„Der Maronibrater war ein Bild aus dem Märchenbuch der Großstadt. Zwei Kastanien kosteten einen Kreuzer. Das war ein so unverrückbarer Preis wie etwa der der Semmel.“ (Zitat Seite 53, aus: Der Maronibrater, von Alfred Polgar)
Inhalt und Thema
Dieser Sammelband enthält zweiunddreißig Geschichten, die an eine Winterzeit, wie es früher war, erinnern. Das Buch ist in vier Abschnitte eingeteilt: Wundertage, Winterfreuden, Weihnachtszauber, Winterende
Gestaltung
Robert Walser eröffnet den Geschichtenbogen mit seiner Erzählung „Schnee“ und am Ende dieser Sammlung steht seine Geschichte „Winter“. Dazwischen finden wir alle bekannten deutschsprachigen Autoren und Autorinnen, von Thomas Bernhard über Max Frisch, Hermann Hesse, Peter Rosegger, Peter Handke, Elke Heidenreich, bis zu Robert Walser. Eine englische Autorin ist in dieser Sammlung auch vertreten, Katherine May.
Fazit
Es sind beschauliche Geschichten zum Wohlfühlen, Kindheitserinnerungen, die in eigene Erlebnisse zurückführen oder Geschichten, wir man früher schon gelesen hat, aber gerne wieder liest.
„Einen Wind, der sich in Stundenkilometern messen lässt, kann ich analysieren und bis zu einem gewissen Punkt verstehen, im Gegensatz zu Gefühlen, die sich jeglicher objektiver Messbarkeit entziehen.“ (Zitat Seite 14)
Inhalt
Seit vier Jahren schreibt die Naturwissenschaftlerin an ihrer Doktorarbeit, mit dieser Studie vor Ort über die Auswirkungen des Klimas auf die Wanderung der Seevögel und auf die Vogelbestände wird sie dann abgeschlossen sein. Anfang Januar kommt sie auf diese abgelegene Halbinsel zwischen den Fjorden in Nord-Norwegen, der nächste Ort ist etwa einhundert Kilometer entfernt, im Winter nur auf dem Seeweg zu erreichen. Hier gibt es nur mehr eine einzige Hütte, in die sie einzieht. Es war geplant, dass ihr Geliebter Jo bald nachkommt und mit ihr hier die Zeit bis zum Mai verbringt, wenn die Seevögel zum Brüten in Scharen auf diese Insel kommen. Doch Jos Ankunft verzögert sich und sie ist in dieser winterlichen Einsamkeit der Natur völlig auf sich gestellt, allein – ist sie wirklich allein?
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um Beziehungen, Familie, Gefühle, Erinnerungen, aber auch um das Leben in der kargen Einsamkeit des Nordens, die Schönheit der Natur, aber auch die Kraft der Elemente während der kalten, dunklen Wintermonate.
Charaktere
Die Wissenschaftlerin ist noch immer dabei, die teilweise bedrückende Ehe mit dem Vater ihrer nun dreijährigen Tochter Lina zu verarbeiten. Sie hatte damit gerechnet, dass ihr Geliebter Jo rasch nachkommen und sie die Einsamkeit der Hütte mit ihm teilen würde, denn mit der Zeit, die vergeht, macht ihr die Einsamkeit, immer nur von ihren eigenen Gedanken umgeben, zu schaffen. Die stete Veränderung zwischen der Euphorie der Ankunft und den Tagen im Februar wird durch die präzise, dichte Sprache intensiv spürbar. „Der Anblick ist überwältigend. Hier sind wir. Ich und die Elemente der Welt. Vereint.“ (Zitat Seite 15). „Die Frage scheint zu sein: Was ist es, das ich nicht sehe?“ (Zitat Seite 159)
Handlung und Schreibstil
Die Wissenschaftlerin schildert die Ereignisse als Ich-Erzählerin und teilt auch ihre Gedanken, Erinnerungen und Gefühle mit uns Lesenden. Die aktuelle Handlung umfasst einen Zeitrahmen von sieben Wochen, wird unterbrochen von einer zweiten Geschichte, die im Jahr 1870 spielt. Es ist die Geschichte einer Familie, die im 19. Jahrhundert hier an diesem Ort gelebt hat. Die Sprache verbindet die knappen, sachlichen Feststellungen der täglichen meteorologischen Daten mit den einprägsamen, großartigen Schilderungen von Landschaft und Natur. Sehr spannend ist die Gedankenwelt der Ich-Erzählerin beschrieben, rätselhaft zwischen Realität und Einbildung.
Fazit
Eine packende, beklemmende Geschichte, eindrücklich und großartig in einer unglaublichen Dichte auf verhältnismäßig wenigen Seiten erzählt.
„Vielleicht bin ich ihm als Frau zu einfach, zu sehr Galway, zu wenig Bildung, zu arm. Vielleicht stehe ich ihm im Weg und er will jetzt seine Freiheit, vielleicht schreibt er mir deshalb Dinge, damit ich mich gräme und weine, allein in unserem Bett.“ (Zitat Seite 189)
Inhalt
Die Irin Nora Barnacle arbeitet als Zimmermädchen in einem Hotel in Dublin. Sie ist zwanzig Jahre alt, als sie 1904 James Joyce kennenlernt. Gemeinsam verlassen sie heimlich Irland und leben in wilder Ehe zusammen. Ihr Weg führt sie nach Zürich, Triest, Paris. Beide können nicht mit Geld umgehen und so leben sie viele Jahre mit ihren zwei Kindern auf engstem Raum und in großer Armut, unterstützt von seinem Bruder Stanislaus Joyce und Freunden, bevor der Erfolg seiner Bücher sie finanziell absichert. Für Nora, Vorbild der Frauenfiguren in seinen Romanen, ist der alkoholsüchtige, schwierige Künstler, ihr Jim, der Mittelpunkt ihres Lebens und sie glaubt an seinen Erfolg als Schriftsteller.
Thema und Genre
Dieser Roman mit biografischem Hintergrund schildert das Leben von Nora Joyce an der Seite des irischen Schriftstellers James Joyce als fiktive Autobiografie der Ich-Erzählerin Nora.
Charaktere
Im zeitgenössischen Freundes- und Bekanntenkreis wird Nora als sehr gewöhnliche, ungebildete Frau geschildert. Obwohl Brenda Maddox in ihrer Biografie dieses wohl einseitige Bild ändern konnte, zeigt der vorliegende Roman wieder das Bild einer Nora, die zwar die Gedichte ihres Jim liebte, doch seine Bücher nie gelesen hat, weil sie einfachste Heftromane bevorzugte. In den schwierigen Zeiten vor seinem Erfolg bleibt sie nur bei ihm, weil sie befürchtet, alleine nicht für ihre beiden Kinder sorgen zu können. Die Gutmütigkeit von Stanislaus, James‘ Bruder, nützt sie aus, immer wieder bittet sie ihn mit Selbstverständlichkeit um Geld. So macht dieser Roman aus Nora eine nicht sehr sympathische Frau.
Handlung und Schreibstil
Nora Barnacle-Joyce schildert ihre Geschichte selbst, der Roman ist als Ich-Erzählung in Tagebuchform gestaltet. Er beginnt mit dem ersten Date mit James „Jim“ am 16. Juni 1904. Es folgt eine kurze Schilderung ihrer Kindheit bis zu diesem Tag. Die Handlung endet 1951 in Zürich. Um Nora authentisch wirken zu lassen, ist dieser Roman in einer einfachen Umganssprache geschrieben und konnte mich streckenweise nicht überzeugen und packen. Vielleicht liegt dies teilweise auch an der Übersetzung, oftmals „grunzt“ Jim, oder Nora, oder ein Freund, bevor sie bzw. er etwas sagen und hier hätte es, wie so oft in der englischen Sprache, mehrere Übersetzungsmöglichkeiten geben. Während der Bahnfahrt nach Zürich: „Jim grunzt. ‚Bald geht’s durch den Arlbergtunnel, Nora.‘“ (Zitat Seite 260)
Fazit
Ein Roman in autobiografischer Form, dessen deutscher Untertitel „und die Liebe zu den Büchern“, der im englischen Original fehlt, dazu führte, dass ich eine etwas andere Schilderung des Lebens von Nora Joyce erwartet hatte. Hier wird zwar auch erzählt, wie James Jocye an seinen Romanen schreibt, aber generell geht es nicht um Literatur, sondern um Noras Alltag, ihre Befindlichkeiten, ihre Suche nach Freundinnen in fremden Städten, ihre sexuellen Phantasien. Dennoch ist es eine interessante Frauengeschichte über das Leben an der Seite eines schwierigen Künstlers, die sicher begeisterte Leserinnen finden wird.
„Die neue Frau hatte einen Beruf und war finanziell von niemandem abhängig. Sie hatte aber nicht irgendeinen Beruf; es musste etwas Freies und Kühnes sein, wie Künstlerin, Schauspielerin oder Journalistin.“ (Zitat Seite 20)
Inhalt
Im Jahr 1923 feiert Göteborg das Dreihundert-Jahre-Jubiläum.
Die junge Ellen Grönblad erhält eine der begehrten Stellen als Voluntärin für
die Ausstellungszeitung ‚Krone und Löwe‘ und wird täglich berichten.
Nils Gunnarsson ist Kriminalpolizist und einem
Wirtschaftsbetrüger auf der Spur.
Albert Einstein wird in Göteborg seine Nobelpreisrede halten, doch er war schon in Berlin bedroht worden. Seine Relativitätstheorie und der damit verbundene internationale Erfolg, dazu dieTatsache, dass er Jude ist, machen ihn zum Feindbild der gefährlichen nationalen Kreise in Deutschland. Dann verschwindet plötzlich sein Kalender mit allen Terminen von seinem Schreibtisch. Den Vortrag muss er halten, doch er ändert seine Reisepläne, ein Ereignis, an das sich Otto auch im Jahr 2002 noch erinnern wird, der damals als Junge mit seiner Eselin Bella auf der Ausstellung für die Unterhaltung der Kinder sorgte.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um die Jubiläumsausstellung 1923 in Göteborg, eine Episode in Einsteins Leben. Thema sind die gesellschaftlichen Umbrüche und die Anfänge eines neuen, modernen Frauenbildes. Das Buch ist ein zeitgeschichtliches Stimmungsbild der Gesellschaft Göteborgs in den Zwanziger Jahren.
Charaktere
Vier Hauptcharaktere stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Ellen, die angehende Journalistin, deren Ziel es ist, eine „Neue Frau“ zu werden, die es tatsächlich aber bereits ist. Nils, der sympathische Kriminalpolizist, der beharrlich alle Spuren verfolgt und auch zuhört. Otto, der aufgeweckte Eseljunge, dessen späteres Leben durch die Eindrücke dieser Ausstellungsmonate nachdrücklich geprägt wird und Albert, nun, Einstein ist Einstein, eigenwillig, aber immer menschlich, einfühlsam.
Handlung und Schreibstil
Die Ereignisse werden aus Sicht der einzelnen Protagonisten
fortlaufend geschildert. Otto erinnert sich 2002 in der Ich-Form an die
damalige Zeit zurück, während in der personalen Erzählform der weiteren Kapitel
jeweils Ellen, Nils oder Albert im Mittelpunkt stehen. Die Kapitel wechseln
einander ab und fügen sich, zusammwn mit ergänzenden Rückblenden, zu einem
lebendigen Gesamtbild.
Der erzählende Schreibstil überzeugt auch sprachlich. Die Autorin vereint Beschreibungen, Gefühl und Humor zu einer unterhaltsamen, packenden Mischung.
Fazit
Auch wenn die Figuren und die Handlung, abgesehen von Albert Einstein und seine Gegnern, fiktiv sind, ist der interessante Rahmen der Geschichte real und genau recherchiert. So entsteht ein lebhaft-buntes Stimmungsbild Göteborgs während dieser internationalen Ausstellung 1923.
„Sie wussten, dass das Leben chaotisch ist, aber hierauf waren sie nicht vorbereitet gewesen.“ (Zitat Seite 176)
Inhalt
IJames Wentworth, ein ehemaliger Universitätsprofessor für Teilchenphysik, ist über achtzig Jahre alt. Nach dem Tod seiner Frau, mit der er vierundsechzig Jahre lang verheiratet war, hat er sich völlig zurückgezogen und ist nach einem Sturz auf Hilfe angewiesen. Bisher waren die Haushaltshilfen, die seine Kinder Phoebe und Robert engagiert hatten, nur kurz geblieben, doch dann kam Mandy, fröhlich und bodenständig. Schon nach einer Woche schien es, als sei sie schon immer hier gewesen. Sie unternimmt mit James Ausflüge, besucht Shopping-Center und teilt mit ihm den Kleinstadtklatsch. Er lebt auf und obwohl Phoebe und Robert sehr dankbar sind, dass sie die vorlaute, selbstbewusste Mandy gefunden haben, so bleibt doch ein gewisses Misstrauen dieser Pflegerin gegenüber. Was hat sie im Schreibtisch ihres Vaters gesucht?
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um die Familie, um die komplexen, nicht immer einfachen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, um das Leben in einer Kleinstadt und natürlich um das Älterwerden.
Charaktere
Robert, verheiratet, zwei Kinder, ist zweiundsechzig Jahre alt und war früher im Finanzbereich erfolgreich tätig. Seit er den Job verloren hat, schreibt er als Privatier an einem Buch. Phoebe ist Single und Künstlerin. Die finanziell abgesicherte Kindheit der beiden war davon geprägt, dass ihr Vater als erfolgreicher Wissenschaftler oft unterwegs war und selten zu Hause. Dies schwingt auch heute noch in ihrer Beziehung zu ihrem Vater mit. Mandy dagegen wuchs behütet auf, aber unter völlig anderen wirtschaftlichen Bedingungen. Von unvorteilhaftem Aussehen, etwas unbedarft und schrill im Geschmack, dazu ehrlich bis zur Taktlosigkeit, ist sie das genaue Gegenteil der Mitglieder der Familie Wentworth.
Handlung und Schreibstil
Das Buch ist in drei übergeordnete Teile geteilt und in der personalen Erzählform geschrieben. Teil Eins, der längste Teil, stellt abwechselnd Phoebe und Robert in den Mittelpunkt der einzelnen Kapitel. Teil Zwei spielt in der Vergangenheit, jedoch nicht in Form von Erinnerungen. Hier stehen James und der Personenkreis aus der damaligen Zeit im Mittelpunkt, während Teil Drei ein Jahr nach den Ereignissen von Teil Eins spielt und wieder aus Sicht von Phoebe oder Robert geschrieben ist. Alle Kapitel tragen den jeweiligen Namen als Überschrift, dadurch ist die Handlung sehr klar und gut lesbar strukturiert. Auch die Sprache, in diesem Fall die übersetzte Sprache, ist angenehm und flüssig zu lesen passt zu dieser Mischung aus ernsten und humorvollen Szenen in der Geschichte.
Fazit
Ein Roman über das Älterwerden und das sensible und doch komplexe Gefüge, das wir Familie nennen, um unterschiedliche Sichtweisen der Realität und um damit verbundene Geheimnisse. Auf Grund des Klappentextes hatte ich eher eine Geschichte über eine geerdete, eigenwillige Pflegerin und einen alten, eigenbrötlerischen Professor erwartet, doch das macht nur einen kleinen Teil dieses Romans aus.
„Alles kam ihr seltsam vertraut vor. Gleichzeitig schien es ihr, als wäre sie hundert Jahre in der Zeit zurückgereist.“ (Zitat Seite 28)
Inhalt
Mehr als fünfundzwanzig Jahre lang hat Sara das Riverside Bookshop geführt, nach ihrem Tod erbt es ihre Nichte Charlotte. Doch Charlotte, nach nur wenigen glücklichen Ehejahren plötzlich eine junge Witwe, hat in Schweden ihr eigenes Kosmetik-Unternehmen erfolgreich aufgebaut und so fliegt sie nur nach London, um das Haus samt Buchhandlung so rasch wie möglich zu verkaufen. Diese gemütliche alte Buchhandlung, die beiden engagierten Mitarbeiterinnen und der eigenwillige Kater Tennyson üben sofort eine besondere Anziehungskraft auf Charlotte aus. Auch der verstorbenen Tante Sara fühlt sie sich in dieser Umgebung eigenartig verbunden, obwohl sie diese nie kennengelernt hat, weil ihre Mutter nie über ihre Schwester gesprochen hat. Wird es ihr gelingen, die stark verschuldete Buchhandlung zu retten und vor allem, will sie es überhaupt versuchen?
Thema und Genre
In diesem Wohlfühlroman geht es um eine kleine Buchhandlung in London, um Verlust, Freundschaft, Vertrauen, Familie, ein Familiengeheimnis und Chancen auf einen Neubeginn. Natürlich ist auch die Liebe in unterschiedlichen Facetten ein Thema, und vor allem Literatur und Bücher.
Charaktere
Charlotte Rydberg ist jung, kinderlos und hat den plötzlichen Unfalltod ihres Ehemannes Alex vor einem Jahr noch nicht verarbeitet. Sie ist eine engagierte, erfolgreiche Geschäftsfrau. Dennoch agiert sie immer wieder zögerlich und hält wichtige Fakten vor ihren Angestellten geheim, was wiederum zu Missverständnissen führt. Ihre Selbstzweifel bringen Spannung in die Geschichte, passen aber nicht ganz ins Bild der cleveren Unternehmerin. Sam und Martinique, das Team der Buchhandlung, sind sehr sympathische, in ihrer eigenwilligen Art stimmige Charaktere.
Handlung und Schreibstil
Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt. Die aktuelle
Handlung spielt in der Jetztzeit in London und betrifft die Situation der
Buchhandlung, als Charlotte diese erbt. Sie beginnt Ende August und endet
Anfang November. Der zweite Teil betrifft die Charlotte unbekannte Vergangenheit
und beschreibt die Jugendjahre von Sara und Kristina, Charlottes Mutter. Beide
Handlungsstränge werden abwechselnd in kurzen Kapiteln erzählt, durch
Zeitangaben als Kapitelüberschrift ist die Zuordnung einfach.
Der Schreibstil ist dem Genre angepasst, angenehm zu lesen und mischt gekonnt Spannung und interessante Beschreibungen.
Fazit
Ein Wohlfühlroman für entspannte, vergnügte Lesestunden zum Träumen und Abschalten. London als Ort der Handlung ist detailliert und lebendig beschrieben und das Riverside Bookshop möchte man beim Lesen sofort besuchen. Sicher auch ein willkommenes Geschenk für Leserinnen, die gerne Romane über Bücher, Literatur und Buchhandlungen lesen.
„Ich habe beschlossen, dass in meinem Leben noch etwas Frühling zu sein hat.“ (Zitat Seite 19)
Inhalt
Über ein Jahr lang schrieb Mechthild Grossmann, 79 Jahre alt, gemeinsam mit ihrer Enkelin die „Oma-Kolumne“ in der Süddeutschen Zeitung. Hier sind die Artikel nun in Buchform zu lesen.
Thema und Genre
Es sind kurze Artikel, Essays, über den Alltag im Leben eines älteren Menschen. Mechthild Grossmann macht sich über viele Themen Gedanken, sie erzählt von den angenehmen Seiten des Alters, das ungezwungene Leben in einem nur mehr mit freiwilligen Terminen gefüllten Alltag. Es geht um Familie und Liebe, natürlich sind auch Krankheit, Tod und Abschiede ein Thema. Manche Buchhandlungen führen dieses Buch als Selbsthilfebuch, Lebenshilfebuch, für mich ist es eine Sammlung von Alltagsgeschichten und Gedanken über das Leben in seinen vielen Facetten.
Umsetzung
Mechthild Grossmann lebte ihr Leben als Hausfrau, Mutter, Großmutter, ohne je berufstätig zu sein. In der Kolumne, die sie mit ihrer Enkelin, einer ausgebildeten Journalistin, für die SZ geschrieben hat, setzt sie sich gedanklich und rückblickend mit vielen Stationen ihres Lebens auseinander, lebt die schönen Erinnerungen. Gleichzeitig beschreibt sie ihren aktuellen Alltag als Frau von beinahe achtzig Jahren, die gelernt hat, das Leben zu genießen.
Es geht ihr darum, ihre Erinnerungen zu teilen, um junge
Menschen, die selbst Enkel und Enkelinnen sind, anzuregen, mehr mit den eigenen
Großeltern zu reden, die Gemeinsamkeiten neu zu entdecken. Ihr Buch soll auch
zeigen, dass das Leben in jedem Lebensalter lebenswert ist.
Es sind kurze Artikel, sprachlich eben Kolumnen, einfach und
leicht zu lesen. Man hat sich offensichtlich entschieden, für das Buch keine Überarbeitungen
in Sinne von Übergängen durchzuführen, sodass zum Beispiel alle Abschnitte über
die Alzheimer-Krankheit des Ehemannes mit den selben einleitenden Erklärungen
beginnen, was für Zeitungsleser, die vielleicht diese Kolumne nicht immer
gelesen haben, wichtig ist, im Buch aber zu einer Betonung des Themas
Krankheiten führt, obwohl in einem anderen Artikel die Autorin gerade eben
nicht immer nur über Krankheiten reden will. Es dennoch tut, ausführlich über
ihre Hüftoperation berichtet.
Wunderbar ist die erste Geschichte im Buch, in der es um
einen roten Mantel geht und die Geschichten rund um Weihnachten. Andere dagegen
lesen sich für mich eher belehrend, als humorvoll, wie vom Verlag im
Klappentext beschieben.
Fazit
Dieses Buch ist eine gebundene Ausgabe von Zeitungskolumnen zu vielen unterschiedlichen Themen des Lebens, mit dem Schwerpunkt Älterwerden. Die Autorin genießt ihr freies Leben als Seniorin und lässt uns Leser daran teilhaben. Ich wollte es auf Grund der Leseprobe, das erste Kapitel im Buch, lesen, denn diese Geschichte rund um einen roten Mantel hat mir sehr gut gefallen, zum bejahend Nicken und Schmunzeln gebracht. Leider reichen die meisten nachfolgenden Kapitel nicht an diese wunderbare erste Geschichte heran.
„Die Blechdose blieb Johanne die Antwort schuldig, so wie Luzie sie ihr schuldig geblieben war.“ (Zitat Seite 247)
Inhalt
Als Luzie Mazur stirbt, ist sie beinahe hundert Jahre alt. Doch für Johanne, ihre Enkelin, ist es dennoch zu früh, denn viele offene Fragen, die Geschichte der Mazur-Frauen betreffend, bleiben unbeantwortet. Johannes Großvater Jurek Mazur, der Vater von Johannes Mutter Thea und deren Schwester Helene, war im zweiten Weltkrieg als polnischer Zwangsarbeiter ins deutsche Dorf gekommen und diese Liebe war ein Verstoß gegen die strengen Rassengesetze und damit lebensgefährlich. Nach dem Krieg können sie endlich heiraten, doch im Dorf bleiben sie Außenseiter. Jurek arbeitet in der Kaserne für die Engländer, das Wochenende verbringt er mit seiner Familie. Bis er eines Tages nicht mehr kommt. Luzie schweigt und spricht nie mehr über ihn. Auch in den zu Lebzeiten streng gehüteten Unterlagen ihrer Großmutter findet Johanne weniger Hinweise, als erhofft, doch sie gibt die Suche nicht auf.
Thema und Genre
Dieser Generationenroman mit zeitgeschichtlichem Hintergrund basiert auf wahren Begebenheiten aus der Familie der Autorin. Im Mittelpunkt stehen die Frauen, vier Generationen von starken Frauen, es geht um Liebe, Mut, Familiengeheimnisse, unerfüllte Träume und schwierige Mutter-Tochter-Beziehungen. Ein wichtiges Thema ist auch das belastende, starre Schweigen einer ganzen Generation.
Charaktere
Luzie ist die Matriarchin der Familie. Gewohnt, hart zu arbeiten, sichert sie damit das Überleben ihrer Familie. Für ihre Töchter bleibt da kaum Zeit. Das Leben hat sie ernst und schweigsam gemacht. Die vielen unbeantworteten Fragen belasten vor allem auch Thea und Johanne, wobei Johanne nicht aufhört, nach Antworten zu suchen.
Handlung und Schreibstil
Es sind zwei Geschichten, die abwechselnd erzählt werden, die von Luzie und Jurek und die der Familie nach Luzies Tod. Erinnerungen der einzelnen Familienmitglieder ergänzen die Hintergründe. Die Trennung in Kapitel vereinfacht den Überblick. Sehr spannend sind die Schilderungen aus den Kriegsjahren. Der flüssig zu lesende Schreibstil legt auch die Gefühle der einzelnen Charaktere offen und erzählt eine lebendige, nachvollziehbare Geschichte von Konflikten und Entscheidungen, die sich aus den Ereignissen ergeben, unvermeidbar sind und dennoch tiefe Auswirkungen haben.
Fazit
Ein spannender Generationenroman, getragen von starken Frauen und eine von Schweigen und unbeantworteten Fragen geprägte Familiengeschichte. Ein Buch, das noch lange nachklingt.
Ein Klassiker, jetzt neu bei Insel Verlag – Penelope Fitzgerald mit einem Liebesroman über Novalis, auf dieses Buch freue ich mich und habe es sofort auf meine Merkliste gesetzt
Erschienen: 15.07.2019 insel taschenbuch 4718, Taschenbuch, 250 Seiten ISBN: 978-3-458-36418-4
Inhalt
»Was ich gesucht, habe ich gefunden, / Was ich fand, das fand auch mich. «
Friedrich von Hardenberg, besser bekannt als Novalis, ist 22, als er
Sophie von Kühn erstmals trifft – eine Viertelstunde, die über sein
Leben entschieden hat, wie er später seinem Bruder gestehen wird. Hals
über Kopf hat er sich verliebt und verlobt sich schon bald mit
»Söphgen«.
Für den romantischen Dichter ist die viel Jüngere seine blaue Blume,
die Verkörperung seiner Poesie und all seiner Sehnsucht. Doch das Glück
steht unter keinem guten Stern: Sophie erkrankt an Tuberkulose …
Penelope Fitzgerald erzählt die dramatische Liebesgeschichte des
Paares, dessen Schicksal bis heute berührt, und sie zeigt Novalis in
einem neuen Licht.
„Schien so, als täte Annett Neumann genau das. Dem Sturm des Lebens trotzen.“ (Zitat Seite 181).
Inhalt
Annett Neumann lebt in Berlin. Sie hat Jura studiert, arbeitet jedoch als freiberufliche Mediatorin. Sie hat eine Beziehung mit dem Anwalt Ingo. Als dieser ein Angebot einer bekannten Kanzlei in den USA annimmt, ohne mit ihr vorher darüber zu reden, trennt sie sich von ihm. An genau diesem Tag erfährt sie, dass ihre geliebte Großmutter Jetta plötzlich gestorben ist, die seit vielen Jahren ein kleines Hotel in den Cotswolds führt, in der malerischen Stadt Stow-on-the-Wold. Zu ihrer Überraschung erbt Annett dieses Hotel und steht nun vor einigen sehr wichtigen Entscheidungen.
Thema und Genre
Dieser Frauen- und Wohlfühlroman spielt in einer der romantischsten, schönsten Gegenden Englands, in den Cotswolds. Sehr einprägsam und authentisch sind die Beschreibungen der kleinen Marktstadt Stow-on-the-Wold und der typischen englischen Lebensart. Thema dieses Romans sind Familienbeziehungen, Verantwortung, aber auch die deutschen Kriegsjahre um 1942 mit den vertuschten Zwangsadoptionen und die Nachkriegszeit. Natürlich geht es auch um die Liebe.
Charaktere
Das Team des kleinen Hotels ist mit viel Humor beschrieben und die Figuren sind lebensnah und gut vorstellbar. Die Hauptprotagonistin Annett ist herzlich und agiert mit dem Einfühlungsvermögen, das zu ihrem Beruf als Mediatorin passt. Sehr gut gefallen hat mir, dass sie eine Frau ist, die das Gespräch sucht und die Dinge offen anspricht, statt immer nur zu zögern und seitenlang im Kreis zu denken, wie es oft bei Protagonistinnen in Büchern dieses Genre der Fall ist. Auch der Gartenarchitekt Edward wirkt auf den Leser sehr sympathisch, er ist kreativ und nimmt sein Leben in die Hand, agiert, statt nur zu reagieren.
Handlung und Schreibstil
Die Handlung ist stimmig und entwickelt sich zügig und ohne Längen. Dass ein Roman in diesem Genre insgesamt zu einem positiven Ende führt, ist keine Überraschung und wird vom Leser auch erhofft. Die überraschende Wendung in Bezug auf Edward und Beth ist für mich jedoch too much, von der Vorgeschichte her überhaupt nicht logisch und auch nicht stimmig. Bis zum diesem Punkt hatte mich die Geschichte wirklich überzeugt.
Fazit
Ein sehr gut recherchierter, romantischer Wohlfühlroman mit Humor, der den Leser direkt ins Herz England führt und die Natur und Charme der Cotswolds perfekt beschreibt. Eine unterhaltsame Lektüre für entspannte Lesestunden, am besten gemütlich irgendwo im Grünen oder am Strand.
„Du kennst das Spiel. Es ist oft nicht das, wonach es aussieht“. Im Grunde würde dieses Zitat genügen, um den Inhalt des Romans zu beschreiben.
Inhalt
Die Geschichte spielt 1936 in Spanien und der Bürgerkrieg zwischen der linken Volksfront und den politisch rechts orientierten Falangisten und Nationalisten ist in vollem Gang. Der weltgewandte, effizient agierende Spion Lorenzo Falcó erhält einen höchst brisanten Geheimauftrag: ein politisch hochrangiger Gefangener, eine bekannte Persönlichkeit, soll aus der Festung Alicante befreit werden.
Diesmal erhält Falcó, der es gewohnt ist, alleine zu
arbeiten, ein kleines, aber effizientes Team zugeteilt. Zu diesem Team gehören
auch zwei junge Frauen, Caridad Montero
und Eva Rengel. Falcó leitet die Mission, doch auch er erhält seine Weisungen
und alle Einzelheiten in diesem Falle in mehreren Etappen. Um diesen Einsatz
erfolgreich durchführen zu können, müssen die Mitglieder des Teams, die kaum
etwas voneinander wissen, einander zu 100 Prozent vertrauen und sich auf jeden
einzelnen verlassen können, das ist in diesen Tagen überlebensnotwendig.
Werden sie den Auftrag erfolgreich durchführen können, trotz
der unterschiedlichen Interessen aller Grupperungen, die die Fäden in diesem riskanten
Spiel ziehen?
Thema und Genre
Bei „Der Preis, den man zahlt“ handelt es sich um einen Roman, wobei der zeitgeschichtliche Hintergrund, der Bürgerkrieg in Spanien, real ist und aus der politischen Situation von Anschlägen, Verhaftungen der übergeordnet mit „national-rechts“ und „sozialistisch-links“ zuzuordnenden einzelnen Gruppierungen ergibt sich die Mission von Lorenzo Falcó und der ihn umgebenden Protagonisten. Auch international wurde dieser Schauplatz intensiv beobachtet und besonders Deutschland und Italien mischten hier kräftig mit.
Charaktere
„Ich sympathisiere mit mit verschiedenen Anliegen.“ (Lorenzo Falcó) „Wenn ich das hier richtig verstehe, vor allem mit dem eigenen.“ (sein Mentor). In Zeiten wie diesen war man nur als Wolf sicher (Falcó).
Diese Aussagen charakterisieren den Hauptakteur Lorenzo Falcó.
Ein mutiger, versierter Einzelkämpfer, Frauenheld der Eroberung willen, keine
Skrupel. Zugeben, kein Romanheld, mit dem man sich zu 100% identifizieren kann,
doch darum scheint es dem Autor auch gar nicht zu gehen, sondern er will die
Geschichte erzählen und darin von Menschen, die nicht in „gut“ und „böse“
einzuteilen sind und im Spiel Politik und Spionage nur handelnde Figuren
bleiben.
Handlung und Schreibstil
Die Handlung dieses Romans steht im stimmigen Kontext mit dem Umfeld und die Entwicklung der Handlung und der überraschenden Wendungen ist nachvollziehbar. Auch Leser, die selten Spionageromane lesen, werden sich rasch in die Welt der völlig unterschiedlichen Motive und politischen Richtungen der handelnden Personen, Auftraggeber und im Hintergrund bleibenden Persönlichkeiten eingelesen haben und die bis zur letzten Seite spannende Geschichte nicht aus der Hand legen wollen.
Das Buchcover nimmt Bezug auf Züge, die mehrmals eine Rolle
spielen, dazu der Rauch der Lokomotive, der viele Dinge im nebeligen
Unbekannten lässt, dazu eine einsame Frauengestalt, stellvertretend auch für
die persönliche Einsamkeit in gefährlichen Einsätzen wie diesem.
Fazit
Man kennt Arturo Pérez-Reverte aus seinen früheren Werken als sprachlich gewandten Erzähler, der auch das Umfeld seiner Geschichten in Bilder fasst, jedoch immer nur so weit, dass es nicht in überbordende Schilderungen abgleitet, was der Handlung die Spannung nehmen würde. Ein Buch für alle Leser, die sich neben einer guten aufgebauten, spannenden Geschichte auch eine genussvoll zu lesende Sprache wünschen.
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