auch in diesem fünften Band der Kimmo Joentaa-Serie zeigt sich die sprachliche Qualität und Kreativität des Autors beim Aufbau der Handlung.

Fazit

Ein facettenreicher, packender und überraschender Kriminalroman.  

Das Licht in einem dunklen Haus – Jan Costin Wagner

AutorJan Costin Wagner
Verlag Goldmann Verlag
Erscheinungsdatum 18. Februar 2013
FormatTaschenbuch
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442474066

„Kimmo Joentaa las den Text mehrere Male, bis die Buchstaben vor seinen Augen zu verschwimmen begannen. Er versuchte, eine plausible Antwort auf die Frage zu finden, warum er zu diesem Hinweis zurückgekehrt war. Warum er ihn zunächst überblättert hatte, um dann zurückzukehren.“ (Seite 137, 138)

Inhalt

Eine Frau wird schwer verletzt neben der Straße aufgefunden. Niemand vermisst oder kennt die Unbekannte, die seither auf der Intensivstation in Turku im Koma liegt. Bis auf eine Person, die eines Tages kommt und die lebenserhaltende Beatmung stoppt – und dabei weint. Ein Fall für Kimmo Joentaa, der sich auf die Suche nach der Identität der unbekannten Toten macht. Gleichzeitig scheint ein Mörder in Helsinki ruhig und in aller Öffentlichkeit eine Liste abzuarbeiten, ein Fall für das Ermittlerteam in Helsinki. In dem kleinen Ort Karjasaari treffen die Ermittler Kimmo Joentaa und Marko Westerberg durch Zufall im Hotel aufeinander und erkennen, dass dies kein Zufall ist. Eine Fotografie aus dem Sommer 1985 hat sie zusammengeführt.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman ist der Band vier der Serie um den finnischen Ermittler Kimmo Joentaa und es geht um die Suche nach Unbekannten und Verschwundenen, um die psychologische Vielfalt von Beziehungen zwischen Freundschaft, Familie und Liebe.

Charaktere

Kimmo Joentaa ist ein einfühlsamer, sensibler Polizist, der auch persönliche Themen wie Trauer und Verlust zu verarbeiten hat. Gleichzeitig ermittelt er zielorientiert und effektiv. Bei allen Figuren spürt man das große Interesse des Autors, diese zu entwickeln, ihren Charakter und ihre Handlungen zu hinterfragen und nachvollziehbar zu machen.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung ist facettenreich und bietet zunächst eine Reihe von unbekannten Faktoren, die sich erst langsam zu einem Bild formen und auch immer wieder neue Erkenntnisse und Überraschungen zeigen. Spannend ist dieser Roman durch die vielen Möglichkeiten, durch die vielen Fragen, welche die Taten aufwerfen, nicht nur in Bezug auf die Tatpersonen, sondern auch auf die Motive und Hintergründe. Jan Costin Wagner ist nicht nur ein hervorragender Kenner der menschlichen Eigenheiten und Psyche, und Kenner der finnischen Mentalität dort, wo die Monate dunkler und die Landschaft einsamer wird, er beschreibt dies alles auch sprachlich dicht und malt entsprechende Bilder in unsere Gedanken. Gleichzeitig entwirft er ein geniales Handlungspuzzle aus vielen scheinbar zusammengewürfelten Einzelteilen in der Vergangenheit und heute, und ist ein großartiger Erzähler.

Fazit

Ein packender Pageturner, ein Kriminalroman mit Elementen des Genre Nordic Noir. Band vier von insgesamt sechs Bänden einer Serie, von der man sich wünscht, sie möge doch noch weitergehen.

Gott aus Stroh – Frank Dommel

AutorFrank Dommel
Verlag GRAFIT
Erscheinungsdatum 21. Oktober 2021
FormatTaschenbuch
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3894256821

„Der Wald roch schon nach Herbst, obwohl noch keine Birke gelb trug. Die Landschaft bestand nur aus den notwendigsten Elementen, eine sparsame Malerei aus Immergrün, rotbraungrauen Erhebungen, einem kreidigen Himmel und dem Fjord, der glänzte wie gebläuter Stahl.“ (Zitat Seite 82)

Inhalt

Eigentlich wollte sich der Münchner Kriminaloberkommissar Falk Sebastiani in der Musikabteilung des Kaufhaus Beck nur genussvoll durch einige Jazz-Neuerscheinungen auf CD hören, doch er gerät in einen Terroranschlag, ist sofort im Einsatzmodus und erschießt die drei Attentäter, um weitere Tote zu verhindern. Seine Vorgesetzten legen ihm eine sofortige Auszeit nahe. Falk besitzt ein altes, entlegenes Ferienhaus in Norwegen. Auf dem Weg besucht er seine Ex-Frau, die mit der gemeinsamen Tochter Hannah, demnächst achtzehn Jahre alt, in Oslo lebt.  Falk will endlich seine Tochter sehen, die seit der Scheidung vor vier Jahren jeden Kontakt zu ihm abgebrochen hat. Angeblich ist Hannah gerade in Madrid, doch plötzlich melden sich Entführer mit einer Lösegeldforderung, und zwar aus Norwegen. Auf der Suche nach seiner Tochter versinkt Falk immer tiefer in einem undurchsichtigen, verworrenen Fall, den zu lösen nicht seine Aufgabe war, und dessen mögliche Zusammenhänge ihm Angst machen.

Thema und Genre

Dieser Nordic Noir Roman ist mehr, als nur ein Kriminalroman, denn in diesem Genre geht es immer auch um gesellschaftskritische, soziale Aspekte, um die Probleme unserer modernen Gesellschaft. Themen in dieser Geschichte sind Beziehungen, Eltern-Kind-Konflikte, Drogen, das freie, genügsame Leben der Samen mit ihren Rentierherden, die Flüchtlingsproblematik auf der „Eisroute“ von Russland nach Norwegen, und die psychologischen Facetten von Schuld.

Charaktere

Falk Sebastiani ist ein sympathischer Ermittler mit persönlichen Problemen. Er hinterfragt sich selbst und sein Handeln bei diesem Anschlag in München, das jahrelange Schweigen seiner heranwachsenden Tochter belastet ihn. Als die aktuellen Ereignisse es erfordern, ist er sofort bereit, sich für seine Tochter einzusetzen, mit allen Konsequenzen und um jeden Preis. Der Autor nimmt sich Zeit für seine Figuren, zeichnet sie glaubwürdig und menschlich. Es sind lebensnahe Charaktere, deren Entscheidungen und Handeln sich wie im realen Leben in allen Schattierungen der Graubereiche bewegen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt überwiegend im Nordosten von Norwegen, in der weiten, einsamen Natur der Finnmark. Bewusst habe ich diesmal als Zitat eines dieser poetischen Stimmungsbilder gewählt, das uns sofort in die spätsommerliche Landschaft Nord-Norwegens versetzt. Der Autor kennt Norwegen sehr gut und daher sind viele der Handlungsorte real und die online verfügbaren Bilder ergänzen unsere Phantasie mit Fotografien der Örtlichkeiten und Umgebung. Zwei Erzählstränge wechseln einander ab, der erste Erzählstrang schildert die Nachforschungen und aktuellen Erlebnisse von Falk, der zweite Erzählstrang trägt nach der jeweiligen Kapitelnummer Koordinaten, welche ebenfalls real sind und die abenteuerliche Flucht einer Flüchtlingsfamilie als Symbol unterstreichen, um die es in dieser Parallelgeschichte geht. Die Handlung ist durch die unterschiedlichen Problematiken facettenreich, durch ihre Figuren packend und wird anschaulich durch die erzählenden, ruhigen Beschreibungen ergänzt. Es ist dieses Gesamtbild, das uns Lesende bei und nach der Lektüre atemlos macht und zu vielen weiteren Gedanken anregt.

Fazit

Ein bunter, aber auch dunkler, vielschichtiger Nordic Noir Kriminal- und Gesellschaftsroman, ein beeindruckendes, packendes, überzeugendes Leseerlebnis.

NEBEL – Ragnar Jónasson, Die HULDA Trilogie, Band 3

AutorRagnar Jónasson
ÜbersetzerAndreas Jäger
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 21. September 2020
FormatBroschiert
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442758623

„Immerhin, jeder kleine Sieg verschaffte ihr eine gewisse Befriedigung. Wenigstens konnte sie selbst stolz darauf sein, gute Arbeit geleistet zu haben, auch wenn es sonst niemand erwähnenswert fand.“ (Zitat Seite 329)

Inhalt

Dieses Weihnachten 1987 im kalten, tief verschneiten Island verändert das Leben von Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Polizei Reykjavík, unwiderruflich. Doch es ist ihr wichtig, nach einem Sonderurlaub rasch in ihren Beruf zurückzukehren. Ihr Chef betreut sie mit einem sehr speziellen neuen Fall. Die Bewohner eines einsamen Bauernhauses im abgelegenen Osten Islands, ein altes Ehepaar, wurden tot aufgefunden. Sie waren nicht friedlich verstorben und es musste bereits während der Weihnachtstage passiert sein. Gleichzeitig lässt Hulda das nach wie vor ungeklärte, spurlose Verschwinden einer jungen Frau während der Sommermonate keine Ruhe.

Thema und Genre

In diesem Thriller, dem dritten und letzten Band der Serie um die Ermittlerin Hulda geht es um Familie, Verlust, Schuld und Verantwortung. Auch psychologische Elemente spielen eine wichtige Rolle.

Charaktere

Hulda muss mit einem persönlichen Schicksalsschlag fertig werden, für den sie sich mitverantwortlich fühlt. Teilweise sind ihre Gedanken dadurch abgelenkt, gerade deshalb übernimmt sie diesen neuen Fall bewusst und vertieft sich in die Ermittlungen. Sie ist eine sehr genaue, erfolgreiche Kriminalbeamtin, doch sie weiß auch, dass sie mit ihren vierzig Jahren beruflich wesentlich weiter wäre, wäre sie in Mann. Umso mehr ist sie entschlossen, immer einfach ihr Bestes zu geben.

Handlung und Schreibstil

Die Ereignisse werden in zwei paralellen Geschichten geschildert, die in den Weihnachtstagen 1987 und Februar 1988 spielen. Ein ergänzender dritter Handlungsstrang führt zurück in den Sommer 1987. Der Winter in Island ist düster und kalt und gerade deshalb sind die Traditionen des Weihnachtsfestes für die Menschen so wichtig. Doch in diesen gemütlichen Beschreibungen über das typische Festessen und Bücher, die als Geschenk unbedingt zu einem isländischen Weihnachtsfest gehören und die man auch sofort mit Vorfreude zu lesen beginnt, schwingen rasch Beklemmung und Ängste mit. Vermutungen ergeben sofort einen besonderen Sog in diese packende Geschichte und überraschende Wendungen sorgen für zusätzliche Spannung. Der Autor spielt mit der Sprache und fängt die unterschiedlichen Stimmungen eindrücklich ein und versetzt uns beim Lesen sofort in das einsame winterliche Island.

Fazit

Weihnachten im kalten, tief verschneiten Island wird besonders gemütlich und traditionell gefeiert, doch manchmal trügt der Schein und was zuerst in der Dunkelheit nur mitschwingt, tritt immer deutlicher hervor. Ein vielschichtiger, sehr spannender Nordic Noir Thriller, ein gelungener Höhepunkt zum Abschluss dieser Serie. Auch die gewählte Form, diese Trilogie im Zeitablauf rückwärts zu erzählen ist ebenso ungewöhnlich wie genial und packend, ich würde, obwohl nun ja alle drei Bände erschienen sind, genau die vom Autor gewollte Reihenfolge DUNKEL – INSEL – NEBEL einhalten.

INSEL – Ragnar Jónasson (Die HULDA Trilogie, Band 2)

AutorRagnar Jónasson
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 13. Juli 2020
FormatBroschiert
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442758616

„Ihre eigene Arbeit hatte sich im Laufe der Jahre immer weiter spezialisiert, sodass sie mittlerweile fast ausschließlich mit Gewaltverbrechen beschäftigt war, eine Kategorie, unter die auch ungeklärte Todesfälle fielen, die in Island allerdings relativ selten waren. Hulda wusste, dass sie gut war in dem, was sie tat.“ (Zitat Seite 185)

Inhalt

Vor zehn Jahren war ihr bei der Beförderung ein Kollege vorgezogen worden, der nun ihr direkter Vorgesetzter ist und Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Polizei Reykjavík, hat inzwischen das Gefühl, mit Ende vierzig schon an der Spitze ihrer Karrieremöglichkeiten angelangt zu sein. Ebenfalls vor zehn Jahren ist ihre Tochter Dimma gestorben und zwei Jahr später ihr Ehemann Jón. Seither gibt es für Hulda nur mehr ihre Arbeit und sie spezialisiert sich auf ungeklärte Verbrechen. Als ihr ein eigenartiger Todesfall auf einer entlegenen kleinen Insel gemeldet wird, übernimmt sie den Fall selbst. Plötzlich stößt sie bei den Ermittlungen auf einen direkten Zusammenhang mit einem Mordfall in der Vergangenheit, der damals rasch aufgeklärt worden war – oder doch nicht?

Thema und Genre

In diesem packenden isländischen Thriller geht es um Familie, Verluste, vor allem aber um nachhaltend prägende Ereignisse, die das weitere Leben beeinflussen.

Charaktere

Nach dem Tod ihrer jungen Tochter und dem späteren Verlust ihres Ehemannes rettet Hulda Hermannsdóttir sich in ihre Arbeit. Da keine Familie mehr auf sie wartet,  gibt es für sie auch keine Bürozeiten in ihren Ermittlungen, nichts lenkt sie ab. Ihre Erfahrung lässt sie prinzipiell auch angebliche Fakten und Beweise hinterfragen und hartnäckig sucht sie nach der Wahrheit.

Handlung und Schreibstil

Der Aufbau umfasst einen Prolog, einen Teil I, der im Jahr 1987 spielt und den Hauptteil, Teil II, der zehn Jahre später, 1997, stattfindet. Ein kurzer Epilog ergänzt fehlende Details. In Teil I untersucht Kommissar Lýður, später Huldas Vorgesetzter, einen Mordfall. In Teil II ermittelt Hulda. In einigen Kapiteln steht, abwechselnd mit Hulda, auch jeweils eine Person des Freundeskreises, um den es bei den Ereignissen auf der Insel geht, im Mittelpunkt: Dagur, Klara, Benedikt, Alexandra. So erhält man beim Lesen unterschiedliche, zusätzliche Informationen, die Hulda nicht wissen kann und dies sorgt gekonnt für ein sehr packendes Lesevergnügen, realistisch und nachvollziehbar. Dieser zweite Band der Hidden Iceland Trilogie beginnt die Lücke zu schließen, zwischen dem ersten Band, der im Zeitablauf der letzte ist, und dem noch nicht erschienenen dritten Band, der am weitesten in die Vergangenheit zurückreicht.

Fazit

Zwei Ereignisse in einsamen, abgeschiedenen Gegenden Islands, mitten in der ungezähmten Landschaft, dazu eine erfahrene, menschlich sehr sympathische Ermittlerin. Zusammen ergibt das einen sehr spannenden Nordic Noir Thriller, einen Pageturner, der nächtliche Lesestunden garantiert.

DUNKEL – Ragnar Jónasson

AutorRagnar Jónasson
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 25. Mai 2020
FormatBroschiert
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442758609

„Dabei musste Hulda in Wahrheit nicht mal überlegen: Es gab einen unaufgeklärten Todesfall, der förmlich danach schrie, ihn sich wieder vorzunehmen.“ (Zitat Seite 36)

Inhalt

Hulda Hermannsdóttir ist bekannt dafür, im Job kompetent, präzise und freundlich zu sein. Privat ist die Kommissarin bei der Polizei Reykjavík in diesem Monat Mai erschöpft und deprimiert, denn sie wird demnächst fünfundsechzig Jahre alt und dies bedeutet, dass sie Ende des Jahres in Pension gehen muss. Doch nun wird sie sogar frühzeitig in den Ruhestand geschickt, innerhalb von zwei Wochen muss sie ihren Schreibtisch räumen. Während dieser Zeit darf sie einen unaufgeklärten Altfall bearbeiten. Sofort denkt sie an den Fall der jungen Elena, eine russische Asylsuchende, die tot in einer felsigen Bucht gefunden worden war. Weder der ermittelnde Kollege noch die Medien interessierten sich für das Schicksal dieser Frau, die in Island ein besseres Leben gesucht und den Tod gefunden hatte. Hulda beginnt zu ermitteln. Doch die Suche nach der Wahrheit ist schwierig und gefährlicher, als sie es sich vorstellen konnte.

Thema und Genre

In diesem packenden isländischen Thriller geht es um die schwierige Situation von Asylsuchenden zwischen Hoffnung und Abschiebung, besonders, wenn es sich um junge Frauen handelt. Wichtige Themen sind Kindheitserlebnisse, die prägend für das weitere Leben sind, problematische Mutter-Tochter-Beziehungen, Verlust, Enttäuschung, Einsamkeit.

Charaktere

Hulda Hermannsdóttir ist eine Frau, in deren Leben der Beruf im Mittelpunkt steht. Die plötzliche, vorgezogene Pensionierung, das Gefühl, in dieser von Männern dominierten Polizeiarbeit für zu alt und nicht mehr kompetent gehalten zu werden, beschäftigt und blockiert sie und führt zu Fehleinschätzungen bei ihren Ermittlungen. Privat lebt sie in selbst gewählter Zurückgezogenheit, denkt aber über eine mögliche neue Beziehung nach. Doch zuvor will sie unbedingt diesen cold case lösen.

Handlung und Schreibstil

Der Zeitraum der aktuellen Handlung umfasst nur drei Tage, drei in Kapitel unterteilte Hauptteile. Parallel zur Haupthandlung verlaufen zwei weitere Geschichten, die ebenfalls chronologisch geschildert werden. Sie haben einen direkten Bezug zum aktuellen Geschehen und legen in kleinen Abschnitten immer mehr Hintergrundinformationen offen. Unvorhersehbare Wendungen überraschen und erhöhen die Spannung. Diese wird durch die Sprache verstärkt und der Autor schildert so gekonnt das Leben der Menschen und beschreibt so eindrücklich die raue Natur in Island, dass man beim Lesen sofort in diese düstere, beklemmende Welt eintaucht. Genial ist die Idee, die Hidden Iceland Trilogie mit einem ersten Band zu beginnen, der inhaltlich der letzte ist.

Fazit

Ein düsterer, packender und sehr komplexer Thriller mit einer facettenreichen, ungewöhnlichen Ermittlerin, die man gerade deshalb sofort ins Herz schließt. Eine großartige Geschichte, wenn man das Genre Nordic Noir zu schätzen weiß.