„Deutscher Buchpreis 2020: Die Nominierten“, Herausgeber: Börsenblatt / MVB GmbH

AutorDeutscher Buchpreis 2020
Verlag Börsenblatt / MVB GmbH
Erscheinungsdatum 18. August 2020
FormatKindle
Seiten130 (Print-Broschüre)
SpracheDeutsch

Originalzitat aus dem Vorwort der Jurysprecherin Hanna Engelmeier, Kulturwissenschaftliches Institut Essen, im „Buchjournal“:

„Es freut uns, dass auch Bücher vertreten sind, die die Form des Romans aufbrechen und mit ihr experimentieren. Die Longlist repräsentiert so nicht nur eine Vielfalt von Themen, sondern auch die Vielfalt poetischer Ausdrucksformen dieser Saison.“

Originalzitat aus dem Vorwort von Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, in der hier vorgestellten Broschüre:

„Literatur schärft unsere Wahrnehmung und macht unsere Welt facettenreicher. Sie findet mutige Antworten und zeigt unvermutete Perspektiven auf. Literatur spricht zwischen den Zeilen und Wörtern.“

Inhalt

Diese Broschüre umfasst etwa 130 Seiten und stellt die zwanzig für den Deutschen Buchpreis 2020 nominierten Romane vor. In vielen Buchhandlungen erhält man die Broschüre in gedruckter Form kostenlos, doch NetGalley Deutschland stellt diese elektronische Form, herausgegeben vom „Börsenblatt“, ebenfalls kostenlos zum Download bereit.

Die zwanzig Autorinnen und Autoren werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt, mit Foto, kurzem Lebenslauf und künstlerischem Werdegang. Daran schließt eine Beschreibung des Themas des jeweiligen Romans an, gefolgt von einer ausführlichen Leseprobe. Ein Bild der Titelseite mit den Angaben über Verlag, Erscheinungsdatum, Seitenzahl und Preis schließt die jeweilige Präsentation ab.

Fazit

Eine perfekte Alternative zur gedruckten Broschüre, die nicht in allen Buchhandlungen erhältlich und auch dort rasch vergriffen ist. Ein interessanter Überblick über die nominierten Romane mit ausführlichen Leseproben, die eine Entscheidung leichter machen, welche dieser Bücher auf die persönliche Liste für den nächsten Buchkauf kommen. Die erfreulich bunte Vielfalt an sehr unterschiedlichen, spannenden Themen, die sich auf dieser Longlist 2020 finden, macht die Auswahl nicht einfach.

Klammerblues um zwölf – Carla Berling

AutorCarla Berling
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 13. Juli 2020
FormatTaschenbuch
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3453424128

„Im ersten Moment wollte ich ihr einen Vogel zeigen. Im zweiten Moment wäre ich ihr am liebsten um den Hals gefallen. Im dritten Moment überlegte ich, ob sie verrückt geworden war.“ (Zitat Seite 88)

Inhalt

Als ihr Ehemann an Krebs stirbt, verkriecht sich Felicitas Branding, genannt Fee, siebenundfünfzig Jahre alt, essend auf dem Sofa. Fernsehserien in Endlosschleife lassen sie das reale Leben vergessen. Etwas ändern – da hat sie sofort ein „Ja, aber“ parat. Da platzt in der Silvesternacht Claudia in ihr Leben und lässt sich von den vielen „Ja, aber“ nicht beeindrucken. Was gut ist, denn durch sie und die lebensfrohe Mary bekommt Fee’s Leben eine neue Wendung und ohne diese Veränderungen wäre sie auch nicht dem Mops „Taxi“ und Winnetou begegnet.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Lebenskrisen, das Älterwerden, den Mut zum Neubeginn, Veränderungen, vor allem aber um selbstbewusste Frauen, Freundschaft und die Liebe.

Charaktere

Fee lebt in Erinnerungen, die ihr Sicherheit geben, sie lässt sich gehen, weil sie keine Optionen sieht. Erst durch Claudine erkennt sie, dass die Vergangenheit auch Ballast sein kann. Der bedingungslose, ehrliche Rückhalt, den sie durch Claudine, Mary und alte Freunde erfährt, führt dazu, dass sich ihr Leben ändert. Unverändert, kreativ und zeitlos ist nur ihre Liebe zur Musik, für jede Situation und Stimmung findet sie sofort die passenden Songs.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in einem Zeitrahmen von einem Jahr, von Silvester bis zum nächsten Silvester. Fee ist die Ich-Erzählerin und schildert die Ereignisse weitere sechs Monate später. Ergänzt wird die Handlung durch Rückblicke, ihre Erinnerungen. Die Sprache erzählt flüssig, einfühlsam, klug und mit sehr viel Humor und Ideen über das tägliche Chaos, das sich Leben nennt.

Fazit

Ein unterhaltsamer Roman, der mit ernsten Themen zum Nachdenken anregt, aber mit seinen sympathischen, schrägen Figuren positiv stimmt und immer wieder für heiteres Lachen sorgt. Eine gelungene Mischung und die perfekte Sommerlektüre für entspannte Lesestunden.

Die Frau im Musée d’Orsay – David Foenkinos

AutorDavid Foenkinos
Verlag Penguin Verlag
Erscheinungsdatum 9. Juni 2020
FormatTaschenbuch
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3328105848

„Die Betrachtung der Schönheit war für ihn ein Mittel gegen die Hässlichkeit der Welt. Er hatte es schon immer so gemacht. Wenn es ihm schlecht ging, hatte er ein Museum besucht.“ (Zitat Seite 28)

Inhalt

Antoine Duris ist ein angesehener Hochschulprofessor in Lyon, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er plötzlich innerhalb eines Tages seine Stelle und seine Wohnung kündigt und nach Paris zieht, nicht einmal seiner Schwester verrät er seinen neuen Aufenthaltsort. Er tritt einen Posten als Saalaufsicht im Musée d’Orsay an, wo gerade die große Modigliani-Ausstellung stattfindet. Mathilde Mattel, die Personalchefin, wundert sich über diesen überqualifizierten Bewerber für diese einfache Stelle. Sein Freundeskreis sieht in Louise, die ihn nach sieben Jahren Beziehung verlassen hatte, den Grund für sein Verschwinden, doch dies ist es nicht. Erst Mathilde erfährt eines Tages den wahren Hintergrund.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Beziehungen, Trennung, Trauer und Schuldgefühle, die ein Leben blockieren können. Auch die Malerei ist ein wichtiges Thema, vor allem das Bildnis von Jeanne Hébuterne, das Modigliani von seiner letzten Lebensgefährtin gemalt hat. Damit verbunden ein Verbrechen, das vom Täter nicht als solches gewertet wird, und die Folgen.

Charaktere

Antoine Duris ist ein angesehener, bei den Studenten beliebter Professor. Als ihn seine Freundin Louise nach sieben Jahren verlässt, kann er sich damit nur schwer abfinden. Dann entdeckt in einem seiner Kurse die hochbegabte Camille, deren Schicksal ihn völlig aus der Bahn wirft, bis er den Mut findet, sich seinen Fragen zu stellen.

Handlung und Schreibstil

Der Roman ist in drei übergeordnete Abschnitte geteilt. Teil 1 erzählt das aktuelle Leben von Antoine in Paris, Teil 2 geht zurück nach Lyon, in die Zeit der Trennung von Louise und danach, Teil 3 beschreibt die Jugend und Studienzeit von Camille Perrotin, einer aufstrebenden jungen Malerin, die eine hohe künstlerische Begabung zeigt. Ein Epilog schließt die Geschichte ab.

Der Autor schreibt leise, eindrücklich und schildert vor allem die Probleme und damit verbundenen Gefühle, Empfindungen und Handlungen seiner Figuren. In den ersten beiden Teilen steht Antoine im Mittelpunkt, in Teil drei ist es Camille. Trotz der ernsten Problematik liegt über diesem Roman durchgehend eine positive Stimmung.  

Fazit

Eine leise, eindrückliche Geschichte über Trauer, Schuldgefühle, Verzweiflung und den Mut, sich offenen Fragen zu stellen, wie auch immer die Antwort ausfallen möge. Eine wichtige Rolle spielt auch das Museum, vor allem ein Bild von Modigliani, „Jeanne Hébuterne“, die Schönheit der Kunst als Gegenpol zur Hässlichkeit der realen Welt.  

Labskaus für Anfänger – Tina Wolf

AutorTina Wolf
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 13. April 2020
FormatTaschenbuch
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3453423893

„Diesen Mist, diesen ganzen großen Riesenmist habe ich hundertprozentig NICHT beim Universum bestellt!“

Inhalt

Tilda Wagner, eine erfolgreiche Fernsehmoderatorin, hat gerade ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert und seither ist nichts mehr, wie es war. Der Vermieter kündigt mit Hinweis auf Eigenbedarf die Wohnung, ihr Freund verlässt sie nach drei Jahren und zufällig sieht sie, wie eine junge Nachfolgerin für ihre langjährige Sendung gecastet wird. Könnte dies nicht der richtige Zeitpunkt sein, über das versteckte, kleine Haus auf Amrum nachzudenken, das Tilda völlig unerwartet von ihrem Onkel geerbt hat und vor allem über die Bedingung, die an das Erbe geknüpft ist: sie müsste ein Jahr tatsächlich auf der kleinen Insel leben. Als der nach einer Krähe geworfene Eimer einen Architekten auf seinem Fahrrad trifft, kann sie sich mit dem Gedanken an eine Auszeit auf der Insel immer mehr anfreunden …

Thema und Genre

In diesem unterhaltsamen Sommerroman geht es um Entscheidungen, um neue Wege, wenn das alte Leben wegbricht, aber auch um Freundschaft, den Zusammenhalt auf einer kleinen Insel und um natürlich um Amrum.

Charaktere

Tilda hatte mit ihrem vierzigsten Geburtstag eigentlich keine Probleme, bis ihr berufliches Umfeld, genau gesagt ihr Chef, diesen Tag zu einem Problem macht, plötzlich ist sie für ihre Sendung zu alt. Gleichzeitig kommt noch mehr auf sie zu und sie läuft schon einige Male den Strand entlang und brüllt ihren Frust und Zorn in den Wind. Doch sie hat Humor, ihr fehlt dieses nervende Gejammer gänzlich, das man so oft bei den Hauptprotagonistinnen ähnlicher Romane antrifft. Dies und die Art, wie sie die Schönheit dieser Insel begreift und sich um die alte Trude kümmert, macht sie ungemein sympathisch.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung findet innerhalb einer kurzen Zeitspanne im Sommer statt. Rückblenden in Form von Tildas Erinnerungen ergänzen die aktuellen Ereignisse. Die Schilderungen eines Inselsommers auf dieser naturnahen nordfriesischen Insel malen sofort entspannte Bilder in die Gedanken. Witzige Szenen zeigen nicht nur den Humor der Autorin, sondern auch ihre Kreativität.

Fazit

Eine sehr gute Geschichte, eine sympathische Hauptfigur, liebenswerte Originale und eine wunderschöne Umgebung, Strand und Meer – zusammen ergibt das einen  unterhaltsamen, entspannten Urlaubsroman mit Inselfeeling.

Alles außer Lyrik: Gedichte – Christian Futscher

AutorChristian Futscher
Verlag Czernin
Erscheinungsdatum 29. August 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3707606478

„Manchmal gelingt mir / ein Gedicht / nach dem ich denke, / jetzt könnte ich sterben (Gedicht Glücksmomente, Seite 93)

Inhalt

Der Titel dieses neuen Gedichtbandes von Christian Futscher wird gleichsam zur Inhaltsangabe, wenn man die fehlenden zwei Worte dieser Aussage von Andreas Okopenko wenige Seiten später in der Widmung liest. Denn natürlich ist es Lyrik, die 153 Seiten dieses Buches füllt. Es sind Gedichte, über die man beim Lesen laut lacht und mehrmals noch nachkichert, so skurril sind die Schlussfolgerungen, die als letzter Satz die vorhergehenden Zeilen bestätigen, völlig umdrehen oder auf den ersten Blick einen Gedankenfetzen ohne Zusammenhang nachstellen. Dann kommt der zweite Blick und damit die Tiefe und das Nachdenken.

Themen und Sprache

Es gibt nichts im tägliche Leben, zu dem dieser Autor nicht einige Zeilen findet, große Probleme, wie die Lage Europas und kleine, wie eine Packung Tee, die aus dem Küchenkastel fällt, es geht um Liebe, Natur, die Alltagssorgen der Menschen. Zu einigen Themen gibt es mehrere Gedichte, die den vorhergehenden Gedanken aufnehmen, weiterführen, oder plötzlich ein völlig neues Bild schaffen. Manche Gedanken, wie die Liebe zum Bauchnabel und die Zitrone, die zuhört und so den Psychologen ersetzt, tauchen im Laufe des Buches immer wieder auf.

Die Sprache spielt mit uns, malt Bilder, schickt uns nach lachendem Kopfschütteln plötzlich in ernste, nachdenkliche Tiefe, um eine Seite weiter wieder fröhlich zu zwinkern und die nächsten Zeilen wie mit leichter Feder aufs Paper zu werfen.

Über Schwalben / will ich auch einmal / etwas Hübsches schreiben. / Aber nicht jetzt. (Gedicht Schwalben, Seite 112)

Fazit

Lyrik, die mich begeistert und die ich auch Leser*innen empfehle, die bei Lyrik an Schulgedichte, streng gereimt, denken und daher nie wieder welche lesen wollen. Diese hier lohnen sich, zum Reinlesen, nochmals Lesen, immer wieder neu Entdecken, versprochen.

Ein Winter in Venedig – Claudie Gallay

AutorClaudie Gallay
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 11. August 2014
FormatTaschenbuch
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442747467

„So sehe ich Sie das erste Mal. Als sitzenden Mann. Beim Lesen, während draußen die Bora bläst und alles mit sich zu reißen droht.“ (Zitat Seite 43)

Inhalt

Sie ist gerade vierzig Jahre alt geworden. Ihr Freund Trevor, mit dem sie über ein Jahr lang zusammen war, hat sie verlassen. Es ist Dezember, Weihnachten mag sie nicht.  Spontan reist sie nach Venedig. In der Pension im Palazzo Bragadin freundet sie sich mit dem alten russischen Fürsten Wladimir Pofkowitschin an, der ihr an den langen Abenden seine Lebensgeschichte erzählt, und mit der jungen Balletttänzerin Carla und deren Freund Valentino. Eines Tages entdeckt sie zufällig am Campo Bruno Corvato eine Buchhandlung und lernt einige Tage später auch Dino Manzoni, den Buchhändler, kennen. Sie beginnt, sich langsam in ihn zu verlieben, doch das Licht am Abend in der Wohnung über der Buchhandlung zeigt ihr, dass er erwartet wird.

Thema und Genre

Dieser Roman handelt vom Verlust, Erinnerungen, der Liebe, von Literatur und vor allem von der Stadt Venedig im Winter, wenn sie, abseits der sommerlichen Touristenströme, wieder den Venezianern gehört.

Charaktere

Wir wissen wenig über die Hauptfigur, eine namenlose Frau. Wir kennen ihr Alter, aber nicht ihren Beruf, doch sie ist erstaunlich ungebildet, aber interessiert. Wir wissen jedoch, dass sie bisher über die Trennung von Trevor nicht hinweggekommen ist. Sie spricht wenig, hört aber umso besser zu.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman beschreibt Venedig im Winter, die Stimmungen dieser einmaligen Stadt, die in diesen Wochen im Dezember zur Ruhe kommt. Es ist eine leise, fließende Handlung, getragen durch die Gedanken der Ich-Erzählerin und den Ablauf ihrer Tage, in denen sie durch Venedig streift. An den Abenden teilt der alte Fürst, von Beruf Lehrer, seine Erinnerungen und sein Wissen mit ihr. Durch ihn und den Buchhändler beginnt sie zu lesen, besucht Museen und entdeckt die verborgene Schönheit Venedigs.

Fazit

Eine leise Geschichte von einer zarten, ähnlich brüchigen Schönheit, wie die Stadt Venedig im Winter. Die Ich-Erzählerin erlebt Tage, die ruhig fließen, während sie sich in den Gassen der Stadt neu findet.

Damenopfer: Katharina Klein in den Schlagzeilen – Helmut Barz

AutorHelmut Barz
Verlag epubli
Erscheinungsdatum 19. März 2018
FormatKindle-Ausgabe
Seiten466 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB07BKMPSZV

„Sie weigert sich, sich unterzuordnen, ignoriert Dienstvorschriften und direkte Weisungen ihrer Vorgesetzten, integriert sich nur schwer ins Team und überschreitet bei ihrer Arbeit auch schon einmal die Grenzen der Legalität.“ (Zitat aus der Personalakte von Katharina Klein, Seite 74)

Inhalt

Der Sitz der neuen Sonderermittlungseinheit und das Institut für okkulte Pathologie und kryptoforensische Medizin in der Karl-Kreutzer-Villa sind dank vieler Sponsoren mit modernster Technik eingerichtet. Der Tag der feierlichen Eröffnung ist gekommen. Jan-Ole Vogel, Justizminister des Landes Hessen, ein brillanter Schachspieler und unbequemer, tatkräftiger Politiker, spricht in seiner Rede vom Schwarzen Schwarm des Todes, wendet sich an Katharina Klein, erklärt, er übergebe ihr hiermit ihren ersten Fall und erschießt sich. Katharina Klein und Andreas Amendt machen sich auf sie Suche nach den Hintergründen und finden plötzlich eine brisante Verbindung zu einem bekannten Pharmaunternehmen …

Thema und Genre

In diesem neuen Fall für Katharina Klein geht es um Forschung, die Pharmaindustrie, Verantwortung, Wirtschaft und Politik.

Charaktere

Katharina Klein, erst dreiunddreißig Jahre alt, ist Kriminaldirektorin und Leiterin ihrer eigenen Einheit. Sie hat ein hochqualifiziertes, buntes Team zusammengestellt. Dr. Andreas Amendt leitet das rechtsmedizinische Institut. Als mit allen Mitteln und massivem Druck bis ins Privatleben versucht wird, ihre Recherchen zu verhindern, wissen sie, dass sie auf der richtigen Spur sind und ermitteln umso intensiver weiter.

Handlung und Schreibstil

Die aktuellen Ereignisse finden zwischen 6. und 16. April 2008 statt, doch die Ermittlungen führen tief in die Vergangenheit. Die Handlung ist rasant, spannend und die Themen sind zeitlos aktuell. Fachliche Details zeigen die intensive Recherchearbeit des Autors. Die Überschriften und Zitate am Beginn der einzelnen Kapitel stammen diesmal nicht aus dem Jazz, sondern vom Chess, wie auch der Titel des Buches.

Die Sprache ist wieder sehr flüssig und mit Vergnügen zu lesen, das ironische Augenzwinkern und die witzigen Dialoge fehlen auch in diesem neuen Band der Serie nicht. Man spürt, dass der Autor selbst viel Spaß beim Entwickeln der Figuren, der Geschichte und beim Schreiben hatte.

Fazit

Dieser Kriminalroman ist ein packender, rasanter Politthriller, den man auf Grund der kurzen Rückblicke und Erklärungen auch lesen kann, ohne die vorhergehenden drei Bücher zu kennen. Perfekt für Leser*innen, die eigenwillige Ermittlerfiguren schätzen, deren Ecken und Kanten sie speziell, sympathisch und nachdrücklich erinnerbar machen. Dazu eine komplexe, sehr gut aufgebaute, realistische Geschichte, spannend und charmant erzählt.

Menschliche Dinge – Karine Tuil

AutorKarine Tuil
Verlag Claassen
Erscheinungsdatum 3. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3546100021

„Das war vielleicht die einzige Lektion, die er aus den schweren Zeiten mitgenommen hatte: Alles, ausnahmslos alles im Leben konnte von einem Moment auf den anderen aus den Fugen geraten.“ (Zitat Pos. 713)

Inhalt

Alexander Farel, einundzwanzig Jahre alt, ist hochbegabt, smart, ehrgeizig und durch seine ebenfalls erfolgreichen Eltern auf Karriere eingestellt. Dass er gleichzeitig sensibel und wegen des permanent hohen Leistungsdrucks etwas unsicher ist, kann er verbergen. Sein Vater Jean Farel ist ein bekannter Journalist, seit Jahren hat er eine eigene Politshow. Seine Mutter Claire, siebenundzwanzig Jahre jünger als ihr Ehemann, ist eine bekannte Fachautorin. Am Abend des Tages, an dem Jean Farel vom Präsidenten den Orden der Ehrenlegion erhält, ist Alexander zu einer Party bei Studienfreunden eingeladen. Die Stimmung steigt und einer der Freunde schlägt eine Challenge vor …

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Erfolg, Öffentlichkeit, Medienpräsenz und die Brüchigkeit von Beziehungen zwischen Mann und Frau, besonders in Zeiten von #MeToo. Das Kernthema ist die Frage nach Schuld oder Unschuld in einer juristischen Grauzone.

Charaktere

Die Protagonist*innen sind Menschen unserer modernen Gesellschaft. Jean ist mit siebzig Jahren in einem Alter, wo der Sender ihn und seine Sendung durch jüngere Moderatoren und Formate ersetzen will, doch er ist nicht bereit, sich zurückzuziehen. Der Schutz seiner Familie ist ihm wichtig, und er trifft für alle die Entscheidungen, bedingungslos und konsequent, obwohl seine Ehe mit Claire längst gescheitert ist. Alexander studiert mit hervorragenden Leistungen und ist auf dem Weg zur eigenen Karriere, als ein Ereignis ihn völlig aus der Bahn wirft. Mila ist eine introvertierte junge Frau mit psychischen Problemen. Es ist nicht klar, ob sie wirklich nur Gerechtigkeit will, oder unbewusst zum Rachewerkzeug ihrer Mutter wird.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt Ende 2015 und Anfang 2016, sowie zwei Jahre später. Sie umfasst drei Hauptteile. Der erste Teil zeigt die Ausgangssituation, das Leben der einzelnen Charaktere, ergänzt durch Erinnerungen und Gedanken. Teil zwei beschreibt die Zeit der Ermittlungen und Teil drei den entsprechenden Gerichtsprozess. Die gesamte Handlung ist eine kritische Darstellung der Umgangsformen zwischen Mann und Frau, der aktuell geltenden Gesellschaftsnormen, ihrer Ursachen und Auswirkungen.  Die flüssig zu lesende, sachliche Sprache ist berichtet multiperspektivisch.

Fazit

Obwohl im Laufe der Handlung mehrmals von einer juristischen Grauzone und zwei Wahrheiten die Rede ist, bewegt sich dieser Roman sehr nahe am Schwarz-Weiß-Denken. Mögliche Hintergründe für eine alles entscheidende Anzeige werden kurz erwähnt, aber nicht weiter verfolgt und die Geschichte bleibt für mich zu einseitig auf den Opferstatus orientiert. Andererseits regt gerade diese Vielschichtigkeit des Themas und der Sichtweisen zum Nachdenken an und macht den Roman lesenswert.

Und dann noch die Liebe – Alexander Oetker

AutorAlexander Oetker
Verlag HOFFMANN UND CAMPE VERLAG
Erscheinungsdatum 5. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455009286

„Ich habe dieses Gefühl, dieses verdammte Gefühl der Einsamkeit, als hätte ich das Wichtigste meines Lebens verloren, ohne dass ich es mir hätte richtig nahekommen lassen.“ (Zitat Pos. 1828)

Inhalt

François ist Deutsch-Franzose und Journalist aus Überzeugung. Er lebt in Berlin und Paris und arbeitet als Freelancer für zwei Nachrichtensender. Sofort zum Aufbruch bereit, ist er in ganz Europa zu Hause, immer möglichst nahe am aktuellen Geschehen. 2015 ist es Brüssel und die griechische Finanzkrise. Zuerst sieht er sie auf Tinder, dann bei einer Pressekonferenz, Agápi ist Griechin und sie gehört zum Presseteam des griechischen Finanzministers. Ihre Wege trennen sich wieder, bis zum Ministertreffen in Paris. Es geht um das neue Hilfspaket für Griechenland. Liveschaltung in die Morgensendung, sein Redaktionsleiter drängt, der Sender braucht Einschaltquoten, François zögert kurz, er kennt brisante neue Fakten und er berichtet. Die Informationen gehen sofort um die Welt – nur, sie waren streng vertraulich.  

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Investigativjournalismus, den Wettstreit der Medien um immer neue Fakten, um das besondere Schicksalsjahr 2015 für die Europäische Union. Ein Kernthema sind flüchtende Menschen, damals und zeitlos aktuell siebzig Jahre später. Wichtige Punkte sind auch Familie, Vertrauen und die Suche nach der Liebe.

Charaktere

François ist überzeugter Europäer, unabhängig, gewandt, kritisch und als Reporter unermüdlich im Einsatz. Nur für die langen Gespräche mit seiner Großmutter Ilse in Schönwalde nimmt er sich Zeit und eines Tages erzählt sie ihm eine Episode aus ihrem Leben, aus dem Jahr 1945.

Handlung und Schreibstil

Die kurze Einleitung beginnt im Heute, dann gliedert sich die Handlung in zwei Erzählstränge, François erzählt seiner Großmutter die Ereignisse 2015 und 2016, von seinen Reportagen, die ihn durch ganz Europa geführt haben und von Agápi. Abwechselnd dazu schildert seine Großmutter Ilse ihre Flucht vor den Russen im April und Mai 1945, wobei dieser Teil des Romans nicht fiktiv ist. Beide Erzählstränge sind in der Ich-Form geschrieben, dadurch ergibt sich die Möglichkeit, Rückblenden, Erinnerungen und eigene Gedanken einzuflechten. Sprachlich gelingt dem Autor das perfekte Gleichgewicht aus journalistischer Schnörkellosigkeit und Empathie. Die griechische Lebensfreude wird ebenso in Gedanken lebendig, wie die Weltstadt Paris und die Ereignisse dieser besonderen Jahre 2015 und 1945. Die Schilderungen der Flüchtlingsschicksale und der Menschen, die helfen, sind realistisch und achtsam.

Fazit

Man sollte sich durch das trivial-romantische Buchcover nicht abschrecken lassen. Dies ist ein intensives, beeindruckendes und ehrliches Buch, mit einer Vielzahl an aktuellen Themen, das zu Lesen ein positiv-nachdenkliches Vergnügen ist. Definitiv kein Roman, den man zur Seite legt und bald wieder vergessen hat.

Jazz-Trilogie: Westend Blues, African Boogie & Dolphin Dance – Helmut Barz

AutorHelmut Barz
Verlag epubli
Erscheinungsdatum 1. Juli 2019
FormatKindle-Ausgabe
Seiten1375 Seiten (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB07TXDXCGK

„Wir bringen das jetzt zu Ende! Sie und ich! Ein für alle Mal!“ (Pos. 15899)

Inhalt

„Ich verliere gerade zwei gute Beamte statt einem. Und das nur, weil sie Rambo spielen müssen und danach mit der Frankfurter Unterwelt zocken.“ (Zitat Pos. 242)

Inhalt Band 1 Westend Blues

Vor sechzehn Jahren hat Katharina Klein ihre Eltern und ihre ältere Schwester Susanne durch einen Mordanschlag verloren. Damals war sie gerade siebzehn Jahre alt geworden. Heute ist sie Kriminalhauptkommissarin beim K11 Frankfurt, mit umfassender Spezialausbildung, überqualifiziert, zornig, mit einer Ausklärungsquote von 100%. Sie ist gerade suspendiert, da sie zwei Geiselnehmer erschossen hat, als ihre Nachbarin ermordet wird. Dr. Andreas Amendt, Neurologe, als Rechtsmediziner ebenfalls suspendiert, unterstützt sie bei der Suche nach dem Mörder.  

„Alte Rechnungen begleichen? Ja. Genau das würde ich machen. Alle. Endgültig und für immer.“ (Zitat Pos. 13390)

Inhalt Band 2 African Boogie

Katharina Klein wurde soeben zur Kriminaldirektorin der neuen Sonderermittlungseinhalt SEE I FFM befördert. Doch zunächst muss sie untertauchen, denn der südamerikanische Drogenboss, dessen Sohn einer der beiden Geiselnehmer war, die sie vor vierzehn Tagen in Notwehr erschossen hatte, hat einen hochspezialisierten Killer auf sie angesetzt. Zeit für ein paar Wochen Urlaub in einem Luxusressort auf Mafia Island, Tansania. Dort taucht auch Dr. Andreas Amendt auf, auf dessen Gegenwart sie absolut keinen Wert legt, seit sie weiß, dass sie eine gemeinsame Geschichte haben. Da ereignen sich mehrere eigenartige Unfälle im Ressort.

„In Ihrer Gegenwart ist es immer gut, eine medizinische Grundausstattung dabeizuhaben, Frau Klein.“ (Zitat Pos. 16766)

Inhalt Band 3 Dolphin Dance

Zurück in Frankfurt und mit einem wichtigen neuen Hinweis zum nach wie vor unaufgeklärten Mord an ihrer Familie, beginnt Katharina Klein, unterstützt von Andreas Amendt, mit einer neuen, intensiven Suche nach Fakten und Hintergründen in der Vergangenheit und Gegenwart.

„Wir bringen das jetzt zu Ende! Sie und ich! Ein für alle Mal!“ (Pos. 15899)

Thema und Genre

In diesem Sammelband von drei Kriminalromanen geht es um die ersten drei Fälle der Frankfurter Ermittlerin Katharina Klein, um Polizeiarbeit, Verbrechen, internationale Konzerne, Frankfurt und die Szene, um Inselfeeling, Familie, Freundschaft, Liebe, Trauer, Traumata, Verrat, Schuld und Rache.

Charaktere

Katharina Klein ist eine facettenreiche Ermittlerin, eigenwillig, unangepasst, hartnäckig. Eine kampferprobte Einzelgängerin, die im Grunde Gewalt verabscheut, Dienstvorschriften und Weisungen ignoriert und die legalen Grenzen sehr großzügig auslegt.

Dr. Andreas Amendt ist ein hervorragender Neurologe, doch noch mehr als die Lebenden interessiert ihn, was die Toten ihm zu sagen haben und daher arbeitet er als Rechtsmediziner. Durch eine wichtige Gedächtnislücke traumatisiert, ist auch er immer noch auf der Suche nach Antworten.

Handlung und Schreibstil

Jeder der drei Fälle und Ermittlungen findet innerhalb von wenigen Tagen statt, dadurch ist die Handlung straff und packend. Erdig und überraschend wie die vielschichtigen Klangfarben des Jazz sind auch die Ereignisse, ihre verschlungenen Hintergründe, überraschenden Wendungen und die Charaktere. Auch sprachlich überzeugend, gekonnt formuliert, nachvollziehbar und mit charmanten, sehr witzigen Dialogen und Szenen

Fazit

Drei dicht aufeinander folgende Kriminalfälle und eine unangepasste, schräge, kämpferische und gleichzeitig einfühlsame Ermittlerin. Das Resultat ist eine gelungene Mischung aus Spannung und Lesevergnügen, drei Pageturner mit Garantie für nächtliche Lesestunden.

Der letzte Satz – Robert Seethaler

AutorRobert Seethaler
Verlag Hanser Berlin
Erscheinungsdatum 3. August 2020
FormatHardcover
Seiten128
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3446267886

„Dort draußen läuft ein Glück im Gras herum, und hier drinnen sitzt ein anderes mit mir am Tisch. Ich habe alles, was ich mir wünsche. Ich bin ein glücklicher Mann.“ (Zitat Seite 19)

Inhalt

Ein halbes Jahr nach seinem großartigen Erfolg in München reist Gustav Mahler an Bord der ‚Amerika‘ mit Alma und Anna wieder nach New York. Erst fünfzig Jahre alt, ist er nach wie vor voll musikalischer Schaffenskraft, ein unruhiger Geist, doch sein Körper ist von seiner schweren Krankheit gezeichnet und müde. Mit Blick auf das Meer denkt er über die vergangenen letzten Jahre nach.

Thema und Genre

Der Autor beschreibt einige Stunden im Leben des Komponisten Gustav Mahler, doch durch dessen Erinnerungen wird dieser Roman auch eine sehr persönliche Biografie des Künstlers.

Charaktere

Gustav Mahler wird als eigenwilliger, aber überzeugter Künstler geschildert, als Komponist ebenso innovativ, fordernd und auf der Suche nach der perfekten musikalischen Ausdruckskraft, wie als Dirigent. Gleichzeitig erfahren wir viel über den Menschen Gustav Mahler, seine Liebe zu seiner Frau Alma und zu seinen Töchtern, seine Begeisterung für die Natur und seinen Blick für das Glück der kleinen Dinge. Doch er erkennt auch, wie selbstverständlich es für ihn war, dass sich auch seine Familie seinem musikalischen Genie unterordnet.

Handlung und Schreibstil

Es sind nur wenige Stunden am Beginn eines neuen Morgens, in denen Gustav Mahler allein auf seinem persönlichen Lieblingsplatz auf dem Sonnendeck des Schiffes sitzt. Betreut von einem Schiffsjungen, hängt er seinen Gedanken nach und reist in der Erinnerung zurück zu den wichtigen Ereignissen der letzten Jahre.

Fazit

In seiner leisen, eindrücklichen Sprache erzählt der Autor auf nur 126 Seiten eine in ihrer Tiefe und Dichte beeindruckende Geschichte eines intensiv gelebten Künstlerlebens. „Ich hätte noch so viel mehr komponieren können. Es fühlt sich an, als hätte ich gerade erst angefangen, dabei ist es schon wieder zu Ende.“ (Zitat Seite 30)

Meine aktuelle Lektüre

Meine aktuelle Lektüre – eine sehr spezielle Ermittlerin, die mich sofort begeistert hat, großartig, dazu etwas Frankfurt, mehrere komplexe Fälle, ineinander verschachtelt, aber auch Sprachwitz und sehr gut entwickelte unterschiedliche Charaktere. Ich beende demnächst Band 2, der exotisch auf Mafia Island, einer tansanischen Insel, spielt. Die Rezension folgt nach Band 3. Ich habe diese Serie zufällig durch den Roman „Brumm“ vom selben Autor entdeckt und lese mit großem Vergnügen und auch Spannung. Hier passt alles.

Jazz-Trilogie von Helmut Barz

Der Tote im Fiaker – Beate Maxian

AutorBeate Maxian
Verlag Goldmann Verlag
Erscheinungsdatum 16. März 2020
FormatTaschenbuch
Seiten400
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442487837

„Es wird Tote geben, ging ihr die verschlüsselte Botschaft wieder durch den Kopf.“ (Zitat Seite 91)

Inhalt

„Christliche Geschenke“ heißt das gediegene Geschäft in der Wiener Goldschmiedgasse, dessen Inhaber während einer Fahrt mit dem Fiaker ermordet wird. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dieser Tat und den geheimnissen Tau-Kreuzen, die seit Tagen heimlich an Häuser und Sehenswürdigkeiten in der Wiener Innenstadt gemalt werden? Denn bei dem Toten wird ein Zettel mit genau diesem Kreuzzeichen gefunden und einer geheimnisvollen Zahlenreihe. Für den Chefermittler Martin Stein ist sofort klar: er braucht die Hilfe von Sarah Pauli, Chefredakteurin beim „Wiener Boten“, denn sie kennt sich mit mystischen Zeichen aus.

Thema und Genre

In diesem Wiener Kriminalroman geht es um geheimnisvolle Kreuze und verschlüsselte Botschaften. Ein aktuelles Thema ist Love-Scaming, eine moderne Form des Internet-Betrugs durch gefälschte Profile und Identitäten in Verbindung mit rührseligen Geschichten. Obwohl bereits Band 10 einer Serie, kann dieser in sich abgeschlossene Wien-Krimi auch als Einzelbuch oder Einstieg in die Serie gelesen werden.

Charaktere

Sarah Pauli ist gerade leitende Chefredakteurin des „Wiener Boten“ geworden. Doch das ist für sie noch lange kein Grund, nun am Schreibtisch zu bleiben. Sie liebt die Recherchen, die Gespräche vor Ort. Als Martin Stein ihre Hilfe braucht, ist sie, unterstützt von ihrem Team, sofort mitten im Geschehen: neugierig, kompetent, hartnäckig und aus innerer Überzeugung dem Qualitätsjournalismus verpflichtet.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in einem Zeitraum von nur vierzehn Tagen, dies macht die Handlung straff und spannend. Ergänzende Rückblenden bringen Schritt für Schritt zusätzliche Details und Überraschungen in das aktuelle Geschehen. Sehr realistisch und unterhaltsam zu lesen sind die Dialoge zwischen dem Ermittler und der Journalistin, sie will möglichst viele Hintergrundinformationen für ihre Zeitungsartikel, und er braucht ihr Wissen über Symbolik und Zahlen. Doch mit den gemeinsamen Fällen sind auch das gegenseitige Vertrauen und die Wertschätzung gewachsen.

Fazit

Ein Regio-Krimi mit Wiener Charme und einer sympathischen Journalistin, die in Mordfällen gerne selbst ermittelt und recherchiert. Spannend und unterhaltsam grantelnd macht dieses Buch Lust auf Wien.

Das Meer in meinem Zimmer – Jana Scheerer

AutorJana Scheerer
Verlag Schöffling
Erscheinungsdatum 21. Juli 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895613524

„Für einen Moment wollte ich ihm von der Szene erzählen, wollte ihm meine Erkenntnis mitteilen: dass es möglich war, zu lachen. Doch während ich überlegte, wie ich Pax dies erklären konnte, zerfiel der Gedanke.“ (Zitat Seite 70)

Inhalt

Jolanda ist eine neunzehn Jahre alte Abiturientin, als ihr Vater Pax stirbt. Obwohl dieser bereits längere Zeit schwer krank und pflegebedürftig war, will es die Mutter, Dr. Constanze Jellerich, Psychologin, nicht wahrhaben. Für sie ist er noch im Krankenhaus und kommt bald nach Hause. Sie ist nimmt ihre Patiententermine wahr, als sei nichts geschehen und erwartet von Jolanda, dass sie zur Abiturfeier geht. Am selben Abend wandert Jolandas Schwester Lilli, neun Jahre alt, alleine ins Watt, um nach ihrem Vater zu suchen, der sich oft dort aufgehalten hat. Nun liegt es an Jolanda, nicht nur ihre Schwester, sondern auch diese neue, kleine Familie zu retten.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um den Tod eines nahen Angehörigen, um Verlust, um Familie und um das Heranwachsen mit einem extrem schwierigen Vater, dessen bipolare Erkrankung sich in Stimmungsschwankungen und einer zwanghaften Suche nach einem bestimmten Schiffswrack äußert.

Charaktere

Schon früh muss Jolanda die Verantwortung für ihre kleine Schwester Lilli übernehmen. Oft fühlt sie sich schuldig, am Verhalten ihres Vaters, an allem, was in ihrer Familie passiert. Constanze ist Ärztin, Diplompsychologin, weigert sich, den Tod ihres leukämiekranken Ehemannes Pax zu akzeptieren. Mit der Situation völlig überfordert, lädt sie, wie auch bisher, alle Probleme auf den Schultern ihrer älteren Tochter Jolanda ab.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird von Jolanda als Ich-Erzählerin geschildert. Pax, der Vater, stirbt in den frühen Morgenstunden. Die Handlung findet in den anschließenden Stunden bis zum Ende dieses Tages statt. Den wichtigsten Teil bilden jedoch die Rückblenden, einzelne Episoden aus dem Familienleben mit Pax, an die sich Jolanda erinnert. Es sind einige fröhliche und viele in ihrer Hoffnungslosigkeit bedrückende Erinnerungen. Die Sprache entspricht der direkten, manchmal etwas saloppen Ausdrucksweise einer Neunzehnjährigen, wodurch manche der überbordernd eingesetzten Metapher zu aufgesetzt und nicht authentisch wirken.

Fazit

Die Autorin hat bisher Jugendbücher geschrieben. Für mich handelt es sich hier ebenfalls um ein Buch für junge Erwachsene, die sich mit der Hauptfigur Jolanda identifizieren können, mit ihrer durchaus witzigen Ausdrucksweise, mit den Problemen Heranwachsender in einem sehr fragilen, speziellen Familiengefüge. Die Geschichte selbst und besonders die Figur der Mutter sind für mich zu bemüht auf Wirkung konstruiert und nicht immer realistisch und stimmig. Sehr gut gefällt mir dagegen das Bild der Bagger, die sich als roter Faden durch die Geschichte ziehen, langsam den Blick aufs Meer verbauen, aber Sicherheit bringen.

Ich bleibe hier – Marco Balzano

Trina lebt in Graun, einem malerischen Südtiroler Bauerndorf. 1923 macht sie ihr Abitur und will Lehrerin werden. Doch dann kommt Mussolini und mit ihm ein Verbot der deutschen Sprache. Sie erhält keine Anstellung als Lehrerin, doch sie unterrichtet heimlich weiter. Die Nationalsozialisten mit ihrer Aufforderung, nach Deutschland auszuwandern, trennen das Dorf in die Optanten und die Dableiber. Erich, Trinas Ehemann, entscheidet sich zu bleiben, und sie bleibt mit ihm. Doch auch nach dem Krieg kommt ihre Heimat im oberen Vintschgau nicht zur Ruhe. Ein Stausee wird gebaut und sein Wasserpegel soll plötzlich viel höher werden, als ursprünglich geplant.
AutorMarco Balzano
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 24. Juni 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257071214

„Unsere Häuser, die Kirche, die Straßen, alles lag innerhalb dieser Striche, von denen wir nicht sicher wussten, was sie bedeuteten. Jenseits gab es nur noch die Berge und die windschiefen Lärchen.“ (Zitat Seite 105)

Inhalt

Trina lebt in Graun, einem malerischen Südtiroler Bauerndorf. 1923 macht sie ihr Abitur und will Lehrerin werden. Doch dann kommt Mussolini und mit ihm ein Verbot der deutschen Sprache. Sie erhält keine Anstellung als Lehrerin, doch sie unterrichtet heimlich weiter. Die Nationalsozialisten mit ihrer Aufforderung, nach Deutschland auszuwandern, trennen das Dorf in die Optanten und die Dableiber. Erich, Trinas Ehemann, entscheidet sich zu bleiben, und sie bleibt mit ihm. Doch auch nach dem Krieg kommt ihre Heimat im oberen Vintschgau nicht zur Ruhe. Ein Stausee wird gebaut und sein Wasserpegel soll plötzlich viel höher werden, als ursprünglich geplant.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die wechselvolle Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols, um Heimatverlust, Erinnerung gegen das Vergessen, um Familie, persönlichen Mut, politische Willkür und die Flutung des Reschensees.

Charaktere

Trinas Vater ist Schreiner, doch sie will Lehrerin werden. Als junge Frau widersetzt sie sich als Katakombenlehrerin mutig den Faschisten. Nach ihrer Heirat trifft Erich die Entscheidungen, die sie mitträgt. Seine Hauptfiguren umgibt der Autor mit unterschiedlichen Dorfbewohnern, so erfasst er sehr authentisch die verschiedenen Sichtweisen und Entscheidungen, von denen viele in ein einfaches „wir bleiben, hier ist unser Leben“ münden.

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt die Geschichte von Alt-Graun und Reschen chronologisch in Form von Trinas Aufzeichnungen für ihre Tochter. Dieser Erzählform passt der Autor auch die Sprache an und da die schreibende Trina keine sehr gefühlsbetonte Frau ist, bleibt auch die Sprache unaufgeregt, karg, beinahe sachlich berichtend. Nach einer kurzen Einleitung beginnt sie mit ihrer Jugend und den Vorbereitungen für das Abitur 1923 und endet in einer Zeit, in der Sommerurlauber den Turm im See fotografieren. Ergänzt wird die Geschichte mit Rückblicken in Form von persönlichen Erinnerungen. Denn darum geht es in diesem Buch, nicht nur um die Schilderung der ohnedies bekannten Fakten, sondern vor allem um die persönlichen Schicksale, die damit verbunden sind.

Fazit

Diese mit den historischen Tatsachen verknüpfte Geschichte einer fiktiven Familie erzählt von Widerstand, Verbundenheit mit der eigenen Heimat, von Hoffnung und schließlich vom Verlust. Die ruhige, manchmal beinahe karge Sprache lässt das Geschehen umso eindrücklicher wirken, ein Buch, das nachdenklich macht und beim Lesen ein völlig neues Bild vom Kirchturm im Reschensee ergibt.  

Kein Ort ist fern genug – Santiago Amigorena

AutorSantiago Amigorena
Verlag Aufbau Verlag
Erscheinungsdatum 21. Juli 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten184
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3351038311

„Mit am schlimmsten am Antisemitismus ist die Tatsache, dass die Juden sich zwangsläufig als Juden zu fühlen haben, dass man sie auf eine Identität jenseits ihres Willens festlegt und kurzerhand für sie beschließt, wer sie wirklich sind.“ (Zitat Pos. 572)

Inhalt

1928 verlässt der junge Pole Vicente Rosenberg Europa und wandert nach Argentinien aus. Fünf Jahre später begegnet er Rosita Szapire, die er heiratet. 1940 haben die beiden drei Kinder und Vicente hat gerade sein Möbelhaus eröffnet. Als er im Oktober 1941 einen Brief von seiner Mutter erhält, in dem sie ihm das Leben im Warschauer Ghetto schildert, fühlt er sich schuldig, weil er sie und seinen Bruder nicht schon längst zu sich nach Argentinien geholt hat. Um die Stimme des eigenen Gewissens nicht mehr hören zu müssen, spricht auch er nicht mehr, er zieht sich völlig in sein Schweigen zurück.

Thema und Genre

Das Hauptthema dieses biografischen Romans ist eine andere Perspektive des Völkermordes an den Juden im WKII, es geht um die Schuldgefühle jener, die überlebt haben, ihre Fassungslosigkeit, Scham und Ohnmacht, nichts tun zu können. Weitere Themen sind die Frage nach den eigenen Wurzeln und Identität, und die Familie.

Charaktere

Vicente Rosenberg war der Großvater des Autors, der sich als Pole, später als Argentinier, aber nie als Jude fühlte. Die Ungewissheit über das Schicksal seiner Mutter und seines Bruders stürzen ihn in tiefe Schuldgefühle, gefolgt von Depressionen und Spielsucht. Er hüllt sich buchstäblich in ein umfassendes Schweigen.

Handlung und Schreibstil

Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Jahre 1940 bis 1945, ergänzt durch Rückblenden und sachliche Berichte über geschichtliche Tatsachen. Die bewegende Geschichte beginnt voll Hoffnung, Vicente ist dabei, sich ein erfolgreiches Leben aufzubauen, ist ein romantischer Ehemann und liebevoller Vater. Dies alles ändert sich schlagartig, als die ersten kurzen Meldungen über die Situation der Juden in Europa nach Argentinien gelangen. Nun stehen Vicente und seine Befindlichkeiten und Schuldgefühle  im Mittelpunkt der weiteren Geschichte und die bisherige Intensität der Handlung und die eindrückliche Sprache verlieren etwas von der ursprünglichen Aussagekraft.

Fazit

Eine ergreifende Geschichte, beklemmend in ihrer Hoffnungslosigkeit. Irgendwann jedoch mündest sie in eine ständige Wiederholung der Metaphern und Schilderungen der Befindlichkeit des Hauptprotagonisten, als ob auch dem Autor weitere Worte fehlten. Ich vermute, dass dies Absicht ist, mich konnte es jedoch nicht vollkommen überzeugen.    

Das Gartenzimmer – Andreas Schäfer

AutorAndreas Schäfer
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 21. Juli 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832183905

„Solche Häuser sind ein Fluch. Man wird ihnen nie gerecht. Sie sind immer stärker als ihre Bewohner.“ (Zitat Pos. 2817)

Inhalt

Max Taubert ist ein junger, noch unbekannter Architekt, als er 1908 von Professor Adam Rosen beauftragt wird, ein Landhaus in Berlin Dahlem für ihn und seine Frau Elsa zu bauen. Der Bauherr wünscht klare, schnörkellose Formen, auf keinen Fall die Jugendstil-Details und Türmchen der umliegenden Villen. Schon beim ersten Besuch des Grundstücks sieht Taubert das fertige Haus vor sich, das die Kriege überdauert und dann, leerstehend, unter Denkmalschutz, langsam verfällt. 1995 entdeckt Frieder Lekebusch das Haus durch Zufall, erwirbt und restauriert es. Wird es seiner Frau Hannah gelingen, die Villa Rosen wieder zu einem gesellschaftlichen Zentrum für Gäste aus Kunst und Kultur zu machen?

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein Haus, die berühmte Villa Rosen am Rande des Grunewalds, und das Leben und Schicksal seiner Bewohner. Es ist ein besonders Haus, das begeistert, aber auch fordernd und beklemmend ist, und in seinen Räumen die Spuren der Vergangenheit zu bewahren scheint.

Charaktere

Für Elsa sollte das neue Landhaus ein Rückzugsort sein, nur unwillig repräsentiert sie bei Einladungen an der Seite ihres Mannes und erkennt auch bald die drohende politische Veränderung. Die Familien Rosen und Lekebusch sind nicht verwandt und kennen einander nicht. Nur ein altes Gästebuch verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart und regt Hannah an, die Villa wieder für Gäste und Interessierte zu öffnen. Sie bemerkt nicht, wie das Haus immer mehr zum Mittelpunkt ihres Lebens wird. Ihr Sohn Luis lehnt das Haus ab, als er durch Zufall Details aus der Vergangenheit erfährt.

Handlung und Schreibstil

Es sind Episoden und Ereignisse, die der Autor abwechselnd in zwei Handlungssträngen erzählt, die in sich nicht immer chronologisch verlaufen. Im Mittelpunkt steht jeweils eine der Personen der jeweiligen Besitzerfamilie und immer spielt die Villa Rosen eine wichtige Rolle, meistens auch als Handlungsort. Es sind mehr als einhundert Jahre deutsche Geschichte, die das Leben der Menschen bestimmen und prägen, die in diesem Haus wohnen. Die Sprache ist leise und eindringlich, der Autor beleuchtet manche Szenen aus unterschiedlichen Sichtweisen, indem er sie später nochmals aufgreift, ergänzt und so die Zusammenhänge klar erkennen lässt.  

Fazit

Dieser Roman erzählt von einer Berliner Villa, die mehr als einhundert Jahre lang das Leben seiner Bewohner geprägt hat, zwei unterschiedliche Familien, die einander nie kennengelernt haben. Ein interessanter, beeindruckender Streifzug durch die weitläufige Halle und lichtdurchflutete Zimmer, mit Einblicken nicht nur in einzelne Entscheidungen und Schicksale, sondern auch in wichtige Kapitel deutscher Zeitgeschichte.

Margherita – Jana Revedin

AutorProf. Dr. Jana Revedin
Verlag Aufbau Verlag
Erscheinungsdatum 21. Juli 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3351038304

„Wir feiern dich, ma belle, ausschließlich dich! Nicht die Mittel, nicht den Rahmen, nicht die Statisten.“ (Zitat Pos. 1153)

Inhalt

Margherita wird 1920 fünfundzwanzig Jahre alt, der Conte Antonio „Nino“ Revedin ist sechsunddreißig, als er Margherita in Treviso kennenlernt und ihr bald darauf einen Antrag macht. Vor der Hochzeit verbringt sie ein halbes Jahr in Paris, besucht Kunstgalerien und lernt aufstrebende, junge Künstler kennen, die auch zur Hochzeit kommen, Coco Chanel, Alberto Giacometti, Elsa Schiaparelli, Jean Patou, Eugenia Errázuriz. Diese Freundschaften prägen sie und regen ihre Ideen an, als sie gemeinsam mit ihrem visionären Ehemann Nino erste Schritte für einen neuen Kultur- und Naturtourismus plant und sie beginnen, Venedig und den Lido zu einem weltoffenen, modernen kulturellen Zentrum zu machen. So lernt sie auch Peggy Guggenheim kennen. Dann kommt das Jahr 1936 und dieses Jahr verändert alles, nicht nur in politischer Sicht. Doch Margherita ist stark, kreativ und sie gibt nie auf – das hat sie mit der Stadt Venedig gemeinsam.

Thema und Genre

Dieser Roman verbindet Fiktion und Realität, indem er die Geschichte der adeligen Familie Revedin, und damit auch des modernen Venedig, mit fiktiven Ereignissen verbindet. Ein Thema ist das bewegte Leben von Margherita Revedin, doch vor allem geht es um das lebendige Künstlerleben zwischen Paris und Venedig, beginnend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, um die Entstehung der Filmfestspiele und der Architektur-Biennale.

Charaktere

Margherita stammt aus einfachen Verhältnissen und wird Zeit ihres Lebens vom alteingesessenen venezianischen Adel geschnitten. Doch dies stört sie nicht, denn sie sucht nicht die alten Traditionen, sondern sie blickt in die Zukunft und erkennt auch das Potential der neuen Zeit. Die bekannten Künstler*innen des Kreises um Margherita sind in ihren Eigenheiten beeindruckend real und stimmig geschildert.

Handlung und Schreibstil

Die Autorin erzählt das Leben von Margherita Revedin, der Großmutter ihres Ehemannes und damit verbunden auch die Geschichte des modernen Venedig ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Jahre zwischen wichtigen Ereignissen fasst sie zusammen, indem sie am Beginn eines neuen Kapitels kurz beschreibt, wie viele Jahre inzwischen vergangen sind. Damit vermeidet sie mögliche Längen und man verfolgt die Geschichte mit Spannung, die nicht nachlässt, sondern ihren steten Sog behält. Die letzten Kapitel, die sie mit „Ausklang“ tituliert, spielen 1987 und es schließt sich der Kreis.

Fazit

Ein biografischer Generationenroman über die europäische Kunst- und Kulturszene im 20. Jahrhundert, verbunden mit der jüngeren Geschichte der Stadt Venedig. Die Autorin nimmt uns mit in die prächtigen Palazzi am Canal Grande und das elegante Ambiente des Lido. Es ist ein Vergnügen, dieses interessante, einfühlsam und lebendig geschriebene Buch zu lesen, nicht nur für begeisterte Venedig-Kenner.

Brumm! – Helmut Barz

AutorHelmut Barz
Verlag Helmut Barz (Nova MD)
Erscheinungsdatum 11. Mai 2020
FormatTaschenbuch
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3966982849

„Bei uns sagt man, der Panda ist freundlich und die Verkörperung der Seelenruhe, doch begegnest du ihm, tritt ihm nicht zu nahe, willst du nicht gegen einen gnadenlosen Krieger kämpfen.“ (Zitat Seite 46)Zit

Inhalt

Dr. Urs A. Podini, 46 Jahre alt, von seiner egozentrischen Lebensgefährtin Karolin „Bärchen“ genannt, ist als Werbemanager und Co-Geschäftsführer eines Marketingunternehmens erfolgreich. Sein Traum von einer Professur für vergleichende Literaturwissenschaften und vom eigenen Roman dagegen hat sich nicht erfüllt. Gutmütig lässt er zu, dass ihn sein Leben lebt statt umgekehrt. Bis er eines Tages in der schrägen Boutique „Transitions!“ ein flauschiges Pandakostüm entdeckt, in das er mit einem zunächst vorsichtigen „Brumm“ schlüpft. Damit beginnt ein neues Leben für ihn, denn jetzt bestimmt sein Krafttier, der Panda, seine Handlungen, sanft, gemütlich, verspielt – doch wenn es darauf ankommt, fletscht er die Zähne und wird zum hartnäckigen Kämpfer.

Thema und Genre

Der Autor nennt seinen Roman eine moderne Fabel für unsere Zeit, in der Fakten bewusst durch gefühlte Wahrnehmungen ersetzt werden. Themen sind die alles bestimmende Medienpräsenz unserer Tage und ihre Scheinwelten, satirische Gesellschaftskritik und Politik. Es geht aber auch um Entscheidungen darüber, wer man sein will und wie man sein Leben gestaltet.

Charaktere

Ein Stückchen „Doktor Urs Ailuro Podini“ findet sich wohl im Leben vieler Menschen, die Entscheidung für Karriere und ein finanziell abgesichertes Leben, statt zumindest zu versuchen, die eigenen Träume zu leben. Kreativität ohne das notwendige Umsetzungspotential. Bei Dr. Urs A. Podini bewirkt der Panda in seinen Gedanken und dann auch in seinem Kostüm das Umdenken und die Veränderung. In welcher Form auch immer, als Leser schließt man diesen sympathischen, liebenswerten Hauptprotagonisten der Handlung sofort ins Herz.

Handlung und Schreibstil

Die Sprache zeigt den studierten Theaterwissenschaftler, sie führt uns flüssig durch die Handlung, ein großartiges Lesevergnügen. Unsere moderne Zeit der Influencer und ihrer Netzwerke, die Schwächen der derzeit die politische Bühne bespielenden Figuren werden gekonnt überspitzt, treffend, und mit einem großen Augenzwinkern beschrieben. Es sind der Humor und Witz, die skurrilen und doch aus dem Alltagsleben gegriffenen Szenen, die für laute Heiterkeit während des Lesens sorgen, unterbrochen durch Nachdenklichkeit und manchmal die Sorge um Urs. Denn auch sein Leben als erster anerkannter menschlicher Panda wird in der Geschichte immer noch von außen gesteuert, und als Romanfigur vom Autor, der mit einer überraschenden Wendung das von mir erwartete open End kappt. Für mich trotz verschiedener Andeutungen nicht stimmig, zu viel gewollt und zu bewusst konstruiert.

Fazit

Ein vergnüglich zu lesender, sprachlich großartiger Roman mit einer liebenswerten Hauptfigur. Mit einem grollenden „Brumm!“ für das Ende ziehe ich persönlich zwar einen Bewertungsstern ab, aber empfehle, dieses ungewöhnliche Buch auf jeden Fall zu lesen, es macht wirklich Spaß!

Schatten der Welt – Andreas Izquierdo

AutorAndreas Izquierdo
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 21. Juli 2020
FormatBroschiert
Seiten544
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832164980

„Damals erwachte in mir das unstillbare Verlangen, mir immer ein eigenes Bild zu machen. Ich wollte selbst beobachten, wollte wissen, wie sich die Dinge wirklich verhielten, und nicht von Beschreibungen anderer abhängig sein.“ (Zitat Pos. 551)

Inhalt

Sie sind Freunde und schon mit knapp vierzehn Jahren wissen sie, was sie nicht werden wollen: Carl Friedländer will Fotograf werden und nicht die väterliche Schneiderei übernehmen, Artur Burwitz will Erfolg haben und kein Wagner bleiben, wie sein Vater. Luise „Isi“ Beese will auf keinen Fall so werden, wie ihr strenger Vater Gottlieb Beese, Lehrer mit politischen Ambitionen. Sie haben kreative Geschäftsideen und können sie auch erfolgreich umsetzen, doch dann kommt das Jahr 1914 und damit der Krieg. Artur und Carl, beide achtzehn Jahre alt, werden sofort eingezogen. Die Jahre bis 1918 verlangen von jedem der drei jungen Menschen beinahe Unmögliches, und der Einfluss der mächtigen Gutsbesitzerfamilie Boysen, die feudal über ganz Thorn herrscht, reicht bis an die Front.

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses historischen Romans, der gleichzeitig auch ein Abenteuer- und Entwicklungsroman ist, stehen drei mutige junge Menschen am Beginn des 20. Jahrhunderts, ihre Träume, Hoffnungen und die Realität. Wichtige Themen sind die Unterdrückung der Menschen im feudalen Ständesystem dieser Zeit, die schrecklichen Schlachten des Ersten Weltkrieges, Hunger, Schwarzhandel und der Kampf ums Überleben. Es geht aber auch um Familie, Tradition, Mut zum Neubeginn, Freundschaft, Vertrauen und Liebe.

Charaktere

Carl ist  eher schmächtig, zurückhaltend und vorsichtig. Durch den draufgängerischen, ehrgeizigen Artur, der immer eine Idee hat, zu Geld und Erfolg zu kommen, oft am Rand der Gesetze, wird auch das Leben seines Freundes Carl abenteuerlich. Die unangepasste Isi entspricht absolut nicht den Vorstellungen dieser Zeit von einem wohlerzogenen Mädchen. Klug, keck und schauspielerisch begabt, nützt sie ihr gutes Aussehen für die Umsetzung ihrer Einfälle. Dazu kommen ihr Mut und ihre Willensstärke, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Handlung und Schreibstil

Der Roman beginnt mit einer Vorstellung der drei Hauptfiguren: Carl, Artur und Isi. Die Handlung ist in fünf Abschnitte eingeteilt, diese wiederum in einzelne Kapitel. Die Ereignisse werden von Carl in der Ich-Form geschildert, chronologisch, ergänzt durch Rückblicke. Teilweise gleichzeitig an unterschiedlichen Orten stattfindende Episoden im Leben von Artur und Isi, von denen Carl nichts wissen kann, werden jedoch personal erzählt und stellen jeweils Artur oder Isi in den Mittelpunkt. Die Geschichte ist spannend und auch emotional fesselnd, da die einzelnen Figuren überzeugend und nachvollziehbar handeln. Die Sprache erzählt und beschreibt packend und einfühlsam und lässt auch den Humor nicht vermissen. „Es folgte eine lange Schimpfkanonade im breitesten Wiener Schmäh. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich fragte, wie ein Volk, das so melodisch fluchen konnte, einen solchen Krieg gewinnen wollte.“ (Zitat Pos. 4683).

Fazit

Ein spannender historischer Roman über die Hoffnungen und Träume einer Generation, die, kaum erwachsen, sich plötzlich in einem furchtbaren Krieg wiederfand. Jede der drei Hauptfiguren, die völlig unterschiedlich und doch durch eine tiefe Freundschaft verbunden sind, muss den eigenen Weg finden und aus Träumen werden Werte, für die es sich einzustehen lohnt, auch wenn der Einsatz das eigene Leben ist. Ein großartiges Leseerlebnis.

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