Im Ruin – Barbara Kadletz

AutorBarbara Kadletz
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 22. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650486

„Man kann auch an einem guten Ort auf einer Irrfahrt sein. Man irrt dabei halt nicht durch die Welt, sondern dreht sich immer auf der Stelle, permanent im Kreis herum.“ (Zitat Seite 73, 74)

Inhalt

Als David und Katharina das kleine Lokal im zehnten Wiener Gemeindebezirk von den alten Vorbesitzern übernehmen, liegt ihr Leben noch vor ihnen, denken sie. Jetzt ist David tot und Katharina. erst dreinundreißig Jahre alt, ist damit beschäftigt, das Leben im Andenken an ihn und die gemeinsame Vergangenheit weiterzuführen, sie funktioniert (meistens), und an weniger guten Tagen verlässt sie sich auf ihre Mitarbeiterin und beste Freundin Sabina. Ari ist auf der Flucht aus seinem Leben und landet durch Zufall in Wien. Schlaflos, erstaunt und verwirrt streift er durch Favoriten, diesen besonderen Bezirk, gleichsam eine Insel in der Großstadt, und entdeckt plötzlich diese kleine Bar „Ruin“ im Erdgeschoss eines ungewöhnlichen Hauses. Bekannt für den hervorragenden Kaffee, bietet das „Ruin“ seinen Gästen Frühstück ab siebzehn Uhr und dazu Getränke bis spät in die Nacht hinein. Es ist neunzehn Uhr, ein besonders gemütlicher Tisch in einer Nische ist frei und Ari hat Lust auf Frühstück, von nun an täglich, immer pünktlich um neunzehn Uhr.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Veränderungen, die Suche nach einem neuen oder alten Platz im eigenen Leben, um Trauer, Verlust, Freundschaft und um Wien und ein typisches Grätzellokal, das für die unterschiedlichsten Menschen so etwas wie Geborgenheit und Heimat bedeutet.

Charaktere

Die Figuren dieser Geschichte sind moderne Großstadtmenschen. Einfühlsam und humorvoll lässt die Autorin sie auch unkonventionelle Wege gehen, während sie realistisch die Probleme und Konflikte schildert. Gerade weil sie bisher nicht Teil eines gemeinsamen Lebens waren, können Katharina und Ari einander unvoreingenommen begegnen und auch dort interessierte und kritische Fragen stellen, wo andere aus Rücksicht und Sorge dies nicht tun.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in Wien, genau gesagt, im zehnten Wiener Gemeindebezirk, und der Zeitrahmen umfasst weniger als ein Jahr, vom Spätsommer bis zum nächsten Frühling. Rückblenden in Form von Katharinas Erinnerungen ergänzen die aktuelle Handlung, in der auch immer die entsprechende Musik mitklingt. Die Sprache der Autorin ist modern, manchmal kantig, grantig, aber immer auch charmant, Eigenschaften, mit denen man auch Wien und das Wienerische beschreiben könnte. „Easy“, wie Katharina zu sagen pflegt.

Fazit

„Romantischer Dadaismus“, diesen Begriff erfinden Katharina und Ari in einem Dialog in Bezug auf ihre unterschiedlichen Strategien, wieder in das eigenen Leben zu finden, und besser kann man diese kluge, poetische Geschichte nicht beschreiben.

Das verlassene Haus: Der dritte Fall für Gamache – Louise Penny

AutorLouise Penny
Verlag Kampa Verlag
Erscheinungsdatum 29. Januar 2020
FormatKindle
Seiten520 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ÜbersetzungAndrea Stumpf
Gabriele Werbeck
ASINB082D3CP8Z

„Wir laden die Weisheit der Welt in unseren geweihten Kreis an, um uns zu schützen und zu führen und über unser Werk in dieser Nacht zu wachen, während wir dieses Haus von allen Geistern, die es besetzt halten, befreien.“ (Zitat Seite 74)

Inhalt

Der Frühling hält Einzug in Three Pines und das Dorf bereitet sich auf das Osterfest vor. In Gabri Dubeaus Pension trifft ein Feriengast ein, Jeanne Chauvet, ein Medium. Spontan plant Gabri eine Séance in Oliviers Bistro, doch diese wird unterbrochen. Plötzlich kommt das Gespräch auf das düstere Hadley-Haus. Auf Grund der vergangenen Ereignisse sind die Dorfbewohner überzeugt, dass dieses düstere Haus böse ist. Daher findet die nächste Séance am Ostersonntagabend direkt im Hadley-Haus statt, um das Böse endgültig zu vertreiben. Kerzen, Salz, ein geweihter Sesselkreis als sicherer Ort und dann plötzlich Schritte, ein Schrei und jemand fällt vom Sessel. Armand Gamache verbringt den Ostermontag mit der Familie, als seine Frau Reine-Marie den Artikel in der Zeitung entdeckt. Im alten Hadley-Haus in Three Pines ist jemand buchstäblich zu Tode erschrocken und Armand Gamache hat einen neuen Fall voller Rätsel und Geheimnisse.

Thema und Genre

In diesem dritten Fall von Armand Gamache geht es um Religion und Spiritualität in unterschiedlichen Formen, aber auch um Ängste, Intrigen, um Entscheidungen und ihre gravierenden Folgen. Themen sind aber auch Freundschaft, Liebe und der Zusammenhalt einer kleinen Dorfgemeinschaft.

Charaktere

Armand Gamache muss erkennen, dass die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen. Nicht in diesem neuen Fall und nicht in seinem Team. „Alles, was er bisher als gegeben betrachtet hatte, als Tatsache, als real und unbestritten, war zusammengebrochen.“ (Zitat 97). Doch Gamache gibt nicht auf, denn die Bedrohung richtet sich nicht mehr nur gegen ihn, er muss auch die Menschen schützen, die ihm nahestehen.

Handlung und Schreibstil

Die spannende, geheimnisvolle Geschichte wird chronologisch erzählt. Lebhafte Beschreibungen von Three Pines und dem Osterfest in diesem schönen, meistens gemütlichen Dorf, ergänzen die Handlung. Mit viel Humor und sehr anschaulich geschilderte Episoden und Dialoge der liebenswerten, teilweise etwas schrulligen Dorfbewohner sorgen für zusätzlichen Spaß beim Lesen. Parallel zu den Ermittlungen halten die bedrohlichen Vorgänge innerhalb der Sûreté Gamache in Atem. Auch hier fehlen ihm noch wichtige Fakten, bis es zum entscheidenden Showdown kommt.

Fazit

Ein neuer, geheimnisvoller Fall für Chief Inspector Armand Gamache, Leiter der Mordkommission der Sûreté du Québec. Auch dieser dritte Band der Serie überzeugt durch die Vielfalt der Themen und bringt spannendes Lesevergnügen.

Tief eingeschneit: Der zweite Fall für Gamache – Louise Penny

AutorLouise Penny
Verlag Kampa Verlag
Erscheinungsdatum 1. Oktober 2019
FormatKindle Ausgabe
Seiten464 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ÜbersetzungAndrea Stumpf
Gabriele Werbeck
ASINB07VD7T97W

„Gamache wusste, dass dieses Rätsel, wie bei jedem Mord, vor langer Zeit begonnen hatte. Das hier war weder der Anfang noch das Ende.“ (Zitat Seite 91)

Inhalt

Three Pines ist ein kleines, verstecktes Dorf in den Eastern Townships, weniger als neunzig Autominuten von Montreal entfernt. Jetzt, während der Weihnachtszeit, ist alles mit einer dicken, weißen Schneedecke bedeckt. Einer der Höhepunkte der Aktivitäten der Dorfgemeinschaft während der Weihnachtstage ist das Curling-Turnier und vor allem der Moment zum Abschluss, wenn Mother das Haus räumt. Was damit gemeint ist, ist eines der vielen Rätsel, die auch Chief Inspector Armand Gamache, Leiter der Mordkommission der Sûreté du Québec, lösen will, denn genau in diesem besonderen Augenblick, als alle gebannt auf die Eisbahn schauen, passiert ein Mord.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman spielt in Kanada und ist der zweite Band aus der Serie um Chief Inspector Armand Gamache. Themen sind menschliches Verhalten, Erfahrungen und Gefühle, die Menschen prägen und Ermittlungen, die genau in diesen Konflikten die Hintergründe einer Tat suchen.

Charaktere

Es sind mit allen ihren Eigenheiten liebenswerte Figuren, die in dem verschlafenen, meistens friedlichen und gemütlichen kleinen Ort Three Pines leben. Armand Gamache fragt als Ermittler immer erst nach dem „Warum?“, später erst nach dem „Wer?“. Seine Antworten sucht er in der Vergangenheit und Gefühlen, die dort entstanden sind.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung spielt in der aktuellen Zeit, in welcher der Roman geschrieben wurde, wird chronologisch erzählt. In den Büchern dieser Autorin geht es nie nur um eine Tat und die damit verbundenen Ermittlungen. Sie führt uns gleichzeitig auch mitten in das gesellschaftliche Dorfleben und ergänzt die Geschichte mit eindrücklichen Schilderungen von Landschaft, Natur und den Menschen mit ihren persönlichen Konflikten und Entscheidungen, vor die sie gestellt wurden und werden. Sie alle entwickeln sich weiter und wir folgen ihrem Weg in jedem Buch dieser Serie. Gleichzeitig zu den laufenden Ermittlungen verläuft eine Parallelgeschichte, da Gamache in der jüngeren Vergangenheit aus persönlicher Überzeugung eine Entscheidung getroffen die, welche die Sûreté intern in zwei Lager spaltet. Der Schreibstil der Autorin ist im Original sehr elegant und mit Vergnügen zu lesen, dagegen wirkt die deutsche Übersetzung leider etwas plump. Dies mag auch daran liegen, dass die englische Sprache feiner nuanciert, unterschiedliche Ausdrücke hat, um etwas genauer auszudrücken, wo die deutsche Sprache nur einen einzigen Ausdruck kennt und für weitere Definitionen zusätzliche Nebensätze braucht, oder aber darauf verzichtet. Wer englische Bücher auch in der Originalsprache liest, sollte dies bei Louise Penny unbedingt tun.

Fazit

Ein facettenreicher, packender Kriminalroman, der auch durch die Vielfalt der Themen und  kauzige, unkonventionelle Figuren überzeugt.

Die Überlebenden – Alex Schulman

AutorAlex Schulman
Verlag dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum 20. August 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinHanna Granz
ISBN-13978-3423282932

 „Das ist der Schauplatz, so sieht es aus, ein paar kleine Gebäude auf einer Wiese, mit dem Wald dahinter und dem Wasser davor. Ein unzugänglicher Ort, heute ebenso abgeschieden wie früher.“ (Zitat Seite 10)

Inhalt

Benjamin, Pierre und Nils sind Brüder, die sich einander längst fremd geworden sind. Kurz nach dem Tod ihrer Mutter entdecken sie einen Brief, in dem ihre Mutter sich wünscht, dass sie ihre Asche in jenem See verstreuen, wo sie in einem Holzhaus die Sommer ihrer Kindheit verbracht hatten. Sie sagen das geplante Begräbnis ab und machen sich auf die Reise in jene abgelegene Gegend, zusammen mit ihren Erinnerungen an gute Tage mit ihrem Vater und an weniger gute Tage mit ihrer Mutter. „Die Reise, die sie zum Einschlagpunkt zurückbringen wird, rückwärts in ihrer Geschichte, Schritt für Schritt, um ein letztes Mal zu überleben. (Zitat Seite 298)

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses Romans steht eine zerrüttete Familie, untere Gesellschaftsschicht, drei Kinder und ihre Eltern. Es geht um Kindheitserinnerungen und die daraus resultierende Lebenssituation von Erwachsenen.

Charaktere

Es sind interessante Figuren, aber keine sympathischen. Der Vater, der sich dann mit seinen Söhnen beschäftigt, wenn er sie zu Wettkämpfen gegeneinander auffordert, die Mutter, die vor allem ihre Ruhe haben will und ihre Drinks. Die drei Brüder, die versuchen, einander Halt zu geben, besonders Benjamin und Pierre, während Nils, der älteste, sich meistens in seine eigene Welt zurückzieht.

Handlung und Schreibstil

Sehr interessant und speziell ist die Art des Autors, diese Geschichte zu erzählen. Im Mittelpunkt der aktuellen Handlung steht Benjamin, der mittlere der drei Brüder, doch auch diese Rahmenhandlung verläuft nicht chronologisch. Unterbrochen wird sie durch seine Erinnerungen, die dann anschließend ausführlich geschildert werden, nun ist die Vergangenheit aktuelle Jetztzeit, wobei sich immer wieder Abweichungen zwischen der Realität und seinen Erinnerungen ergeben. Wir erfahren ergänzende Details und die teilweise etwas andere Sichtweise seiner Brüder. Auch der klare Schreibstil ist sehr gut zu lesen. Dennoch konnte mich dieser Roman nicht überzeugen. Die interessante Art, die Geschichte dieser Familie in Fragmenten und Zeitsprüngen zu erzählen, wird aufgehoben durch fehlende Spannung und Tiefe. Die Konflikte und Problematik ergeben sich aus gefühlsmäßigen Befindlichkeiten und den damit verbundenen psychologischen Elementen. Ein überraschendes Detail gegen Ende der Geschichte erklärt zwar manches, kann aber die Ereignisse in der Vergangenheit nicht verändern.

Fazit

Eine bis zur Trostlosigkeit beklemmende Familiengeschichte, Episoden und Fragmente einer Kindheit und die Erinnerung daran.      

DAS EULENTOR – Andreas Gruber

AutorAndreas Gruber
Verlag Luzifer Verlag
Erscheinungsdatum 30. November 2021
FormatBroschiert
Seiten370
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3958356214

„Denn bis auf einen verdammt tiefen, geometrisch exakten Schacht, ein paar Gesteinsproben, unheimliche Vogelgerippe und einer Menge vager Theorien haben wir nichts zu bieten.“ (Zitat Seite 177)

Inhalt

Im August 1911 bricht der junge Wiener Arzt und Schriftsteller Dr. Alexander Berger mit einer Gruppe von insgesamt sechs Personen in die Arktis auf. Mit im Team ist auch die Isländerin Marit Ragnarsdóttir, eine Kartografin. Ihr Ziel ist die Erkundung und Kartografierung von Spitzbergen. Am 11. August starten sie mit drei Hundeschlitten die Inselumrundung, dann schlägt das Wetter um. Sie müssen die Expedition abbrechen, zuvor jedoch entdecken sie einen geheimnisvollen Schacht. Schon im Frühjahr 1912 kehren sie zurück und errichten eine richtige Station auf dem Plateau, wo sie 1911 gescheitert waren. Ihr Ziel ist nicht mehr die Kartografierung, sondern die Erforschung dieses Schachts, dessen dunkle, noch rätselhafte Tiefe sie magisch anzieht und gleichzeitig in tiefe Angst versetzt. Im November 2021 kommt die Huskytrainerin Neele Tujunen in die inzwischen moderne, groß ausgebaute Forschungsstation. Sie hat das erste Tagebuch von Alexander Berger im Nachlass ihres Großvaters gefunden und will wissen, was damals passiert ist.

Thema und Genre

Vom Verlag als Horrorthriller eingestuft, ist dieses Buch gleichzeitig auch ein spannender Abenteuerroman. Es ist eine interessante Geschichte über naturwissenschaftliche Expeditionen und Entdeckungen. Sie spielt auf der arktischen Inselgruppe Spitzbergen.

Charaktere

Der Autor nimmt sich Zeit für seine unterschiedlichen Charaktere. Sie sind glaubhaft und ihre Handlunge nachvollziehbar, dadurch sind sie nahe an uns Lesenden und man fiebert gepackt mit. Alexander Berger und Marit Ragnarsdóttir sind eher skeptisch, während sein Freund, der Abenteurer Jan Hansen, und Ing. Gottfried Prehm wie Besessene sind, sie sehen diesen Schacht als persönliche Herausforderung, sich selbst als wissenschaftliche Pioniere. Hansen ist ungeduldig und emotional, Prehm der besonnene, rationale Wissenschaftler. Neele will 2021 unbedingt herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen ihrer Familie und dieser Geschichte gibt.  

Handlung und Schreibstil

Die Handlung ist in zwölf Teile gegliedert und wird in zwei unterschiedlichen Erzählsträngen und Zeitebenen erzählt. Die erste Geschichte, in personaler Erzählform mit Neele im Mittelpunkt, findet im aktuellen Jahr 2021 statt. Sie bildet die Rahmenhandlung für die zweite Geschichte, die Erlebnisse von Alexander Berger ab 1911, erzählt als Aufzeichnungen in der ersten Person. Die Ereignisse werden jeweils chronologisch geschildert und beide Zeitebenen wechseln einander ab. Diese Art des Erzählens passt perfekt zum Genre. Das Handlungstempo ist rasant und umfasst einerseits die wissenschaftlichen Erkenntnisse, logisch nachvollziehbare physikalische Überlegungen, Erfahrungen, andererseits die rätselhaften Ereignisse im Zusammenhang mit dem Schacht. Auch die Gefahren der Natur mit tiefer Kälte und Eis zwischen Mitternachtssonne und Dunkelheit sind so gut und eindrücklich beschrieben, dass wir uns sofort mitten in den Schneestürmen fühlen und uns das dunkle, mystische Grauen, das Ahnen von etwas Übernatürlichem, beim Hinabgleiten in den Schacht erfasst.

Fazit

Eine packende, interessante, sehr spannende Mischung aus Entdeckergeschichte, Abenteuerroman und Horrorthriller, ein großartiges Lesevergnügen. Ein Pageturner, perfekt für kalte, dunkle Winterabende, aber nicht nur für diese.

Das Salzfass – Simon Sailer

AutorSimon Sailer
IllustratorJorghi Poll
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 22. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten128
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650462

„Nur dieses Salzfass war hier. Mitten im Lager stand es. Nicht einmal versteckt, ganz so, als hätte er es noch mitnehmen wollen.“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

Als die Antiquitätenhändlerin das Geschäft übernimmt, ist es vollkommen leer, sowohl der Geschäftsraum, als auch das Lager. Nicht ganz, im Lager steht ein einziger Gegenstand, ein altes Salzfass aus englischem Silber und Kobaltglas. Sie beobachtet den Mann, der ihr Geschäft betreten hat, schon seit einer Weile und spürt deutlich sein Interesse an dem Salzfass, also erzählt sie ihm die Geschichte dieses Gegenstandes. Schon sein Vater war Antiquitätenhändler gewesen und nach seinem Tod hat sein Sohn Maurice Demel das Geschäft übernommen. Eines Tages wird ihm ein Nachlass angeboten, das hübsche kleine Salzfass gehört dazu. Doch bald bemerkt Maurice, dass dieser Gegenstand geheimnisvolle Kräfte zu haben scheint, es ist nicht nur ein weißes Geflecht, das er zunächst für Salzreste hielt, das aber die Größe verändern kann und immer mehr auch in seine Gedanken zu dringen scheint und bald sein Leben bestimmt. Er will es verkaufen, notfalls auch verschenken, doch so einfach ist das nicht.

Thema und Genre

Diese Erzählung spielt im modernen Wien von heute und ist eine eigenwillige Version eines klassischen, phantastischen Schauerromans mit Ereignissen, für die es keine logische Erklärung gibt.

Charaktere

Maurice Demel ist ein erfolgreicher Antiquitätenhändler, bis sich dieses Salzfass in sein Leben drängt. Seine Hilflosigkeit diesem Phänomen gegenüber erzeugt auch beim Lesenden Beklemmung und gespannt folgen wir seinen Versuchen, sich irgendwie mit dem Ding zu arrangieren und es so rasch als möglich loszuwerden.

Handlung und Schreibstil

In der Rahmenhandlung begegnen wir einer gesprächigen, engagierten Antiquitätenhändlerin in ihrem ersten eigenen Geschäft in der Wiener Innenstadt. Sie ist überzeugt, sofort zu erkennen, ob ein Kunde kaufen will, oder sich nur umsieht. Als sich ein Kunde für das Salzfass zu interessieren scheint, beginnt sie, ihm die Geschichte ihres Vorgängers Maurice Demel zu erzählen, wobei nicht sicher ist, was sie darüber tatsächlich weiß und was sie erfindet, um das Objekt für den möglichen Kunden spannend zu machen. Diese Geschichte von Maurice, in deren Mittelpunkt das Salzfass steht, ist die Haupthandlung. Der Autor beginnt leise, mit einer Schilderung eines durchaus üblichen Geschäftsvorganges im Antiquitätenhandel. Stetig und rasch steigt dann die Spannung und sorgt für unvorhersehbare Situationen und eine völlig überraschende Wendung. Zahlreiche schwarz-weiße Illustrationen, passend zum Genre, ergänzen die Geschichte.

Fazit

Die moderne, facettenreiche Version eines klassischen Schauerroman, packend und beklemmend.

Mama – Jessica Lind

AutorJessica Land
Verlag Kremayr & Scheriau
Erscheinungsdatum 16. August 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3218012805

„Und da ist dieses vertraute Gefühl, gemeinsam einen Augenblick zu erleben, den sie gleich empfinden, anstatt Menschen auf zwei verschiedenen gedanklichen Kontinenten zu sein.“ (Zitat Pos. 100)

Inhalt

Josef und Amira verbringen einige Tage in einer einsamen Hütte im Wald. Josef hat dort die Sommer seiner Kindheit verbracht. Drei Tage Urlaub in der Natur, völlig abgeschieden, Zeit füreinander. Der Zeitpunkt ist von Amira bewusst gewählt, sie hofft, dass es endlich mit dem lang ersehnten Kinderwunsch klappt. Tatsächlich wird Amira schwanger und sechs Wochen vor der Geburt fahren die beiden wieder zur Hütte, Babymoon, der letzte Urlaub ohne Kind. Die nächsten Ferien folgen mehr als drei Jahre später, diesmal mit Tochter Luise, ihr Vater will ihr die Natur zeigen. Doch immer öfter gleitet Amira in unterschiedliche Zeit- und Wahrnehmungsebenen ab, die Grenzen zwischen Einbildung und Realität verschwinden.

Thema und Genre

In diesem Roman mit starken psychologischen Themen wie Ängsten, Realitätsverlust und Zwängen, geht es im die Veränderungen im Leben einer Frau, wenn sie Mutter wird, um den Schritt von Beziehung und Partnerschaft zur Familie. Im Laufe der Geschichte gleiten die Ereignisse durch übernatürliche, unerklärbare Wahrnehmungen ins Horrorgenre ab.

Charaktere

Amira ist keine sympathische Figur. Sie ist besessen von ihrem Kinderwunsch, was auch die Beziehung zu ihrem Ehemann Josef belastet. Dann wird sie zur Übermutter, will eine perfekte Mutter sein, gleichzeitig belasten sie Zweifel und Ängste, Andeutungen weisen auf das Gegenteil hin. Ständig hinterfragt sie sich selbst zwanghaft in ihrer Mutterrolle, ihre Tochter wird zum Mittelpunkt ihres Lebens, um den sich alles dreht.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in vier übergeordneten Teilen erzählt. Im personalen Mittelpunkt steht immer Amira; ihr Ehemann Josef und ihre Tochter Luise bleiben Nebenfiguren. Weitere Hauptprotagonisten sind eine einsame Hütte am Waldesrand, der Wald selbst, ein altes Märchenbuch, das Josefs Vater vor vielen Jahren geschrieben hat, und eine Hündin, vor der Amira panische Angst hat. Was zunächst leise und alltäglich beginnt, wird rasch durch kurze Episoden und viele unterschiedliche Andeutungen surreal und beklemmend. Wir folgen der Hauptfigur Amira durch einige Jahre, wobei sie selbst immer öfter hinterfragt, in welcher Zeit- und Wahrnehmungsebene sie sich befindet, und wir Lesende fragen uns das ebenso. Das Leben ein Traum, der Traum ein Leben, die Autorin lässt uns mit dieser etwas wirren, unglaubwürdigen Geschichte und vielen losen Enden zurück, gibt uns damit jedoch viel Stoff zum Nachdenken. Ich habe diesen Roman mit dem Gefühl beendet, dass sich nicht nur die Hauptfigur Amira im dichten Gedankenwald dieser Geschichte verirrt hat, sondern irgendwann auch die Autorin.

Fazit

Eine beklemmende, packende, etwas wirre Geschichte, ein Beziehungsroman mit starken psychologischen Themen und Elementen aus dem Horrorgenre.

Winterschwimmer – Alexander Osang

AutorAlexander Osang
Verlag Aufbau Taschenbuch
Erscheinungsdatum 14. September 2018
FormatTaschenbuch
Seiten239
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3746634913

„In einer kleinen Lichtung entdeckte er im Mondlicht einen unwirklich schönen Baum. Schwarz wie ein Scherenschnittweihnachtsbaum aus einem Kinderbuch.“ (Zitat aus „Weissenseer Wölfe“, Seite 36)

Inhalt

Der Autor schreibt seit 1995 jedes Jahr eine Weihnachtsgeschichte. Dieses Buch enthält vierzehn von diesen Erzählungen, darunter auch die Geschichte „Winterschwimmer“, die dieser Sammlung den Namen gab.

Thema und Genre

Alle Geschichten spielen in und um Berlin in den Tagen rund um Weihnachten und es geht um die an diesen Feiertagen immer präsenten Themen wie Familie, Ehe und Beziehungen in allen Facetten, doch auch Ost-West und damit verbundene Erinnerungen tauchen auf. Hier geht es um mehr, als die  bekannten Schilderungen von fröhlichen, romantischen, üppigen Weihnachtsfeiern.

Handlung und Schreibstil

Es sind Momentaufnahmen von alltäglichen Ausgangssituationen und den folgenden Erlebnissen, vom Aussuchen des perfekten Baumes bis zu den Familienfeiern und Traditionen, die jedes Jahr Menschen zusammenführen, die einander kaum mehr etwas zu sagen haben. Es sind keine besonders fröhlichen, glücklichen Tage, wir erleben Protagonisten in Momenten des Scheiterns, manchmal der Resignation, Verzweiflung, aber auch des Umdenkens. Oft ist es ein unvorhersehbarer, kleiner erster Schritt, der eine mögliche Veränderung andeutet. Ob es den Figuren gelingt und wie es weitergeht, das überlässt der Autor unserer eigenen Phantasie. Es sind Geschichten in einer klaren, personalen Erzählsprache, mit jeweils einer Hauptfigur im Mittelpunkt. Der Autor ist ein präziser Beobachter der kleinen und weniger kleinen menschlichen Schwächen und Eitelkeiten und findet seine Geschichten mitten im täglichen, realen Leben.

Fazit

Eine Sammlung von vierzehn Erzählungen, die in der Weihnachtszeit spielen und deren  facettenreiche Themen, Protagonisten und Ereignisse aus dem Alltag gegriffen sind, wir haben die jeweilige Situation sofort bildhaft vor Augen und in unseren Gedanken. Geschichten für entspannte Lesestunden, zum Nachdenken, perfekt für diese besondere Zeit des Jahres.

Wintergeschichten – Anton Čechov

AutorAnton Čechov
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 18. Oktober 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ÜbersetzungPeter Urban
ISBN-13978-3257070767

„Von unseren Füßen bis hinab zur Erde erstreckt sich eine abschüssige Fläche, in der sich die Sonne betrachtet wie in einem Spiegel. An unserer Seite ein kleiner Schlitten, mit hellrotem Stoff ausgeschlagen.“ (Zitat Seite 17)

Inhalt

Dieses Buch enthält fünfundzwanzig Erzählungen von Anton Čechov. Es sind Geschichten, die in der Winterzeit spielen. Von der Entstehung her finden wir in dieser Sammlung frühe Erzählungen, entstanden zwischen 1880 und 1887, und Texte aus den späten Schaffensjahren von 1889 bis 1903.

Thema und Handlung

In diesen Geschichten, geschrieben in einer klaren Erzählsprache, erleben wir Schlittenfährten durch den tiefen Schnee und die Kälte des russischen Winters, aber auch fröhliche, üppige Feste zwischen gesellschaftlichen Pflichten und diversen Wirrnissen und persönlichen Eitelkeiten. Auch die tiefe Kluft zwischen Armut und Reichtum ist ein Thema dieser Geschichten, die eines gemeinsam haben: sie alle spielen in der einsamen, winterlichen Landschaft, in abgelegenen Dörfern und Kleinstädten der russischen Provinz. Es ist eine interessante Vielfalt von Charakteren und ihren Erlebnissen, von Alltagssituationen, Verhalten und Gefühlen, die Čechov aufzeigt, in einer Bandbreite zwischen komisch, traurig und hoffnungsvoll, aber immer knapp und realistisch. Oft ist es nur eine Episode, das Ende ist offen. Ausgewählt wurden die Erzählungen von Christine Stemmermann, wobei mir auch die Reihenfolge besonders gut gefällt, es beginnt mit Schlittenfahrten zu Winterbeginn, führt zu den besonderen Tagen vor Weihnachten, zum Fest selbst und schließt mit dem Jahreswechsel, den ersten Tagen des neuen Jahres. Der letzte Text, „“Die Dame mit dem Hündchen“, spielt zu Beginn im Sommer und ist eine seiner bekanntesten Geschichten. Alle Geschichten wurden von Peter Urban neu übersetzt und sind überzeugend angenehm zu lesen.

Fazit

Eine interessante, stimmungsvolle Sammlung von fünfundzwanzig Erzählungen von Anton Čechov, die uns in kalte, schneereiche russische Winter Ende des 19. Jahrhunderts entführen.

Der rote Raum: Ein Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss – Roman Voosen, Kerstin Signe Danielsson

AutorRoman Voosen
AutorinKerstin Signe Danielsson
Verlag KiWi-Taschenbuch
Erscheinungsdatum 7. Oktober 2021
FormatTaschenbuch
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462001631

„Einen vergleichbaren Fall kenne ich nicht und ich habe nicht die geringste Ahnung, womit wir es hier zu tun haben.“ (Zitat Pos. 637)

Inhalt

Ingrid Nyström, Hauptkommissarin in Växjö und für die Region Kronoberg zuständig, ermittelt in einem beklemmenden Mordfall: Adam Arlemark, Unternehmensberater, alleinstehend, wird in seinem Appartement tot aufgefunden. Im Brustkorb der Leiche fehlt das Herz, es wurde durch einen besonderen Stein ersetzt. Ein neuer Fall von Kannibalismus? In diesem Fall müsste man mit einem Serientäter rechnen, doch wie passt der Stein ins Bild? Stina Forss, Stockholm, wird nach einem kritischen Alleingang in einem Einsatz ein neuer Fall zugeteilt. In Kiruna, im hohen Norden, wurde Matti Leinonen von einer Hebebühne zerquetscht. Ein Arbeitsunfall, denn die Hebebühne war alt, schlecht gewartet und der Mechaniker war allein in der von innen verschlossenen Werkstätte. Doch dann beweist ein Indiz, dass es kein Unfall, sondern Mord war, ein Mord, der Stina Forss und der Polizei Kiruno eine Reihe von Rätseln aufgibt.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman spielt in Schweden und ist der neunte Fall der Serie „Die Kommissarinnen Nyström und Forss ermitteln“.

Charaktere

Die Kommissarinnen Ingrid Nyström und Stina Forss, die früher ein Team waren, ermitteln nun voneinander unabhängig, denn Stina Forss hatte sich nach Stockholm versetzen lassen. Es sind Ermittlerinnen, die auch in ihrer eigenen Geschichte gefangen sind, besonders Stina ist eine unangepasste Einzelgängerin.

Handlung und Schreibstil

Die beiden Ermittlungen verlaufen unabhängig voneinander und werden in zwei Handlungssträngen abwechselnd geschildert. Parallel dazu wird eine dritte Geschichte erzählt, andere Personen, ein anderes Setting und man ist gespannt, wann sich hier ein Zusammenhang ergeben wird. Sehr interessant sind die Schilderungen der Landschaft und Menschen in und um Kiruna am nördlichsten Teil von Schweden. Die straffe, knappe Zeitrahmen, eine Woche von Samstag bis Samstag, wird durch Rückblicke erweitert. Die vielen unterschiedlichen Themen wie verstörende Morde, persönliche Befindlichkeiten, Spuren in die Red Rooms des Darknet, Psychologie und Sozialkritik machen sie facettenreich, obwohl gerade diese Vielschichtigkeit manchmal den Spannungsbogen unterbricht. Die Intention, weiterhin beide Ermittlerinnen in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen, ist im Rahmen der Serie verständlich, führt aber zu etwas konstruiert wirkenden überraschenden Wendungen und Zusammenhängen.

Fazit

Dieser facettenreiche, düstere Kriminalroman ist der neunte Fall einer Serie, die in Schweden spielt und in deren Mittelpunkt zwei eigenwillige Ermittlerinnen stehen.

Jane Austen und die Kunst der Worte – Catherine Bell

AutorCatherine Bell
Verlag Aufbau Taschenbuch
Erscheinungsdatum 15. November 2021
FormatTaschenbuch
Seiten376
SerieAußergew. Frauen zw. Aufbruch u. Liebe
SpracheDeutsch
ISBN-13‎978-3746637686

„Was immer ihr geschah, sie hatte einen Ort, an den sie gehen konnte. In ihre Welt, jene, die sie anderen nahebringen konnte, indem sie beschrieb, was sie dort hörte, was sie sah, was die darin lebenden Figuren empfangen.“ (Zitat Seite 76)

Inhalt

1795 ist Jane Austen zwanzig Jahre alt. Sie wächst als eines von acht Kindern einer englischen Pfarrerfamilie im ländlichen Raum auf. Ihr zurückgezogenes Leben wird unterbrochen von Einladungen und Bällen auf den umliegenden Landgütern, denn Jane liebt es zu tanzen. Doch mehr als alles andere liebt Jane das Schreiben, ihre Figuren, die plötzlich in ihren Gedanken auftauchen und ihre Geschichten erzählen. In diesem Dezember 1795 hat Jane Austen viele Träume, sie träumt davon, sich zu verlieben, doch vor allem träumt sie davon, Schriftstellerin zu werden und einen Roman zu schreiben, den eines Tages ein Verleger veröffentlicht.

Thema und Genre

In diesem biografischen Roman geht es um das Leben der Schriftstellerin Jane Austen und die Entstehung ihrer Romane.

Charaktere

Jane Austen war, wie auch ihre Romanheldinnen, eine für die damalige Zeit modern denkende Frau. In einer Zeit, als eine Frau auf eine möglichst gute Partie angewiesen war, einen Ehemann, der sie finanziell versorgte und so ihre Stellung in der Gesellschaft sicherte, sah sie genau diesen Weg mit Skepsis. Für sie waren das Schreiben und ihre Unabhängigkeit das Wichtigste im Leben.

Handlung und Schreibstil

Der Roman umfasst drei Teile. Der Prolog nimmt ein für Jane Austen wichtiges Ereignis im Jahr 1815 vorweg. Der Haupthandlungsstrang beginnt im Jahr 1795 und schildert Jane Austens Leben auf dem Land mit ihrer Familie und die geselligen Kontakte mit den befreundeten Nachbarn. Es ist das Setting, das sie auch in ihren Romanen verwendet und in dem sie tatsächlich lebt. Ein zweiter Strang, der mehrmals die chronologisch erzählten Jahre unterbricht, schildert Ereignisse in den späteren Jahren und hat die ersten Schritte zur Veröffentlichung ihrer Romane zum Thema. Mit einem Epilog 1815 mündet die Geschichte dann direkt wieder in den Prolog und führt diesen fort. Eine abwechslungsreiche, interessante Wahl, einen biografischen Roman zu erzählen. Die Sprache nähert sich teilweise dem Schreibstil Jane Austens an, ist aber an manchen Stellen unpassend salopp. Bei einem Tee mit ihrer besten Freundin lesen wir „Jane angelte sich einen Scone“ (Zitat Seite 25) und bei Bällen „quetscht“ sie sich des Öfteren durch plaudernde Menschengrüppchen.

Fazit

Ein unterhaltsamer Roman, in dessen Mittelpunkt die englische Schriftstellerin Jane Austen steht. Was wir über Jane Austen wissen, resultiert aus insgesamt nur 161 Briefen, die noch erhalten sind, und einer ersten Biografie aus dem Jahr 1869, die ihr Neffe James Edward Austen-Leigh verfasst und herausgegeben hat. Dies lässt der Autorin Catherine Bell viel Freiraum für die eigene Phantasie und frei erfundene zusätzliche Ereignisse, die sie uns in dieser Geschichte erzählt, die mehr ein romantischer Roman ist, als biografisch.

Februar 33: Der Winter der Literatur – Uwe Wittstock

AutorUwe Wittstock
Verlag C.H.Beck
Erscheinungsdatum 10. November 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3406776939

 „Für die Zerstörung der Demokratie brauchten die Antidemokraten nicht länger als die Dauer eines guten Jahresurlaubs. Wer Ende Januar aus einem Rechtsstaat abreiste, kehrte vier Wochen später in eine Diktatur zurück.“ (Zitat Seite 273)

Thema und Inhalt

Dieses Buch handelt von diesem besonderen Schicksalsmonat Februar 1933, in dem sich die Zukunft Deutschlands und der Menschen entscheidet. Wie schon aus dem Titel zu ersehen, geht es in diesem Buch um die blühende kulturelle Vielfalt, die bis zu diesem Jahr 1933 in Deutschland anzutreffen war. Am Beispiel der Literatur schildert der Autor die Situation von bekannten Schriftstellern und Schriftstellerinnen, aber auch von Verlegern, Journalisten und mit diesem Kreis befreundeten Künstlern. Sie alle müssen Entscheidungen treffen, in manchen Fällen muss dies sehr schnell geschehen, da den ersten brennenden Büchern rasch auch Verhaftungen folgen.

Umsetzung

Das Buch beginnt mit dem Presseball in Berlin am 28. Januar 1933 und den zu diesem Zeitpunkt noch unterschiedlichen Meinungen zu der drohenden Gefahr durch die Machtübernahme der NSDAP. Zwei Tage später ist es Realität. Der Autor schildert die Ereignisse in Form eines Tatsachenberichts, jedem Tag ist ein eigenes Kapitel gewidmet, in dessen Mittelpunkt jeweils eine oder mehrere Persönlichkeiten stehen, deren Leben und Entscheidungen während dieser Tage fortlaufend dokumentiert werden. Jedes Kapitel endet mit kurzen täglichen Meldungen aus Tageszeitungen über Zusammenstöße zwischen den politischen Gruppierungen, Gewalttaten mit Toten.

Es sind bekannte Schriftsteller und Künstler, die als Beispiele für die gesamte Situation in diesem Bericht auftreten, Namen wie Berthold Brecht, Thomas, Heinrich, Klaus und Erika Mann, Mascha Kaléko, Else Lasker-Schüler, Alfred Döblin. Doch auch die Haltung der Akademie der Künste in Berlin ist ein Thema.

Der Bericht endet mit Mittwoch, dem 15. März 1933. Es folgen insgesamt dreiunddreißig kurze Schilderungen, wie es im Leben der jeweiligen Persönlichkeiten weiterging. Dem Nachwort folgen eine Liste der verwendeten Literatur und ein Personenverzeichnis. Die genaue, ausführliche Recherche, die auch Briefe, Tagebücher und Aufzeichnungen umfasste, geben einen anschaulichen Einblick in diese Zeit, die Ungewissheit und Zweifel dieser Schicksalstage, die wachsende Angst, die Erkenntnis der drohenden Lebensgefahr, die Flucht oft im letzten Augenblick. Im Gegensatz dazu die Entscheidungen von Kulturschaffenden, sich mit den neuen Machthabern zu arrangieren.

Fazit

Ein sehr eindringliches, beklemmendes Buch, mit der packenden Intensität eines Tatsachenromans und der Spannung eines Kriminalromans.

Die Enkelin – Bernhard Schlink

AutorBernhard Schlink
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 27. Oktober 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257071818

„Ich will keines dieser nicht gelebten Leben. Aber ich kann sie nicht von mir abtun. Meine nicht gelebten Leben sind mein wie mein gelebtes.“ (Zitat Seite 58)

Inhalt

Am 17. Mai 1964 lernen sie einander in Ostberlin kennen, Birgit aus dem Osten und Kaspar aus dem Westen, der für dieses Sommersemester nach Berlin gezogen ist. Sie verlieben sich, Kaspar ist bereit, nach Ostberlin zu ziehen, doch Birgit will in den Westen. Am 16. Januar 1965 landet sie in Tempelhof. Nun, nach fünfzig Jahren Ehe, ist Birgit tot und in ihren Entwürfen für einen Roman über ihr Leben entdeckt Kaspar eine völlig andere Frau, als er gekannt hat. Bei ihrer Flucht hat sie ihre kleine Tochter zurückgelassen, wollte sie suchen, hat es immer wieder hinausgeschoben. Kaspar begibt sich auf diese Reise in die Vergangenheit und findet die vierzehnjährige Sigrun, Birgits Enkelin. Können eine Vierzehnjährige, die in einem Dorf nach der Ideologie einer völkischen Gemeinschaft aufgewachsen ist und der ruhige, introvertierte Buchhändler eine gemeinsame Basis finden, einander kennenzulernen?

Thema und Genre

In diesem Generationenroman, Coming-of-Age-Roman, Beziehungsroman, geht es um drei Frauen aus drei Generationen, prägende Entscheidungen, die das Leben eines Menschen beeinflussen, zeitgeschichtliche und politische Themen wie Ostdeutschland-Westdeutschland, nationalistische, völkische Lebensformen in Deutschland heute. Auch die unterschiedlichen Ideen, beinahe verlassene ländliche Gebiete und Dörfer wieder mit Leben und Zukunftsperspektiven zu füllen, ist ein Thema.

Charaktere

Im Mittelpunkt dieses Romans stehen die Menschen. Birgit, die eine Entscheidung getroffen hat, ihr Leben mit immer präsenten Schuldgefühlen, ihr Schweigen darüber. Kaspar, der ruhige, intellektuelle Buchhändler, dessen ganzes Leben nach dem Tod seiner Frau Birgit durch ihre Aufzeichnungen plötzlich zu einem „Vielleicht“ wird. Auf der anderen Seite Birgits Tochter Svenja und deren Tochter Sigrun, die Kinder und Enkel der ehemaligen DDR-Bürger, ihre Träume, ihre Werte, manchmal ihr Scheitern.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in drei Teilen erzählt. Im ersten Teil wird die Beziehung zwischen Kaspar und Birgit kurz personal mit Kaspar als Mittelpunkt geschildert, daran anschließend wird Birgits Leben ausführlich erzählt, in Ich-Form, da es sich um ihre persönlichen Aufzeichnungen und Unterlagen zu ihrem geplanten Roman handelt. Der zweite Teil ist zugleich der Hauptteil. Kaspar begibt sich auf die Spurensuche, trifft unterschiedliche Personen aus Birgits früherem Leben und schließlich Sigrun, Birgits Enkelin, die auch für ihn zur Enkelin wird. Vorsichtig nähern sich die beiden so unterschiedlichen Personen und Generationen einander an. Der dritte, abschließende Teil spielt zwei Jahre später. Die Sprache erzählt leise und schildert eindrücklich.

Fazit

Ein facettenreicher Roman mit zeitlos aktuellen Themen. Die Konflikte und Suche nach Lösungen und Wendungen der einfühlsam geschilderten Figuren geben der Geschichte Intensität und Spannung und regen zum Nachdenken an.

Mente Alienari – Monika Grasl

AutorMonika Grasl
Verlag PUPUT BOOKS
Erscheinungsdatum 8. November 2020
FormatKindle-Ausgabe
Seiten232 (Printausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB08N1259XG

„Erst ein paar Stunden im Amt, noch keine Belagerer in Sichtweite, aber schon ein Mordopfer im Morast.“ (Zitat Pos. 291)

Inhalt

An diesem ersten April 1683, irgendwann gegen Mitternacht, stirbt der erst achtzehnjährige Toni Steiner in einer dunklen Gasse. Er ist allein, nur ein Fuchs beobachtet ihn. Am zweiten April 1683 wird Florentinus Moser von seinem Platz bei der Stadtwache abgezogen. Er muss jetzt für die Sicherheit in Hernals sorgen, denn die Osmanen rücken näher. Doch zunächst will er diesen Mord aufklären und gemeinsam mit dem Bader Alois Wolf macht er eine interessante Entdeckung. Da geschieht ein zweiter Mord.

Thema und Genre

Dieser historische Kriminalroman spielt zwischen April und Juli 1683 in Hernals, damals noch ein eigenständiges Gemeindegebiet weit außerhalb der Stadtmauern von Wien. Es geht nicht nur um die Mordfälle, sondern um das Leben der einfachen Menschen, Armut und Gewalt sind allgegenwärtig. Zuvor protestantisch, ist die Ortsgemeinde nun dem Domkapitel von St. Stephan und somit der Macht der katholischen Kirche unterstellt.

Charaktere

Die einzelnen Figuren wirken absolut authentisch, was die genaue Recherche erkennen lässt. Hier gibt es keine eleganten Ermittler mit gehobenem Lebensstandard, denn das hätte nicht in das Hernals des 17. Jahrhunderts gepasst. Florentinus Moser und Alois Wolf sind aus unterschiedlichen Gründen absolut keine Freunde der Kirche und denken fortschrittlich. In Lukas Gruber, Pfarrer von Hernals, aber keineswegs aus christlicher Überzeugung, haben sie einen erbitterten Gegner.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte beginnt Anfang April 1683, während der Fastenzeit, der Ostersonntag war in diesem Jahr der 18. April, und endet am 12. Juli 1683, als die Osmanen Wien erreichten. Es ist eine facettenreiche Geschichte, in der es um die Schicksale und Lebensumstände der Menschen in dieser Zeit geht, die Taten entstehen aus nachvollziehbaren Motiven und stehen jeweils mit aktuellen Ereignissen in Verbindung. Die Autorin bringt auch Elemente des Schauerromans, des  möglichen Übernatürlichen in die Handlung ein, was dem Geschehen einen spannenden weiteren Aspekt verleiht. Die Sprache ist in der Ausdrucksform der Zeit angepasst, ohne jedoch bemüht zu wirken, sie bleibt angenehm locker und sehr gut lesbar.

Fazit

Ein vielschichtiger Kriminalroman, der 1683 vor den Toren von Wien spielt, in einer Zeit, die geprägt ist von Armut, Gewalt und den immer näher rückenden Osmanenheeren. Die Figuren und die Schilderungen spiegeln ein authentisches, nicht romantisiertes Bild der Zeit und des täglichen Lebens rund um Wien wider. Ein interessantes, spannendes und unterhaltsames Lesevergnügen, das, obwohl die Handlung im Frühjahr spielt, perfekt in die momentanen dunklen, nebeligen Novembertage passt.

Die wärmste aller Farben – Grégoire Delacourt

AutorGrégoire Delacourt
Verlag Atlantik Verlag
Erscheinungsdatum 1. November 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ÜbersetzungKatrin Segerer
ISBN-13978-3455011715

„Er lebt in einer Welt, in der wir beide, du und ich, unseren Platz haben. Einer Welt der Bäume und des Winds, der klugen Worte, einer Welt, in der Wut, Gewalt, das Böse nicht existieren.“ (Zitat Pos. 897)

Inhalt

Geoffrey Delatte lebt in seiner eigenen Welt, in die er sich zurückzieht, weil ihm der Lärm und die Einflüsse um ihn herum zu viel werden. Seine Mutter Louise liebt ihn, versucht ihn zu verstehen, seine eigene, präzise Ordnung, sein Weltbild aus Zahlen und aus Farben, seine Liebe zur Natur. Sein Vater Pierre war, als die Welt noch in Ordnung war, Maschinenführer in einer Papierfabrik, dann wurde er arbeitslos, bekam eine Teilstelle als Nachtwächter. Als die Gelbwestenproteste beginnen, ist Pierre Delatte dabei. Sein stiller Sohn Geoffrey ist in der Schule ein gemobbter Außenseiter, bis sich eines Tages in der Pause die zwei Jahre ältere Djamila neben ihn setzt und Geoffreys Leben sich für immer verändert. Ihre Freizeit verbringen sie im Wald des alten Einzelgängers Hagop Haytayan, wo Geoffrey Djamila die Natur erklärt, ein stiller, magischer Ort, doch kann er die drei Außenseiter vor der Realität dieser Tage schützen?

Thema und Genre

Dieser Roman ist vielseitig, es ist ein Familienroman, Gesellschaftsroman, Coming-of-Age-Roman. Themen sind Ausgrenzung, ASS, Migration, Radikalisierung, Sozialkritik aber auch Freundschaft, die stille Schönheit der Natur und die Liebe.

Charaktere

Geoffrey ist dreizehn Jahre alt und lebt seit seiner Geburt in seiner eigenen, genau geordneten Welt.  Man müsste nur zuhören, um ihn zu verstehen, und die zwei Jahre ältere Djamila und der alte Hagop Haytayan hören ihm zu. Der Autor zeichnet seine Figuren mit Empathie, auch die zornigen Gelbwesten, erklärt ihre Hintergründe, zeigt ihnen aber auch neue Möglichkeiten, lässt ihnen eine Wahl in ihren Entscheidungen.

Handlung und Schreibstil

Diese Geschichte ist ein Zeitbild von Frankreich und Paris während der intensiven Phase der zornigen Gelbwesten-Proteste. „Siebzehn Jahre später streifte sich die Verzweiflung neongelbe Warnwesten über. Jetzt bemerkte man sie schon von Weitem.“ (Zitat Pos. 149) Einfühlsam schildert der Autor die Hintergründe, seine Figuren stehen für Schicksale, die keine Einzelschicksale sind. Er erzählt das Leben seiner Hauptprotagonisten chronologisch, parallel, denn die Ereignisse finden gleichzeitig statt. In dieser Welt der Radikalisierung in alle Richtungen und Aufstände finden wir eine zweite, kleine Welt, leise und poetisch durch die Liebe zur Natur und das tiefe Verständnis zwischen drei Menschen, alle eine Form von Außenseitern. Der Autor ist ein wunderbarer Erzähler, dessen Sprache beeindruckt. Jedes Kapitel trägt als Überschrift eine bestimmte Farbe, die auch den Inhalt widerspiegelt.

Fazit

Eine facettenreiche, gesellschaftskritische, aktuelle Geschichte, einfühlsam, eindringlich und poetisch erzählt.

Hexenweib: Ein Zeitreiseroman – Marie von Stein

AutorMarie von Stein
Verlag tredition
Erscheinungsdatum 1. November 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3347406940

„Bis zu dieser unruhigen Zeit, in der die Kunst zu heilen und der Wunsch zu helfen schon mal voller Neid beobachtet wurde. Von denen, die solche Fähigkeiten nicht verstanden.“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

Auch wenn Anna Callendorp nach einer verleumderischen Anklage auf ihren Adelstitel und weite Ländereien ihres verstorbenen Vaters verzichten musste – der Meierhof ihrer Großeltern ist ihr geblieben und sie baut nun auf den Rat ihrer Zofe und Freundin Juliette erfolgreich Raps an. Doch dann die Hiobsbotschaft: Juliette, die kräuterkundige Heilerin, wurde verhaftet und ist der Hexerei angeklagt. Im Jahr 1670 bedeutet dies den Scheiterhaufen.

Im Jahr 2020, mitten in der Pandemie, hat Inge Süvern, die Großtante von Susanna Kallens Freund Thomas, einen schweren Verkehrsunfall. Doch trotz dieser Sorgen zögert Susanna nicht, als sie plötzlich, wie schon ein Jahr zuvor, einen Wolf sieht. Sie folgt ihm zum Elfenborn, denn sie spürt, ihre Ahnin braucht wieder ihre Hilfe und die Zeit drängt!

Thema und Genre

Auch dieser zweite Roman der Zeitreise-Serie „RegenbogenReigen“ verbindet die Geschichte des Kalletals im 17. Jahrhundert mit Ereignissen in dieser schönen Region im Jahr 2020. Es geht um die historischen Hexenverfolgungen in einer Zeit, die geprägt ist von Aberglaube und Verleumdung. Es geht aber auch um die zeitlos aktuelle Unterdrückung von Frauen, und um Familiengeheimnisse, die ein Leben zerstören können.

Charaktere

Susanna Kallen ist eine moderne junge Frau. Ein magisches Band scheint sie mit ihrer Vorfahrin Anna Callendorp zu verbinden. Beide sind selbstbewusst, etwas eigensinnig und in Notsituationen sehr mutig und erfinderisch.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in unterschiedlichen Jahrhunderten, wobei die Ereignisse gleichzeitig stattfinden und abwechselnd oder vernetzt erzählt werden. Die einzelnen Kapitel tragen die jeweilige Jahreszahl als Überschrift, doch auch die Sprache ändert sich, passt perfekt zum historischen Hintergrund. Ein dritter Erzählstrang führt in die nähere Vergangenheit und erklärt die Hintergründe einer bestimmten Situation in der Gegenwart. So ergibt sich eine interessante, abwechslungsreiche Geschichte, in der man sich durch die lebhaften Beschreibungen beim Lesen rasch ebenso zu Hause fühlt, wie im Tal der Kalle mit den prächtigen Regenbogen, Wölfen und Wäldern, in denen auch magische Ereignisse möglich scheinen.

Fazit

Ein facettenreicher Roman mit Regionalbezug, der eine magische Landschaft und ihre Geschichte mit zeitlos aktuellen Themen verbindet.

Schliemann und das Gold von Troja: Mythos und Wirklichkeit – Frank Vorpahl

AutorFrank Vorpahl
Verlag Galiani-Berlin
Erscheinungsdatum 19. August 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3869712451

„Erst aus dieser andauernden Teilnahme des Lesepublikums, das erfahren möchte, ob der Selfemademan aus Mecklenburg am Ende triumphiert oder untergeht, entsteht ein dramatischer Spannungsbogen. Und für Schliemann jene Popularität, die seinen atemberaubenden archäologischen Goldrausch im Frühjahr 1873 erst möglich macht.“ (Zitat Seite 175)

Thema und Inhalt

Am 4. Juli 1865 kommt der erfolgreiche Geschäftsmann Heinrich Schliemann, dreiundvierzig Jahre alt, nach zwanzig Monaten Weltreise nach Japan, wohin damals kaum Fremde gelangten. Die Rückreise erfolgt über New York und London, im Januar 1866 erreicht er Paris. Sein Buch über diese Reise wird in Paris verlegt, doch bleibt ein Ladenhüter. Denn 1867 beschäftigt ein völlig anderes Thema Paris: die Deutung der Ilias und die legendäre Stadt Troja, und auch Schliemann beginnt, sich mit Homer und Troja intensiv zu beschäftigen. Ein Thema, das ihn für den Rest seines Lebens nicht mehr loslassen wird. Nach mehr als einem Jahr Vorbereitung erfolgt am 9. April 1870 der erste Spatenstich in Hissarlik. Doch nicht nur die Grabungen begründeten seinen Ruhm und das öffentliche Interesse an seinen Interpretationen der Ilias und an seiner Person, sondern auch seine Berichte in insgesamt zweiundzwanzig Episoden, die er in einer Zeit verfasst, als Fortsetzungsromane in Zeitschriften sehr beliebt sind. Ob es tatsächlich die Ruinen von Troja waren, die er ausgegraben hat, bleibt ebenso ein umstrittenes, aber faszinierendes Geheimnis, wie es viele Jahre lang der Verbleib des 1945 aus Deutschland verschwundenen Goldschatzes aus Troja war, bevor bekannt wurde, dass das Gold von Troja nach Moskau gebracht worden war.

Umsetzung

Das intensive Quellenstudium, belegt durch umfassend zitierte Anmerkungen am Ende des Buches, gefolgt von einer ebenfalls umfangreichen Bibliografie, macht dieses biografische Sachbuch zu einer interessanten Lektüre auch für Lesende, dies schon viel über Schliemann und seine Suche nach Troja wissen. Der Autor schildert einerseits die Lebensgeschichte des erwachsenen Heinrich Schliemann ab dem Zeitpunkt, als auch er sich mit Homers Ilias beschäftigt und mit seiner Suche beginnt, andererseits erfahren wir auch die gegensätzlichen wissenschaftlichen Meinungen, es kommen immer wieder zustimmende und kritische Fachleute zu Wort, die über die Jahrzehnte Heinrich Schliemanns Tätigkeit, Funde und Veröffentlichungen verfolgten, teilweise mit ihm gemeinsam an den Ausgrabungen arbeiteten. Auch nach Schliemanns Tod geht die Geschichte weiter und führt direkt zum nach wie vor aktuellen Thema Beutekunst. Der Schreibstil berichtet sachlich, aber packend und lebhaft, was durch Originalzitate noch vertieft wird. Fotografien in der Buchmitte ergänzen den Text.

Fazit

Heinrich Schliemann selbst ist eine Legende, wie auch seine enthusiastische Suche nach der legendären Stadt Troja auf den Spuren Homers und seiner Helden. Dieses Sachbuch folgt seinem abenteuerlichen Leben mit Fakten, liest sich jedoch spannend wie ein Roman.

Auf verlorenen Wegen (Ein Jan-Tommen-Thriller 8) – Alexander Hartung

AutorAlexander Hartung
Verlag Edition M
Erscheinungsdatum 2. November 2021
FormatKindle-Ausgabe
Seiten280 (Printausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB095PDZ4C8

„Vor dem Verschwinden der Jugendlichen war der Wald ein schöner Ort gewesen, mit prachtvollen Buchen, deren Stämme weit in den Himmel zu wachsen schienen, das dichte Unterholz mit einer Vielfalt an Gräsern, Moosen und Beeren, unberührt vom Menschen.“ (Zitat Pos. 40)

Inhalt

Max Kornecker, der IT-Experte im Team von Jan Tommen, Kripo Berlin, fährt im Januar für einige Urlaubstage mit Freunden auf die Insel Rügen. Plötzlich wird deutschlandweit nach ihm gefahndet, er soll einen Raubüberfall verübt haben und die Beweislage ist eindeutig. Für Jan Tommen und sein Team ist klar, dass Max unschuldig ist. Irgendetwas stimmt hier nicht. Hängt es mit den zwei Cold Cases zusammen, die der IT-Spezialist und Hacker entdeckt hat, als ihm Escape Rooms zu langweilig wurden?  Im Mai 1986 ist eine Frau verschwunden, vierzehn Tage später wurde nur ihr Arm gefunden. Im zweiten Fall geht es um vier Jugendliche, die 2002 im Wald unterwegs waren, einer wurde ermordet aufgefunden, die anderen drei sind seither spurlos verschwunden. In einem dieser beiden Max jemandem gefährlich nahe gekommen zu sein. Bis Max entlastet ist, recherchieren Jan, Zoe und Chandu heimlich auf Rügen, doch rasch ergibt sich eine offizielle Zusammenarbeit mit der Kripo Stralsund, denn es gibt aktuelle Entwicklungen.

Thema und Genre

Dieser Thriller spielt auf der Insel Rügen und es geht um bisher ungelöste Fälle, die plötzlich mit neuen Fakten und Ereignissen in der Gegenwart wieder aktuell werden.

Charaktere

Hier ermittelt ein spezielles Team, sehr unterschiedliche, schräge Charaktere mit jeweils anderen Stärken und Fähigkeiten, eigenwillig, schräg, unkonventionell. Es sind interessante, sympathische Figuren.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung spielt in der Gegenwart auf der Insel Rügen. Die Ereignisse werden chronologisch erzählt, fehlende Details aus der Vergangenheit ergeben sich durch die Gespräche mit Beteiligten während der Ermittlungen. Die Sprache passt zum Genre, sie ist packend, nimmt sich jedoch Zeit für die Beschreibung des Umfeldes und der Örtlichkeiten auf der schönen Ostseeinsel Rügen. Die Detailgenauigkeit zeigt die hervorragende Ortskenntnis und Recherchen des Autors, was besonders Lesende wie mich, die selbst auf dieser Insel leben, freut, denn dies ist nicht bei allen Büchern mit Regionalbezug zu Rügen der Fall. In den Dialogen und Schilderungen kommt auch der Humor nicht zu kurz, was die Handlung auflockert, aber den Spannungsbogen mit einigen überraschenden Wendungen nicht unterbricht. Auch dieser achte Band der Serie ist in sich abgeschlossen und kann auch als Einstieg in die Jan-Tommen-Serie gelesen werden.

Fazit

Ein sympathisches Team von eigenwilligen Spezialisten, spannende Cold Cases, die plötzlich nicht mehr „cold“, sondern sehr aktuell sind, interessante Recherchen, dazu Ostsee- und Inselfeeling – perfekt für packende, unterhaltsame Lesestunden.

Über uns die Nacht – Anat Talshir

AutorAnat Talshir
Verlag Diana Verlag
Erscheinungsdatum 8. Dezember 2014
FormatKindle-Version
Seitenca. 500
SpracheDeutsch
ÜbersetzungStefanie Fahrner
ASINB00KG67CZ4

„In den vergangenen Monaten hatte ihre unglaubliche Liebesgeschichte auf einem Fundament der Gewissheiten geruht: Sie wussten, dass unter ihnen die Erde und über ihnen der Himmel war – und alles andere in ihrer Hand lag.“ (Zitat Seite 103)

Inhalt

1947 lernen sie sich zufällig auf einem Empfang anlässlich einer Parade zu Ehren von King George VI kennen. Lila Cassuto ist eine junge, unabhängige Frau, arbeitet als Maniküre. Elias Riani ist ein junger, vermögender Teehändler. Doch ihrer Liebe bleibt nicht viel Zeit, denn die Jüdin Lila wohnt im Westteil von Jerusalem, der Araber Elias im Ostteil. Am 29. November 1947 wird die Teilung Palästinas beschlossen, der Staat Israel entsteht. Die Mauer, die bald darauf Jerusalem teilt, wird zu einem unüberbrückbaren Hindernis und trennt Lila und Elias für neunzehn Jahre. Sie vergessen einander nicht, doch ihr Leben entwickelt sich völlig unterschiedlich. Kann es einen Neubeginn geben?

Thema und Genre

In Roman geht es um die Problematik der Staaten Palästina und Israel, die geteilte Stadt Jerusalem, Politik, Kriege, Religion, vor allem aber um Familie und Liebe.

Charaktere

Lila ist eine engagierte, unabhängige Frau. Sie kann Elias nicht vergessen und hofft, ihn eines Tages wiederzusehen. Elias wählt seinen eigenen Weg, resigniert beugt er sich den Wünschen seiner Eltern. Nomi ist die Tochter von Lilas Freundin Margo, doch zu Hause wird das an allem interessierte Mädchen von allen übersehen, sie schließt sich Lila an und lernt später auch Elias kennen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte findet auf zwei Zeitebenen statt und wird abwechselnd erzählt. Der erste Erzählstrang spielt in der aktuellen Zeit, im Jahr 2006, der zweite Erzählstrang umfasst die Ereignisse in den Jahren 1947 bis 1967. Im Mittelpunkt stehen die Liebe zwischen einem Araber und einer Jüdin, das unterschiedliche Lebensumfeld und das weitere Schicksal. Die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat bleiben Hintergrundthemen, wie auch die damit verbundenen Probleme und Kriege. Ich hatte etwas mehr Zeitgeschichte und weniger romantische Liebe erwartet. Die Sprache ist poetisch, leicht zu lesen und passt zum Genre.

Fazit

Ein romantischer Liebesroman, in dessen Mittelpunkt eine Jüdin und ein Araber stehen und ihre Liebe in Israel, in der durch eine Mauer geteilten Stadt Jerusalem.

Wenn ich wiederkomme – Marco Balzano

AutorMarco Balzano
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 29. Februar 2021
FormatHardcover
Seiten320
SpracheDeutsch
ÜbersetzungPeter Klöss
ISBN-13978-3257071702

„Du verstehst deine Mutter nicht, weil sie dir erlaubt hat, eine andere Frau zu werden.“ (Zitat Seite 276)

Inhalt

Manuel wächst in Rădeni auf, einem rumänischen Dorf nahe der Grenze zu Moldawien. Er ist zwölf Jahre alt, als er eines Morgens erwacht und seine Mutter ist weg. Heimlich hat Daniela die Familie verlassen und ist jetzt auf dem Weg nach Italien, wo sie in Mailand eine Stelle als private Pflegerin angenommen hat. Zurück bleiben Manuel, seine acht Jahre ältere Schwester Angelica und sein arbeitsloser Vater. Angelica muss sich, gemeinsam mit den Großeltern, um die Familie kümmern. Daniela will mit dem Geld, das sie verdient, ihren beiden Kindern eine gute Ausbildung und damit eine bessere Zukunft finanzieren. Besonders Manuel leidet unter dieser Situation, die immer kürzer werdenden Besuche der Mutter, die doch wieder wegfährt. Dann stirbt Opa Mihai, sein einziger Halt. Es gibt Tage, da läuft es für Manuel besser, dieser eine Tag war vom Aufwachen an keiner dieser guten Tage.

Thema und Genre

Dieser Roman handelt von den Migrantinnen, die ihre Familien verlassen, um im Ausland als billige Arbeitskräfte tätig zu sein, meistens als Haushaltshilfen und im privaten Pflegebereich. Es geht um diese Mütter, doch vor allem geht es um das Leben der zurückgelassenen Kinder und Jugendlichen, in ihren Heimatländern „Eurowaisen“ genannt.

Charaktere

Daniela will ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten und ist enttäuscht, dass vor allem Manuel ihr Opfer nicht zu schätzen weiß, er fühlt sich von ihr im Stich gelassen, verraten. Manuel würde viel lieber die Landwirtschaftsschule besuchen, als das Gymnasium, das seine Mutter mit ihrer Arbeit in Italien finanziert. Angelica studiert, muss durch den Weggang der Mutter aber die Verantwortung für den Haushalt und den jüngeren Bruder übernehmen, was sie zornig macht und überfordert.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in drei Abschnitten von jeweils einer der Hauptpersonen als Ich-Erzähler, teilweise rückblickend, geschildert. „Außerdem gibt es keine gemeinsamen Erinnerungen, jeder hat seine eigene und macht aus ihr, was er will.“ (Zitat Seite 230) Im ersten Teil beschreibt Manuel diese Jahre, beginnend mit dem Morgen, an dem seine Mutter ohne ein Wort abgereist ist. „Im Leben geht es nur darum, einander nah zu sein, wie bei den Kaninchen im Stall, wenn’s draußen friert.“ (Zitat Seite 30) Das denkt der junge Manuel, wünscht sich die Mutter zurück und ist ihr absolut nicht dankbar. Im zweiten Teil erzählt Daniela, die Mutter, von ihrer Arbeit als Pflegerin und Kindermädchen, von den Menschen, die sie in Mailand betreut hat, von ihrem Alltag und den Lebensumständen während dieser Zeit. Sie ist überzeugt, das Richtige getan zu haben, als sie, zu Hause arbeitslos geworden, ins Ausland arbeiten ging. Dieser zweite Teil verbindet die vergangenen Jahre mit der Gegenwart. Im dritten Teil erzählt die Tochter Angelica die Geschichte in der Gegenwart weiter, es ist zugleich auch ihre Geschichte. In diesem letzten Abschnitt geht es auch um die Frage, ob diese Familie noch einmal zusammenfinden kann. Die Sprache ist leise, klar und einfühlsam.

Fazit

Die Geschichte einer Familie, die plötzlich Tausende von Kilometern voneinander entfernt ist, weil die Mutter das abgelegene rumänische Dorf verlässt, überzeugt, keine andere Wahl zu haben. Dieser Roman beleuchtet vor allem die andere Seite, was macht diese Situation mit der Familie, mit den heranwachsenden Kindern, die in der Heimat zurückbleiben. Die Intention des Autors ist es, auf die Situation aufmerksam zu machen. Diese Geschichte verurteilt nicht, aber sie wirft viele Fragen auf, die zum Nachdenken anregen.

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