So viel Sehnsucht auf so kleiner Fläche: Edvard Munch und seine Bilder – Karl Ove Knausgård

AutorKarl Ove Knausgård
Verlag Luchterhand
Literaturverlag
Erscheinungsdatum 23. September 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3630875897

„Er hatte nicht die Absicht, das Lebendige zu malen, sondern das Gemalte lebendig werden zu lassen. Für ihn hieß dies, das Entscheidende an dem einzufangen, was er sah.“ (Zitat Seite 45)

Inhalt

Karl Ove Knausgård ist neunzehn Jahre alt, als er im Museum in Bergen, Norwegen, vor einem Bild von einer verschneiten Landschaft steht, eines von fünf ähnlichen Bildern, die Edvard Munch 1906 in Thüringen gemalt hatte. Genau dieses Bild hat der Autor vor Augen, als er an einer Rede zum 150. Geburtstag des Malers arbeitet. Etwa zwei Jahre später lädt das Munch-Museum in Oslo ihn ein, eine Munch-Ausstellung zu kuratieren. Er ordnet jedem der vier Räume ein Thema zu und entscheidet sich, aus dem Depot des Munch-Museums mit dem Nachlass des Künstlers Werke auszuwählen, die noch nie gezeigt worden waren. Gleichzeitig setzt er sich auf eine sehr persönliche Weise mit dem Künstler auseinander.

Thema und Umsetzung

Bei diesem Buch handelt es sich um keine Biografie und keineswegs nur um eine weitere kunstkritische Interpretation des Malers Edvard Munch und deiner Werke. Der Autor, ein bekannter norwegischer Schriftsteller, geht seinen eigenen Weg als Erzähler, indem er die Bilder chronologisch dem Leser nahebringt, beginnend mit den ersten noch erhaltenen Bildern, die Munch 1880, im Alter von sechzehn Jahren, gemalt hat. So zeigt er die Entwicklung auf, die Edvard Munch als Künstler durchmachte, die einzelnen Schaffensperioden und die eindrücklichen Veränderungen in Malstil und Farbe. Dies ist möglich, da Munch in den mehr als sechzig Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit dieselben Motive immer wieder aufgriff und neu malte. So malte er Bäume auf seinem ersten Bild 1880 und auch auf seinem letzten 1944. Auch dem Thema Krankheit, „Das kranke Kind“ wendet er sich mehrmals zu, im Versuch, die Verluste während seiner Kindheit und vor allem die damit verbundenen Gefühle im Bild umzusetzen.

Daher spielt auch die Biografie des Künstlers in diesem Buch eine Rolle, denn für den Autor sind gerade seine Bilder die gemalte Wirklichkeit des Lebens des Künstlers und seiner komplexen Persönlichkeit.

„Er malte mit anderen Worten seine Erinnerungen und versuchte, die Gefühle von Neuem zu erschaffen, die sie einst in ihm ausgelöst hatten.“ (Zitat Seite 160)

Das Buch ist in drei Teile eingeteilt, im ersten Teil zeigt der Autor seine eigene Beziehung zu Edvard Munch und seinen Bildern, im Mittelpunkt des zweiten Teiles steht die Erarbeitung der Ausstellung und die Gespräche über Munch, die Knausgård mit anderen Künstlern führte und um dritten Teil geht es um die Idee des Autors, den Entwicklungsprozess der Ausstellung auch filmisch zu dokumentieren und um seine Zusammenarbeit mit den Filmemachern Joachim und Emil Trier. Das Buch enthält vierzehn farbige Abbildungen der wichtigsten besprochenen Gemälde.

Fazit

Diese vielschichtige, literarische Annäherung zeigt uns Lesern die großartige Vielfalt der Bilder, die Munch abseits des allzu oft zitierten „Schrei“ geschaffen hat. Es ist ein sehr persönlicher Weg des bekannten norwegischen Schriftstellers, sich mit dem Leben und Werk von Edvard Munch auseinanderzusetzen, den Maler mit allen Sinnen und Gefühlen zu erfassen, nicht das zu wiederzugeben, das rückblickend in die Kunst interpretiert wird, sondern ein Versuch, in erzählende, beschreibende Worte zu fassen, was der Maler damals, in seinem Jetzt, darstellen wollte. „Doch wie lebt seine Kunst weiter? Die konkreten Bilder befinden sich an konkreten Orten – der größte Teil hängt in Museen -, so wie die Motive, die sie zeigen, sich an konkreten Orten befinden. Aber sie führen ihr Leben nicht im Konkreten, sondern in unserer Vorstellungswelt, im Inneren jedes Einzelnen von uns.“ (Zitat Seite 260). Dieses Buch trägt dazu bei, dass Edvard Munch und seine Bilder lebendig bleiben.

Soeben entdeckt – der neueste Dos Santos

Der nächste Roman aus der Tomás Noronha-Reihe erscheint am 22. November 2019 und ich freue mich auf einen neuen, spannenden Wissenschaftsthriller dieses Autors, der zu meinen Lieblingsautoren zählt. In der Originalsprache war dies der erste Band der Serie, was mich noch neugieriger macht.

Codex 632. Wer war Christoph Kolumbus wirklich? (Tomás Noronha-Reihe) – J.R. Dos Santos

Verlag: luzar publishing,

22. November 2019 – Taschenbuch, 368 Seiten

ISBN-13: 978-3946621065

Schutzzone – Nora Bossong

AutorNora Bossong
Verlag Suhrkamp Verlag
Erscheinungsdatum 9. September 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten332
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3518428825

„Wir spielen uns klare Grenzen vor. Aber jeder Versuch, ein Land mit exakten Grenzlinien zu zeichnen, hat zu nichts als Absurditäten geführt. Daran sind mehr Menschen gestorben als an Malaria.“ (Zitat Seite 128)

Inhalt

Mira Wiedner ist neun Jahre alt und verbringt einige Monate bei einer mit ihrem Vater befreundeten Diplomatenfamilie, während ihre Eltern die Scheidung abwickeln. Sie bewundert den siebzehnjährigen Sohn Milan und sein Vater Darius ist mit ein Grund für ihren Wunsch, für die Uno zu arbeiten. 2011 wird ihr Traum in New York Realität. Nach intensiven Vorbereitungen führt ihre erste Aufgabe sie 2012 nach Bujumbura, Burundi, wo sie die Aufarbeitung der Völkermorde der Jahre 1972, 1988, 1993 begleiten soll. Bald hat sie den Ruf, dass sie die Menschen dazu bringt, mit ihr und miteinander zu reden. Im April 2015 wird sie Assistentin des Sonderbeauftragten für Zypern und arbeitet 2017 in Genf an den Friedensverhandlungen für Zypern mit. Hier in Genf trifft sie Milan wieder.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um brisante Fragen zur Weltpolitik, um die internationalen Friedensbemühungen, die Rolle der UNHCR und der UN. Themen sind vor allem die Verantwortung im Umgang mit der Wahrheit, Idealismus und Realität, die Frage nach der Legitimierung der internationalen Eingriffe in die Interna eines Landes und die sich daraus ergebenden Folgen. Gleichzeitig geht es um die Auswirkungen dieser Tätigkeit auf das Privatleben der beteiligten Personen, vor allem, was Mira betrifft.

Charaktere

Die Hauptprotagonistin Mira ist für die UN mit Idealismus tätig und in der Überzeugung, tatsächlich etwas für den Frieden und für die Verbesserung der Lebensbedingungen in den Krisengebieten zu tun. Ausgerechnet in diesem für sie speziellen Jahr 2017 in Genf, wo sie beginnt, ihren Standpunkt zu hinterfragen, trifft sie Milan wieder. Dies führt auch zu einer persönlichen Krise und lässt sie mit vielen offenen Fragen zurück, doch es ist niemals sie, die Konsequenzen zieht und geht. „Sucht man sich ein Leben aus?, fragte ich. Oder lebt man es nicht eher?“ (Seite 50). Sowohl Milan, beruflich auf dem Weg nach Den Haag, als auch Sarah, die sie während der Zeit in Burundi kennengelernt hat, geben sich keinen Illusionen in Bezug auf die Aktivitäten der UN hin, ihre Struktur, die Handlungsschwäche und die geschönten Berichte. „Zu viele Konflikte, zu viele Kosten, sagte Milan, die Leute wollen ihr Geld lieber für andere Dinge ausgeben, und wir sehen dabei zu, die dieses schöne Projekt namens Uno zu Ende geht. Soll man noch Geduld haben, oder sie verlieren?“ (Milan, Seite 12) „Aber was haben wir erwartet? Dass wir mal eben aus der Schweiz anrücken, ein bisschen Stacheldraht um ein Gelände spannen und darin den Entwicklungserfolg eines Landes beschließen, für das sich niemand interessiert außerhalb der Mission?“ (Sarah, Seite 29)

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Handlung spielt zwischen Februar 2017 und April 2018 in Genf, geschildert von Mira Wiedner in der ersten Person. Unterbrochen wird dieser Erzählstrang laufend durch Rückblicke, ihre Erinnerungen und Fragen nach dem „wie war es wirklich“, denen sie sich in diesem Jahr 2017 während ihrer Zeit in den Büros der Vereinten Nationen in Genf stellt. Sie erinnert sich an Gespräche, an politische Sackgassen und an sogenannte Nilpferde, Begriffe, die von den Korrespondenten in ihre Berichte eingefügt wurden, in der Hoffnung, dass diese durch alle Gremien weitergeleitet und nicht entdeckt würden, ein Spiel, „wir wünschten uns ein wenig Anarchie in den bürokratischen Strukturen“. Vor allem bleibt der Wunsch nach der Wahrheit hinter diesen politisch sensiblen, diplomatischen Versuchen zu vermitteln, doch diese Wahrheit ist geschönt, wie der Pfau, der gleichsam als Metapher für den schönen Schein immer wieder in der Bilanz der vergangenen Jahre auftaucht, die Mira 2017 rückblickend in Genf zieht.

Es sind kurze Kapitel, die in rascher Reihenfolge ineinandergeschoben werden, doch Ort und Zeitangabe in den Überschriften sorgen dafür, dass der Leser den Überblick behält.

Sprachlich ist diese Autorin fordernd, während sie bei der direkten Rede auf Satzzeichen verzichtet, setzt sie eine Fülle von Beistrichen ein, welche aus Gedankenfetzen, Schilderungen, Unterbrüchen, Gedanken und weiteren aneinandergereihten Feststellungen lange Satzgebilde bis zu Buchseitenlänge formen. Schon das komplexe Thema ist anspruchsvoll, die Sprache unterstreicht dies, die Autorin ist nicht bereit, den Leser in irgendeiner Form zu schonen.

Fazit

Ein Roman, der sich kritisch mit der internationalen Politik, den Friedensbestrebungen und der Frage nach der Wahrheit und der Legitimation der mächtigen UN-Institutionen auseinandersetzt. Gezeigt wird die vielschichtige, zeitlos brisante Problematik am Beispiel der Hauptprotagonistin, die, zu Beginn überzeugt und idealistisch, nun den Leser mit einer Fülle von nachdenklichen Überlegungen zurücklässt, ähnlich fordernd und unnachgiebig wie die Sprache. Kein Buch, das man einfach mal zwischendurch zur Unterhaltung liest, aber eines, das man gelesen haben sollte.

Die Chronik der Dämonenfürsten: Der Krieg der Cherubim – Monika Grasl

AutorMonika Grasl
Verlag Shadodex-
Verlag der Schatten
Erscheinungsdatum 26. November 2018
FormatKindle-Ausgabe
Seiten208 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB07KR6DWQ9

„Er wusste, auf welcher Seite er stehen würde, und auch wofür es sich noch lohnte, überhaupt in diesen Krieg zu ziehen.“ (Pos. 1737)

Inhalt

Zehn Jahre nach dem Aufstand der Menschen unter Salomo hat sich das Verhältnis der Dämonen zu den Menschen sehr gebessert. Die Sklaverei wurde abgeschafft, die Menschen sind frei, allerdings bilden viele von ihnen die Dienerschaft der herrschenden Dämonenfürsten. Prinz Seere und die Heilerin Perla leben in London, am Hof des Großfürsten Amymon. Doch Seere hatte Vincent vor Jahren während der Unruhen in Breslau ein Versprechen gegeben und dieses will er einlösen. Allerdings könnte dies zum endgültigen Kampf zwischen den Cherubim und den Dämonenfürsten führen. Doch Seere steht zu seinem Wort.

Thema und Genre

Dieser dritte Teil der Chronik der Dämonenfürsten zeigt das Zusammenleben der Menschen und der herrschenden Dämonenfürsten auf Erden, während die Cherubim in ihrer Parallelwelt leben. Doch nun droht ein Krieg zwischen diesen beiden Mächten, der das Ende der Menschheit bedeuten würde. Themen sind Gemeinschaft und Zugeständnisse im Zusammenleben, Mut, Freundschaft und natürlich die Liebe, aber auch Intrigen, Machtstreben, Krieg und Gewalt. Der Roman ist dem Genre Urban Dark Fantasy zuzuordnen.

Charaktere

In den Jahrtausenden ihrer Herrschaft auf Erden haben die Dämonenfürsten sich verändert, deutlich zeigen sie Gefühle und sind, obwohl von Natur aus launisch, aufbrausend und gefährlich, keineswegs nur böse, sondern weisen eine charakterliche Vielfalt in vielen Schattierungen auf, wie wir Menschen in der Realität. Besonders Prinz Seere und der Marquis Decarabia, nun Herrscher in Wien, erlangen so die Sympathie der Leser und natürlich auch Vincent, der eigenwillige, ungestüme Todesengel. Auf Seite der Menschen sind Perla und Chris die Hauptprotagonisten. Dazu kommen diesmal noch die Cherubim Michael und Gabriel, die sich absolut nicht engelhaft gut benehmen, sondern ihre eigenen Ziele verfolgen und auch den Kampf nicht scheuen.

Handlung und Schreibstil

Die Ereignisse verlaufen chronologisch, mit kurzen, erklärenden Rückblenden. Die einzelnen Kapitel tragen den Namen des jeweiligen Hauptprotagonisten. Es gibt eine Reihe von packenden Szenen, überraschenden Wendungen buchstäblich in letzter Minute und als Leser hofft und bangt man mit den Figuren der Geschichte, mit den Menschen, vor allem aber mit den Dämonen. Die Sprache ist schildernd, spannend und modern, behält dies auch in den Dialogen bei, wobei einige der Dämonenfürsten sich durchaus umgangssprachlich ausdrücken und auch die Cherubim sind weit von erhabener Perfektion entfernt. In einer Szene die Gedanken des Cherub Michael: „Es ging in den Krieg gegen Großfürsten. Die würden sich wenig beeindruckt zeigen, wenn die Cherubim einheitlich nach Rosen und Myrrhe stanken.“ (Pos 1784)

Fazit

Ein Urban Dark Fantasy Roman, spannend und unterhaltsam zu lesen. Eine komplexe, stimmige Handlung mit viel Fantasie geschrieben, dazu passend ebenso vielschichtige Charaktere, mystisch und geheimnisvoll im Aussehen, weisen die Dämonen, Todesengel und Cherubim eine lebendige charakterliche Vielfalt auf. Dies gibt der Geschichte einen besonderen Sog und garantiert Lesevergnügen, auch für „Genre-Ungeübte“ wie mich.

Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Herrschaft der Dämonenfürsten – Monika Grasl

AutorMonika Grasl
Verlag Shadodex-
Verlag der Schatten
Erscheinungsdatum 11. Dezember 2017
FormatKindle Ausgabe
Seiten308 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB077X9N3YD

„Die Zeiten sind keineswegs mehr das, was sie einmal waren. Kriege werden nur noch im Geheimen geführt. Abmachungen in dunklen Schatten getroffen.“ (Pos. 3177)

Inhalt

Im Jahr 3500 haben die Dämonenfürsten die Herrschaft über die Erde untereinander aufgeteilt. Jeder Großfürst regiert in einer der alten europäischen Hauptstädte und die Menschen sind ihre Sklaven geworden. Bael, der König der Dämonenfürsten, herrscht in Breslau, wo sich eine Gruppe von freien Menschen nicht unterworfen hat und im Untergrund lebt. Salomo Kaine, ihr Anführer, beruft sich auf die alte Prophezeihung, ruft zum Kampf auf und krönt sich selbst zum König, auch wenn absolut nicht alle Menschen aus der Gruppe seiner Meinung sind, sondern zur Besonnenheit mahnen. Nicht nur Decarabia, ein Marquis der Dämonenfürsten am Hofe von Bael, sieht diese Entwicklung mit großer Sorge.

Thema und Genre

Dieser zweite Band der Chronik der Dämonenfürsten spielt in einer fernen Zukunft, im Jahr 3500. Hauptorte der Handlung sind die Städte Breslau, Nitra, London, Paris und Wien. Themen sind Unterdrückung und Freiheit, die Frage, wie man als herrschende Schicht mit den Untergebenen umgeht, Machtpolitik, Spionage und Intrigen. Natürlich geht es auch um Gefühle, um die Liebe, Treue und Mut.

Charaktere

Diesmal sind die wichtigsten Protagonisten die einzelnen Dämonenfürsten, deren Aussehen auch die Charaktereigenschaften widerspiegelt. Eine sehr interessante Figur ist der Dämonenmarquis Decarabia, er trägt im positiven Sinne die Eigenschaften eines modernen Königs in sich, allerdings in Kombination mit der aufbrausenden Unberechenbarkeit eines Dämons. Auch Prinz Seere, der mit einer Menschenfrau liiert ist, der Sklavin und Heilerin Perla Healer, tritt dafür ein, dass die Dämonenfürsten ihre Sklaven mit Respekt behandeln. Wir treffen auch einen bekannten Charakter aus dem ersten Band wieder, allerdings in einer überraschenden Rolle.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in mehreren gleichzeitigen Erzählsträngen geschildert. Alle Ereignisse sind miteinander verflochten, auch wenn sie an verschiedenen Orten und parallel stattfinden. Eine Karten am Beginn des Buches, welche die einzelnen Dämonenherrscher der jeweiligen Stadt zuordnet, erklärt die Zusammenhänge. Alle Kapitel tragen als Überschrift den jeweiligen Namen der betreffenden Hauptperson, dies erleichtert die  Übersichtlichkeit in dieser komplexen, düsteren Geschichte. Auch diesmal ist der Schreibstil so modern und zeitgemäß wie dieses interessante, eigenwillige und facettenreiche Bild, das die Autorin von ihren Dämonen zeichnet.

Fazit

Dieser zweite Band der Chronik der Dämonenfürsten ist im Zeitrahmen so weit vom ersten Teil entfernt, dass er auch als Einzelbuch gelesen werden könnte. Im Mittelpunkt stehen diesmal die Dämonen, deren vielschichtiges, menschliches Verhalten ihnen die Sympathien der Leser sichert. Die spannende Geschichte liest sich wie in packender Politthriller, nur mit etwas ungewöhnlichen Protagonisten. Ein Buch auch für Leser, die bisher keinen Bezug zum Genre Urban Dark Fantasy hatten.

Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Engel des Todes – Monika Grasl

AutorMonika Grasl
Verlag Shadodex-
Verlag der Schatten
Erscheinungsdatum 19. Dezember 2016
FormatKindle
Seiten228 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB01MRVA0WN

„Sie folgte seiner Anweisung, fasste Vincent genau ins Auge. Plötzlich wich sie drei Schritte zurück. Das war unmöglich!“ (Zitat Pos. 253)

Inhalt

Evy Munro ist erst zwanzig Jahre alt, als sie von ihrem Arzt die Diagnose erfährt: Lungenkrebs. Ihr Studium wird sie nicht mehr zu Ende bringen können, aber sie ist auch nicht bereit, sich wegen einer nur kurzen Verzögerung einer Chemotherapie zu unterziehen. Auch wenn ihre beste Freundin Naomi und Vincent anderer Meinung sind. Vincent ist ihr persönlicher Engel des Todes, der sie durch diese letzte Zeit ihres Lebens begleiten soll. Gleichzeitig macht sich der Dämonenfürst Dantalion mit seinen Heeren bereit, die Welt zu unterwerfen und auch er braucht Evy für seine Pläne.

Thema und Genre

In diesem Roman des Genre Dark Fantasy, präziser Urban Dark Fantasy, geht es einerseits um durchaus menschliche Themen wie den persönlichen Umgang mit unheilbaren, tödlichen Krankheiten und den Mut, sich dem Schicksal zu stellen. Gleichzeitig aber stehen alte Relikte, der Glaube und die Parallelreiche der Engel und der Dämonen mit ihren Intrigen und dem Wunsch nach Macht um jeden Preis im Mittelpunkt. Es geht um die Zukunft der Welt, wie wir sie kennen, und der Menschen.

Charaktere

Die junge Evy muss irgendwie versuchen, ihr Leben mit der Krankheit in den Griff zu bekommen. Vincent, einer der Todesengel, sollte die ihm zugeteilten Menschen mit Umsicht und Verständnis durch die letzte Lebensphase begleiten, jedoch ohne persönliche Nähe. Dies fällt ihm bei dieser unangepassten, aufbrausenden, aber auch verletzlichen Frau zunehmend schwerer. „Das war die Frau, die er in den letzten Wochen kennengelernt hatte: stolz stur und sogar bereit, sich mit den Gepflogenheiten des Todesengels anzulegen.“ (Zitat Position 2452).

Dennoch sind es nicht nur diese beiden Protagonisten, welche die Geschichte voranbringen, sondern parallel dazu haben wir als Leser es mit Dämonen und Engeln zu tun und hier wiederum mit Todesengeln und Cherubim. Auch diese übersinnlichen Charaktere sind glaubhaft, weil in ihrem Denken und Streben im selben Graubereich angesiedelt, wie die Menschen. Es gibt keine starre Trennung in „gut“ und „böse“. Zum Beispiel Merfyn, der Dämonenbote, verfolgt völlig andere Interessen als der mächtige Dämonenfürst Dantalion.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte beginnt mit einem Prolog im Jahr 2050 und Vincent erinnert sich an die Ereignisse im Jahr 2018 zurück.

Die Handlung ist vielschichtig und sehr spannend, durch die nur allzu menschlichen Intrigen zwischen den Engeln, aber auch der Dämonen, liest sich das Buch wie ein Thriller, gäbe es nicht die besonderen Eigenschaften der einzelnen Figuren.

Der Schreibstil ist flott, modern und die Spannung wird durch humorvolle Dialoge aufgelockert.

Fazit

Ich wollte schon länger mal einen Leseausflug in ein mir wenig bekanntes Genre unternehmen und habe dieses spannende Buch mit Vergnügen gelesen. Urban Dark Fantasy wird vielleicht Leser enttäuschen, die mit der üblichen „gute Engel treffen auf böse Dämonen“-Geschichte gerechnet haben, aber gerade diese moderne, interessante, eigenwillige Interpretation mit menschlich fühlenden, intriganten, bösen, mutigen Gestalten fasziniert auch Leser, die eine packende, vielschichtige, lebhaft erzählte Geschichte schätzen.

Herzensräuber – Beate Rygiert

AutorBeate Rygiert
Verlag Blanvalet Taschenbuch
Verlag
Erscheinungsdatum 17. Juli 2017
FormatTaschenbuch
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3734104244

„Tobias wählt lange und sorgsam, ehe er einer Kundschaft einen Herzensräuber empfiehlt. Und doch. Wohin geht ihr Herz, ihr Verstand? Was erleben sie, während sie in ihrem Sessel sitzen und die Welt um sich vergessen?“ (Zitat Seite 46)

Inhalt

Er ist ein spanischer Straßenhund, sein Herrchen ist gestorben. Eines Tages trifft er am Strand den Buchhändler Tobias, der ihn Zola nennt, ihn mitnimmt in seine Heimatstadt Heidelberg und sein neuer Mensch wird. Zuerst ist Zola völlig verwirrt von den vielen verschiedenen Gefühlen, die ihm aus den Büchern, so nennt sein Mensch diese Herzensräuber, entgegenströmen und was sein Herrchen „mein Antiquariat“ nennt, ist für ihn die Höhle der Herzensräuber. Doch bald kann er die Geruchsgefühle, die Menschen ausströmen, die im Antiquariat nach einem Buch suchen, mit den Gefühlen vergleichen, die andere Menschen schon in den Büchern hinterlassen haben. Als dann Tobias von seiner Großmutter ein großes, altes Haus erbt und einige Bewohner mit, gibt dies nicht nur dem Buchantiquariat einen wichtigen Aufschwung. Zola ist unermüdlich im Einsatz, beim Auffinden des passenden Buches und beim Aufpassen auf seinen Menschen Tobias, auf die jetzt sechs verschiedenen Höhlen voll mit Herzensräubern und auf die kleine Emma. Doch wozu gibt es Freunde, allen voran Max und sein Mensch Moritz …

Thema und Genre

In diesem Wohlfühlroman geht es um die besondere Bindung zwischen Mensch und Hund, eine antiquarische Buchhandlung, um Bücher und um das Lesen. Doch es geht auch um Themen wie Enttäuschung, Alter, Schulprobleme, sowie um Hoffnung, Freundschaft, Mut und natürlich auch um die Liebe.

Charaktere

Zola, ein spanischer Straßenhund, lebt sich rasch in seiner neuen Heimat Heidelberg ein, er liebt die Stadt und vor allem die langen Spaziergänge am Neckarufer. Neugierig beobachtet er alles, was in seinem Umfeld passiert, macht sich so seine Gedanken über die Menschen und versucht schon mal, sie mit besonders intensiven Gedanken zu beeinflussen, das seiner Meinung nach Richtige zu tun.

Auch die Menschen im Mittelpunkt der Geschichte sind sympathisch und mit allen ihren Eigenheiten und Fehlern liebenswert. Alltagsprobleme und Konflikte sorgen für Realitätsbezug.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung verleitet zum Schmunzeln und Träumen, die Konflikte sind durchaus realistisch und bringen Spannung in die Ereignisse. Speziell ist diese Geschichte aber, weil sie mit viel Einfühlungsvermögen und Humor aus der Sicht eines Hundes erzählt wird. Besonders die Schilderungen von Zola und seiner Hundewelt zeigen, dass hier jemand mit Fellnasen-Erfahrung schreibt – und mit viel Liebe für unsere Vierbeiner.

Fazit

Ein Wohlfühlroman über Bücher und Buchhandlungen, über Menschen und das Leben. Obwohl ein Hund im Mittelpunkt steht, wird dieser Roman nicht nur Hundefreunde und Bücherwürmer verzaubern. Ein Buch für entspannte Lesestunden, unbestreitbar ein Herzensräuber.

Dieser weite Weg – Isabel Allende

AutorIsabel Allende
Verlag Suhrkamp Verlag
Erscheinungsdatum 27. Juli 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten381
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3518428801

„Aber es war nicht nur ein Scherz gewesen, es war auch die Angst vor der gespaltenen Liebe, vor der Trennung, davor, fern von ihren Lieben zu leben und zu sterben.“ (Zitat Seite 279)

Inhalt

Guillem und Victor Dalmau sind Brüder. Beide stehen im spanischen Bürgerkrieg ab 1936 auf der Seite der Miliztruppen der demokratisch gewählten Regierung, Guillem als Soldat und Victor als angehender Arzt. Ihre Gegner sind die rechtsgerichteten Nationalisten um General Franco. Guillem ist mit der begabten Pianistin Roser Bruguera verlobt und als er im Kampf stirbt, ist Roser bereits schwanger. Victor flieht mit Roser aus dem belagerten Barcelona nach Frankreich, wo er sie heiratet, damit er sie und ihren Sohn Marcel als Angehörige mit nach Chile nehmen kann. Pablo Neruda macht dies mit seinem Flüchtlingsschiff Winnipeg möglich, das am 4. August 1939 für mehr als 2000 spanische Flüchtlinge zum Schiff der Hoffnung wird. Chile ist ein ideales Land für einen Neubeginn, denn es bietet Chancen für alle. Doch dann ändert sich die politische Landschaft in Chile …

Thema und Genre

In diesem epischen Generationenroman geht es um politische Diktaturen, Krieg, Unterdrückung und Flucht. Die Geschichte handelt aber auch von Idealismus, Mut, Treue, Freundschaft, Hoffnung  und Chancen auf Neubeginn, die das Leben immer wieder bietet. Wichtige Themen sind Heimat und Zugehörigkeit, ihre Charaktere vergessen die spanischen Wurzeln nicht. Dieses Buch ein Roman, doch die zeitgeschichtlichen Fakten und bekannten Personen sind real.

Charaktere

Victor ist Arzt aus Überzeugung, die Erlebnisse als junger Arzt im Studium während des Bürgerkrieges prägen sein weiteres Leben. In Chile gehören Roser und er als Einwanderer nicht zur Oberschicht, doch dort sieht sich der sozialistisch-demokratische Victor ohnedies nicht, er sieht die Armut in Chile und schaut nicht weg, sondern hilft. Roser und Victor verbindet eine tiefe Freundschaft und Vertrautheit. Auch der bekannte Dichter und Politiker Pablo Neruda spielt im Leben von Victor und Roser eine wichtige Rolle.

Handlung und Schreibstil

Die Autorin ist eine wunderbare Erzählerin, die ihre Geschichten so in das Zeitgeschehen einbindet, dass sich ein stimmiges, interessantes Ganzes ergibt. Die wechselhafte Zeit der Umstürze, in welcher dieser Roman spielt, ist an sich schon spannend zu verfolgen, sodass die Handlung ein packendes Leseabenteuer ergibt. Man merkt, dass die Autorin auch ihre fiktiven Charaktere ins Herz geschlossen hat, detailliert und stimmig nimmt sie sich Zeit für jede einzelne Protagonistin, für jeden einzelnen Protagonisten, ihre Handlungen, Entscheidungen und Gefühle. Sprachlich beeindruckend, hat mich dieses Buch sofort in seinen Bann gezogen und nicht mehr losgelassen, bis ich die letzten Seite gelesen hatte. Es sind ernste Themen und Konflikte, dennoch ist eine positive Geschichte, in der immer auch Hoffnung und Liebe mitklingen.  

Fazit

Ein epischer Generationenroman, facettenreich, interessant und spannend. Ein sehr genau recherchiertes Zeitbild des spanischen Bürgerkrieges und der Machtübernahme von General Franco, sowie später der Umstürze in Chile. Sprachlich großartig erzählt, ist dieser Roman Garant für intensive Lesestunden, von denen man jede Minute genießt.

Das Vogeltribunal – Agnes Ravatn

AutorAgnes Ravatn
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 8. September 2015
FormatTaschenbuch
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442749164

„Hier hatte ich all das wenige, was ich brauchte, Einsamkeit, offene Tage, wenige, vorhersehbare Pflichten, ich war frei von den Blicken der anderen, dem Gerede der anderen, und ich hatte den Garten ganz für mich allein.“ (Seite 16)

Inhalt

Allis Hagtorn lässt nach einem Skandal ihr altes Leben als Universitätsdozentin zurück und nimmt eine Stelle als Haushaltshilfe bei Sigurd Bagge an, der den Sommer über alleine in einem einsamen Haus an einem Fjord lebt. Auch für den Garten ist Allis zuständig. Der Kontakt beschränkt sich auf die Mahlzeiten, den Rest der Zeit verbringt der Mann in seinem Arbeitszimmer, während sie versucht, sich gärtnerische Kenntnisse anzueignen. Ihr eigenes Geheimnis kennt Allis, doch welches Geheimnis hat Sigurd?

Thema und Genre

Vom Verlag wird dieses Buch als „Thriller“ eingestuft, doch es handelt sich um einen Roman. Thema sind die Konflikte der beiden Protagonisten, beide sind noch der eigenen Vergangenheit verhaftet, haben Geheimnisse und müssen einander in der Einsamkeit der Natur dennoch vertrauen. Ein weiteres Thema ist die nordische Mythologie, die Geschichte von Balder und Hermodr.

Charaktere

Allis Hagtorn steht noch immer unter dem Einfluss des öffentlichen Skandals, den sie verursacht hat und hat sogar in der Einöde am Fjord Angst, erkannt zu werden. Sigurd Bagge ist ihr unheimlich, gleichzeitig fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Ihre Unsicherheit und Unschlüssigkeit zieht sich durch die gesamte Geschichte. Sigurd Bagge ist teilweise überheblich, misstrauisch und undurchschaubar.

Handlung und Schreibstil

Die gesamte Geschichte dreht sich ausschließlich um die beiden Protagonisten, dazu als Nebenfigur die neugierige Inhaberin eines kleinen Lebensmittelladens. Eine düstere Stimmung zieht sich durch weite Teile der Handlung. Die Spannung, die man sich von einem Thriller erhofft, kommt auch durch das Setting, zwei Personen an einem einsamen Ort, nicht auf. Durch die vielen Andeutungen und Szenenwechsel unterbricht die Autorin den Spannungsbogen immer wieder, zerschnipselt ihn gleichsam in kleine Stücke, und bremst so die Geschichte, sobald sie Fahrt aufnimmt. Elemente wie Schatten, Geräusche, Traumvorstellungen wirken konstruiert.

Fazit

Ohne das Wort „Thriller“ auf dem Buchcover wäre ich vielleicht mit anderen Erwartungen an diese Geschichte herangegangen. Mir fehlte die Spannung, sie konnte mich nicht packen und ließ mich insgesamt etwas ratlos zurück. Ein Buch für Leser, die Zweipersonenstücke aufregend finden.   

Das Päckchen – Franz Hohler

AutorFranz Hohler
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 10. Juni 2019
FormatTaschenbuch
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442718306

„Er blickte die Frau nochmals an, die einen Ernst so dringend um Hilfe geboten hatte, und wenn dieser Ernst nicht reagierte, dann war ihr vielleicht wirklich geholfen, wenn er für den anderen Ernst einsprang.“ (Zitat Seite 13)

Inhalt

Auf dem Berner Hauptbahnhof klingelt ein öffentlicher Telefonapparat. Der Zürcher Bibliothekar Ernst Stricker hebt spontan ab. Eine ihm unbekannte Frauenstimme fragt, ob er Ernst sei und bittet ihn, sofort zu ihr zu kommen, sie müsse ihm dringend ein Päckchen übergeben. Als er dieses später öffnet, findet er darin ein lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch aus dem 8. Jahrhundert. Handelt es sich tatsächlich um ein Original und wo war es über all die Jahrhunderte versteckt gewesen? Nicht nur er will das wissen …

Thema und Genre

Dieser Roman vereint Einblicke in das mittelalterliche Klosterleben mit der Spannung eines Kriminalromans. Die aktuelle Handlung spielt in der Schweiz.

Charaktere

Ernst liebt seinen Beruf als Bibliothekar und er führt mit seiner Frau Jacqueline in ruhiges Leben. Das Buch weckt sofort sein Interesse. Er recherchiert akribisch und hartnäckig, um das Rätsel der Herkunft zu lösen und plötzlich wird es für ihn sehr gefährlich.

Der neunzehnjährige Haimo muss auf Wunsch seines Vaters, wie im 8. Jahrhundert für jüngere Söhne üblich, in das Benediktinerkloster in Regensburg eintreten. Schon bald erkennt der Abt Haimos Begabung und Begeisterung für das Schreiben. Doch Haimo kann auch Maria, die Tochter des Leinengerbers, nicht vergessen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, die einander abwechseln. In der Jetztzeit sucht Ernst nach den Hintergründen betreffend die Herkunft der alten Handschrift. Die Geschichte Haimos in der Vergangenheit erzählt die Entstehung des Buches und langsam zeigt sich Stück für Stück die rätselhafte Reise dieses wertvollen Originalwerkes durch die Jahrhunderte. Die Sprache ist erzählend, beschreibend. Die Handlung macht neugierig und ist spannend.

Fazit

Ich habe diesen Roman zufällig entdeckt und mit Vergnügen und Begeisterung gelesen. Für Leser, die eine gute, geschickt entwickelte, aber immer glaubhafte Geschichte zu schätzen wissen, die auch sprachlich Freude macht.

Die Dame hinter dem Vorhang – Veronika Peters

AutorVeronika Peters
Verlag Wunderraum
Erscheinungsdatum 23. September 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3336548088

„Es muss noch jemand anderes ihre Geschichte erzählen. Jemand, der sie liebt. Ich.“ (Zitat Seite 27)

Inhalt

Als Edith Louisa Sitwell, Tochter von Sir George Sitwell und Lady Ida, 1887 geboren wird, ist Emma Banister, die Tochter des Gärtners von Renishaw Hall, fünf Jahre alt. Die beiden Mädchen freunden sich an und treffen einander mehrere Jahre lang heimlich jeden Sommer. Emmas Tochter Jane Banister ist beinahe achtzehn Jahre alt, als sie Haushälterin im Londoner Haushalt der nun beinahe vierzig Jahre alten Edith Sitwell wird. Siebenunddreißig Jahre lang bleibt sie bei der exzentrischen Künstlerin, bis zu deren Tod im Jahr 1964.

Thema und Genre

Dieser Roman mit biografischem Hintergrund ist einerseits ein lebhaftes Zeitbild der internationalen Künstlerszene in Zentren wie London, Paris, Berlin, New York und Hollywood. Schwerpunkt sind die Jahre zwischen 1927 und 1964, eine Zeit nicht nur der kulturellen, sondern auch der politischen Um- und Aufbrüche.

Charaktere

Während Jane Banister und ihre Familie aus der Dienstbotenetage fiktiv sind, steht das reale Leben der exzentrischen Ausnahmekünstlerin Dame Edith Sitwell, eine bekannte Schriftstellerin und Dichterin der Moderne, um Mittelpunkt dieses Buches. Unangepasst und selbstbewusst lebt Edith Sitwell ihr eigenständiges Leben – ein modernes Frauenbild in einer Zeit, als dies eher die Ausnahme war.

Handlung und Schreibstil

In diesem Roman verknüpft die Autorin gekonnt bekannte biografische Fakten, Gesellschaftsbilder und Zeitgeschichte und lockert dies durch die fiktive Figur der Ich-Erzählerin Jane Banister auf. Lebendige Beschreibungen und bunte Schilderungen lassen den Leser eintauchen in diese Welt des britischen Adels und der internationalen Kunstszene. Edith Sitwell führte tatsächlich ein sehr bewegtes, aufregendes Leben, daher ist auch dieser Roman spannend zu lesen.

Fazit

Ein sehr gut recherchierter Roman, eine spannende Verknüpfung zwischen Fakten und Fiktion, geschrieben in einer lebendigen, niveauvollen Sprache. Ich habe dieses Buch mit großem Interesse und Vergnügen gelesen und ich wurde zudem neugierig auf das literarische Werk von Dame Edith Sitwell.

Haifische am Strelasund – Burkhard Wetekam

AutorBurkhard Wetekam
Verlag Hinstorff
Erscheinungsdatum 1. Juli 2019
FormatBroschiert
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3356022575

„Bestimmt. Friedlich und langweilig. Wenn du wieder Unruhe brauchst, ruf an, wir kommen gerne wieder.“ (Zitat Seite 348)

Inhalt

Der Privatermittler Tom Brauer hatte eine Woche Urlaub in Stralsund geplant, wo seine Freundin Clara Lehnhoff im Ozeaneum einen Malkurs für Kinder abhalten sollte. Doch dann taucht ein alter Schulfreund Claras auf, Rocco Schulze, der in Stralsund einen Imbiss für Fischbrötchen führt und er bittet Tom um Hilfe gegen die unlautere Konkurrenz und das Ordnungsamt. Als besagter Mitarbeiter des Ordnungsamtes kurze Zeit später ermordet aufgefunden wird, ist Rocco der Hauptverdächtige und Kommissarin Sylke Bartel ermittelt.

Thema und Genre

In diesem Regio-Kriminalroman mit Bezug zur Ostsee geht es um wesentlich mehr, als nur um Fischbrötchen. Es geht vor allem um Umweltschutz, Politik und eine umstrittene russische Gaspipeline.

Charaktere

Sylke Bartel, die für den Fall zuständige Kommissarin, hat Probleme, bei den Kollegen und dem Vorgesetzten in Stralsund akzeptiert zu werden. Sie benötigt dringend einen Erfolg bei den Ermittlungen. Dies erklärt ihre Handlungen und ihr Verhalten.

Tom Brauer agiert in diesem komplexen Fall sehr zurückhaltend, beinahe etwas naiv und scheint mit der Situation insgesamt überfordert. Dann beginnt auch Clara privat zu ermitteln, da sie von Roccos Unschuld überzeugt ist, und plötzlich ist sie ebenfalls involviert.

Handlung und Schreibstil

Was als Kriminalfall mit möglichem Vergangenheitsbezug beginnt, entwickelt sich rasch zu einem sehr gut ausgearbeiteten, komplexen Fall. Langsam erst zeigen sich die Zusammenhänge dieser spannenden, realistischen Geschichte.

Der Sprachstil entspricht, was den Spannungsaufbau betrifft, dem Genre. Die Handlung wird jedoch durch großartige Beschreibungen und Schilderungen in einer poetischen Sprache ergänzt, die das Lesen zu einem umfassenden Vergnügen werden lässt. „Die vielen Lichter der Stadt spiegelten sich im kaum bewegten Wasser und schienen zu einem Aquarell zu zerfließen.“ Dieser Satz auf Seite 208 malt mit impressionistischen Worten die beeindruckende Silhouette der Stadt Stralsund vor die Augen der Leser.

Fazit

Ein spannender Kriminalroman mit Ostsee-Bezug, der in Stralsund spielt. Inhaltlicher Tiefgang und poetische Schilderungen machen dieses Buch zu einem empfehlenswerten Lesevergnügen, nicht nur für Rügen-Begeisterte.

Gott wohnt im Wedding – Regina Scheer

AutorRegina Scheer
Verlag Penguin Verlag
Erscheinungsdatum 25. März 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3328600169

„Jetzt bin ich schon dabei, mich zu erinnern. Das kann ich nicht oft, aber heute muss es sein. Was du weißt, ist nicht verloren.“ (Zitat Seite 311)

Inhalt

Leo Lehmann ist über 90 Jahre alt, als er mit seiner Enkelin Nira für ein paar Wochen nach Berlin zurückkehrt. Durch Zufall bucht sie ein Hotel im Wedding, wo er zwanzig Jahre lang gewohnt hatte, er war hier geboren. 1948 hat er Berlin verlassen und lebt seither in Israel. Das alte Haus, in dem er während des Krieges eine Zeit lang untergetaucht war, steht noch. Gertrud Romberg, die damals ihn und seine Freunde versteckt hatte, lebt noch immer dort, umgeben von ihren Erinnerungen und den Erinnerungen des Hauses. Die anderen Bewohner wechseln jetzt oft, das Haus soll abgebrochen werden, zuletzt leben hier Flüchtlinge, vor allem Zigeunerfamilien aus unterschiedlichen Ländern, so wie Laila. Seit einem Vorfall, damals im Jahr 1943, hatte Leo keinen Kontakt mehr zu Getrud und eine offene Frage steht immer noch zwischen ihnen.

Thema und Genre

Ein altes Berliner Haus mit Geschichte, ein zeitgeschichtlicher Generationenroman, der sich auch mit der NS-Zeit in Deutschland auseinandersetzt. Es geht um Familie, Heimat, Fremde, Traditionen und gegen das Vergessen.

Charaktere

Leo Lehmann steht für die Geschichte einer jüdischen Familie im Nationalsozialismus. Laila Fidler, eine in Polen geborene Sintiza, steht für die Roma und Sinti, die immer wieder versuchten, sesshaft zu werden und doch immer wieder vertrieben wurden. Heute hilft Laila den rechtlosen Frauen bei den komplizierten Behördenwegen. Nira, in Israel geboren und aufgewachsen, sieht ihr Heimatland kritisch. Berlin ist kein Feindbild für sie, trotz der Geschichte ihrer Familie. Es sind lebendige Figuren mit ihren Konflikten und Wünschen, die uns in diesem Roman begegnen

Handlung und Schreibstil

Im Mittelpunkt steht das alte, baufällige Haus in Berlin Wedding, das sich an seine wechselvolle Geschichte seit der Erbauung erinnert. Damit verbunden ist das Leben seiner unterschiedlichen Bewohner. Es sind die gestrandeten, verfolgten Menschen, aber auch die selbstbewussten Kämpfer, um die es in diesem Roman geht. Am Beispiel von zwei speziellen Familien entwickelt die Autorin ein zeitgeschichtliches Kaleidoskop, welches das Leben mehrerer Generationen aufzeigt. Rückblenden und geschichtliche Abläufe, sowie die Erinnerungen des alten Hauses selbst, runden die Handlung ab.

Die Sprache erzählt, geht nahe an die Figuren heran, zeigt auf, beschreibt, malt lebhafte Bilder.

Fazit

Ein vielschichtiger Generationenroman, in dem es um Zeitgeschichte geht und um die Menschen, deren Schicksal in dieser gefährlichen Zeit darin bestand, irgendwie zu überleben. Ein beeindruckender Appell gegen Vorurteile und für die Menschlichkeit.

Luzies Erbe – Helga Bürster

AutorHelga Bürster
Verlag Insel Verlag
Erscheinungsdatum 9. September 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3458178149

„Die Blechdose blieb Johanne die Antwort schuldig, so wie Luzie sie ihr schuldig geblieben war.“ (Zitat Seite 247)

Inhalt

Als Luzie Mazur stirbt, ist sie beinahe hundert Jahre alt. Doch für Johanne, ihre Enkelin, ist es dennoch zu früh, denn viele offene Fragen, die Geschichte der Mazur-Frauen betreffend, bleiben unbeantwortet. Johannes Großvater Jurek Mazur, der Vater von  Johannes Mutter Thea und deren Schwester Helene, war im zweiten Weltkrieg als polnischer Zwangsarbeiter ins deutsche Dorf gekommen und diese Liebe war ein Verstoß gegen die  strengen Rassengesetze und damit lebensgefährlich. Nach dem Krieg können sie endlich heiraten, doch im Dorf bleiben sie Außenseiter. Jurek arbeitet in der Kaserne für die Engländer, das Wochenende verbringt er mit seiner Familie. Bis er eines Tages nicht mehr kommt. Luzie schweigt und spricht nie mehr über ihn. Auch in den zu Lebzeiten streng gehüteten Unterlagen ihrer Großmutter findet Johanne weniger Hinweise, als erhofft, doch sie gibt die Suche nicht auf.

Thema und Genre

Dieser Generationenroman mit zeitgeschichtlichem Hintergrund basiert auf wahren Begebenheiten aus der Familie der Autorin. Im Mittelpunkt stehen die Frauen, vier Generationen von starken Frauen, es geht um Liebe, Mut, Familiengeheimnisse, unerfüllte Träume und schwierige Mutter-Tochter-Beziehungen. Ein wichtiges Thema ist auch das belastende, starre Schweigen einer ganzen Generation.

Charaktere

Luzie ist die Matriarchin der Familie. Gewohnt, hart zu arbeiten, sichert sie damit das Überleben ihrer Familie. Für ihre Töchter bleibt da kaum Zeit. Das Leben hat sie ernst und schweigsam gemacht. Die vielen unbeantworteten Fragen belasten vor allem auch Thea und Johanne, wobei Johanne nicht aufhört, nach Antworten zu suchen.

Handlung und Schreibstil

Es sind zwei Geschichten, die abwechselnd erzählt werden, die von Luzie und Jurek und die der Familie nach Luzies Tod. Erinnerungen der einzelnen Familienmitglieder ergänzen die Hintergründe. Die Trennung in Kapitel vereinfacht den Überblick. Sehr spannend sind die Schilderungen aus den Kriegsjahren. Der flüssig zu lesende Schreibstil legt auch die Gefühle der einzelnen Charaktere offen und erzählt eine lebendige, nachvollziehbare Geschichte von Konflikten und Entscheidungen, die sich aus den Ereignissen ergeben, unvermeidbar sind und dennoch tiefe Auswirkungen haben.

Fazit

Ein spannender Generationenroman, getragen von starken Frauen und eine von Schweigen und unbeantworteten Fragen geprägte Familiengeschichte. Ein Buch, das noch lange nachklingt.

Ein neues Blau – Tom Saller

AutorTom Saller
Verlag List Hardcover
Erscheinungsdatum 30. August 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3471360040

„Ich verändere lediglich die Form ein wenig und versuche Schönheit darin zu finden; mir zu verdeutlichen, dass sie zwar anders sind, aber dennoch Sinn, sprich eine Daseinsberechtigung haben. Einen eigenen Sinn und ein eigenes Dasein.“ (Zitat seite 239)

Inhalt

Lili Kuhn fühlt sich schon als Kind „halb“. Sie wächst ohne Mutter auf und ist Halbjüdin. Takeshi, der chinesisch-japanische Geschäftsfreund ihres Vater, versteht es, sich „halb“ zu fühlen. Er versteht auch die kleine, phantasievolle Lili, die ihre Gefühle als Farben sieht und von ihrem Vater und nun auch Takeshi in liebevoller Geborgenheit aufgezogen wird. Heute, beinahe am Ende eine langen Lebens, in dem Porzellan, Malerei und Farben immer eine große Rolle gespielt haben, lebt sie zurückgezogen in Berlin. Auch Anja Hermann, gerade 18 Jahre alt, lebt in Berlin. Kritisch und dem Alter entsprechend unangepasst erlebt sie gerade die Scheidungsdiskussionen ihrer Eltern mit. Ausgerechnet sie wird von dem Direktor ihrer Schule gefragt, ob sie nicht manchmal nachmittags einer alten Dame Gesellschaft leisten möchte. Zusätzliches Taschengeld findet Anja immer gut und neugierig ist sie auch. Auch Lili interessiert diese eigensinnige, widersprüchliche junge Frau und sie beginnt, Anja ihr abwechslungsreiches Leben zu erzählen.

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses zeitgeschichtlichen Familienromans stehen die Kunst der Porzellanerzeugung und die KPM, ab 1918 Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin, das Bauhaus und die japanische Kultur mit ihrer Garten- und Teetradition. Es geht auch um unterschiedliche Religionen, was besonders mit dem Beginn des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielt. Werte wie Familie, Freundschaft, Liebe, aber auch Trauer Psychologie verbinden diese Komponenten zu einer Geschichte.

Charaktere

Zwei unterschiedliche Frauen, Lili und Anja, beide eigenwillig, neugierig auf das Leben. Zuerst auf der Suche, weiß Lili bald, was sie will und auch Anja findet in Lilis Geschichte neue Ideen für ihre eigene Zukunft.

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt seinen Roman in zwei unterschiedlichen Geschichten und Zeitebenen. Lilis Geschichte zwischen 1919 und 1935 wird in der dritten Person erzählt, dazwischen abwechselnd Anjas Geschichte 1985 in der Ich-Form. Das Jahr 1985 verbindet beide Geschichten. Zusätzliche Rückblenden ergänzen beide Erzählstränge. Zwischen einigen Kapiteln, über das gesamte Buch verteilt, finden sich Auszüge aus „Handwerkskunst KPM Berlin“. Darin wird die Porzellanherstellung geschildert und die Texte sind durchaus auch metaphorisch zu verstehen.

Die Sprache ist bildhaft und poetisch, mit bunten Schilderungen und vielen interessanten Informationen. Poesie findet sich auch in den Kapitelüberschriften, während sich die Spannung aus dem ereignisreichen Leben Lilis ergibt.

Fazit

Ein Familienroman, ein Frauenroman, ein realer geschichtlicher Hintergrund mit bekannten Künstlern und Persönlichkeiten vermittelt Wissen über die aufwändige Porzellanherstellung, über den Bauhaus-Gedanken, über jüdische und japanische Traditionen. Eine Geschichte von engagierten, mutigen Frauen, die sich liest wie Porzellan: geerdet, zeitlos elegant, fein und robust, bunt und poetisch.

Dead Lions: Ein Fall für Jackson Lamb – Mick Herron

AutorMick Herron
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 28. August 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten480
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257070460

„Wir sollen überhaupt niemanden jagen, wir sollen uns zu Tode langweilen, kündigen und bei einer Security-Firma anheuern.“ (Zitat Seite 41, 42)

Inhalt

Man nennt sie „Slow Horses“, lahme Gäule, jene Mitarbeiter des MI5, die aus unterschiedlichen Gründen vom aktiven Dienst in der modernen Zentrale am Regent‘s Park in die heruntergekommenen Büros des Slough House zum Akten Sichten versetzt wurden. Chef dieser eigenwilligen Gruppe ist Jackson Lamb, eine Legende, nun ebenfalls untätig, doch der Schein trügt. Als ein alter Bekannter aus Berliner Tagen, Dickie Bow, in einem Bus nach Oxford einen Herzinfarkt erleidet, will es Lamb genau wissen und er findet eine versteckte Nachricht: „Cicadas.“ Gleichzeitig werden zwei seiner Mitarbeiter von der Zentrale beauftragt, undercover einen russischen Oligarchen schützen, der geschäftlich nach London kommt. Gibt es einen Zusammenhang?

Thema und Genre

Ein spannender Thriller in der Tradition der klassischen Spionageromane, aber modern und frech. Es geht um Macht, die neue Politik der Geheimdienste, sogenannte Schläfer und offene Rechnungen.

Charaktere

Mit Jackson Lamb hat der Autor einen klassischen Antihelden geschaffen. Ein ekelhafter Zyniker, egoistisch, mit unmöglichen Manieren, den man als Leser trotzdem irgendwie ins Herz schließt. Seine Truppe ist eine Gruppe von schwierigen,  eigenwilligen Eigenbrötlern, doch wenn es gefährlich wird, dann sind es für Jackson Lamb „seine Leute“ und er wird aktiv, wobei er bei der Wahl der Mittel nicht zimperlich ist. Man sollte ihn auf keinen Fall unterschätzen und das wissen auch seine Gegner.

Handlung und Schreibstil

Sehr originell werden zu Beginn die einzelnen Mitglieder der „Slow Horses“ und die beiden Neuzugänge vorgestellt – denn der Autor überlässt dies einer streunenden Katze. Nur Jackson Lamb selbst ist ist nicht anwesend, er ist gerade in Oxford. Damit beginnt eine spannende, vielschichtige Handlung, mit Verstrickungen und überraschenden Wendungen. Sprachlich fallen besonders die witzigen, sarkastischen Dialoge und Wortspiele auf, die auch in der Übersetzung erhalten blieben.

Fazit

Eine moderne, ungewöhnliche Version des klassischen Spionageromans mit sympathischen Antihelden, literarisch, ironisch, witzig und dennoch spannend und realistisch. Auch wenn dies der zweite Band einer Serie ist, ist die Handlung in sich abgeschlossen. Ein Buch nicht nur für Kenner des Genre, sondern für alle Leser, die spannende Unterhaltung schätzen.

Todesmal: Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez 5 – Andreas Gruber

AutorAndreas Gruber
Verlag Goldmann Verlag
Erscheinungsdatum 19. August 2019
FormatTaschenbuch
Seiten592
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442486564

„Ich habe lediglich gestanden, dass ich an jedem einzelnen der nächsten sieben Tage ein Verbrechen begehen werde! Es werden sieben Menschen sterben.“

Inhalt

Ein alter Mann in einer aussichtslosen Lage, er weiß nicht einmal, warum. Eine Frau, die ihn in diese Lage gebracht hat und ihm mitteilt, dass ihn nur Maarten S. Sneijder retten kann, in weniger als dreizehn Stunden. Der alten Mann hat keine Ahnung, wer dieser Maarten Sneijder ist.

Eine alte Nonne, die im BKA unbedingt mit Maarten S. Sneijder reden will, kündigt sieben Morde in den kommenden sieben Tagen an. Mehr sagt sie nicht.

Der Präsident des BKA Wiesbaden, Dirk van Nistelrooy, hat soeben Maarten S. Sneijders Bedingungen für eine Wiedereinstellung beim BKA abgelehnt und dieser hat gekündigt.

Nun aber bekommt er, was er verlangt hat – ein Team. Doch die Zeit verrinnt schnell.

Thema und Genre

Die Wurzeln dieses packenden Thrillers liegen in der Vergangenheit, doch die Themen sind zeitlos und aktueller denn je.

Charaktere

Ein sympathisches Ermittlerteam, jeder und jede hat besondere Fährigkeiten und Aufgaben, aber auch sehr spezielle Eigenheiten. Dem Autor gelingt es, seine Hauptfiguren mit den einzelnen Fällen und daher im Zeitraum von mehreren Jahren dieser Serie auch eine realistische, nachvollziehbare persönliche Entwicklung durchmachen zu lassen. Wenn der sehr eigenwillige Profiler Maarten S. Sneijder ein Team verlangt, ist das für ihn schon ein gewaltiger Schritt. Natürlich zu seinen Bedingungen, wie von ihm zu erwarten. Für lange Amtswege ist keine Zeit und stoppen lässt sich ein Maarten S. Sneijder ohnedies nicht. „Brüllen verstärkt ihre Stimme, aber nicht die Argumente“, wie der Profiler es treffend formuliert.

Handlung und Schreibstil

Der Autor packt die Handlung wieder in wenige Tage, ergänzt durch erklärende Rückblicke. Dies macht die sehr spannende und vielschichtige Geschichte noch rasanter. Der Autor überrascht wieder mit Phantasie und neuen Ideen, bleibt aber immer glaubhaft. Ein wichtiger Spannungsfaktor ist hier auch die Zeit und der Autor bzw. die Täterschaft spielt ein gekonntes, perfektes Spiel mit den Lesern.

Der Schreibstil entspricht dem Genre, ist packend, rasant, doch der Autor nimmt sich auch Zeit für Beschreibungen und Schilderungen der einzelnen Protagonisten. Auch der Humor kommt nicht zu kurz.

Fazit

Wer den Profiler Maarten S. Sneijder und die Ermittlerin Sabine Nemez bereits kennt, hat auf diesen neuen Fall wohl schon gewartet und wird dieses Buch bereits mit Begeisterung und Spannung gelesen haben. Doch auch Fans von packenden Thrillern, speziellen Charakteren und perfekt konstruierten Handlungen, die bisher noch nichts von Andreas Gruber gelesen haben, werden ihr Vergnügen mit diesem Buch haben. Jeder Fall ist in sich abgeschlossen, es finden sich erklärende Hinweise im richtigen Ausmaß und auf der inneren Buchklappe finden sich alle wichtigen Informationen über Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez.

Die Stunde der Räuber: Der Schiller-Roman, Erster Teil – Udo Weinbörner

AutorUdo Weinbörner
Verlag Fehnland-Verlag
Erscheinungsdatum 20. Mai 2019
FormatTB, broschiert
Seiten420
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3947220311

„Konnte dies sein eigener Weg sein? Konnten die Worte, wohl gesetzt in Vers und Reim die Welt weiten, Stütze sein auf der Suche nach der Wahrheit und Freiheit?“ (Zitat Seite 22)

Inhalt

Obwohl groß gewachsen, ist der junge Friedrich Schiller eher zart und auch seine Gesundheit ist nicht besonders robust. Nach dem Wunsch seines Vaters sollte er später einmal Theologie studieren und einen geistlichen Beruf ergreifen. Doch Herzog Carl Eugen, der Landesherr, fordert ihn für seine herzogliche Militärschule. Für Friedrich, gerade erst sieben Jahre alt, beginnen Jahres des Drills, Hunger, Kälte, Strafen. Doch er findet auch Freunde, die Gruppe hält zusammen und heimlich lesen sie die von ihnen verehrten Dichter wie Schubart, Goethe, Shakespeare. Friedrich Schiller erkennt bald, dass er nur eines will: schreiben und im neuen Geist er Freiheit seine Gedanken äußern.

Thema und Genre

In diesem historischen Roman wird die Kindheit und Jugend Friedrich Schillers geschildert, seine schwierigen Jahre an der Militärakademie, seine Anfänge als Dichter und der Weg zu seinem ersten Drama, „Die Räuber“. So entsteht ein lebendiges Bild des jungen Dichters und der Epoche der Aufklärung zwischen Absolutismus und französischer Revolution.

Charaktere

Der intensiven Recherchen des Autors, sein Hinzuziehen aller in den Archiven vorhandenen Unterlagen ist es zu verdanken, dass der ungestüme, unbeugsame, manchmal unvernünftige junge Friedrich Schiller und seine Familie, seine Freunde und auch der despotische Herzog Carl Eugen zwischen den Seiten dieses biografischen Romans lebendig werden und ein buntes Bild dieser Zeit entsteht.

Handlung und Schreibstil

Dieser erste von zwei Bänden beschreibt die Jugendjahre Schillers, die unmenschlich harte, an starre Regeln gebundene Ausbildung der Knaben an der Herzoglichen Militärakademie beim Schloss Solitude, später in Stuttgart. Sein Aufbegehren wurde von einem Freundeskreis geteilt und unterstützt. Gemeinsam diskutierte man Freiheit und wichtige Werte, kritisierte den Prunk, den der Herzog trieb, während sein Volk hungerte. Vor allem jedoch las man heimlich die Dichter, deren Werke für diese Freiheitsgedanken und Aufbegehren standen, Schubart, Shakespeare, Goethe. Schon früh begann Friedrich Schiller, selbst zu schreiben, gegen alle Widerstände, Strafen und Gefahren. Höhepunkt dieses Buches ist die Uraufführung seines Dramas „Die Räuber“.

Der Autor passt die Sprache der Zeit an, findet jedoch eine perfekte Mischung und Verbindung zum modernen geschriebenen Wort. Die Handlung ist vielschichtig, es gibt sehr spannende Episoden und auch sehr humorvolle Szenen: Geschichte lebt.

Fazit

Ein biografischer Roman, der die Jugendjahre, die Entwicklung Friedrich Schillers erzählt und die Entstehungsgeschichte seines ersten Dramas „Die Räuber“. Ein lebhaftes Bild dieser Zeit, bietet dieses packende Buch nicht nur Wissen und Informationen, sondern man taucht als Leser begeistert in die Seiten und die Zeit, liest mit Vergnügen und Spannung und wird sich vielleicht, wie ich, sich anschließend wieder Zeit für Schillers Dramen, Gedichte und Schriften nehmen.

ATME! – Judith Merchant

AutorJudith Merchant
Verlag KiWi-Paperback
Erscheinungsdatum 22. August 2019
FormatBroschiert
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462052237

„Ben ist weg. Er geht nicht an sein Handy. Er hat mich nicht benachrichtigt.“ (Zitat Seite 54)

Inhalt

Nile probiert in der Umkleidekabine ein Kleid für ihre Hochzeit mit Ben, ihrer großen Liebe. Noch ist Ben mit Florence verheiratet, doch der Scheidungstermin steht fest, in zwei Wochen ist es endlich so weit. Als Nile glücklich aus der Kabine kommt, um ihm das Kleid zu zeigen, ist er verschwunden. Sie macht sich große Sorgen, doch auch seine Freunde nehmen sie nicht ernst. Sie muss sich an Flo wenden, da nur diese als Noch-Ehefrau eine offizielle Vermisstenanzeige machen kann. Diese zögert zuerst, doch ist dann bereit, ihr zu helfen. Wo ist Ben, was ist passiert?

Thema und Genre

In diesem packenen psychologischen Thriller geht es um Beziehungen, Vertrauen, Eifersucht und Ängste.

Charaktere

Bens Freunde halten Nile für eine sehr besitzergreifende Frau, die Ben zu wenig Freiraum für seinen Freundeskreis lässt. Daher ist Nile mit ihrer großen Angst um Ben allein, ihr Misstrauen macht die Situaton noch schwieriger. Flo will Nile helfen, obwohl diese ihre langjährige Ehe mit Ben zerstört hat.

Handlung und Schreibstil

Im Mittelpunkt der Handlung steht Nile, sie erzählt in der Ich-Form von Bens Verschwinden und der Suche nach ihm. Daher fühlt der Leser ihre Ängste, Gedanken, ihre Verdachtsmomente und in ihren Erinnerungen auch die Geschichte ihrer Beziehung mit Ben. Auch wenn man im Lauf der Ereignisse manche Zusammenhänge vermutet, überrascht die Handlung immer wieder mit neuen, unverhersehbaren Wendungen und bleibt bis zum Schluss sehr spannend. Die Sprache beschreibt die unterschiedlichen Gefühle von Nile sehr gekonnt und macht das Buch zu einem Page-turner.

Fazit

Ein spannender, beklemmender psychologischer Thriller mit einer komplexen, realistischen Handlung und überraschenden Wendungen.

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