„Und ich lass dir als Pfand das Meer – Carme Riera

AutorCarme Riera
Verlagmareverlag
Datum21. Februar 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten112
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinPetra Zickmann
NachwortKirsten Brandt
ISBN-13978-3866487383

„Weil ich aber deinen Namen und deine Adresse unbedingt vergessen wollte, schrieb ich an das Meer in der leisen Hoffnung, dass die Wellen meine Nachricht bis vor deine Haustür tragen würden.“ (Zitat Seite 33)

Thema und Inhalt

Dieser Erzählband aus der Serie „mare-Klassiker-klein“ beinhaltet sechs Erzählungen der bekannten katalanischen Schriftstellerin, die ersten fünf Texte sind 1975 in katalanischer Sprache erschienen, der letzte Text 1977. Die Grundthemen sind das Meer, Inseln und die damit verbundene Sehnsucht nach Weite und persönlicher Freiheit. Es sind Frauen, die am Ende des Franco-Regimes in einer von den Regeln des Patriarchats bestimmten Welt nach einem selbstbestimmten Leben nach den eigenen Vorstellungen suchen. Es sind kurze Erzählungen, die ohne Einleitungen sofort in die Situation führen und da in ihnen auch immer das Schweigen und der Tod als einzige Möglichkeit, frei zu sein, als Thema präsent sind, lassen sie Platz für Interpretationen.

Gestaltung

Dieses Büchlein im Format 10.3 x 1.5 x 15.8 cm ist gebunden, mit Lesebändchen, und ist ebenso ansprechend und wertig gestaltet, wie der dazugehörende Schuber.

Auch der inhaltliche Aufbau ist durchdacht, am Beginn steht die titelgebende Erzählung. „Ich habe Sehnsucht nach dir, Sehnsucht nach dem Meer. Und lasse es dir, mein Liebling, als Pfand.“ (Zitat Seite 41) Den Abschluss bildet die sechste Erzählung, die eine Ergänzung der ersten Erzählung ist, eine andere mögliche Variante, eine andere Sichtweise und so umschließen diese beiden Erzählungen gleichsam die anderen Geschichten. Was sie eint, ist das in unterschiedlichen Formen immer präsente Thema Meer. Im Anhang finden wir ein erklärendes, vertiefendes Nachwort von Kirsten Brandt und die Viten.

Fazit

Es sind beeindruckende, intensive Erzählungen über Sehnsüchte, die leidenschaftliche Liebe zwischen zwei Frauen. Eingebettet sind diese Geschichten in Schilderungen der Natur, des Meeres, der einsamen Stände, der Weite des Himmels der Insel Mallorca. Als Gegenteil dazu steht die Enge in den Straßen von Barcelona. Faszinierend, wie es Carme Riera gelingt, mit wenigen Worten über so viele Facetten von Situationen, Gefühlen und Handlungen zu schreiben.

Schnell mal Pasta: Jede Gabel ein Stück Italien – Cornelia Poletto

AutorCornelia Poletto
VerlagGRÄFE UND UNZER Verlag
Datum6. Februar 2025
AusgabeTaschenbuch
Seiten64
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3833896057

„Pasta ist viel mehr als ein schneller Sattmacher, davon ist die Spitzenköchen überzeugt. Sie hat schon oft erlebt, wie man mit einfachsten Zutaten und minimalem Aufwand für glückliche Gesichter sorgen kann, indem man einen Teller Pasta serviert.“ (Zitat Seite 04)

Thema und Inhalt

In diesem Buch aus der mehr als 140 Titel umfassenden Kochbuchreihe BU Küchenratgeber stellt die Spitzengastronomin Cornelia Poletto dreißig erprobte Rezepte vor, die wir spontan in den Gedanken haben, wenn wir an typisch italienische Pasta denken. Das Besondere daran: es sind tatsächlich einfache Rezepte, deren Zutaten man überall bekommt und die in maximal dreißig Minuten zubereitet sind. Dennoch tragen sie alle Polettos Handschrift und damit diese kleine, besondere Abwechslung, welche Pasta zur Lieblingspasta macht.

Gestaltung

Wie bei den praktischen Büchern dieser Serie findet man auch hier auf den doppelten Klappen die wichtigsten Infos, in diesem Fall geht es um das Grundprinzip einer schnellen Pasta, das Kochen der Teigwaren, Italienische Käsesorten, Italienische Kräuter, das Grundrezept für Tomatensugo und die perfekte Kombination aus Pastasorte und Sauce. Die Rezepte selbst sind in die Kapitel ‚Einfach, schnell und gut‘, ‚Mit Gemüse‘, ‚Geliebte Klassiker‘ und ‚Mit Fisch und Meeresfrüchten‘ eingeteilt. Zu jedem Rezept finden wir die Liste der Zutaten, die einzelnen Schritte der Zubereitung und jeweils ein großes Farbfoto, das sofort zum Nachkochen anregt. Alle Bücher dieser Serie haben ein praktisches Format, das Platz auf jeder Arbeitsfläche findet und sie halten auch mal einen kleinen Spritzer aus.

Fazit

Ich kann in der Buchhandlung nie an den GU-Aufstellern vorbeigehen, ohne zu stöbern. Hier  genügte das Thema, der Name Poletto und ein kurzer Blick auf das Rezept für Pesto alla Genovese, um mich zu überzeugen. Diese handlichen vierundsechzig Seiten zaubern Italien pur auf den Teller und in unsere Sinne.

Am Arsch vorbei geht auch ein Weg – Alexandra Reinwarth

AutorAlexandra Reinwarth
Verlagmvg Verlag
Datum9. Mai 2016
AusgabeTaschenbuch
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3868826661

„Wer auch der Meinung ist, das Leben könnte etwas mehr Freiheit, Muße, Eigenbestimmung und Schokolade vertragen und dafür weniger Kathrins, WhatsApp-Gruppen und Weihnachtsfeiern, der ist hier goldrichtig. Ich hoffe, ich kann hierfür Inspiration und Anschubhilfe bieten.“ (Zitat Seite 13)

Thema und Inhalt

„Wie sich dein Leben verbessert, wenn du dich endlich locker machst“ lautet der Untertitel dieses Sachbuchs, das ein besonderer Ratgeber ist. Es geht davon, sich ohne allzu schlechtes Gewissen von Menschen und Verhaltensweisen zu trennen, die das eigene Leben belasten, die den Alltag mit Unwichtigem füllen und die, hat man sich erst entschieden, etwas zu ändern, Zeit lassen für jene Dinge, die wirklich wichtig sind. Dies beschriebt die Autorin aus ihrer eigenen Sicht, denn es sind die Erfahrungen ihres Selbstversuchs.

Umsetzung

Das Buch ist in sechs große Abschnitte eingeteilt. Zu Beginn geht es um die eigene Person es folgen Freunde, Bekannte und Unbekannte, dann ein wichtiges Thema, die Familie. Weiter geht es mit Im Beruf, Eltern & Kinder und den Abschluss macht Die Liebe. Die entsprechenden Themen sind in einzelne Kapitel eingeteilt und umfassen alltägliche Situationen, die wir alle aus dem eigenen Leben kennen und Vorschläge, jene Dinge, die wir nur wegen der Meinung anderer Menschen tun, nicht aber, weil wir selbst es wollen, einfach nicht mehr zu tun, mit dem Ziel, uns frei zu fühlen und an Lebensqualität zu gewinnen.

Fazit

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt beim Lesen eines Sachbuchs so begeistert genickt und so schallend gelacht habe, wie besonders bei den Abschnitten rund um Weihnachten. Wer dieses Buch so wie ich bisher noch nicht gelesen hat, wer gerade entsprechend über die eigene Situation nachdenkt und wer endlich den Unterschied zwischen Verkrampft-Aufräumen und Verkrampft-Nichtaufräumen kennen will, dem kann ich die Lektüre schmunzelnd empfehlen.
 

Lilianas unvergänglicher Sommer – Cristina Rivera Garza

AutorCristina Rivera Garza
VerlagKlett-Cotta
Datum12. Juli 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
SeitenPrint-Ausgabe: 336 Seiten
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinJohanna Schwering
ISBN-13978-3608966749

„Wir senkten die Stimme und kapselten uns ab, versteckten dich in uns, um dich nicht der vorschnellen Verurteilung auszusetzen, der geifernden Neugier, den mitleidsvollen Blicken.“ (Zitat Pos. 470)

Inhalt

Die lebensfrohe, beliebte und begabte Architekturstudentin Liliana Rivera Garza, die jüngere Schwester der Autorin Cristina Rivera Garza, hat schon früh begonnen, kleine Briefchen an ihre Freundinnen zu schreiben, Zettel mit Notizen als Dialoge mit sich selbst, über ihre Gefühle und Gedanken, über Alltägliches und über Dinge, über die sie nicht reden wollte. Am 10. Juni 1984 taucht der Name Ángel zum ersten Mal in diesen Notizen auf und erst Anfang 1990 gelingt es Liliana, sich endgültig aus einer extrem problematischen Beziehung zu befreien. Der letzte Eintrag in ihren Notizen ist vom 15. Juli 1990, achtzehn Stunden später lebt sie nicht mehr. Ángel, der Täter, wird nie gefasst. Lilianas Familie versinkt in erstarrtem Schweigen. Erst neunundzwanzig Jahre, drei Monate und zwei Tage später nützt Cristina einen Arbeitsaufenthalt an der Universität von Mexiko, um die Herausgabe der damaligen Ermittlungsakten zu beantragen. Sie versucht, den Spuren ihrer kleinen Schwester zu folgen und sie findet die Kraft, endlich Lilianas Nachlass zu sichten, zahlreiche Kartons und Kisten voller Notizen und Aufzeichnungen, und Liliana durch ihre Recherchen Schritt für Schritt wieder sichtbar zu machen.

Thema und Genre

Dieses biografische Porträt erzählt das Leben einer begabten, unangepassten jungen Frau, aufgezeichnet von ihrer älteren Schwester, der Schriftstellerin, Soziologin und Historikerin Cristina Rivera Garza. Es geht um Freundschaft, Familie, Liebe, um das Zulassen von Trauer. „Trauer ist das Ende der Einsamkeit.“ (Zitat Pos. 1475) Wichtige Themen sind Femizid, Gewalt in Partnerschaften und die begründete Kritik an einer Gesellschaft, welche die damit verbundenen Gefahren zunächst nach wie vor im Verhalten der Frauen sieht.

Erzählform und Sprache

Die einzelnen Geschichten wechseln einander ab, manchmal mit fließenden Übergängen. Eine Geschichte schildert das Leben von Liliana, ihre Kindheit in Toluca und ihre Studienzeit in Mexiko-City. Neben den eigenen Erinnerungen und den zahlreichen Aufzeichnungen und Notizen von Liliana führt die Autorin während ihrer Recherchen auch viele Gespräche mit Freunden, Freundinnen, Kommilitonen und Bekannten, die erzählen, wie sie persönlich Liliana erlebt haben. „Wenn Liliana dich mochte, dann mit Haut und Haar.“ (Zitat Pos. 1629). Die Autorin berichtet über ihre mühsamen Behördenwege, um von den offiziellen Stellen beinahe dreißig Jahre später eine umfassende Kopie der alten Akte zu erhalten. In einem sozialkritischen Abschnitt beschäftigt sich die Autorin und Soziologin mit den Fakten über Gewalt an Frauen in Mexiko, früher und heute, Gegenmaßnahmen und die aktiven Proteste der Frauenbewegungen. Immer wieder fließen auch die persönlichen Erlebnisse und Trauerarbeit der Autorin und ihrer Familie in den Text ein, den unterschiedlichen Umgang mit Erinnerungen und das Leben mit dem ungelösten Mordfall. Die Sprache schildert einfühlsam, interessant und packend.

Fazit

Dieses Buch ist eine besondere Spurensuche, intensiv und bewegend. Seite um Seite entsteht ein Porträt dieser jungen Frau, eine Rebellin, eine Intellektuelle, eine begeisterte Vielleserin, für die Architektur kein Beruf, sondern eine Berufung ist und deren Leben zu Ende war, als es gerade erst begonnen hatte.

Anna oder: Was von einem Leben bleibt – Henning Sußebach

AutorHenning Sußebach
VerlagC.H.Beck
Datum10. Juli 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten205
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3406836268

„Dieses Buch ist ein Versuch, eine Erinnerung zu retten. Einen jener Menschen wieder ins Licht zu ziehen, der in unruhigen Zeiten lebte, die unseren heute nicht ganz unähnlich sind.“ (Zitat Seite 10)

Inhalt

Am 29. April 1866 kommt Anna als viertes Mädchen der Familie Kalthoff zur Welt. Sie ist klug und soll Lehrerin werden. 1887 ist es soweit, die zwanzigjährige Anna kommt als neue Dorfschullehrerin nach Cobbenrode. Damals ist das ein Dorf mit dreiundachtzig Häusern und fünfhundertsieben Einwohnern. Das Dorfzentrum bilden Kirche, Pfarrhaus und Schule, und das große Haus der Familie Vogelheim, zunächst Halt der Postkutsche, Post und Wirtshaus, dann auch Kaufhaus, Baumarkt und Treffpunkt für kulturelle Veranstaltungen. Clemens Vogelheim, der älteste Sohn, und Anna verlieben sich. Die Familie Vogelheim lehnt die junge Lehrerin ab. Anna ist nicht nur vier Jahre älter als Clemens, sondern auch arm, denn Lehrerinnen sind schlecht bezahlt. Außerdem müssen Lehrerinnen ledig bleiben. Um 1900 ist überall Aufbruchsstimmung, nur Annas Leben bleibt im Stillstand, bis 1902 Vater Vogelheim stirbt. Sohn Clemens ist der Haupterbe und verlobt sich mit Anna. Damit endet Annas Tätigkeit als Lehrerin und ein neues Leben mit neuen Herausforderungen beginnt – und es sind große Herausforderungen, die unerwartet rasch auf Anna zukommen.

Thema und Genre

In diesem Buch erzählt Henning Sußebach die Geschichte seiner Urgroßmutter. Es geht um ein Frauenleben zwischen 19. und 20. Jahrhundert. Anna Kalthoff war keine bekannte Persönlichkeit, sondern zählte zu den gewöhnlichen Menschen. Doch sie und ihr Leben waren für die Situation der Frauen in der damaligen Zeit alles andere als gewöhnlich.

Erzählform und Sprache

„In jeder Biografie spiegelt sich Weltgeschehen …“ (Seite 9) und so ergänzt der Autor die Geschichte seiner Urgroßmutter mit wichtigen geschichtlichen Ereignissen, die in den jeweiligen Jahren stattgefunden haben und prägend und zukunftsweisend waren. Annas Leben schildert er einfühlsam anhand von Dokumenten und Fotografien, die er finden konnte. In seiner Familie lebt inzwischen niemand mehr, der Anna noch persönlich gekannt hatte und ihr Nachlass besteht aus nur wenigen Unterlagen und Gegenständen. Zusätzliche Informationen über das Dorf, sowie Berichte über das soziale und zeitgeschichtliche Lebensumfeld  findet er in den zahlreichen Archiven und Museumssammlungen, die er durchstöbert. So entsteht dieses Buch aus vielen kleinen Fragmenten. Das Resultat ist die chronologisch erfasste Lebensgeschichte einer für ihre Zeit sehr eigenwilligen und selbstbewussten, mutigen Frau. Die angenehm fließende Sprache schildert lebhaft und eindringlich, lässt uns sofort in diese Zeit, das Dorfleben und die Ereignisse in diesem Frauenleben eintauchen.

Fazit

Eine biografische Erinnerung an ein wechselvolles, interessantes, selbstbestimmtes  Frauenleben in einer ebenso wechselvollen Zeit der Umbrüche, wunderbar erzählt.

Auē – Becky Manawatu

AutorBecky Manawatu
VerlagAlfred Kröner Verlag
Datum24. April 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten464
SpracheDeutsch
ÜbersetzungJana Grohnert
ISBN-13978-3520630018

„Ich dachte, dass es für Ari und mich immer so sein würde. Wir würden in Spiegeln und Menschenmengen nach Fragmenten von all jenen suchen, die wir verloren hatten.“ (Zitat Seite 81)

Inhalt

Nach dem Unfalltod der Eltern bringt der junge Maori Taukiri seinen Bruder Ārama „Ari“ in ein neues Zuhause bei Tante Kat, die Schwester der verstorbenen Mutter, und dessen Ehemann Stu. Taukiri selbst fährt mit seiner Gitarre und seinem Surfbrett auf dem Autodach Richtung Norden, auf der Suche nach einem eigenen Leben. Obwohl er seinem Bruder verspricht zurückzukommen, hat er dies nicht vor. Beth, die Tochter des benachbarten Farmers, ist zwar ein halbes Jahr jünger als Ari, doch während Ari ängstlich und ruhig ist, ist Beth frech und tough. Rasch entsteht eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden, in der Ari Halt in seinem neuen, schwierigen Leben findet. Seit Generationen ist das Familiengefüge zerrissen und von einer Spirale von Gewalt umgeben, weil Entscheidungen mit unvorhersehbaren Folgen getroffen worden waren. Doch der Wind trägt starke Gedanken und Erinnerungen mit sich, die sich so sehr wünschen, etwas zu verändern.

Thema und Genre

Dieser Roman ist eine sozialkritische Coming-of-Age Geschichte und es geht um Familienbeziehungen, Verlust und Trauer, Bandenkriminalität, Gewalt in der Familie, aber auch um Freundschaft und Liebe.

Erzählform und Sprache

Der Roman spielt in einer ländlichen Gegend in Neuseeland. Die Ereignisse werden chronologisch geschildert und durch Erinnerungen ergänzt. Ārama und Taukiri erzählen ihre Erlebnisse selbst und diese Ich-Form lässt uns intensiv an ihren Gedanken teilhaben. Für die Geschichte von Jade und Toko, die schon erwachsen sind, verwendet die Autorin dagegen die personale Form. Dadurch ergibt sich auch eine sprachliche Vielfalt, der junge Ārama erzählt und denkt seinem Alter entsprechend anders, als sein älterer Bruder Taukiri. Interessant ist, wie im Zuge der Erzählung die Zusammenhänge und Hintergründe Stück für Stück sichtbar werden.  Maori-Traditionen in Verbindung mit Naturbeschreibungen und magischen Momenten ergänzen die Handlung selbst, eine Handlung, die allerdings geprägt ist von brutaler Gewalt gegenüber Mensch und Tier. Obwohl mir die Intention der Autorin und der Grund, aus welchem dieser Roman geschrieben wurde, bekannt sind, sind es für mich unglaubwürdig viele tödliche Gewalttaten, die Mitgliedern dieses verbundenen Familiengefüges zugefügt werden und ich empfinde die Handlung als zu bewusst für die Kernthemen konstruiert.

Fazit

Trotz der aufflackernden Poesie, Magie, trotz glücklicher Momente, positiver Phasen und wiederholter Lichtblicke, ist es eine schonungslos trostlose, deprimierende Geschichte.

„Die Nacht auf dem Rücken“ – Julio Cortázar

AutorJulio Cortázar
VerlagSuhrkamp Verlag
Datum28. September 2019
AusgabeTaschenbuch
Seiten333
SpracheDeutsch
VorwortMario Vargas Llosa
ÜbersetzerWolfgang Promies
Rudolf Wittkopf
ISBN-13978-3518242261

„Die Tür zum Salon und dann der Dolch in der Hand, das Licht der Fenster, die hohe Rückenlehne eines Sessels aus grünem Samt, der Kopf des Mannes in dem Sessel, einen Roman lesend.“ (Zitat Seite 196)

Thema und Inhalt

Dieses Buch ist der erste von vier Bänden mit den Erzählungen des argentinisch-französischen Schriftstellers. Neben seinem Roman „Rayuela – Himmel und Hölle“ sind es besonders diese Geschichten, die seinen literarischen Ruhm begründen. Cortázar spielt ein geniales, besonderes Spiel mit der Sprache, der Phantasie und den Gedankenbildern, und führt die Leser aus scheinbar beschaulichen, einfachen Alltagssituationen leise und zunächst nur mit leichtem Unbehagen in schließlich zutiefst beklemmende, surreale Situationen und Ereignisse. Wirklichkeiten und mögliche Wirklichkeiten überschneiden sich und führen seine Figuren zu unabwendbaren Konsequenzen. „Denn in Cortázars Büchern spielt der Autor, spielt der Erzähler, spielen die Figuren und spielt der Leser, zum Spiel gezwungen durch die teuflischen Fallen, die ihn beim Umblättern erwarten, wenn er es am wenigsten erwartet.“ (Zitat Seite 5, Mario Vargas Llosa, Vorwort)

Gestaltung

Die Erzählungen sind in drei Sammlungen zusammengefasst, chronologisch geordnet nach der Zeit ihrer Entstehung. Dem Vorwort von Mario Vargas Llosa folgt die Sammlung „ Das andere Ufer – 1945“ welche zwölf frühe Geschichten umfasst. Daran schließt „Bestiarium -1951“ an mit acht Geschichten, wobei die letzte Geschichte dieser Sammlung den Namen gibt. Die letzte Sammlung  ist die 1964 erweiterte Fassung von „Ende des Spiels – 1956“ und ist nach der letzten Geschichte benannt, welche auch die letzte Geschichte dieses ersten von insgesamt vier Bänden ist.

Fazit

Die vielen kleinen, einfachen Alltagssituationen oder ebenso klaren Ereignisse haben eines gemeinsam: subtile Wendungen, die sich plötzlich zu einer eigenständigen, packenden Dramatik entwickeln, bei der wir Leser den Atem anhalten und gespannt den Ereignissen und den Entscheidungen und dem Schicksal der Figuren folgen. Wir wissen nun zum Beispiel, was passiert, wenn sich ein Vampir ernsthaft verliebt, und werden wohl noch lange einen Pullover nur mit einem gewissen Unbehagen anziehen. Es ist schwer mit wenigen Worten zu beschreiben, warum man diese auch sprachlich großartigen Erzählungen lesen sollte, doch lesen sollte man sie.

„Einfach Literatur: Eine Einladung“ – Klaus Willbrand

AutorKlaus Willbrand
AutorinDaria Razumovych
VerlagS. FISCHER
Datum25. Juni 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3103977035

„Die im Folgenden bereitgestellten Informationen erheben überhaupt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern spiegeln vielmehr ein Leben mit Literatur wider, das dazu anregen soll, selbst tiefer einzutauchen.“ (Zitat Seite 27)

Thema und Inhalt

Kennengelernt haben sich Klaus Willbrand und Daria Razumovych am 21. September 2021 auf einem Antik-Markt in Köln, Klaus Willbrand ist gerade achtzig Jahre alt geworden. Anfang 2024 überlegt er, nach mehr als zwanzig Jahren sein Antiquariat in Köln zu schließen und Daria schlägt ihm vor, Videos über Literatur zu drehen. Sie wollen Literatur vor allem für die junge Generation sichtbar machen und sind selbst überrascht, dass sie innerhalb kurzer Zeit 200.000 Follower haben. Rasch folgt die Idee, neben der digitalen Präsenz gemeinsam ein Buch zu schreiben. Als Grundlage dienen die vielen Gespräche über Literatur, Videos, Interviews und als Aufnahme diktierte Texte einerseits, und Klaus Willbrands Leselisten als Anregung und Empfehlung für eigene Entdeckungen andererseits.

Umsetzung

Einem Einblick in den Werdegang von Klaus Willbrand und grundlegenden Gedanken folgen Kapitel über die einzelnen Literaturkreise, beginnend mit der deutschsprachigen Literatur. Es folgt ein Abschnitt über Werke der angloamerikanischen Literatur und dann über französischsprachige Literatur. In jedem dieser Abschnitte werden Werke von Schriftstellern und Schriftstellerinnen vorgestellt, die Klaus Willbrand zeitlos beeindruckt und geprägt haben. Am Ende finden sich Listen der wichtigsten Schriftsteller und Schriftstellerinnen des jeweiligen Literaturkreises. Daran anschließend erzählt Klaus Willbrand von seinen Jahren in seinem Antiquariat, es folgen einige Zeilen zur Entstehung dieses Buches und die persönliche Leseliste von Klaus Willbrand. Mit einer Danksagung endet dieses Vermächtnis eines Buchmenschen.

Fazit

Als Literaturverführer wird dieses Buch im Text auf dem rückseitigen Einband bezeichnet und genau das ist es. Mit einem leichten Schmunzeln oder zustimmendem Kopfnicken wird man in Klaus Willbrands Liste eine Reihe von Büchern finden, die man bereits gelesen hat und sich an das eigene Leseerlebnis erinnern. Doch es gibt noch viel zu entdecken und meinen Blick zog es sofort in meine Regale, wo moderne Klassiker wie „Ulysses“, vier Bände von Prousts Suche nach der verlorenen Zeit und auch „Der Zauberberg“ schon lange darauf warten, endlich gelesen zu werden. Dieses Buch ist eine Einladung zu einem persönlichen Lesestreifzug durch die Literatur, verbunden mit vielen interessanten Informationen. Kann man mit leichter Hand ein Buch mit Tiefgang schreiben – man kann, wie das vorliegende Buch zeigt.

wolken westwärts: ermittlungen zweiter ordnung – ralf b. korte

AutorRalf B. Korte
VerlagKlingenberg Verlag
Datum1. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903284616

„deine Erfahrung soll auch bereits gemachte und laufende beobachtungen der ermittelnden sehen und mit entsprechendem abstand identifizieren, wer denn was gesehen und anderes übersehen hat.“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

Michael Henze, ein nicht mehr aktiver Kriminalbeamter, wird von Eliza aus Graz kontaktiert, im Namen von Auftraggebern, die zunächst im Hintergrund bleiben. Bru, eine Mitarbeiterin von dem Grazer Unternehmen sens_x, die an brisanten Recherchen gearbeitet hat, ist in Triest ermordet worden. Auf Intervention der österreichischen und amerikanischen Botschaft wurden die Ermittlungen jedoch rasch eingestellt, Unterlagen und die von der Triester Polizei gesammelten Indizien sind verschwunden. Nun soll Henze als neuer Beobachter des bisher Beobachteten nochmals die Hintergründe der Tat ermitteln. Er reist zwischen Berlin, Graz und Triest, Eliza scheint ihm zu folgen und Henze frage sich, ob er tatsächlich den Spuren folgen, oder sie, während er sucht, verwischen soll.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um philosophische, naturwissenschaftliche, psychologische und gesellschaftsrelevante Überlegungen und Themen, in deren Mittelpunkt KI und das Metaverse stehen, verbunden mit der Frage, wie weit es möglich ist, mittels KI durch gezielt eingesetzte Emotionen die Menschen zu manipulieren und in die Gedankenfreiheit einzugreifen. Auch die Literatur und hier vor allem die themenrelevante Lyrik, fließen wiederholt in Henzes Überlegungen ein.

Erzählform und Sprache

wolken westwärts ist im Grunde ein Gedankenmonolog in Romanform. Es sind Henzes Gedanken und Überlegungen, seine Beobachtungen und Selbstbeobachtungen, die wir lesen, mit Auslassungen und Gedankensprüngen. Eliza überlässt Henze Brus Aufzeichnungen, doch auch diese sehen wir nur durch Henzes Gedankenströme, er liest und interpretiert, bindet seine eigenen Überlegungen und Wissen ein. Dialoge finden nicht statt, auch der Informationsaustausch zwischen seiner Auftraggeberin Eliza und Henze erfolgt ausschließlich schriftlich und manchmal vermisst Henze die fehlende Interaktion. Die klare, präzise Sprache verzichtet auf Groß- und Kleinschreibung, was mich zu der Überlegung brachte, dass auch unsere Gedanken ohne Groß- und Kleinschreibung fließen. Der Autor setzt auch die Beistriche sehr sparsam ein. Manche Sätze musste ich zwei Mal lesen, um dann mit Vergnügen diese wohlüberlegte, literarische Wortsetzung und Anordnung im Satz zu erkennen.

Fazit

Dies ist kein einfacher Kriminalroman, sondern es ist eine Vielfalt an gesellschaftsrelevanten, aktuellen Themen, eingebunden in ein gedankliches Verwirrspiel mit möglichen Erkenntnissen. Es gibt beim Lesen und auch danach reichlich Stoff zum Nachdenken und auch neues Wissen über wissenschaftliche Begriffe wie Noosphäre, Metaverse und moderne Lyriker wie Ben Lerner. Eine anspruchsvolle Lektüre, die mich inhaltlich und auch sprachlich gefordert hat, aber es war eine positive Herausforderung, die mich gepackt und begeistert hat.

Konfliktzone Ostsee: Die Zukunft Europas – Oliver Moody

AutorOliver Moody
VerlagKlett-Cotta Verlag
Datum17. Mai 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten528
SpracheDeutsch
ÜbersetzerJörn Pinnow, Enrico Heinemann, Tobias Gabel
ISBN-13978-3608966503

„Heute führt das Ringen zwischen Russland und dem Westen nicht nur dazu, dass die Länder an der Ostsee so eng zusammenwachsen wie nie zuvor; es rückt diesen traditionell eher peripheren Teil Europas auch in den Mittelpunkt des Geschehens.“ (Zitat Pos. 9761-9771)

Thema und Inhalt

Dieses Buch wurde Anfang 2024 geschrieben, teilweise überarbeitet im Oktober 2024, und bietet einen aktuellen Blick auf die heutige Situation der Ostsee und der Staaten, die sie umgeben. Konkret geht es um Estland, Finnland, Lettland, Dänemark, Polen, Deutschland, Litauen und um die wichtige Bedeutung dieser Ostseestaaten, sowie eines engen Zusammenschlusses und eines gemeinsamen Vorgehens derselben.  Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Polen und Deutschland. Der Autor hinterfragt auch die Beweggründe und Sichtweisen von Präsident Putin und seinen Beratern, und zeigt auf, wie weit im Hintergrund bereits diverse Aktivitäten wie Cyberangriffe und elektronische Störaktionen laufen. Ein weiteres Thema sind Expertenanalysen zu der drängenden Frage, ob Russland bereit ist, einen offenen Krieg mit der NATO zu riskieren, und mögliche Formen einer tatsächlichen kriegerischen Auseinandersetzung.

Umsetzung

Der Inhalt ist in drei große Teile gegliedert. Die Teile I und Teil II umfassen sieben Kapitel, in deren Mittelpunkt jeweils eines der Länder steht. Einem Rückblick auf die jeweilige Geschichte und den Kampf um die Unabhängigkeit folgt eine Analyse von Politik, Wirtschaft, Umwelt, Zukunftsprojekten, und bereits bestehenden Beziehungen mit Nachbarländern. Es ist ein Versuch, die immer noch wenig bekannten Länder des Baltikums besser zu verstehen und die Möglichkeiten zu erkennen, die sich daraus ergeben. „Wenn es einen Weg aus der gegenwärtigen Vertrauens- und Sinnkrise gibt, dann werden ihn diese Länder weisen.“ (Zitat Pos. 5495) Die intensiv recherchierten Fakten werden durch zahlreiche Zitate aus Gesprächen mit Experten aus diversen Fachbereichen und mit wichtigen Persönlichkeiten aus der Politik ergänzt, aber auch die Meinungen von den Menschen, die im jeweiligen Land leben, wurden in persönlichen Begegnungen erfragt. Teil III beginnt mit einem eigenen Kapitel über das Verhältnis Polen-Deutschland. Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit der Sichtweise Russlands, Putins ungebrochenem Interesse am Ostseeraum, mit den schon länger im Hintergrund gestarteten Aktivmaßnahmen. In den drei anschließenden, letzten Kapiteln des Buches geht es um die Wichtigkeit und Bereitschaft der NATO, die Fähigkeit und Entschlossenheit sich zu verteidigen deutlich zu zeigen, und Moskau durch ein entsprechendes Verhalten auch davon zu überzeugen.

Fazit

„Die beste Möglichkeit, einen Krieg zu verhindern, ist das unzweifelhafte Potenzial, einen Krieg zu gewinnen.“ (Zitat Pos. 9647) Dem Autor ist klar, dass sich die Leser und Leserinnen auf Grund der Aussagen und Argumente, besonders in Bezug auf eine tatsächliche militärische Auseinandersetzung, eine eigene Meinung bilden werden, die nicht unbedingt mit seinen Schlussfolgerungen übereinstimmen muss. Gerade deshalb bietet dieses lesenswerte Buch neben wichtigen, wissenswerten Informationen und einer klar formulierten, sehr präzise und spannend geschriebenen, umfassenden Analyse der Situation der Ostseestaaten auch reichlich Stoff zum weiteren Nachdenken.

Die Victoria Verschwörung – Andreas Storm

AutorAndreas Storm
VerlagKiWi-Paperback
Datum8. Mai 2025
AusgabeBroschiert
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462006681

„Zu viele Informationen auf einmal. Zu viele Fäden mit zu vielen losen Enden.“ (Zitat Pos. 1669)

Inhalt

Im Mai 1965 besucht Königin Elizabeth II. Westdeutschland. Ein aus vielen Gründen bedeutsames Ereignis, denn dies ist der erste Staatsbesuch eines britischen Monarchen nach den beiden Weltkriegen in Deutschland. Bei diesem Besuch wird der Queen das Gemälde ‚Victoria 45‘ von Johann Hermann Kretzschmer als besondere Überraschung zurückgegeben, das bis zu diesem Zeitpunkt als verschollen galt. 2016, über fünfzig Jahre später, wendet sich der Leiter des Royal Collection Trust mit einer brisanten Nachricht an den bekannten Kunstexperten und Beutekunstforscher Lennard Lomberg. Bei dem besagten Gemälde handelt es sich möglicherweise um eine Fälschung. Die geschichtlichen Hintergründe bergen eine Reihe von gefährlichen Geheimnissen und der Besitzer des angeblich echten Gemäldes droht, diese öffentlich bekanntzumachen. Plötzlich ist die versierte Kunstgutachterin Alexandra Cullen, die das Gemälde der Royal Collection  untersuchen sollte, spurlos verschwunden. Es gibt ein Ultimatum und die Zeit drängt. Gelingt es Lennard Lemberg, gemeinsam mit seiner Tochter Julie und seiner Lebensgefährtin, Kriminalrätin Sina Röhm, herauszufinden, was damals wirklich geschehen ist, und wer heute Interesse daran hat, die vergangenen Ereignisse zu enthüllen?

Thema und Genre

In diesem Kriminalroman geht es um Kunst und zeitlos aktuelle Geschäfte mit Raubkunst, Familiengeheimnisse, politische und diplomatische Beziehungen, Geheimdienste und ungeklärte Mordfälle, und natürlich um die beeindruckende Stadt London.

Erzählform und Sprache

Der Schreibstil ist präzise und flüssig zu lesen. Die Geschichte wird in drei unterschiedlichen Erzählsträngen und Zeitebenen geschildert, 1940, Mai 1965, und Herbst 2016. Die Ereignisse finden manchmal gleichzeitig, oder aber in einem knappen Zeitablauf statt, dies ergibt eine rasante, packende Handlung. Dennoch bleibt die Geschichte übersichtlich und nachvollziehbar, was auch an der klaren Struktur liegt. Jedes der sieben großen Kapitel spielt in jeweils einem der Zeitbereiche, ist in kurze Abschnitte eingeteilt, welche genaue Angaben von Zeit und Ort als Überschrift tragen. Am Ende des Buches findet sich ein Figurenverzeichnis mit ergänzenden Erklärungen.

Fazit

Auch dieser dritte Band der Lennard-Lomberg-Serie ist eine interessante Mischung aus gut recherchierten Fakten, bekannten Tatsachen und Fiktion. Eine spannende, facettenreiche Geschichte, überraschende Wendungen und eine Vielfalt an bis ins Detail ihres Verhaltens glaubhaften Figuren – ein Kriminalroman, den man mit Vergnügen liest.

Their Little Secret – Mark Billingham

AutorMark Billingham
VerlagLittle, Brown Book Group
Datum2. Mai 2019
AusgabeKindle
Seiten397 (Print)
SpracheEnglish
ASINB07KW91G2B

„In many ways, he found murder simpler to process and deal with, because the questions were always the same. Who had done it, why and, most importantly of all, how was he going to find them?” (Zitat Seite 14)

Inhalt

DI Tom Thorne und sein Team gehören auch einer mobilen Einheit an, die bei einem plötzlichen Todesfall prüft, ob ein Verdacht auf ein Verbrechen besteht und weitere Ermittlungen notwendig sind. In diesem Fall ist es eindeutig Selbstmord. Philippa Goodwin hat sich in Highgate Underground Station vor die einfahrende U-Bahn gestürzt und es waren keine anderen Personen in der Nähe. Als jedoch Philippas ältere Schwester Mary dem Ermittler Tom Thorne den Grund für den Selbstmord nennt, beginnt dieser im Team mit DI Nicola Tanner zu recherchieren. Der charismatische Patrick Jennings, Philippas große Liebe, ist plötzlich verschwunden, nachdem sie eine erhebliche Summe in seine Unternehmensidee investiert hat und diese tiefe Enttäuschung hat den Selbstmord ausgelöst. Tom Thorne ist der Meinung, dass Jennings nicht einfach so davonkommen darf. Doch auch ein neuer Fall hält Thorne und sein Team mit offenen Fragen in Atem, ein junger Mann wurde am Strand tot aufgefunden, brutal ermordet.

Thema und Genre

Ein Hauptthema dieses englischen Kriminalromans, Band 16 einer Serie um den Ermittler Tom Thorne, sind psychologische Hintergründe als Beweggründe für menschliches Verhalten und Verbrechen. Es geht um Beziehungen, Mütter und Kinder, Traumata, Schuld, Liebe in einigen Facetten, und um polizeiliche Ermittlungsarbeit.

Erzählform und Sprache

Es sind unterschiedliche Ereignisse und Geschichten, die gleichzeitig stattfinden und abwechselnd in kurzen Kapiteln geschildert werden. Erst im Laufe der Handlung zeigen sich mögliche Zusammenhänge, Überlegungen und Verdächtigungen und eine Menge überraschende Wendungen, nicht nur für Tom Thorne und sein Team, sondern auch für uns Leser, die wir miträtseln. Nicht alle späteren Erklärungen waren für mich auch glaubwürdig und realistisch nachvollziehbar. Mich haben die begeisterten Kritiken in englischen Medien auf diesen Autor und die Serie neugierig gemacht, allerdings wurden nicht alle Erwartungen erfüllt. Tom Thorne und seine Partnerin Nicola Tanner sind von ihren eigenen Dämonen und Erinnerungen geprägt, sowie von Vorkommnissen aus einem älteren Fall, dennoch fehlen mir bei diesen beiden Hauptfiguren jene besonderen Eigenschaften, die aus literarischen Ermittlerpersönlichkeiten herausragende, spezielle Figuren machen, die im Gedächtnis bleiben. Ich habe das englische Original gelesen, die Sprache schildert packend und passt zum Genre.

Fazit

Ich bin erst mit diesem sechzehnten Band in die Serie eingestiegen, doch es ist eine neue, in sich geschlossene Geschichte, und trotz einiger Hinweise auf ältere Fälle, Tatpersonen und besondere Ereignisse, muss man die früheren Bücher nicht unbedingt kennen. Spannende, interessante Unterhaltung mit kleinen Schwächen.

100 geniale Tricks für eine gesunde Ernährung – Matthias Riedl

AutorMatthias Riedl
Verlag GRÄFE UND UNZER Verlag
Erscheinungsdatum 5. März 2024
FormatGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13 978-3833892158

„Biohacks sind clevere Kniffe, die das Wohlbefinden von Körper und Geist optimieren. Solche Methoden lassen sich maßgeschneidert in Ihren Alltag integrieren, um ihn nachhaltig zu verbessern.“ (Zitat Seite 7, Vorwort)

Thema und Inhalt

In diesem Ratgeber geht es um Biohacking, also ganzheitliche Tricks oder Hacks, die in den Kernbereichen 1 Ernährung, 2 Bewegung, 3 Schlaf und geistige Fitness, das  körperliche und geistige Wohlbefinden steigern. Anders als die vielen Lifestyle-Tipps der unterschiedlichsten Foren im Netz wurde der vorliegende Ratgeber von einem Ernährungsmediziner verfasst und es sind einfach umsetzbare Veränderungen, ohne teure Geräte und aufwendige Technologien.

Gestaltung

Die insgesamt einhundert Tricks oder Hacks sind in drei Kernbereiche eingeteilt: Gesund essen – Mehr bewegen – Besser leben.

Jeder Hack ist ist gleich aufgebaut und beginnt mit dem Tipp selbst, gefolgt vom Benefit und dem Background als Abschluss. Der Benefit erklärt kurz den Nutzen der jeweiligen Maßnahme, im Background werden die medizinischen Zusammenhänge verständlich formuliert erklärt. Dieser einheitliche Aufbau macht dieses Buch alltagstauglich und sehr praktisch, denn man kann sich jene Tipps und Veränderungen heraussuchen, mit denen man beginnen möchte, oder man setzt sofort persönliche Schwerpunkte. Viele bunte Abbildungen, dazu Rezepte und Trainingsübungen ergänzen den Text.

Fazit

Es ist kaum möglich, den Überblick über die vielen Neuerscheinungen von Gesundheits- und Fitnessratgebern auf dem Buchmarkt zu behalten, doch diese „100 genialen Tricks“ haben mich sofort überzeugt. Natürlich kannte ich einige der Tipps in diesem Buch bereits, .aber für mich war viel Neues, Interessantes dabei und die schon bekannten Anregungen nehme ich als Bestätigung. Mich überzeugt diese Auswahl an in der Praxis wirklich einfach umzusetzenden Maßnahmen und natürlich sind die für mich wichtigsten Hacks bereits mit Papier-Postits versehen. Daher ist dieses Buch für mich ein Handbuch im ursprünglichen Sinn der Worte, denn ich nehme es immer wieder gerne zur Hand.

Wut und Liebe – Martin Suter

AutorMartin Suter
VerlagDiogenes Verlag
Datum23. April 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257073331

„Wie eine Buchhaltung. Da kann man auch nicht warten, bis sie stimmt. Man muss etwas tun.“ (Zitat Seite 30)

Inhalt

Noah Bach und Camilla da Silva sind seit fast drei Jahren ein Paar, als Camilla ihm plötzlich mitteilt, dass sie ihn verlässt, obwohl sie ihn liebt. Doch mit Anfang Dreißig hat sie noch andere Pläne, wie sie ihr Leben gestalten will, als mit ihrem Gehalt als Buchhalterin auch für den als Künstler bisher erfolglosen Noah zu sorgen. Noah ist am Boden zerstört und als Betty Hasler, eine fünfundsechzig Jahre alte Witwe, ihm ihr persönliches Problem und den größten Wunsch schildert, den sie in ihrem Leben noch hat, lässt ihn dies nicht mehr los. Denn Camilla will eine finanziell gesicherte Zukunft und die Vernissage in einer mittelmäßig erfolgreichen Galerie zeigt wieder, dass der Erfolg von Noah Bachs Bildern noch auf sich warten lässt. Doch da ist immer noch Betty Haslers Visitenkarte.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Beziehungen, Freundschaft und Hass, Künstlerleben, Wirtschaft und Finanzwelt.

Erzählform und Sprache

Die drei Teile der Geschichte schließen fortlaufend aneinander an, die Ereignisse werden chronologisch geschildert und finden innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne statt. Details aus der Vergangenheit fließen in Form von Erinnerungen und Gesprächen in die aktuelle Handlung ein und ergänzen diese. Im personalen Mittelpunkt der Geschichte stehen Noah und Camilla, teilweise gemeinsam, aber auch getrennt und abwechselnd. Freunde, Bekannte und weitere, für die Handlung wichtige Kernfiguren ergänzen den Personenkreis. Martin Suter versteht es, jede seiner Figuren pointiert so zu gestalten, dass ihre Probleme und Konflikte sie menschlich machen und man auch dort, wo sich ihre Entscheidungen irgendwo in einem Bereich zwischen Grau und sehr dunklem Grau abspielen, hofft, dass es für sie dennoch ein positives Ende gibt. Die Sprache unterstreicht das Lesevergnügen.

Fazit

Auch in diesem neuesten Roman zeigt sich Martin Suter als sprachgewandter, phantasievoller Autor, der manchmal ironisch-böse auf die Beweggründe und das Verhalten seiner Figuren schaut, aber immer auch mit Empathie. Eine unterhaltsame, packende Geschichte mit zunächst vielen losen Fäden, die sich langsam zu verbinden scheinen, allerdings mit einigen sehr überraschenden Wendungen.

Eismacher – Ernest van der Kwast

AutorErnest van der Kwast
Verlagbtb Verlag
Datum9. Mai 2016
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten384
SpracheDeutsch
ÜbersetzerAndreas Ecke
ISBN-13978-3442756803

„Carlo Gatti machte die gefrorene Köstlichkeit für das einfache Volk erschwinglich. Es war, als würde er das Tor zu einem Traum aufstoßen.“ (Zitat Seite 31)

Inhalt

Seit Generationen verwöhnt die Familie Talamini in ihrem Eiscafé in Rotterdam die Menschen mit köstlichem Speiseeis. Die Winter verbringen sie in ihrer Heimat, im norditalienischen Cadoretal. Dieses Pendeln und der damit verbundene Rhythmus bestimmt ihr Leben, wie das vieler anderer Eismacherfamilien. Schon in der Kindheit lernen die Söhne von ihren Vätern die Kunst, zartschmelzende, immer neue Eiskreationen herzustellen und es wird als selbstverständlich angesehen, dass sie diese Tradition fortführen. Als daher Giovanni Talamini neben der Liebe zur Eiscreme eine größere Liebe entdeckt, die Liebe zur Literatur, und sein jüngerer Bruder Luca das Familienunternehmen alleine übernehmen muss, führt das zum Bruch. Sowohl der Vater, als auch Luca sehen in Giovannis Entscheidung einen Verrat an der Familie. Bis Giovanni, der inzwischen als erfolgreicher Direktor des World Poetry Festivals die Welt bereist, für Luca zur einzigen Lösung eines sonst unlösbaren Problems wird.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Familie und Traditionen, die Geschichte der Herstellung von Speiseeis, um Konflikte und Gefühle, und um die Literatur.

Erzählform und Sprache

Es ist Giovanni Talamini, der uns von seiner Liebe zu Büchern und besonders zur Lyrik erzählt, die schon in der Kindheit begonnen hat. Gleichzeitig schildert er die Geschichte seiner Familie, das arbeitsintensive Leben der italienischen Eismacher zwischen Sommersaison und Winter in der Heimat und die durch die Tradition vorgeschriebenen Lebenswege. Viele interessante Details über die Erfindung von Eis als Genussmittel und die Legenden darum, wer, wann und wo tatsächlich die Idee hatte, mühsam geschlagene Eisblöcke nicht nur zu Kühlzwecken einzusetzen, fließen in diese Familiengeschichte ein. Die eindrücklichen Szenen mit Schilderungen der modernen Eisproduktion und der Entwicklung immer neuer Sorten machen sofort Lust auf den nächsten Besuch im Eissalon. Die poetische, leise Sprache ist angenehm zu lesen.

Fazit

Eine Geschichte über Literatur, Eisgenuss und das Leben selbst, die durch Konfliktsituationen, Probleme und die Entscheidungen einzelner Figuren Tiefgang erhält und zum Nachdenken anregt.

Ketzer – Leonardo Padura

AutorLeonardo Padura
VerlagUnionsverlag
Datum15. Juni 2015
AusgabeTaschenbuch
Seiten656
SpracheDeutsch
ÜbersetzerHans-Joachim Hartstein
ISBN-13978-3293206960

„Die Häufung von Zufällen, Ungereimtheiten und überraschenden oder erzwungenen Wendungen in dieser Geschichte überstiegen sein Fassungsvermögen.“ (Zitat Seite 163)

Inhalt

In diesem heißen September 2007 in Havanna wird Mario Conde von dem New Yorker Künstler Elias Kaminsky kontaktiert. Dieser erzählt ihm die abenteuerliche Geschichte seiner Familie, die seine Vorfahren von Polen nach Kuba und dann in die USA geführt hat und von einem Originalbild von Rembrandt, eine Vorstudie zu den Pilgern von Emmaus, das sich seit 1648 im Besitz seiner Familie befand. 1939 hatten die Großeltern von Elias es auf ihrer Flucht mit nach Kuba gebracht, doch ihnen wurde die Einreise verweigert und das Bild ist seither verschwunden. Nun ist das Bild plötzlich bei einer Auktion aufgetaucht. Elias Kaminsky konnte die Auktion mit Berufung auf Raubkunst stoppen, doch El Conde soll in seinem Auftrag die Wahrheit darüber herausfinden, was ist damals geschehen und warum.

Thema und Genre

Dieser Gesellschafts-, Familien-, Künstlerroman, historischer Roman und auch Kriminalroman und Kubaroman erzählt drei große Geschichten. Familie, Freundschaft, Grundsatzfragen der Religion spielen eine wichtige Rolle, der zeitlose Traum von Freiheit und wie immer das Leben in Havanna.

Erzählform und Sprache

Der Roman ist in drei große Abschnitte, der Autor betitelt sie als Bücher, gegliedert und einen kurzen vierten Teil, in dem sich alle Teile der Geschichte verbinden und bisher offene Lücken schließen. Die unterschiedlichen Handlungsstränge spielen zum Teil um 1647 in Amsterdam und es geht um Rembrandt, seine Kunst und seinen Schüler Elias, der zweite Handlungsstrang ist die Geschichte der Familie Kaminsky, die tief in der Vergangenheit beginnt und von Polen über Kuba in die USA führt. Die dritte Erzählebene spielt in der aktuellen Zeit zwischen 2007 und 2009 in Havanna und schildert El Condes Recherchen im Zusammenhang mit dem Bild von Rembrandt und seine Ermittlungen in einer besonderen Gruppierung innerhalb der Jugendszene von Havanna, von der Suche nach einem verschwundenen Mädchen, bei der er auf die Hilfe von Mayor Manuel Palacios „Manolo“ hofft, sein ehemaliger Kollege, der immer noch bei der Kriminalpolizei ist. El Conde soll sich aus den Ermittlungen heraushalten, was er jedoch nicht tun wird, denn irgendwie zeigen sich erste Zusammenhänge. „Er war nun überzeugt davon, das sich am Ende dieser Geschichte mehrere Wege kreuzen würden.“ (Seite 135)

Fazit

Eine packende, interessante, lebhaft pulsierende und überaus klug und stimmig aufgebaute Geschichte, ein poetischer, in vielen Facetten schillernder Roman, der gekonnt reale Ereignisse und geschichtliche Fakten zu einem fiktiven, spannenden und glaubhaften Leseerlebnis verbindet, das begeistert.

Twist – Colum McCann

AutorColum McCann
VerlagRowohlt Buchverlag
Datum11. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ÜbersetzerThomas Überhoff
ISBN-13978-3498003852

„Das erste Rätsel jeder Reise ist nicht so sehr, wo sie enden wird, sondern wie du überhaupt an den Ausgangspunkt gekommen bist.“ (Zitat Seite 120)

Inhalt

Anthony Fennell, ist ein Schriftsteller aus Dublin, der als Journalist für Online-Magazine arbeitet. Er ist auf der Suche nach einer neuen Geschichte zu den Themen Verbindung und Reparatur, als ihm seine Redakteurin anbietet, eine Reportage über die Tiefseekabel auf dem Meeresgrund, Kabelbrüche und deren Reparaturen zu schreiben. Anfang Januar 2019, am Wochenende seines achtundvierzigsten Geburtstags, geht er in Kapstadt an Bord der Georges Lecointe, die erste Station der Reise ist ein gebrochenes Kabel vor der Küste der Republik Kongo. Nicht nur die extrem schwierigen Einsätze interessieren Fennell, sondern vor allem der Einsatzleiter John Conway, geheimnisvoll, entschlossen und gleichzeitig irgendwie orientierungslos.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Brüche, lose Enden und Reparaturen der wichtigen Datenkabel auf dem Grund der Ozeane weltweit. Dieses Kernthema zieht sich metaphorisch auch durch das Leben der beiden Hauptfiguren Conway und Fennell. Im Leben beider Männer gibt es Brüche, fehlende Kommunikation, lose Fragmente und mühsame Versuche, die Enden wieder zusammenzufügen. Auch aktuelle Probleme wie Gesellschaftspolitik und die Zerstörung der Umwelt spielen eine Rolle.

Erzählform und Sprache

Der Verlauf der Handlung wird vom Ich-Erzähler Fennell nicht immer chronologisch geschildert, denn er schreibt die Geschichte erst nach allen Ereignissen fertig, rückblickend, auf Basis seiner Notizen, Erinnerungen und weiteren Recherchen auf. Daher greift er manchmal vor, erklärt Details, Hintergründe, und seine Gedanken aus der aktuellen Sicht und auf Grund dessen, was er inzwischen weiß. Auch wichtige Details aus seiner eigenen Vergangenheit bindet der Ich-Erzähler ein, so lernen wir seine persönlichen Hintergründe und Konflikte kennen. Die Spannung ergibt sich aus den einzelnen Charakteren, ihren Problematiken, Verhalten, Entscheidungen, und natürlich aus der Realität der Einsätze selbst. Interessante, wissenswerte Fakten ergänzen die Geschichte. Auch die Sprache begeistert, einerseits in den Schilderungen des Innen und Außen, andererseits durch die Gedanken über den Schreibprozess selbst, das Entstehen einer Geschichte, deren einzelne Teile beginnen, sich zusammenzufügen.

Fazit

Conway und Fennell sind eine interessante Mischung aus traditionellen Charakteren aus klassischen Abenteuerromanen, gleichzeitig aber ungeheuer verletzliche Männer, mit vielen losen Enden in ihren Leben, auf der Suche nach einer möglichen Heilung. „Alles wird geflickt, und wir alle bleiben gebrochen.“

Eine interessante, beeindruckende Leseerfahrung mit unvorhersehbare Twists, geschrieben in einer großartigen Sprache mit nachdenkenswerten Formulierungen. Einige lose Kabelstränge bleiben am Ende dieser Geschichte, doch das stört nicht, da bleibt Platz für eigene Überlegungen. „Zwischen Fakt und Fiktion gedeihen Erinnerung und Phantasie. In Erinnerung und Phantasie gedeiht unser Wunsch, zumindest eine Essenz der bestenfalls vertrackten Wahrheit zu gewinnen.“ (Zitat Seite 209)

Ein Raum zum Schreiben – Kristin Valla

AutorKristin Valla
Verlagmareverlag
Datum21. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinGabriele Haefs
ISBN-13978-3866487376

„Das Haus war nicht nur ein Ort, wo ich schrieb, sondern ein Ort, wo ich mich in Gedanken vertiefen, mich in meinen eigenen Kopf einklinken, Klarheit daran erlangen konnte, was ich wollte und was in mir wohnte. (Zitat Pos. 2826)

Inhalt

Die norwegische Schriftstellerin und freiberufliche Journalistin ist einundvierzig Jahre alt, als sie ein kleines Haus in Roquebrun kauft, ein Dorf in Südfrankreich. Ein Rückzugsort von ihrer Familie in Oslo, um endlich wieder zu schreiben, denn die Veröffentlichung ihrer Romane liegt mehr als zehn Jahre zurück. Während sie zwischen Hoffnung und Verzweiflung versucht, das stark renovierungsbedürftige Haus mit ihren begrenzten finanziellen Mitteln bewohnbar und zu ihrem Eigenen zu machen, liest sie sich, ausgehend von ihrem Vorbild Virginia Woolf und deren Essay „Ein Zimmer für sich allein“ durch Biografien, Texte und Aufzeichnungen von Generationen von Schriftstellerinnen. Für sie alle waren Häuser als persönliche Rückzugsorte ebenfalls ein wichtiges Thema, sei es, um schreiben zu können, sei es umgekehrt, sie schrieben, um diese Häuser erhalten zu können. Sie selbst pendelt zwischen Oslo und Roquebrun, auf der Suche nicht nur nach Handwerkern, sondern auch nach ihren persönlichen Antworten. „Das Haus hatte mir geholfen, wieder eine Schriftstellerin zu werden, auf eine Weise, die ich noch nicht richtig verstanden hatte.“ (Zitat Pos. 2167)

Thema und Genre

In diesem Buch geht es neben den alltäglichen Problemen und Zweifeln bei der Instandsetzung eines alten Hauses vor allem um die Frage, wie es Schriftstellerinnen zu allen Zeiten und trotz aller gesellschaftlichen Probleme gelungen ist, sich einen eigenen Rückzugsort zum Schreiben zu schaffen. Der Bogen spannt sich vom Mittelalter bis in die heutige Zeit, von Christine de Pizan bis zu Chimanda Ngozi Adichie und Leila Slimani.

Erzählform und Sprache

Das Buch ist in acht große Kapitel gegliedert, wobei der jeweilige Text nur mehr in viele kurze Abschnitte unterteilt ist. Die Schilderung des Hauses in Roquebrun, die Erlebnisse während der Umbauzeit und der ersten Aufenthalte, Szenen aus dem Familienalltag in Oslo, eigene Gedankengänge und Überlegungen zum Schreiben, wechseln sich mit Abschnitten aus dem Leben der berühmten Schriftstellerinnen und ihrer Häuser ab. Dabei variiert die Erzählform natürlich ebenso, zwischen Ich-Erzählung und personaler Form. Zahlreiche Zitate und Textausschnitte aus dem Leben der jeweiligen Schriftstellerin gestalten dieses Buch abwechslungsreich. Am Buchende findet sich eine ausführliche Quellenangabe, dem jeweiligen Kapitel zugeordnet und auch in der entsprechenden Reihenfolge im Text. Diese Anordnung ist sehr übersichtlich und regt dazu an, das eine oder andere zitierte Werk selbst zu lesen.

Fazit

Ein ungewöhnliches Buch, vielseitig und mit vielen interessanten Informationen über das Leben von bekannten Schriftstellerinnen, lesenswert.

Atom – Steffen Kopetzky

AutorSteffen Kopetzky
VerlagRowohlt Berlin
Datum11. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3737101523

 „Er sammelt die Schätze ein, versteckt sie und verschwindet. Dann übergibt er stückweise wichtige Forschung, Ergebnisse, Pläne oder eben Spezialisten – aber er selbst ist nie vor Ort und hat immer noch wesentliches Material in der Hinterhand.“ (Zitat Pos. 4119)

Inhalt

Commander Scully Hamilton, MI6, vermittelt in diesem Sommer 1926 dem begabten Rugby-Spieler, vor allem jedoch in Physik hochbegabten Simon Batley, Student an der Universität Bristol, ein Auslandsstipendium an der Uni Berlin. Neben der Verschwiegenheitsvereinbarung, die er für den britischen Geheimdienst unterschreiben musste, berichtet er auch über die Aktivitäten seines Studienfreundes Sascha, mit dramatischen Folgen. 1939 unterrichtet Simon, inzwischen Dr. Batley und nach England zurückgekehrt, Physik an einem englischen Gymnasium. Er hat sich vom Geheimdienst zurückgezogen und will seine Ruhe. Doch dann tritt Scully wieder in Simons Leben, mit dem Oslo-Report, in dem ein „Wohlgesinnter“ den Briten auf sieben Seiten von den aktuellen Forschungen und Waffen der Deutschen berichtet. Auf einer Liste von deutschen Wissenschaftlern in der Raketenforschung findet Simon den Namen seiner großen Liebe Hedi, Dr.rer.nat. Hedwig von Treyden, die er nach dem Desaster in Berlin ohne Abschied verlassen musste. „Scientific Intelligence“ heißt die neue Spezialabteilung des Geheimdienstes in London, und Simon ist von Anfang an dabei. Berichte über neue deutsche Forschungsprojekte, Waffen von enormer Reichweite und mit unvorstellbarer Zerstörungskraft, führen ihn schließlich zu dem Namen Hans Kammler, General der Waffen-SS und Chefplaner von geheimen, großräumigen, unterirdischen Forschungsstätten. Ein Wettlauf beginnt, denn auch die Amerikaner und die Russen sind an Kammlers Forschungserfolgen interessiert. Parallel zu seinen gefährlichen Einsätzen verliert Agent Batley jedoch nie sein persönliches Ziel aus den Augen, Hedi zu finden und endlich zu erfahren, was damals in Berlin wirklich geschehen ist.

Thema und Genre

In diesem historischen Polit- und Wissenschaftsthriller geht es um die Atomforschung und die Entwicklung der Atombombe im zweiten Weltkrieg, um Spionage, Vertrauen und Verrat. Die Hauptfiguren sind fiktiv, jedoch im Rahmen der geschichtlichen Fakten mit tatsächlichen Ereignissen und realen Namen verbunden.

Erzählform und Sprache

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Wissenschaftler und Geheimagent Simon Batley,

überzeugt von der Notwendigkeit seiner Einsätze, aber nie skrupellos, was ihn menschlich und sympathisch macht. Die Ereignisse verlaufen chronologisch, Zeitsprünge werden durch Datumsangaben im Text und erklärt. Die Spannung steigt stetig, bis zu einem gleichbleibend hohen, jedoch immer rasanteren Spannungsbogen.  Die Handlung wird durch wissenswerte Informationen und Fakten aus diesem wichtigen Kapitel von Wissenschaft und Forschung ergänzt, was diesem Roman eine brisante Aktualität verleiht. Die Sprache ergänzt die Ereignisse durch Beschreibungen der Charaktere, der Örtlichkeiten in den verschiedenen Ländern, ruht kurz in Stimmungsbildern der Natur, bindet auch bekannte Werke der Literatur in die Dialoge ein und rundet so das Lesevergnügen ab.

Fazit

Eine überaus interessante, packende Geschichte, ein rasanter Polit-, Wissenschafts-und Spionagethriller über die Atomforschung und die Entwicklung von Atomwaffen während des zweiten Weltkriegs.

Im Traum suche ich immer das Weite – Hilmar Klute

AutorHilmar Klute
VerlagGaliani-Berlin
Datum13. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3869712963

„Ich war einfach unterwegs. Wer reiste, hatte nichts als seine Gegenwart, weil es nur diese eine Welt zum Anfassen und Anschauen gab und keine Kopie davon in irgendeinem digitalen Paralleluniversum.“ (Zitat Pos. 1657)

Inhalt

Volker Winterberg, einundzwanzig Jahre alt, hat im Frühjahr 1987 seinen Zivildienst beendet, seine Freundin Katja und Berlin verlassen und ist in seine Heimatstadt Bochum zurückgekehrt. Dort beginnt er sein Studium an der Universität für Literaturwissenschaften und Philosophie, macht ein Praktikum am Theater, doch ihm ist klar, dass er Schriftsteller werden will. Weniger klar ist ihm, wie und wo sein weiteres Leben stattfinden soll. Er sieht sich und seinen besten Freund, den Objektkünstler Leo, als verlorene Kinder Bochums und sich selbst generell als Verlorenen, verloren in seinem ereignislosten Leben. Daran ändert auch eine gemeinsame Reise mit seinem Freund Leo nach Venedig und dann weiter bis nach Ungarn wenig. Bis er zu einem Literaturtreffen in München eingeladen wird.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Suche nach dem Platz im eigenen Leben, um das Schreiben, um die Welt des Theaters und natürlich um Schriftsteller und die Literatur.

Erzählform und Sprache

Es ist der Student und angehende Schriftsteller Volker selbst, der von dieser Zeitspanne in seinem Leben erzählt. Daher überwiegen die Schilderungen seiner inneren Suche, seine Erinnerungen an den geliebten Großvater, der sein ganzes Leben als Bergmann gearbeitet hat und die vielen Geschichten, die dieser seinem Enkel erzählt hat. Als Ich-Erzähler teilt Volker mit uns seine Gedankenströme, in deren Mittelpunkt seine eigenen Schreibversuche, das Studium, die Literatur und die Schriftsteller stehen, die ihn beeindruckt haben. Lebhaft beschreibt  Hilmar Klute das Leben Ende der Achtzigerjahre in Bochum, seine Hauptfigur umgeben von Theaterleuten und Literaturschaffenden, bekannte, reale Namen. Die Sprache fließt ruhig, unterbrochen durch skurril-schräge Szenen. Sprachlich großartige Episoden, wie Volkers Streifzug durch München, versöhnen mich mit manchen etwas langatmigen Gedankenkreiseln.

Fazit

Diese Geschichte ist ein moderner Entwicklungsroman, eine Suche nach Selbstverwirklichung als Schriftsteller, verknüpft mit der Sehnsucht, aus dem eigenen Leben zu reisen und irgendwo anzukommen.

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