Wenn ich eine Wolke wäre: Mascha Kaléko und die Reise ihres Lebens – Volker Weidermann

AutorVolker Weidermann
VerlagKiepenheuer&Witsch
Datum9. Oktober 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462008630

„Das Jahr 1956 war ein Rausch gewesen, aus dem Nebel längst vergangener Zeiten war der Mensch wieder aufgetaucht, der sie einmal gewesen war. Es war ihr Leben vor ihr aufgetaucht, das sie hätte leben können, wenn die Deutschen sie nicht verfolgt und aus dem Land gejagt hätten.“ (Zitat Pos. 2159)

Thema und Inhalt

Seit 1942 lebt die deutsche Lyrikerin mit ihrem Ehemann Chemjo Vinaver und Sohn Steven in Greenwich Village. Im September 1938 konnten sie Deutschland auf der Flucht vor den Nationalsozialisten gerade noch verlassen und gelangten über Paris im Oktober nach New York. Zunächst will sie nicht nach Deutschland zurück, doch die Sehnsucht ist groß und am 31. Dezember 1955 tritt sie ihre Reise zurück nach Deutschland an, zu ihrem Sehnsuchtsort Berlin, auf der Suche nach dem Berlin ihrer Vergangenheit und einer möglichen Zukunft. Dieses Jahr 1956 zeigt ihr das Leben, das sie ohne Verfolgung in Deutschland hätte leben können, doch sie erkennt auch, dass es dieses Land nicht mehr gibt. „Mascha Kaléko ist im Jahr ihrer wundersamen Rückkehr nach Deutschland bei all dem Glück, das sie erfahren hat, auch ihr Unglück noch einmal mit besonderer Drastik vor Augen erschienen. Ihr verlorenes Leben. Erst jetzt, nach diesem märchenhaften Jahr, ist wie wirklich heimatlos.“ (Zitat Pos 2159 – 2169) Genau darum geht es in diesem Buch, um dieses prägende Jahr in ihrem Leben und um ihr lyrisches Werk, um ihre Gedichte, in denen sich diese Themen und ihre Gefühle zeitlos widerspiegeln.

Umsetzung

Volker Weidermann erzählt eindrücklich leise über die Rückkehr zwischen Traum, Sorge und einer großen Hoffnung, und von einem Künstlerleben im Exil, in dem immer die Sehnsucht nach der alten Berlin mitschwingt. Die Geschichte basiert auf ausführlichen Recherchen Volker Weidermanns und vor allem auch die bereits erschienenen Biografien. So stehen die Briefe, die Mascha Kaléko beinahe täglich an ihren Mann schreibt, in denen sie ihre alle ihre Erlebnisse, Eindrücke und auch Sorgen schildert, im Mittelpunkt dieses Buches, eng verbunden mit den vielen entsprechenden Gedichten, die ihre Gefühle besser als jede Schilderung in Worte gefasst haben.

Fazit

Eine beeindruckende, vielseitige, einfühlsame und interessante Schilderung eines besonderen Jahres im Leben der bekannten Lyrikerin. Die in den Erzähltext eingefügten Gedichte machen Lust, in den Gedichtbänden von Mascha Kaléko weiterzulesen.  

Vielleicht ist die Liebe so – Katja Früh

AutorKatja Früh
VerlagDiogenes Verlag
Datum22. Oktober 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257073447

„Dass ich nicht mehr Schauspielerin bin, sondern in einer Bar arbeite, ist für meine Mutter eine schlimme persönliche Beleidigung. Und ich fühle mich oft schlecht, ihr das antun zu müssen.“ (Zitat Seite 10)

Inhalt

Schon als Kind hatte Anja sich danach gesehnt, von ihrer Mutter einfach nur geliebt zu werden, statt immer nur kritisiert, weil sie den Erwartungen nicht entsprach. Inzwischen ist Anja knapp über vierzig Jahre alt, hat auf Grund ihrer Selbstzweifel und einer prägenden Erfahrung ihren Beruf als Schauspielerin aufgegeben und arbeitet zum Entsetzen ihrer Mutter in einer Bar. Als ihre Mutter sie zum Essen einlädt, ahnt sie nicht, was sie erwartet: der Termin, an dem ihre Mutter ihr Leben beenden wird. Sie hat bereits alle notwendigen Schritte unternommen und ist dabei ihre eigene Beisetzung perfekt zu organisieren. Anja ist fassungslos. Was soll sie tun? „Ich bin froh, dass mein Psychiater mir ein Viertelchen Valium zu nehmen erlaubt hat, wenn ich meine Mutter treffe. Für ihn gehört sie ganz oben auf die Hitliste der Tausenden von Müttern, über die in seiner Praxis geredet wird.“ (Zitat Seite 5)

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um problematische, im Grunde toxische Beziehungen, zwischen Mutter und Tochter, zwischen Mann und Frau, und eine zutiefst verunsicherte Hauptfigur voller Selbstzweifel, Minderwertigkeits- und Schuldgefühle. Es geht um die Problematik Sterbehilfe in der in der Schweiz legalen Form, und die vielschichtigen Konflikte und Fragen, die auftreten, wenn ein Mensch sich entscheidet, sein Leben selbstbestimmt zu beenden.

Erzählform und Sprache

Anja ist die Ich-Erzählerin ihrer Geschichte. Die Handlung verläuft chronologisch in der knappen Zeitspanne zwischen Januar und Februar, wird jedoch doch viele Erinnerungen der Hauptfigur ergänzt, die weit zurück in ihre Kindheit und die Geschichte ihrer Familie reichen. Die Erzählsprache ist geradlinig und modern, wird präzise, wenn es um die Facetten von Anjas Gefühlen und ihre tiefen Probleme geht, unterbrochen von Szenen, die mit Ironie und Humor geschildert werden.

Fazit

Eine vielschichtige Geschichte über eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung und das brisante Thema selbstbestimmtes Sterben als assistierter Suizid. Allerdings macht das dauerhaft von dem bewusst manipulativen Einflüssen ihrer egozentrischen Mutter geprägte Verhalten Anjas und ihr damit verbundenes Gedankenkarussell die Handlung teilweise etwas langatmig und mühsam, obwohl es durchaus immer wieder Ansätze gibt, dass Anja sich selbst durchaus kritisch-humorvoll sieht. „Ich nehme mir vor, sie heute den Rest des Tages allein zu lassen und mir deswegen keine Vorwürfe zu machen. Das wäre doch mal was, ein Nachmittag ohne Selbstvorwürfe.“ (Zitat Seite 113)

Lass uns noch bleiben – Saskia Luka

AutorSaskia Luka
Verlag Kein & Aber
Datum3. November 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3036950587

„Ein normaler Tag mitten in einer normalen Woche, mitten in allem, mitten in einem Leben, in dem sie sich zurechtzufinden begann.“ (Zitat Pos. 969)

Inhalt

Anna ist Künstlerin, sie malt, gleichzeitig führt sie ebenso kreativ einen Laden für Topfpflanzen. Im letzten Sommer war sie nach Berlin Kreuzberg gezogen, nun hat das Jahr gerade begonnen und Annas Leben ist völlig verändert. Ihre Freundin Vinka hat sie überraschend und ohne Erklärung verlassen. Seither hat sich Anna völlig zurückgezogen, mit einer Ausnahme: der tägliche Besuch bei dem ebenso introvertierten Henning, der in seinem Antiquariat seine Bücher nur ungern verkauft und selbst an einem Buch schreibt. An einem kalten Tag Anfang Januar kommt Alex in Annas Pflanzenladen. Er sucht dringend einen Platz in einer WG und da nach Vinkas Verschwinden auch Annas Plan hinfällig geworden ist, dass Vinka bei ihr einzieht und einen Teil der Miete übernimmt, nimmt sie Alex vorübergehend in ihrer Wohnung auf. Bald holen Alex und die Besuche in der Mini-Bar, die er gemeinsam mit seinem Freund Bence führt, Anna aus ihrer Einsamkeit, es sind zunächst nur kleine Veränderungen, aber als Alex Anna dazu bringt, ihm von Vinka zu erzählen und ihr klar wird, dass sie noch ein Mal mit Vinka reden muss, passt Henning auf den Pflanzenladen auf und Alex begleitet Anna.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Liebe und Verlust, prägende Kindheitserlebnisse, Mutter und Töchter, Kunst, Einsamkeit und die Suche nach dem eigenen Leben.

Erzählform und Sprache

Anna und ihre Geschichte stehen im personalen Mittelpunkt der chronologisch erzählen Haupthandlung. Erinnerungen an Kindheitserlebnisse ergänzen die Ereignisse im Lauf des Buches mit weiteren Details und ergeben sich, ebenso wie die Schilderungen von Vinka und der gemeinsamen Zeit, aus ihren Gesprächen mit Alex. Die Erzählsprache ist ruhig fließend und schildert einfühlsam Annas Konflikte und Probleme, auch wenn ihr Verhalten nicht immer klar nachvollziehbar ist.

Fazit

Ein leiser Unterhaltungsroman über eine junge, etwas verträumte und sensible Künstlerin, die sich erst aus den Erinnerungen an eine unglückliche Liebe befreien muss, um wieder Selbstvertrauen und damit einen Weg in ihr eigenes Leben zu finden.

Die Rückkehr der Rentiere – Ann-Helén Laestadius

AutorAnn-Helén Laestadius
VerlagHOFFMANN UND CAMPE VERLAG
Datum14. Oktober 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten464
SpracheDeutsch
ÜbersetzungMaike Barth
Dagmar Mißfeldt
ISBN-13978-3455020199

„Die Spuren einer anderen Zeit hatten sich wie ein Raster über ihr Bewusstsein gelegt und konnten jederzeit an die Oberfläche steigen und sie wieder erinnern.“ (Zitat Pos. 812)

Inhalt

Etwa ein Jahr hat Marina, bald dreißig Jahre alt, in Stockholm verbracht, nun ist sie wieder in ihre Heimatstadt Kiruna zurückgekehrt und arbeitet in der Schulkantine. Das Gefühl, zurück nach Norden zu gehen, kam ihr wie der Zug der Rentiere vor. Marina ist Samin, doch war ihre Mutter bisher nicht bereit, mit ihr über die Vergangenheit und  ihre Wurzeln zu reden, und zu Hause die Samische Sprache zu pflegen, denn in der Schule mussten alle Kinder Schwedisch sprechen. Geprägt ist Marina durch die Regeln einer strengen christlichen Glaubensgemeinschaft, der auch die Familie ihres Onkels angehört, die ständige Überwachung ihrer „Vergehen“ und „Sünden“. Sie denkt, sich durch ihre Freundschaft mit der ebenfalls unangepassten Ingela zu befreien und bemerkt nicht, dass sie auch hier wieder in eine neue emotionale Abhängigkeit geraten ist. Ingela bestimmt jeden Tag ihrer Schulzeit und sogar die Wahl der Ausbildung, so wie es für Ingela zum Vorteil ist, nicht jedoch für Marina. Seit ihrer Jugend ist Marina in Daniel unglücklich verliebt und diese Liebe war der Grund, warum sie nach Stockholm geflohen ist. Es sind viele Themen, denen sie sich nach ihrer Rückkehr nach Kiruna stellen muss, um endlich zu sich selbst zu finden.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Traumata von Generationen, die durch das Schweigen darüber an die Kinder weitergegeben werden. Es geht Kultur und Tradition, um die Diskriminierung der Samischen Bevölkerung, durch Umerziehung und Unterdrückung durch die  Politik und durch religiöse Extreme. Weitere Themen sind Familienbeziehungen, toxische Freundschaften und die Liebe.

Erzählform und Sprache

Dieser Roman wird in zwei unterschiedlichen Zeit- und Handlungssträngen erzählt. Das erste Kapitel führt uns in der Jahr 1998 mit Marinas Rückkehr in ihre Heimat, und endet chronologisch im Jahr 1999. Hier findet die Haupthandlung statt. Der zweite Zeitrahmen beginnt mit Kapitel zwei im Jahr 1978, um dann am Ende in die aktuellen Geschehnisse einzumünden. Dabei werden Schritt für Schritt ergänzende Details und Ereignisse aus der Vergangenheit enthüllt, die besonders das Verhalten und die Probleme der Hauptfigur Marina begründen und so schließlich auch das einschneidende Erlebnis enthüllen, das zu Marinas Flucht nach Stockholm geführt hat. Die Sprache erzählt einfühlsam, im Mittelpunkt dieses Romans stehen die gesellschaftlichen Themen und Konflikte, und die vielschichtigen Auswirkungen auf die schon in der Kindheit zutiefst verunsicherte Hauptfigur, sowie das Leben in einer engen Gemeinschaft.

Fazit

Eine leise, fließende Geschichte, ein gesellschaftskritischer Coming-of-Age Roman mit einfühlsam geschilderten Konflikten und Problematiken einer schon seit ihrer Kindheit verunsicherten jungen Frau auf der Suche nach einem selbstbestimmten Platz in der Gemeinschaft und in ihrem eigenen Leben.

Das letzte Stück des Weges: Den Abschied vom Hund bewusst gestalten – Michaela Schwestka

AutorMichaela Schwestka
VerlagKynos Verlag
Datum19. Oktober 2022
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3954642854

„Ich möchte Sie deshalb ermuntern, beim Lesen einfach alles als Anregung zu sehen. Nicht mehr und nicht weniger. Picken Sie sich heraus, was Ihnen hilfreich und wertvoll erscheint und lassen Sie das Übrige links liegen.“ (Zitat Seite 11)

Thema und Inhalt

In diesem Sachbuch, geschrieben von einer Ärztin und Therapeutin, geht es um die Entscheidungen, die man als Hundebesitzer irgendwann treffen muss, um den Abschied vom geliebten Hund, das Wie, Wann und Wo, bewusst zu gestalten.

Gestaltung

Das Buch beginnt nach dem persönlichen Vorwort mit Kapitel eins, in dem es generell über die Beziehung zwischen Mensch und Hund geht. Bereits im zweiten Kapitel steht die bewusste Entscheidungsfindung im Mittelpunkt. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Gedanken zum Sterben und zum Tod, aber auch um die Situation zwischen Hoffnung, Akzeptanz und ersten Gedanken über das Loslassen. Das vierte Kapitel beleuchtet den besonderen Fall einer plötzlichen Situation, wie ein schwerer Unfall, oder das Verschwinden des Tieres. Im fünften und sechsten Kapitel geht es um das absehbare und das tatsächliche Ende, einfühlsam, aber mit Fakten, an denen man sich orientieren kann. Es folgt ein Kapitel mit den unterschiedlichen Möglichkeiten über letzte Ruhestätten und Gedenken inklusive einer ausführlichen Kostenaufstellung aller möglichen Optionen. Im nächsten Abschnitt geht es um Trauer und Trauerarbeit, um sich dann im neunten und letzten Kapitel die Frage nach einem möglichen neuen Gefährten zu stellen.

Ergänzt werden die Texte durch Checklisten und Anleitungen zu Selbstreflektionen.

Am Ende des Buches findet sich ein Anhang mit Lektüretipps und persönlichen Empfehlungen der Autorin.

Fazit

Die ist sicher keine Lektüre, die man einfach so und ohne tatsächlichen Anlassfall liest, doch wenn man vor diesem Thema steht, sich von einem hoffentlich sehr alten, aber schließlich sehr kranken vierbeinigen Freund und Begleiter verabschieden zu müssen, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen für das Tier zu treffen, dann ist dieses Buch eine sehr breit gefächerte, einfühlsame, aber auch umfassende, praktische Unterstützung – in Ergänzung wohl mit einigen Packungen Taschentüchern, wenn man den Weg dann bis zum „Danach“ gegangen ist.

südpol.windstill – Armela Madreiter

AutorArmela Madreiter
VerlagReclam Verlag
NachwortBjörn Hayer
Datum12. Februar 2025
AusgabeTaschenbuch
Seiten70
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3150146224

„Ein Südpolmuttertag! Es riecht nach etwas in Öl Gebratenem, Zwiebeln oder Knoblauch – sie hat Teig zwischen den Fingern und sucht nach Radiosendern, auf denen Lieder gespielt werden, die sie kennt. Der Kühlschrank ist voll – alle vier Fächer – die Wohnung: Zitrone, die Wäsche gefaltet und: Veilchenduft!“

Inhalt

Ida ist zehn Jahre alt und weiß schon genau, was sie werden will: Polarforscherin. Mit Robert Falcon Scott, den nicht alle Menschen sehen können, bespricht sie nicht nur die Wetterlage, sondern vor allem den Tag, denn es gibt Nordpolmuttertage und Südpolmuttertage und zwischen diesen gibt es einen gewaltigen Unterschied. Doch mit Scott, der für jede Situation einen Vergleich aus seinen Abenteuern schildert, kann Ida auch die Nordpolmuttertage meistern. Dann lernt sie Amre kennen, den Jungen, der seine Hausaufgaben im Treppenhaus macht, sich für Astronomie interessiert, später Sternenforscher werden will und ihr vom Dachbodenfenster aus die Sterne zeigt. Nun hat sie zwei Freunde, mit denen sie über die vielen Fragen ihres Lebens reden kann.

Thema und Genre

Das Thema dieses Theaterstücks für junge Menschen, erschienen in der Reclams Universal-Bibliothek, ist der Alltag eines zehnjährigen Mädchens mit ihrer alkoholabhängigen, depressiven Mutter. Vor allem jedoch geht es darum, wie die Zehnjährige, die schon früh Verantwortung übernehmen musste, mit Phantasie dieses Leben mit den täglichen Herausforderungen positiv meistert.

Erzählform und Sprache

In diesem Theaterstück treten drei Personen auf: Ida, Scott und Amre. Das Stück ist in zwei Teile gegliedert, Teil 1 Nordpol und Teil 2 Südpol, diese wiederum in kurze Abschnitte, Dialoge mit Scott oder Amre. Die Sprache ist einfühlsam und passt sich in der Ausdrucksweise und Gedankenwelt der zehnjährigen Ida an, jedoch auf einer literarischen Ebene.

Fazit

Dieses Stück aus der Reclam-Reihe „Theater der Gegenwart“ richtet sich an eine junge Zielgruppe und wurde für die Longlist Debüt Österreichischer Buchpreis nominiert. Ich habe das Theaterstück mit großem Interesse gelesen, auch wenn ich absolut nicht mehr zur Zielgruppe gehöre.

The Secret of Secrets – Dan Brown

AutorDan Brown
VerlagDoubleday
Datum9. September 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten688
SpracheEnglish
ISBN-13978-0385546898

„It’s the secret of all secrets. Just imagine the impact it will have on the future of the human race.” (Zitat Seite 656)

Inhalt

Der international bekannte Symbolforscher, Harvardprofessor Robert Langdon, begleitet seine langjährige Freundin, die Noetik-Wissenschaftlerin Dr. Katherine Solomon nach Prag, wo Katherine einen Vortrag über ihr Buch hält, das kurz vor der Veröffentlichung steht. Darin geht es um bahnbrechende Entdeckungen im Bereich der Erforschung des menschlichen Vernunftbewusstseins. Doch dieser Vortrag löst eine Reihe von lebensgefährlichen Entwicklungen aus, die in einem direkten Zusammenhang mit Katherine Solomons Buch stehen und die in eine Welt führen, die tief verborgen unter der Stadt Prag liegt. Eine mächtige Organisation will mit allen Mitteln verhindern, dass dieses Buch an die Öffentlichkeit gelangt. Gleichzeitig macht sich ein geheimnisvolles Wesen, das aus der mittelalterlichen Mythologie Prags stammt, daran, seine Aufgabe als Rächer und Schutzengel einer Person zu erfüllen, die in großer Gefahr ist.

Thema und Genre

In diesem Thriller, dem sechsten Band der Serie um den Symbolforscher Robert Langdon, geht es um die neuesten Entwicklungen in der Erforschung des menschlichen Bewusstseins, der Verbindung zur Realität und der seit Jahrtausenden gültigen, ungelösten Frage, was mit diesem menschlichen Bewusstsein nach dem Tod passiert. Weitere Themen sind Forschungsethik, geheime Forschungen zu militärischen Zwecken und die Macht der Geheimdienste.

Erzählform und Sprache

Der Hauptteil der Handlung spielt in Prag und findet innerhalb von nur vierundzwanzig Stunden statt, was die Spannung dieser packenden Geschichte noch weiter erhöht. Die unterschiedlichen Charaktere, ihre Beweggründe und Verhalten, sorgen für Facettenreichtum und für trotz eigener Vermutungen unvorhersehbare Wendungen und Überraschungen. Die Beschreibungen der schönen Stadt Prag ergänzen die Ereignisse. Wissenschaftliche Kernthemen sind diesmal das menschliche Bewusstsein, Präkognition und mögliche Realitätsformen. Die bereits vorhandenen Studien mit beeindruckenden neuen Erkenntnissen und Beobachtungen, die zum aktuellen Zeitpunkt auch für die Forschung noch nicht vollständig erklärbar sind und Thema intensiver Auseinandersetzungen von unterschiedlichen wissenschaftlichen Theorien, sind auch für Leserkreise, die sich mit diesen Themen bisher kaum befasst haben, nachvollziehbares, neues Wissen. Dies erreicht der Autor durch die sehr unterschiedlichen Fachgebiete der beiden Hauptcharaktere, Langdon als Experte von verschlüsselten Symbolen der Vergangenheit zugewandt, Katherine Solomon als forschende Wissenschaftlerin der Gegenwart und Zukunft. Immer wieder gelangen sie im Laufe der Handlung durch das gegenseitige Wissen einen Schritt weiter. In intensiven Dialogen besprechen sie Fakten, Fragen und Forschungsberichte, machen diese so auch für die Leserinnen und Leser fassbar und es ergibt sich eine gekonnte Balance zwischen rasanter Action, Wissenschaft und Geschichte, wobei letztere durch eine literarische, mystische Figur aktiv in die abwechslungsreiche Handlung eintritt.

Ich habe diesen neuesten Roman von Dan Brown in englischer Sprache gelesen, das Buch in der deutschen Übersetzung ist ebenfalls am 9. September 2025 im Lübbe Verlag erschienen.

Fazit

Ein vielseitiger, packender Thriller mit Action und brisanten Themen unserer Zeit. Ein besonderer Pageturner und spannende Unterhaltung, wie wir sie von Dan Brown gewohnt sind.

Cosmix: Vom Urknall bis zum Menschen – Laurent Schafer

AutorLaurent Schafer
VerlagFranckh-Kosmos
Datum18. August 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3440182642

„Das ist das Problem mit der Quantenwelt: Wir verwenden Alltagsbegriffe, um eine Welt zu definieren, die sich allen vertrauten Anhaltspunkten entzieht. Ironischerweise gehört die Quantenwelt aber durchaus zu unserer Realität.“ (Zitat Seite 188)

Thema und Inhalt

In dieser Graphic Novel geht es um das Leben, um die Frage, woher wir kommen und was nach unserem Tod von uns vielleicht an Energie, Materie und Information bleibt. Der Raum zwischen diesen beiden Kernfragen ist gefüllt mit den neuesten Erkenntnissen der modernen Wissenschaft unserer Zeit und mit den immer noch ungeklärten Fragen.

Gestaltung

Mit anschaulichen, humorvoll interpretierten Geschichten und Fallbeispielen, welche die einzelnen Fragestellungen und Themen in alltägliche Situationen einbinden, erklären Luce, eine hochbegabte Naturwissenschaftlerin, und ihr Lebensgefährte, der geniale Experimentalphysiker Hilbert, einem Kreis aus Freunden und Familienmitgliedern die Geheimnisse des Universums. Zu diesen insgesamt zehn Personen, denen wir durch die zehn Kapitel des Buches folgen, gesellen sich noch ein Cotylorhynchus, Gerda, das Huhn, und Luca, der älteste unserer Vorfahren. Mit Luce und Hilbert begeben wir uns auf eine Zeitreise gleichsam vor der Haustüre, erkunden auch die kosmische Ordnung und Unordnung, denken über Begriffe wie Zufall, Diversität, Ursache und Wirkung, sowie Bewusstsein nach, erfahren, worum es bei dem Multiversum geht und stellen uns verwirrt die Frage, ob alles nur eine meisterhafte Illusion unseres Gehirns ist. Eine Auswahlbibliografie am Ende des Buches schlägt vertiefende Fachliteratur zum Thema vor.

Fazit

Kann man anspruchsvolle wissenschaftliche Themen wie Relativitätstheorie und Quantenphysik auch ansprechend gezeichnet, mit modernen, humorvollen Dialogen erklären? Diese geniale Mischung aus Sachbuch und Graphic Novel kann genau das. Allerdings sind rudimentäre Vorkenntnisse sicher von Vorteil und man braucht Zeit und Interesse, sich in Ruhe mit jedem einzelnen Kapitel auseinanderzusetzen. Dann wartet ein spannendes, unterhaltsames, ungewöhnliches Leseerlebnis.

Schlafgänger – Dorothee Elmiger

AutorDorothee Elmiger
VerlagDuMont Buchverlag
Datum13. März 2014
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten142
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832197421

„Der Student: Über die Entwicklung der Städte liest man bei Aristoteles, eine Stadt besteht aus unterschiedlichen Arten von Menschen; ähnliche Menschen bringen allein keine Stadt zuwege. Höchstens eine Familie, sagte die Übersetzerin, allerhöchstens.“ Zitat Seite 124)

Inhalt

Unterschiedliche Personen aus verschiedenen Ländern begegnen sich und führen Gespräche über gesellschaftlich brisante Themen. Ein schlafloser Logistiker, ein Schweizer Journalist, eine Übersetzerin, eine Schriftstellerin, ein Student aus Glendale, LA, ein Berufsmusiker mit Ehefrau, A.L. Erika, eine junge Frau, schildern eigene Erlebnisse und Erfahrungen, Begegnungen mit weitern, nicht anwesenden Personen, die sie beeindruckt haben.

Thema und Genre

Dieses Buch ist eine Aneinanderreihung von Gesprächssequenzen, Dialogen, aber auch Monologen, die sich um aktuelle Themen wie Flüchtlinge, Weltgeschehen, Literatur, Musik, Reisen, Schlaf, alle Formen von Grenzen als trennende Elemente und Grenzerfahrungen drehen.

Erzählform und Sprache

Eine Art Handlung besteht nur aus kurzen, verbindenden Segmenten, Bewegungen es Gehens, wie das Betreten oder Verlassen eines Raumes. Das Kernstück sind die Gespräche der einzelnen Figuren, von denen wir allerdings außer der Tätigkeit nur wenig erfahren, teilweise wiederholen sich Aussagen mehrmals, um dann ergänzend fortzufahren. Die Kernthemen bilden den Mittelpunkt dieses Fragmentromans, werden meistens von den Figuren als eigene Erfahrungen in die Gespräche eingebracht, wobei sie einander auch unterbrechen, manchmal spontan von einer völlig anderen Begebenheit zu erzählen beginnen, die ihre Gedanken gerade beschäftigt. So reden sie miteinander und gegeneinander an, nehmen unterbrochene Gesprächsfäden wieder auf, so formen sich im Lauf des Buches die einzelnen Geschichten zu einem irgendwie strukturierten Ganzen. Auch die Wahrnehmungen schwanken zwischen Realität und Einbildung. Die Erzählsprache passt sich den Ausdrucksweisen der unterschiedlichen Figuren an.

Fazit

Eine moderne Variante eines Romans in Fragmenten, dessen Handlung aus Gesprächen zu aktuellen, relevanten Themen besteht. Die unterschiedlichen Sichtweisen ergeben einen Querschnitt unserer Gesellschaft. Unterbrechungen und Wiederholungen, die kaum greifbaren Figuren ergeben beim Lesen den Eindruck von Unruhe und Zerrissenheit, trotz der verhältnismäßig wenigen Seiten erfordert die Lektüre Zeit.

Unter dem Nussbaum – Michael Donhauser

AutorMichael Donhauser
VerlagMatthes & Seitz Berlin
Datum16. Januar 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten508
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3751809917

„Fluchtgedanken ins Gestrüpp./Mit dem Wunsch, es zu verdichten./Seiner Verdichtung sprachlich näherzukommen./(Um dicht im Sinne von undurchdringlich zu sein.)“ (Zitat Pos. 504)

Thema und Inhalt

Diese Sammlung von Lyrik und Prosa 1986 bis 2023 vereint eine Auswahl von bereits in früheren Einzelausgaben veröffentlichten Texten. Teilweise wurden sie neu geordnet und ergänzt durch wiedergefundene Texte, Fragmente und neue Gedichte, die nach 2018 entstanden sind, drei davon sind in hier zum ersten Mal veröffentlicht. Eine weite Themenvielfalt führt durch beinahe vierzig Jahre schriftstellerisches Schaffen, oft sind es Varianten der Natur in allen Jahreszeiten und Zwischenjahreszeiten, manche Titel werden im Lauf der zeit nochmals zum Thema, ergänzt, anders betrachtet. Es geht auch um Kindheitserinnerungen, die Großeltern, sonntägliche Familientreffen, Festtage, das Sarganserland, Reisen, wo der lyrische Erzähler zum lyrischen Ich wird.

Gestaltung

In den Sammlungen „Der Holunder“ und „Die Wörtlichkeit der Quitte“ beobachtet der Schriftsteller einzelne Vögel, aber auch unterschiedliche Bäume, oder den Flug eines Stück Papiers im Wind, Er schaut und lässt seine Gedanken sprachlich weit schweifen. Im Abschnitt „Von den Dingen“ ergeben Beobachtungen eines Gestrüpps oder eines Misthaufens Sprachspiele in allen möglichen und immer neuen Varianten von Deutungen eines Begriffes und der lyrische Pfad führt vom Gestrüpp zum Misthaufen zu den Obstbäumen und gleichzeitig durch die religiösen Festtage des Jahres, Gedichte zwischen Erinnerung, Gegenwart und Vergangenheit. Umfassende Betrachtungen über den Kies sind gleichzeitig Metapher als Philosophie eines Lebens.

„Die Sprache ist eine unterhaltsame Einöde. (Meine leidenschaftliche Unterhaltung: der Kies. Hin und her und weggewischt: bis auf den Staub.)“ (Zitat Pos. 994)  

Venedig im Oktober und Aufenthalte in Frankreich inspirieren Michael Donhauser, seine Eindrücke in Worte zu fassen. Zwei Jahre nach der Verwirrung des Gestrüpps findet sich dann Klarheit in den Reihen der Zypressen in Siena.

Die Lyrik von Donhauser ist nicht in Formen und Reime gepresst, sie entfaltet sich frei. Nicht eingeschränkt durch Zeilenlängen lässt Michael Donhauser seinen Gedanken, die seine Beobachtungen begleiten, Zeit und Raum zur Entfaltung. So werden auch die Grenzen zwischen seiner Lyrik und lyrischen Prosa fließend. Wer ein neugieriges Interesse an den vielen Facetten von möglichen Ausdrucksformen der Sprache hat, wird diese Sammlung genießen.

Fazit

Auch wenn in der Beschreibung des lyrischen Schaffens von Michael Donhauser präzisiert wird, dass es ihm weniger um die Beobachtung geht, als um die Fragen im Zusammenhang des Beobachteten, so ist es doch die hier in sprachlicher Fülle geschilderte Vielfalt der Bewegungen und Erfahrungen in der Natur im Lauf der Jahreszeiten, der Eindrücke auf Reisen, der Stimmungen und Erinnerungen an seine Kindheitsheimat Liechtenstein und das nahe Sarganserland, die uns beim Lesen seiner Texte sofort in den Bann zieht und die Gedankenbilder, Stimmungen, Erfahrungen, Erinnerungen mit unseren eigenen verbindet. En Lyrikband, den man immer wieder in die Hand nehmen wird, um sich darin im positiven Sinne zu verlieren.

EINS+EINS=DREI: Buch 3 – Lutz Flörke & Vera Rosenbusch

AutorLutz Flörke
AutorinVera Rosenbusch
VerlagBoD – Books on Demand
Datum18. September 2025
AusgabeTaschenbuch
Seiten152
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3695133574

„Denk dir einfach eine Geschichte aus! Die Einwände kannst du später berücksichtigen. Schreib!“ (Zitat Seite 9)

Thema und Inhalt

Mitte September naht der Herbst und damit erscheint pünktlich zur Lese-Jahreszeit das nunmehr dritte Jahrbuch des Dichter-Duos Vera Rosenbusch und Lutz Flörke. Die neunzehn Geschichten sind den Monaten im Jahreslauf zugeordnet, beginnend im Januar und endend im Dezember. Die Texte sind entweder von Lutz Flörke oder Vera Rosenbusch verfasst, dazwischen Geschichten, die gemeinsam entstanden sind. Eines der Themen sind diesmal Eindrücke auf Reisen, von Hamburg bis Paris, Griechenland, oder auch auf die Insel Helgoland. Auch SEV, Schienenersatzverkehr, zeitlos aktuell, kann zu sehr unterschiedlichen Beobachtungen führen. Generell ist es eine bunte Mischung von allem, was das literarische Duo bewegt, erheitert, nachdenklich gestimmt und zu variantenreichen Denk- und Schreibweisen angeregt hat.

Umsetzung

Mit den hier als Einleitung zitierten Sätzen beginnt auf Seite neun die Januar-Geschichte und zugleich auch diese Geschichtensammlunng. Diese Worte könnten am Beginn jedes einzelnen Textes stehen, denn genau diese Freude am Schreiben, an den Gedankenspielen mit Erlebnissen des Alltags und mit vielen, unterschiedlichen Begegnungen von ebenso vielfältigen Figuren, verbindet alle Geschichten. Immer wieder hinterfragen Überraschungen und ironische bis skurrile Wendungen die Varianten des Erzählens, die Gedankenströme zwischen Erinnerung und Fiktion und die unterschiedlichen Ausdrucksformen der Literatur. So treffen wir diesmal auch auf literaturkritische Haustiere, die ihren Menschen so viel erklären könnten, aber leider nicht verstanden werden.

Fazit

Ein unterhaltsamer, literarischer Spaziergang durch die kleinen Erlebnisse und Situationen in den zwölf Monaten eines Schreibjahres. Aktuell und mit phantasievollen Umwegen, nachdenklich, aber immer auch mit einer guten Prise Humor und Empathie für das Menschliche. Kann eine Geschichte mit einem kürzlich erfolgten Umzug, röchelnden Rohren und und einem zur Weihnachtszeit völlig überlasteten Handwerker beginnen, und bei Giersch enden? Sie kann: typische, vertraute Alltagsprobleme eben, literarisch betrachtet und die Garantie für Lesevergnügen.

Hydra – Antonia Löffler

AutorAntonia Löffler
VerlagMILENA Verlag
Datum27. August 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten260
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903460447

„Kannst du mir sagen, was auf Hydra passiert ist, sage ich. Meine Großmutter dreht sich im Sessel um und richtet ihren Blick auf den großen alten Schrank neben dem Esstisch. Mehr zu ihm als zu mir sagt sie: Das fragst du bitte deine Mutter.“ (Zitat Seite 135)

Inhalt

Im November 1990 erzählen griechische Freunde dem Schauspieler Matthias Illis und seiner Frau Eva, Regieassistentin, sowie deren Freunden, den Schauspielern Thomas und Fanny, von einem Theaterprojekt auf der griechischen Insel Hydra, das im kommenden Sommer mit einem internationalen Team umgesetzt werden soll. Eva, Matthias, Fanny und Thomas wären der österreichische Teil der Truppe und sie sagen zu. Dreißig Jahre später schreibt Matthias Illis an einem Buch über die Ereignisse des Sommers 1991. Als im Januar 2022 die Journalistin Anne, die älteste Tochter von Eva und Matthias, mit ihrem langjährigen Freund Jacob knapp einem Flugzeugabsturz entgeht, nimmt sie eine Auszeit, um ihren Platz im Leben zu überdenken und endlich Antworten auf ihre Fragen über die Vergangenheit ihrer Eltern zu erhalten.

Thema und Genre

„Das Gewesene ist allein durch die Erzählung anderer Menschen rekonstruierbar. Alle Darstellungen der Vergangenheit sind Erfindungen von Leuten, die über die Vergangenheit sprechen.“ (Zitat Seite 239) Diese philosophische Aussage ist das Kernthema dieses Romans, in dem es um Familiengeschichten geht, die aus der Vergangenheit der Eltern in die Gegenwart reichen und um Entscheidungen und Geheimnisse, die auch das Leben der inzwischen erwachsenen Kinder prägen.

Erzählform und Sprache

Es ist Anne, die als Ich-Erzählerin die Ereignisse schildert, die zwischen Januar 2022 und Juni 2022 stattfinden, verbunden mit vielen Erinnerungen und Einblicken in ihre Gedankenwelt, ihre Beziehung zu Jacob, in ihre aktuellen Probleme und Gefühle. Anne hatte schon als Kind eine enge Bindung zu ihrer Großmutter und so fließen gemeinsame Gespräche in die aktuelle Handlung ein und ergänzen diese mit neuen Details. Annes Vater wird bald sechzig Jahre alt und hat begonnen, die Ereignisse auf Hydra zwischen Juni 1991 und August 1991 aus seiner Sicht aufzuschreiben. Als dritten Handlungsstrang erfahren wir die Vorgeschichte zu dem Hydra-Projekt, die verbunden ist mit dem Werdegang von Eva Illis ab 1989 und jene Ereignisse auf Hydra 1991, die Eva betreffen und von denen Matthias teilweise nichts weiß. Hier steht Eva im Mittelpunkt einer personalen Erzählform. Daraus ergibt sich die spannende Möglichkeit von unterschiedlichen Erzählsprachen, wobei das Manuskript von Matthias die Gelegenheit für zusätzliche Gedankenströme bietet, für seine Gedanken über das Schreiben, über das Erinnern, über Erinnerungslücken und Unschärfen in der Wahrnehmung so viele Jahre später.

Fazit

Eine packende Geschichte, die durch Facettenreichtum besticht und viele Details, die zunächst den Eindruck von eigenständigen, kurzen Erlebnissen im Alltag der Hauptfiguren machen und die erst im Laufe der Handlung ihre Zusammenhänge mit der Kerngeschichte offenlegen. Ein überzeugender Debütroman, der auf weitere Werke dieser Autorin hoffen lässt.

Codename Wüstentunnel – Salim Güler

AutorSalim Güler
VerlagHerausgeber: RMP
Datum17. Juni 2024
AusgabeKindle Format
Seiten295 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB0D2VK553Z

„Er würde nicht nur gegen die Hamas kämpfen, sondern auch die Angriffe der IDF überstehen müssen, die ganz Gaza in Schutt und Asche legen würde.“ (Zitat Pos. 239)

Inhalt

Peter Walsh, ehemaliges Mitglied einer Spezialeinheit des US-Geheimdienstes, konnte seine Tochter Nina kurz nach dem Terrorangriff der Hamas finden und sicher zurück nach Hause bringen. Dass sie nicht in die Hände der Hamas geraten ist, verdankt sie ihrem Freund Uri Peretz, der sie versteckt hat und selbst von den Hamas als Geisel genommen wurde. Nina ist überzeugt, dass ihr Vater Uri befreien kann. Doch diesmal ist es Peter Walsh auf Grund des Kriegsgeschehen nicht möglich, einfach in Israel einzureisen und von dort aus weiter nach Gaza. Es muss dies über Umwege, heimlich und unerkannt tun. Sein bester Freund Joe, ein hochbegabter IT- Spezialist, begleitet ihn und unterstützt ihn von Tel Aviv aus. Denn die zunächst größte Herausforderung ist es herauszufinden, ob Uri noch lebt und wo er versteckt gehalten wird.

Thema und Genre

Dieser Peter Walsh Thriller schließt nahtlos an den Vorgängerband „Codename Jericho“ an und führt direkt in den Angriffskrieg zwischen Israel und der Hamas. Weitere Themen sind Familie, Verantwortung, Freundschaft und Liebe, aber auch Unterdrückung, religiöser Fanatismus, Hass und Verrat.

Erzählform und Sprache

Die straffe Handlung beginnt Mitte Oktober 2023, knapp nach dem Terrorangriff der Hamas. Gleichzeitig, parallel an unterschiedlichen Schauplätzen stattfindende Ereignisse wechseln einander in den einzelnen Kapiteln ab. Ortsangaben als Kapitelüberschrift vereinfachen die Zuordnung. Der von einem Thriller erwartete Spannungsbogen ist gleichbleibend hoch, gekonnt lässt der Autor Gedanken, zwischenmenschliche Beziehungen und die damit verbundenen Konflikte, sachliche Erklärungen und Schilderungen einfließen, ohne diesen zu unterbrechen. Auch überraschende Wendungen, Unterstützung von unerwarteter Seite und das Gegenteil davon, beleben die Geschichte und machen dieses Buch zu einem fesselnden Pageturner.

Fazit

Dieser zweite Band der Serie ist in sich abgeschlossen ist und weist genügend erklärende Details der Vorgeschichte auf, um der Handlung problemlos folgen zu können, falls man den ersten Band nicht gelesen hat. Dieser Thriller besticht durch facettenreiche Figuren, Action und Spannung, qualifizierte Recherche und dadurch interessantes Faktenwissen. Damit sind packende, unterhaltsame Lesestunden garantiert.

Mitten im Tag – Andrea Winkler

AutorAndrea Winkler
VerlagSonderzahl Verlag
Datum30. Januar 2025
AusgabeTaschenbuch
Seiten168
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3854496700

„Man müsste jetzt wirklich hinausgehen, dachte ich, und in die Straßenbahn steigen, so, als wäre man noch nie in die Straßenbahn gestiegen, und hätte all das noch nicht gesehen, was ringsum sich bewegte.“ (Zitat Pos. 82)

Inhalt und Thema

Dieser Prosaband besteht aus zwei Teilen, der erste Teil enthält Erzählungen, der zweite Teil enthält Essays, Beiträge, die auf besondere Einladung zu Vorträgen und Gesprächen mit vorgegebenen Themen entstanden sind und bereits veröffentlicht wurden.

Die auch sprachlich mit unterschiedlichen Ausdrucksformen spielenden Texte umfassen einen vielfältigen Bereich aus intensiven Beobachtungen, verbunden mit eigenen Gedanken, Überlegungen, Abschweifungen in mögliche, imaginäre Fortsetzungen von Situationen.

In den Erzählungen stehen die unterschiedlichen Möglichkeiten des Reisens, der Fortbewegung zwischen Gehen, Wandern und Fahrten mit Straßenbahn und Bahn, der Beobachtung des Verhaltens der Mitmenschen, des Erkundens von Orten und Naturereignissen im Mittelpunkt. In einer Erzählung es um eine beklemmende Theateraufführung, in einer anderen um wehmütige Erinnerungen an die Großmutter.

In den Essays nimmt die Autorin Bezug auf Literatur, denkt über die Einsamkeit auf Buchmessen nach, zitiert für sie prägende Stellen in Erzählungen von Čechov, Tolstoi, Woolf bis zu Grillparzer und Kafka. Auch christliche Mystik aus Vergleichstexten fließt in das weite Spektrum der vergleichenden Beispiele ein.

Fazit

Es sind die vielen Gefühlsfacetten und zeitlos aktuellen Fragen, die diesen anspruchsvollen Erzählband prägen, und daraus ergibt sich eine ungewöhnliche, interessante Leseerfahrung.

Österreichischer Buchpreis 2025

AutorDiverse
RedaktionRamona Geng
VerlagHauptverband
des Österreichischen Buchhandels
Datum3. September 2025
AusgabeBroschüre
Seitenetwa 145
SpracheDeutsch

„Mit der Einführung einer neuen Debüt-Longlist möchte der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels noch mehr Aufmerksamkeit auf österreichische Nachwuchs-Autor:innen und deren Verlage lenken und damit die Sichtbarkeit herausragender Erstlingswerke weiter erhöhen.“ (Zitat aus der HVB-Presseinformation, 3. September 2025)

Thema und Inhalt

Erstmals wurde der Österreichische Buchpreis und der Debütpreis im Jahr 2016 vergeben. Die Longlist 2025 weist zehn Titel auf, welche aus zweiundsiebzig Titeln, eingereicht von neunundvierzig Verlagen, ausgewählt wurden. In diesem Jahr wurde erstmals auch für den Debütpreis eine Longlist erstellt, auf der sich sechs Titel befinden, ausgewählt aus neunundzwanzig Erstlingswerken, die von dreiundzwanzig Verlagen eingereicht wurden. Insgesamt standen einhundertein Titel aus den Bereichen Belletristik, Lyrik, Drama und Essay Auswahl, eingereicht von dreißig österreichischen, vierundzwanzig deutschen und vier Schweizer Verlagen.

Umsetzung

Die Broschüre, die ich in der elektronischen Ausgabe auf dem Kindle lesen konnte, beginnt mit umfangreichen Leseproben aus allen nominierten Büchern. Im Abspann ab Seite 106 folgen die Informationen über die nominierten Autorinnen und Autoren, anschließend werden die Mitglieder der Jury vorgestellt. Ab Seite 126 finden wir die Coverabbildungen der Bücher mit nochmaliger Angabe von Autorin oder Autor, Titel, Verlag, Seitenzahl und Preis. Am Ende der Broschüre findet sich der Bildnachweis. Die jeweilige Einteilung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge der Namen der Nominierten, beginnt mit der Longlist, daran schließt die Longlist Debüt an.

Fazit

2025 ist es eine sehr interessante, spannende Mischung, denn diesmal finden sich auch Lyrik, Prosa und zwei Theaterstücke unter den nominierten Titeln. Die ausführlichen Leseproben zeigen die Themenvielfalt, machen neugierig und laden zum Weiterlesen ein.

Jahre zwischen Hund und Wolf -Henning Ahrens

AutorHenning Ahrens
VerlagKlett Cotta
Datum16. August 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3608966459

„Es dämmerte rasant, der Wind hatte aufgefrischt; dies war die Stunde zwischen Hund und Wolf, die blaue Stunde.“ (Zitat Pos. 334)

Inhalt

Der erfolgreiche Comiczeichner Hardy Espen ist Deutscher, lebt jedoch seit Jahren in einem Haus in der Normandie. Als er im April 2021 eine Todesanzeige einer ihm unbekannten Frau namens Selma erhält, fährt er spontan zum Begräbnis nach Frankfurt. Als er nach wenigen Tagen nach Frankreich zurückkehrt, ist er nicht allein. In der Hand hält er eine Leine und an der Leine hängt sein Erbteil: Brahma, ein alter Golden Retriver. Seine Partnerin Aîné, eine Kunsthistorikerin, die nun einen Blumenladen führt, findet die Rasse knuddelig und so wird Hardy überraschend zum überzeugten Hundehalter. Doch wer ist diese Selma, die ihn offensichtlich kannte und an die er sich nicht mehr erinnern kann? Seine Nachforschungen führen ihn weit in seine Jugendjahre in Kiel zurück. Dies sind nicht die einzigen Fragen, die ihn beschäftigen, denn er findet im Meer die Erkennungsmarke eines deutschen Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg und gemeinsam mit dem Polizisten Vincent versucht er, mögliche Nachkommen zu finden.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Erinnerungen, um festgefahrene Lebenssituationen und Chancen für Veränderungen in jedem Lebensalter, wenn man den Mut dafür aufbringt.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte ist in zwei große Teile mit fortlaufenden Kapiteln gegliedert, Teil eins Hund und Teil zwei Wolf. Die personale Erzählform stellt neben Hardy auch weitere Hauptfiguren in den Mittelpunkt einzelner Kapitel. Die aktuelle Handlung verläuft chronologisch, wird jedoch von Abschnitten unterbrochen, die in der Vergangenheit spielen und frühere Ereignisse im Leben der Hauptfiguren schildern. Henning Ahrens ist ein genauer Beobachter der Menschen und ein angenehmer Erzähler, der sich Zeit nimmt für jede einer Figuren, für ihre Lebenssituation, ihre Gefühle und auch Konflikte.

Fazit

Die Stunde zwischen Hund und Wolf ist die blaue Stunde, die Zeit gegen Ende des Tages, es dämmert, ist aber noch nicht dunkel und es ist eine magische Zeit möglicher Veränderungen. Dies trifft auch auf die Lebenssituation der Figuren dieser Geschichte zu, Hardy, der mit seiner Fantasy-Comic-Serie sehr erfolgreich ist und daher unter dem Druck des Verlages an einem weiteren Band arbeitet, innerlich jedoch über ein völlig anderes Projekt nachdenkt. Da ist Hardys Nachbarin Heloise, für die es Zeit wird, sich nach Jahren von der Urne in ihrem Wohnzimmer zu trennen und eine Entscheidung zu treffen. Da ist auch Vincent Parbleu, Polizist vor dem Ruhestand, ein Jäger und Sammler von Abenteuern mit wesentlich jüngeren Frauen und auch für ihn hält das Leben eine überraschende Wendung bereit. Ein leiser Roman, klug, witzig, charmant.

Zeit der Mutigen – Dimitré Dinev

AutorDimitré Dinev
VerlagKein & Aber
Datum8. September 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten912
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3036950792
 

„Das Wissen allein aber reicht nicht, um sich zu retten. Um gerettet zu werden, braucht man einen Menschen.“ (Zitat Pos. 3922)

Inhalt

Eva trifft als Rotkreuzschwester auf dem Schiff Kulpa im Ersten Weltkrieg eine Entscheidung, die ihr weiteres Leben verändert. In der Donau will sie ihr Leben beenden, doch sie geht dem Fischer Xaver ins Netz. Auch die gemeinsame Tochter Angela muss sich eines Tages entscheiden und damit gibt sie nicht nur ihrem eigenen Leben eine unvorhersehbare Wendung mit weitreichenden Folgen.

Der Tiroler Gymnasiast Leopold meldet sich im zweiten Weltkrieg freiwillig, wird nach Griechenland geschickt, desertiert und lebt bei einer Gruppe Roma in Bulgarien, deren Oberhaupt Gjuro eines Tages einen ungewöhnlichen Gefallen von ihm einfordert. Als Leopold die Gruppe verlassen muss, kehrt er nach Hause zurück. Beide Entscheidungen haben ebenfalls Konsequenzen, die Leben verändern.

Rotarmisten greifen Ende des zweiten Weltkriegs eine Gruppe deutsche Soldaten auf und erschießen sie. Doch einer überlebt mit einer Kugel im Kopf und ohne Erinnerungen. Die unabhängige Schafhirtin Neda nimmt den Verletzten auf und er bleibt. Doch dann muss auch sie eine Entscheidung treffen, da er in Gefahr ist. Um ihn zu schützen, schickt sie ihn zurück an den Ort, wo er vermutlich aufgewachsen ist. Doch in seiner Erinnerung gibt es nur Neda. Das Leben geht weiter, mit neuen Herausforderungen diese Elterngeneration und ihre Kinder und Enkel und es erfordert Mut, den eigenen Weg zu finden und ihm zu folgen.

Thema und Genre

In diesem epischen Generationenroman geht es um europäische Zeitgeschichte mit Schwerpunkt Bulgarien und Roma, Krieg, Diktaturen, Unterdrückung, Widerstand, und den Wunsch der Menschen, ein selbstbestimmtes Leben nach den eigenen Überzeugungen zu führen. Werte wie Freundschaft, Treue, Familie und die Liebe sind wichtige Themen.

Charaktere

Dimitré Dinev nimmt sich viel Zeit für seine Figuren, er stellt jede detailliert und einprägsam vor, da er bereits mit Schilderungen der Kindheit beginnt. So füllt er sie mit Leben und folgt ihnen mit Empathie durch Konflikte, Probleme und Gefahren. Dadurch werden ihre Entscheidungen und Handlungen nachvollziehbar, wobei er seine Figuren schon im frühen Kindesalter aus traditionellen Rollenbildern löst, Frauen folgen selbstbewusst den Berufen ihrer Väter, treffen ihre eigenen Entscheidungen und kämpfen dafür in einer Zeit, als dies weder selbstverständlich noch einfach ist.

Erzählform und Sprache

Der Roman ist in große Teile gegliedert, deren Titel immer auch einen realen oder metaphorischen Bezug zur jeweiligen Handlung haben. So trägt der erste Abschnitt, in dem es um Eva und Xaver geht, die Überschrift „Wasser“. Jeder Teil folgt den Ereignissen einer der Hauptfigurengruppen und so ergeben sich lange Erzählstränge voller Leben und in einer packenden, einprägsamen Dichte, denn der Autor überzeugt auch durch seine fließende, bildintensive Erzählsprache.

Fazit

„Einen Freund kann man immer brauchen. Willst du mitmachen?“ (Zitat Pos. 15510) Mit diesem Satz endet dieser Roman, der neben einer spannenden Handlung, überzeugenden Figuren, und zeitlos aktuellen Themen auch interessante Einblicke in die nahe Vergangenheit Bulgariens bietet, ein Land, über dessen Geschichte ich bisher wenig wusste. Dieser letzte Satz und die darin enthaltene Aussage umfasst den Kerngedanken der Schicksale, die hier beeindruckend erzählt werden.

Verschworen: Ein Island-Krimi – Eva Björg Ægisdóttir

AutorEva Björg Ægisdóttir
VerlagKiepenheuer & Witsch
Datum
Ausgabe
Seiten
SpracheDeutsch
ISBN-13

„Die Wand war blutverschmiert, und man musste kein Experte sein, um zu sehen, dass die Worte zur Situation passten, egal, ob sie sich auf Þorgeir oder den Täter bezogen.“ (Zitat Pos. 517)

Inhalt

Am Dienstag, den 8. Dezember, wird in einem Sommerhaus die Leiche des einundvierzigjährigen Softwareingenieurs Þorgeir entdeckt. Er ist seit einigen Tagen tot und war durch mehrere Messerstiche brutal ermordet worden. An die Holzwand wurde mit einem schwarzen Filzstift eine Zeile aus einem isländischen Kirchenlied geschrieben. Für die Kommissarin Elma ist es der erste Fall nach der Babypause und er verlangt sofort ihren intensiven Einsatz. Die zunächst rätselhafte Inschrift führt zurück in den Sommer 1995, wo im beliebten Ferienlager des Christlichen Vereins in Vatnaskógur ein Junge ertrunken war. Die Ermittlungsunterlagen endeten damals rasch mit der Feststellung, es sei ein Unfall gewesen, doch jemand sieht dies anders. Auch Elmas Ehemann Sævar, der nun in Elternzeit auf die gemeinsame Tochter Adda aufpasst, beginnt heimlich zu recherchieren. Denn beim Leeren der Umzugskartons entdeckt er einen Karton, der noch von den Vorbesitzern ihres Hauses stammt, und darin befindet sich ein Tagebuch mit Einträgen aus genau diesem Sommer 1995.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman ist der fünfte Band der Serie „Mörderisches Island“ mit dem Ermittlerteam Hörður und Elma. Es geht um Geheimnisse und prägende Erlebnisse der Jugendzeit, und ein Verbrechen, das nun, fünfundzwanzig Jahre später, gerächt wird.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird in drei Handlungssträngen erzählt, die einander abwechseln und jeweils durch die Zeitangabe oder den betreffenden Namen in der Überschrift einfach zuzuordnen sind. Eine Erzählebene ist der Sommer 1995, der zweite Teil betrifft die Ereignisse in Þorgeirs Leben bis zu seinem Tod und im dritten Handlungsstrang geht es um die aktuellen Ermittlungen. So ergeben sich für den Leser parallel zu den Erkenntnissen der Polizei weitere Details und Hintergründe, damals und heute. Es wird jedoch nie mehr verraten, als die Informationen, welche das Ermittlerteam durch Recherchen und Gespräche erfährt. So bleibt dieser Kriminalroman offen für eigene Überlegungen und überraschende Wendungen, wobei der aktuelle straffe Zeitrahmen vom 8. bis zum 23. Dezember für zusätzliche Spannung sorgt.

Fazit

Ein Nordic Noir Kriminalroman in einem düsteren Ambiente, dessen Rätsel, einprägsame Figuren und gesellschaftskritische Themen für ein facettenreiches, packendes Lesevergnügen sorgen.

Das glückliche Leben – David Foenkinos

AutorDavid Foenkinos
VerlagKiepenheuer&Witsch
Datum4. September 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ÜbersetzerChristian Kolb
ISBN-13978-3462007923

„Es regte sich etwas Besonderes in ihm, das man spürt, wenn man in eine fremde Stadt kommt und sie einem gleich vertraut erscheint oder wenn einem eine Person zum ersten Mal begegnet und man im Nu eng mit ihr verbunden ist.“ (Zitat Pos. 1430)

Inhalt

Éric Kherson, ehemaliger Geschäftsführer eines Sportartikelherstellers, war im Mai 2017 in das Team einer alten Schulfreundin und jetzt Staatssekretärin Amélie Mortiers, gewechselt. Doch irgendwie ist er noch nicht in seinem Leben angekommen. Das Jahr 2020 beginnt mit einem für die französische Wirtschaft extrem wichtigen Geschäftstermin in Seoul. Doch ausgerechnet bei der entscheidenden Präsentation ist Éric verschwunden und Amélie muss den Termin allein wahrnehmen. Denn Éric hat zufällig eine besondere Einrichtung entdeckt, Happy Life, und das Angebot, sein eigenes Begräbnis als inszeniertes Ritual zu erleben, verändert seinen Blick auf sein Leben. Er ordnet seine Beziehung zu jenen Personen, die im wichtig sind, vor allem zu seinem Sohn, und bringt das Konzept von Happy Life unter dem Namen Lycoris erfolgreich nach Frankreich.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Neubeginn, Psychologie, die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit, Entscheidungen und ihre Konsequenzen, Familie und die Liebe.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird in drei Teilen erzählt. Der erste Teil zeigt Érics Werdegang und sein Leben bis zu diesem entscheidenden Ereignis in Seoul 2020. Im Mittelpunkt stehen Éric und Amélie. Im zweiten Teil geht es um Érics weitere Geschichte bis in das aktuelle Jahr 2024 und parallel dazu erzählt der dritte Teil Amélies Leben ab Seoul 2020, bis sich ihre Wege im Jahr 2024 wieder kreuzen. Die Erzählform trägt Elemente eines auktorialen Erzählers, mit erklärenden Fußnoten vertieft er den Blick auf einzelne Szenen oder ein besonderes Verhalten seiner Figuren. Die Sprache entspricht dem Genre Unterhaltungsroman.

Fazit

Ich habe bereits Bücher von David Foenkinos gelesen, doch mit diesem modernen Selbsthilfe-Roman hat er mich nur teilweise erreicht. Der erste Teil beginnt etwas behäbig und hat Längen. Von der Umsetzung dieses interessanten, wichtigen Themas hatte ich mehr Tiefe und im Verhalten der Figuren etwas weniger erkennbare Konstruktion erwartet. Ein Wohlfühlroman, der Frankreich begeistert hat und auch hier in der deutschen Übersetzung begeistern wird, mich hat er unterhalten, aber nicht überzeugt.

Der Italiener – Arturo Pérez-Reverte

AutorArturo Pérez-Reverte
VerlagFolio Verlag
Datum5. September 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ÜbersetzerCarsten Regling
ISBN-13978-3852569192

„Das nächste, ein paar hundert Meter vom Ufer entfernte Haus, war ihr eigenes: klein, einstöckig, von Palmen und Bougainvilleen umgeben. Sie beschloss, den Mann dorthin zu bringen und ihm zu helfen, bevor sie die Behörden informierte. Und dieser Entschluss veränderte ihr Leben. (Zitat Pos. 58 – 66)

Inhalt

Im Winter 1981 erweckt ein Buch über Gondeln in der Auslage der Buchhandlung Olterra das Interesse eines spanischen Journalisten auf Urlaub, der Venedig besucht. Die Buchhändlerin ist Spanierin, lebt jedoch seit fünfunddreißig Jahren in Italien. Zwei gerahmte Fotografien an einer Wand der Buchhandlung erwecken das Interesse des Journalisten. Er beginnt zu recherchieren, forscht in Archiven und sucht nach Menschen, die bereit sind, ihre Erinnerungen mit ihm zu teilen. So enthüllt sich ihm Schritt für Schritt die Geschichte der italienischen Kampfschwimmereinheit DECIMA MAS und deren geheime Aktionen gegen britische Schiffe in der Bucht von Gibraltar. Erst vierzig Jahre später, als aus dem jungen Journalisten ein Schriftsteller geworden war, wird ein Buch aus dieser Geschichte, die damit beginnt, dass der Hund der Buchhändlerin Elena Arbués am Strand einen schwer verletzten Taucher findet, den sie rettet.

Thema und Genre

In diesem Spionageroman, basierend auf reale Ereignisse während des zweiten Weltkrieges, geht es um eine geheime italienische Tauchereinheit, die in der Bucht von Gibraltar englische Schiffe sabotierte. Themen sind jedoch nicht nur Krieg, Spionage, Gegenspionage, Verrat und lebensgefährliche Einsätze, sondern auch die Schicksale der Menschen und um eine ebenso gefährliche Liebe zur falschen Zeit am falschen Ort.

Erzählform und Sprache

Der Journalist und Schriftsteller schildert die Geschichte seiner persönlichen Recherchen und die Gespräche mit Beteiligten als Ich-Erzähler. Diese Passagen wechseln sich mit dem zweiten Erzählstrang ab, der die Ereignisse in der Bucht von Gibraltar um 1942 und 1943 direkt schildert. Die Fakten im Hintergrund sind real, doch daraus ist eine eigene Geschichte, dieser Roman entstanden. „Wir sind an einem Punkt in dieser Geschichte angelangt, an dem die Fakten der Fantasie weichen: ein leerer Raum, der sich – trotz der Bedeutung der späteren Ereignisse – nur mit Vermutungen füllen lässt.“ (Zitat Pos. 2302) Die flüssige, elegante Sprache besticht durch bildintensive, lebhafte Schilderungen und erzählt in einer Palette zwischen einfühlsam beobachtend und sehr packend.

Fazit

Ein spannender, vielseitiger, interessanter Spionageroman, den man gebannt und mit Vergnügen liest.

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