Anna – Niccolò Ammaniti

AutorNiccolò Ammaniti
Verlag Giulio Enaudi editore
Erscheinungsdatum 30. Mai 2017
AusgabeTaschenbuch
Seiten310
SpracheItalienisch
ISBN-13978-8806234485

Deutsche Ausgabe: Eisele Verlag, 10. August 2018, Hardcover 336 Seiten, ISBN 978-3961610099

„Nuvole o pioggia, freddo o caldo il buio, prima o poi, perdeva la sua quotidiana battaglia con la luce.“ Zitat Seite 120 (Wolken oder Regen, Kälte oder Wärme, die Dunkelheit verlor früher oder später ihren täglichen Kampf mit dem Licht)

Inhalt

IIm Jahr 2016 tritt ein Virus auf, das alle Erwachsenen tötet und fûr das es kein Gegenmittel zu geben scheint. Nur Kinder sind immun, bis sie etwa vierzehn Jahre alt sind. So hat 2020 auch in Sizilien die Natur begonnen, die Dörfer und Städte zurück zu gewinnen. Anna war 9 Jahre alt, als ihre Eltern starben, ihr Bruder Astor 4. Jetzt ist sie 13 Jahre alt und weiß, dass sie aufbrechen und ihren Bruder auf das Festland bringen muss, wo vielleicht Erwachsene überlebt und ein Gegenmittel gefunden haben. Doch zuerst muss sie ihren Bruder finden, denn er ist plötzlich verschwunden..

Thema und Genre

In diesem postapokalyptischen Abenteuerroman geht es um das Überleben in einer urzeitlichen Umgebung, wo auch Lebensmittel knapp sind. Kinder, die sich in neuen Strukturen zusammengeschlossen haben, ohne Erwachsene. Der Autor überlegt in seinem Roman das Verhalten seiner Protagonisten, wie es sein könnte. Es geht um Mut, Vertrauen und auch Liebe.

Charaktere

Während der kleine Astor misstrauisch und meistens unvernünftig auf die neue Situation reagiert, ist die Hauptprotagonistin Anna eine Kämpferin, sie ist clever und einfallsreich und gibt nicht auf. Vom „Heft der Wichtigen Dinge“, wo ihre Mutter für sie Anleitungen für alle nur möglichen Situationen aufgeschrieben hat, holt Anna sich die notwendigen Ratschläge, auch wenn sie erkennen muss, dass vieles davon nicht mehr stimmt. Dennoch bleibt Anna ein positiv denkendes Mädchen und als Leser schließt man sie rasch ins Herz. Ein weiterer wichtiger Protagonist ist sicher der Maremmen-Schäferhund Coccolone. Auch er gibt nie auf und hat, wie Anna sagt, sieben Leben wie eine Katze.

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt die Geschichte chronologisch, mit einigen Rückblenden. Die Handlung gewinnt nach einem ruhigen Einstieg, als er das Leben der beiden Kinder in ihrem Haus, der Maulbeerfarm, schildert, rasch an Spannung und bleibt bis zum Ende packend. Die Sprache ist im Gegensatz zum Thema poetisch, ein Höhepunkt ist für mich die rückblickende Schilderung, wie das Licht langsam ausging. Beeindruckend realistisch auch die Beschreibung der bekannten Orte, wie sie nach vier Jahren ohne Technik und Erhaltung aussehen könnten.

Fazit

Ein bedrückendes Endzeit-Szenario, sehr spannend, sprachlich großartig umgesetzt. Besonders beeindruckt hat mich die positive Grundstimmung, die in dieser postapokalyptischen Geschichte um ein mutiges Mädchen immer mitschwingt. Ein Roman, der noch lange in den Gedanken bleibt.

Als das Leben unsere Träume fand – Luca Di Fulvio

AutorLuca Di Fulvio
Verlag Bastei Lübbe
Erscheinungsdatum 1. Oktober 201 8
AusgabeTaschenbuch
Seiten768
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3404176007

„Und zum ersten Mal, seit sie hier an Land gegangen war, hielt sie es für möglich, dass diese Stadt ein Herz hatte.“ (Zitat Seite 258)

Inhalt

Rosetta Tricarico aus Alcamo in Sizilien ist eine mutige Frau und weigert sich, dem Baron ihr Stück Land zu verkaufen, auf das er es abgesehen hat. Was sie jedoch zwingt aufzugeben ist die Tatsache, dass sie eine unverheiratete, unabhängige Frau in diesem von Männern bestimmten Ort ist. Rocco Bonafiglio hat in Palermo den Treueeid der Mafia abgelegt, er träumt jedoch von einem friedlichen Leben als Automechaniker. Die Jüdin Raechel Bücherbaum aus Sorotschinzy flieht nach der Ermordung ihres Vaters vor ihrer Stiefmutter. Die Sociedad Israelita sucht junge Mädchen, denen sie gute Ehen oder gute Stellungen als Dienstmädchen in Argentinien verspricht und Raechel schließt sich ihnen an. Rosetta, Rocco und Raechel reisen im Oktober 1912 auf demselben Schiff nach Buenos Aires, voll Hoffnung auf einen Neubeginn. Doch Buenos Aires ist eine schmutzige, arme und sehr gefährliche Stadt.

Thema und Genre

Dieser Roman handelt von Hoffnungen und Träumen, zeigt aber vor allem die Lebensumstände der armen Einwanderer am Beispiel von Buenos Aires in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf. Korruption, Unterdrückung und von allem die absolute Rechtlosigkeit der Frauen werden geschildert, aber auch die gegenseitige Unterstützung von Menschen, die sich dem widersetzen und neue Wege gehen wollen.

Charaktere

Die Hauptcharaktere sind die junge Raechel, die langsam und nach vielen Rückschlägen ihre Bestimmung findet. Rocco, der Gewalt verabscheut und sich daher den Gesetzen der Mafia nicht unterordnen will. Rosetta, die ihre selbstbewusste Haltung als Frau auch an andere Frauen weitergeben will und trotz vieler Rückschläge und gefährlicher Feinde langsam ein Umdenken erreicht. Die Charaktere überzeugen nicht immer. Besonders Raechel handelt trotz ihrer harten Erfahrungen immer wieder erstaunlich naiv, was zwar für Spannung sorgt, aber irgendwann unlogisch wird.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman ist ein lebhaftes Bild der Zeit, der Stellung der Frau und spielt in den gefährlichen Armenvierteln von Buenos Aires, wo die Einwanderer zu überleben versuchen. Der Roman umfasst 75 Kapitel und ist in vier Teile eingeteilt, die zeitliche Abfolge ist chronologisch. Erzählt wird in der dritten Person, wobei die Erlebnisse der drei Hauptprotagonisten gleichzeitig, aber in getrennten Handlungssträngen stattfinden, die jedoch zusammentreffen. Der Leser wird wiederholt mit sehr brutalen Szenen konfrontiert, während die Sprache selbst romantisch bleibt, an manchen Stellen etwas schwülstig wird.

Fazit

Ein Roman für Leser, die Luca Di Fulvio schon kennen, wieder eine flüssig und spannend aufgebaute Geschichte mit dem zu erwartenden guten Ende. Die Charaktere konnten mich nicht restlos überzeugen, ebenso wenig wie die sprachliche Qualität der Übersetzung.

Piccola Sicilia – Daniel Speck

AutorDaniel Speck
Verlag FISCHER Taschenbuch
Erscheinungsdatum 26. September 2019
FormatTaschenbuch
Seiten624
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3596701629

„Auf einmal saßen um diesen Tisch nicht mehr Nachbarn, die sich ein Fleckchen Erde teilten, sondern verschiedene Gruppen, die ihre Zukunft nicht mehr im selben Buch lasen.“ (Zitat Seite 330)

Inhalt

1942 kommt Moritz Reincke als Soldat der deutschen Wehrmacht nach Tunis. Er ist Fotograf und Kameramann für die Propaganda-Abteilung. Nach dem Krieg gilt er als verschollen, seine Verlobte Fanny zieht ihre Tochter Anita alleine auf. Deren Tochter Nina, Archäologin, erfährt plötzlich, dass man vor Sizilien ein Flugzeugwrack im Meer entdeckt hat, auf dessen Passagierliste auch der Name ihres Großvaters steht.

In Marsala trifft Nina auf Joelle, eine tunesische Jüdin, die in Paris und Haifa lebt und ihr eine völlig neue Geschichte über ihren Großvater erzählt, der zwar auf der Passagierliste stand, Tunis damals aber nicht verlassen hat, sondern sich in die Jüdin Yasmina, Joelles Mutter, verliebt und unter falschem Namen weitergelebt hat. Doch sagt Joelle die Wahrheit?

Thema und Genre

Dieser Familien- und Generationenroman mit geschichtlichem Hintergrund spielt in Tunis ab 1942 und hat die letzten Kriegsjahre zum Thema, die Besetzung durch die deutsche Wehrmacht und in der Jetztzeit die Suche nach dem legendären Rommel-Schatz. Es geht um Familiengeheimnisse, aber auch um das Zusammenleben aller Glaubensrichtungen damals in Tunesien und die Veränderungen in den Kriegsjahren, sowie um die Problematik Palästina und Israel.

Charaktere

Alle Protagonisten eint die Frage nach der persönlichen Verantwortung, Zweifel an der Richtigkeit der eigenen Entscheidungen. Joelle ist eine sympathische, positive Frau, während Nina unsicher ist und generell an sich selbst zweifelt, was durch ihre Scheidung noch verstärkt wurde. Die Selbstreflexionen aller Protagonisten ziehen sich durch die gesamte Handlung, bleiben aber zu oberflächlich, um dem Roman zusätzliche Tiefe zu geben, führen aber zu Längen und Unterbrüchen im Handlungsfluss.

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt die Geschichte in zwei Handlungssträngen, die Ereignisse ab 1942 in der Vergangenheit und die Auflösung in der Jetztzeit. Die vergangene Geschichte ist in der Erzählform geschrieben, die aktuelle Geschichte wird von Nina in der Ich-Form erzählt. Ort der Handlung sind Tunesien und Italien in der Vergangenheit, Sizilien in der Jetztzeit. Wie bekannt, liegt der Rommel-Schatz auf dem Meeresboden irgendwo vor Korsika, der Autor lässt in seiner Rahmenhandlung Patrice jedoch vor Sizilien suchen.

Dort, wo der Autor konkret bleibt, ist er ein großartiger Erzähler mit präzisen Beschreibungen und einer spannenden Handlung. Während die Zitate jeweils am Beginn eines Kapitels schön und passend sind, wirken zusätzlich in den Text gestreute, altbekannte Lebensweisheiten wie „Wir finden unser Leben nicht, es findet uns“ (Seite 550) allzu bemüht und die vielen seitenlangen Selbstreflexionen aller Protagonisten nehmen den Ereignissen die Spannung und wirken teilweise belehrend.

Fazit

Ein Familien- und Generationenroman mit geschichtlich bekanntem Hintergrund, in dem es um Familien und ihre Geheimnisse geht. Eine gut aufgebaute, spannende und interessante Geschichte, leider mit einigen Längen und Unterbrüchen der Handlung.

Sechs Koffer – Maxim Biller

AutorMaxim Biller
Verlag Kiepenheuer&Witsch
Erscheinungsdatum 8. August 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten208
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462050868

„Wäre ich geblieben, wäre ich geflohen, hätte ich selbst meine engsten Freunde und Verwandten verraten, wenn die Kommunisten mich erwischt hätten?“ (Zitat Seite 90)

Inhalt

Der Großvater der Familie wird 1960 auf dem Flughafen von Moskau verhaftet und wegen seiner verbotenen Devisengeschäfte hingerichtet. Kurz danach war einer seiner Söhne, Dima, ebenfalls verhaftet worden, weil er, in Prag lebend, nach Westberlin flüchten wollte. Seither stellt sich in der Familie durch die Jahre und Generationen die Frage, ob es da einen Zusammenhang gibt, war es Dima, der damals den Großvater verraten hatte?

Thema und Genre

Der Autor erzählt einen biografischen Generationenroman, eingebettet in eine Zeit der Geheimdienste, der Vertreibungen – eine Flucht quer durch Europa und darüber hinaus. Kernpunkt ist die Familie und ein Verdacht, der ihre Mitglieder entzweit. Es geht auch um die zeitlose Frage, wie man selbst sich verhalten hätte, unter extremem Druck und Lebensgefahr.

Handlung und Schreibstil

Jemand hat den Großvater verraten, was diesen das Leben gekostet hat und der Verdacht und die Suche nach der Wahrheit zieht sich über die Generationen. Der Zeitablauf ist chronologisch, in Einzelkapitel und Einzelgeschichten gegliedert. Die Personen im Mittelpunkt wechseln, wie auch die Erzählform vom Ich zur personalen Erzählperspektive dort, wo der Ich-Erzähler eine vergangene Geschichte selbst nur kennt, weil sie ihm erzählt wurde. Die Frage nach dem Verräter aus dem Kreis der Familie baut den Spannungsbogen auf und bringt Elemente eines Kriminalromans in dieses Buch.

Fazit

Das Schicksal einer russisch-jüdischen Familie, Verrat, Flucht, Ankommen und die Frage nach einem Verrat. Erzählt auf verhältnismäßig wenigen Seiten, aber so lebendig und packend, dass die Geschichte den Leser sofort in ihren Bann zieht.

Die Gewitterschwimmerin – Franziska Hauser

AutorFranziska Hauser
Verlag Eichborn Verlag
Erscheinungsdatum 23. Februar 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3847906445

„Die Wellen haben mich zurück zum Ufer getragen, haben mich ausgespuckt, wollen mein Leben nicht haben.“ (Zitat Seite 66)

Inhalt

2011 erhält Tamara Hirsch die Nachricht vom überraschenden Tod ihrer Mutter Adele. Selbst Mutter von zwei Töchtern, Henriette und Maja, und auch schon Oma, blickt sie beim Entrümpeln und Umbau des geerbten Elternhauses auf ihr Leben zurück. Sie war immer das unangepasste Familienmitglied, geprägt durch die Mutter Adele, die am liebsten reiste, den Tod der jüngeren Schwester Dascha, die Erzählungen von Großvater Friedrich und Vater Alfred.Inh

Thema und Genre

Dieser autobiografische Generationen- und Familienroman ist gleichzeitig ein politisches Bild Deutschlands zwischen Nationalsozialismus und DDR. Die Themen sind vielschichtig, es geht um politische Überzeugungen, Enttäuschungen und eine Männerwelt, in der Frauen manchmal gehorsame Kulisse zu sein hatten. Dazu kommen noch problematische Mutter-Tochter-Beziehungen. Die eigenwillige Tamara, geprägt durch ihre Erziehung, durch das Verhalten von Vater und Onkel, durch die ständigen Abwesenheiten ihrer Mutter, kann sich in die Grenzen des Alltags der DDR schwer einfügen.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman ist in viele Kapitel unterteilt, die eher willkürlich aneinander gereiht scheinen. Jede Kapitelüberschrift trägt eine Jahreszahl und der erste Satz beginnt oft mit dem Namen des Familienmitgliedes, das dann im Mittelpunkt steht. Dies ist eine gewisse Orientierung für den Leser. Die Geschichte der Familie wird von Tamara in der Ich-Form erzählt, soweit es die eigenen Erinnerungen und Rückblicke auf ihr Leben betrifft. Die Ereignisse im Leben der anderen Charaktere, die Tamara nicht wissen kann, werden von einem Erzähler in der dritten Person geschildert, sodass sich ein umfassendes Bild über drei Generationen ergibt. Die Sprache ist kraftvoll, lebhaft erzählend und beschreibend.

Fazit

Mein erstes Buch vom Stapel einer persönlichen Auswahl aus den Titeln der Longlist, hat mich dieser Roman gefesselt, aber auf Grund der vielen Zeitsprünge nicht vollkommen überzeugen können. Der Leser erhält einen tiefen Einblick in die Interna der Familie Hauser, im Roman die Familie Hirsch und einen realen Eindruck vom Alltag in der DDR. Für dieses Buch sollten man sich Zeit nehmen und diese möglichst ohne allzu große Pausen, denn die sich gleichsam im Rösselsprung und vor und zurück durch die Generationen und Personen bewegende Geschichte wird sonst wirklich unübersichtlich und zeigt dadurch Längen.

Die Liebesbriefe von Montmartre – Nicolas Barreau

AutorNicolas Barreau
Verlag Thiele & Brandstätter
Erscheinungsdatum 4. September 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3851794106

„Ich wette, wenn du den letzten Brief geschrieben hast, wird dein Leben eine Wendung zum Guten genommen haben.“ (Zitat Seite 15)

Inhalt

Der Schriftsteller Julien Azonlay lernte seine Frau Héléne am Grab von Heinrich Heine kennen. Nur fünf Jahre später stirbt sie an Krebs und Julian bleibt mit seinem kleinen Sohn Arthur zurück. Er versinkt in Trauer und weder sein Verleger noch sein Freund Alexandre dringen zu ihm durch. Auf dem Friedhof trifft er eines Tages die Steinbildhauerin Sophie, die ihm unverkrampft zuhört und auch ihre Meinung sagt. Er beginnt, seiner Frau Briefe zu schreiben, wie er es ihr versprochen hatte, die er in einem Versteck am Grab deponiert. Eines Tages sind die Briefe verschwunden, getauscht gegen kleine Geschenke …

Thema und Genre

Der Roman spielt in Paris und handelt von der Trauer um einen geliebten Menschen, die Fassungslosigkeit der Betroffenen und auch davon, wie wir mit Trauernden umgehen. Es geht auch um den Wert von Freundschaft, besonders in schwierigen Zeiten.

Charaktere

Julien ist in seiner Trauer gefangen, inklusive Schreibblockade. Nur sein Sohn ist ihm wirklich wichtig. Langsam löst sich durch die Briefe an seine Frau, das Erzählen der alltäglichen Ereignisse und seiner Gefühle, die eigene Starre.

Sophie ist in ihrer direkten, humorvollen Art eine Protagonistin, die den Leser sofort anspricht. Es gelingt ihr, Julien langsam aus seiner selbstvergessenen Trauer zu lösen.

Handlung und Schreibstil

Der Roman ist in der Ich-form geschrieben, aus Sicht des Schriftstellers Julien. Kleine Rückblenden zeigen sein Leben mit Héléne, der Hauptteil der Handlung spielt jedoch in der Gegenwart, wobei die Ereignisse der fortlaufenden Handlung durch die Briefe ergänzt werden.

Dem Autor gelingt es wunderbar, das Flair der weniger bekannten, typischen Ecken der Weltstadt Paris einzufangen.

Die Sprache ist leicht und fließend, teilweise sehr romantisch, wie auch die gesamte Handlung.

Fazit

Ein romantischer Roman für verträumte Lesestunden, der uns Leser an versteckte Plätze  in Paris entführt.

L’Osteria antica und die geheime Tür – Elma Cancelliere

AutorElma Cancelliere
Verlag Books on Demand
Erscheinungsdatum 3. April 2018
FormatTaschenbuch
Seiten312
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3746099743

„Es ist Großmutters alter Tisch, groß, wuchtig, mit ein paar Schrammen da und dort, hat er noch immer einen Ehrenplatz mitten in ihrer Küche.“ (Zitat Seite 10)

Inhalt

Schon als Kind hatte Laura Sabatini eines Tages im Garten ihrer Großmutter die verwitterte. unter Ranken versteckte kleine Eisentüre entdeckt, die in den völlig verwilderten Park der seit langem leer stehenden Nachbarvilla führt.

Inzwischen ist sie erwachsen, hat ihren bisherigen Beruf aufgegeben und die Osteria ihrer Großmutter übernommen. Nach dem Ableben eines langjährigen Stammgastes, Conte Alessandro di Valpecca, erhält sie von diesem Unterlagen über das Leben ihrer Urgroßmutter Marinella Lombardi und die alte Eisentüre enthüllt ein lange gehütetes Geheimnis.

Thema und Genre

„Es staubt ganz leicht auf, als die Eidotter in der Mehlmulde mit einem dumpfen Seufzer versinken. Die kleinen Salzkristalle, die nun darauf rieseln, glitzern an der Oberfläche.“ Mit diesen beiden Sätzen beginnt ein Wohlfühlroman, der im Veneto spielt und in dem es neben Gastlichkeit, Kochen und gutem Essen natürlich auch um die Liebe und um die Familie  geht. Die beiden Hauptprotagonistinnen sind Laura Sabadini in der Jetztzeit und ihre Urgroßmutter Marinella Lombardi, deren Leben in Rückblenden erzählt wird.

Fazit

Eine Familien- und Generationengeschichte, in deren Mittelpunkt eine Osteria steht, in der italienische Gastfreundschaft und die traditionelle Küche des Veneto gepflegt werden. Den Duft Italiens in der Nase und Bilder der Villen Palladios im Kopf, träumt man von den Gassen und gemütlichen Lokalen des Veneto, von den Weinbergen und natürlich auch von Venedig.

bleiben – Judith W. Taschler

AutorJudith W. Taschler
Verlag Droemer Taschenbuch
Erscheinungsdatum 2. November 2017
FormatTaschenbuch
Seiten252
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3-426-30479-2

„Der Sinn des Lebens besteht darin, dass man erkennt, wie schön es ist. Aber darauf kommt niemand.“ Zitat Seite 173

Inhalt

1994 steigt Juliane mit ihrem Chello in den Nachtzug nach Rom. In einem Abteil trifft sie durch Zufall auf Max, den angehenden Koch, den Student Felix und den Anwalt Paul. Bevor sie sich auf dem Bahnsteig in Rom trennen, spielt sie auf ihrem Chello und Max zeichnet sie. Auf ihrer Wanderung nach Spoleto sieht sie Paul wieder, sie heiraten. Zwanzig Jahre später besucht ihre Tochter Emilia mit der Schule eine Ausstellung. Auf einem Gemälde ist eine Chellospielerin zu sehen – Juliane. Der Maler ist Max, der ehemalige Koch aus dem Zug. Die Fotografien neben den Gemälden sind von Felix – so treffen sie einander wieder und für eine kurze Zeit verknüpfen Zufälle und Entscheidungen das Leben dieser vier Personen zu einem dichten Ganzen.

Thema und Genre

In diesem Beziehungsroman geht es um die Zufälle, die durch eine einzige Entscheidung ein Leben prägen können, um Freundschaft und Vertrauen.

Charaktere

Die vier ursprünglich zufällig im selben Abteil sitzenden Personen werden zwanzig Jahre später zu den Hauptprotagonisten der Geschichte, deren Mittelpunkt Sie sind glaubwürdig, die Handlungen und Entscheidungen nachvollziehbar.

Handlung und Schreibstil

Die vier Hauptpersonen Juliane, Paul, Max, Felix erzählen ihre Geschichte abwechselnd jeweils einer Person, wobei der Leser weiß, wer diese jeweiligen Gesprächspartner sind, aber diese bleiben im Hintergrund. Teilweise sind es Erinnerungen aus Kindheit und Jugend, aber haupsächlich geht es um die Zeit seit dem Wiedersehen, Ereignisse aus der unterschiedlichen Sichtweise der einzelnen Personen. Dies erzeugt eine eindrückliche Spannung.

Fazit

Eine dichte Beziehungsgeschichte, erzählt von vier Hauptpersonen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Immer wieder bringt die Autorin eine neue, unvorhersehbare Verknüpfung ins Geschehen, bis sich ein Gesamtbild ergibt. Sprachlich !eise und doch einprägsam erzählt, sollte man freie Zeit zum Lesen haben, denn dieses Buch legt man nicht aus der Hand.

El Greco und ich – Mark Thompson

AutorMark Thompson
Verlag Mare Verlag
Erscheinungsdatum 14. August 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3866482791

„Ich hätte ewig dort auf diesem umgedrehten Boot sitzen bleiben und die Sonne, den Wind und den Geruch von Jod und Salz aufsaugen können, fest in dem Glauben, dass Glück von Dauer sein kann.“ (Zitat Seite 156)

Inhalt

Sommer 1968 in Cranford County, New Jersey. J. J. (John Joseph) Walsh und El Greco (Tony) Papadakis sind zehn Jahre alt. Da gehören Zigaretten zum Alltagsleben, heimlich geraucht im verlassenen Gelände am Hafen, ihre intensive Freundschaft, ihr gegenseitiges Verstehen, ihre kreativen Ideen, ihre Träume. Von den Eltern noch für Kinder gehalten, wissen die beiden Jungen wesentlich mehr vom Leben, als man in ihrem Alter erwartet, denn sie leben in für ganz Amerika und die Welt prägenden Zeiten des Aufbruchs, Musik, Hippies, Mondlandung, aber auch Protestkundgebungen, Vietnam und soziale Unruhen. Beide träumen davon, den Pazifik zu sehen und endlich erwachsen zu sein. Doch manchmal hat das Leben andere Pläne. Eine Reise entlang der Ostküste, auf die der Vater von J. J. die beiden mitnimmt, bringt neue Erfahrungen und prägende Eindrücke.

Thema und Genre

In diesem literarischen Coming-of-Age Roman geht es um eine Kindheit und Jugend Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre in einer fiktiven Kleinstadt in Crandorf County, New Jersey. In der kritischen Aufbruchsstimmung dieser Zeit beobachten die zwei Jungen das Leben neugierig, aber auch realistisch und machen sich so ihre Gedanken darüber. Es geht aber auch um Verluste, Schicksale und vor allem um eine tiefe Freundschaft, die sich bewähren muss.

Charaktere

Der Autor beschreibt die einzelnen Protagonisten mit Humor und einer sehr guten Beobachtungsgabe. In den Seiten dieses Romans erwachen sie sofort zum Leben, der etwas vorsichtige, aber sehr kreative J. J. und El Greco, der sich über viel Dinge Gedanken macht und präzise seine Schlüsse zieht. Das macht ihn zum großen Vorbild für J. J. Dann ist da noch Old Man Taylor, der die Jungen ernst nimmt und mit ihnen ehrlich und wie mit Erwachsenen redet. Damit gibt er vor allem J. J. Halt, als dieser mit nicht vorhersehbaren Ereignissen konfrontiert wird.har

Handlung und Schreibstil

J. J. erzählt sein Leben, die Ereignisse seines Alltags, die Gespräche mit seinem besten Freund El Greco in der Ich-Form, ergänzt durch Gedanken und Rückblicke. Dies macht die Handlung fließend, hier geht es nicht um Spannung, sondern um die täglichen Abenteuer des Lebens. Sprachlich großartig sind die Beschreibungen, Gedankenbilder und Metapher, die in die Erzählung einfließen und die dazu führen, dass man dieses Buch öfter als ein Mal lesen wird.

Fazit

Der Roman erzählt vom Leben und den Träumen von zwei Freunden auf dem Schritt von der Kind zum Jugendlichen, im aufregenden, aber auch problematischen Amerika der späten 60er Jahre. Die Sprache ist pures Lesevergnügen, klug, in Bildern erzählend und einprägsam. Definitiv ein Höhepunkt meines Lesejahres 2018.

Ein englischer Sommer – Gabriele Diechler

AutorGabriele Diechler
Verlag Insel Verlag
Erscheinungsdatum 9. Mai 2015
FormatKindle
Seiten364 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3458360773 (TB)

 „Schien so, als täte Annett Neumann genau das. Dem Sturm des Lebens trotzen.“ (Zitat Seite 181).

Inhalt

Annett Neumann lebt in Berlin. Sie hat Jura studiert, arbeitet jedoch als freiberufliche Mediatorin. Sie hat eine Beziehung mit dem Anwalt Ingo. Als dieser ein Angebot einer bekannten Kanzlei in den USA annimmt, ohne mit ihr vorher darüber zu reden, trennt sie sich von ihm. An genau diesem Tag erfährt sie, dass ihre geliebte Großmutter Jetta plötzlich gestorben ist, die seit vielen Jahren ein kleines Hotel in den Cotswolds führt, in der malerischen Stadt Stow-on-the-Wold. Zu ihrer Überraschung erbt Annett dieses Hotel und steht nun vor einigen sehr wichtigen Entscheidungen.

Thema und Genre

Dieser Frauen- und Wohlfühlroman spielt in einer der romantischsten, schönsten Gegenden Englands, in den Cotswolds. Sehr einprägsam und authentisch sind die Beschreibungen der kleinen Marktstadt Stow-on-the-Wold und der typischen englischen Lebensart. Thema dieses Romans sind Familienbeziehungen, Verantwortung, aber auch die deutschen Kriegsjahre um 1942 mit den vertuschten Zwangsadoptionen und die Nachkriegszeit. Natürlich geht es auch um die Liebe.

Charaktere

Das Team des kleinen Hotels ist mit viel Humor beschrieben und die Figuren sind lebensnah und gut vorstellbar. Die Hauptprotagonistin Annett ist herzlich und agiert mit dem Einfühlungsvermögen, das zu ihrem Beruf als Mediatorin passt. Sehr gut gefallen hat mir, dass sie eine Frau ist, die das Gespräch sucht und die Dinge offen anspricht, statt immer nur zu zögern und seitenlang im Kreis zu denken, wie es oft bei Protagonistinnen in Büchern dieses Genre der Fall ist. Auch der Gartenarchitekt Edward wirkt auf den Leser sehr sympathisch, er ist kreativ und nimmt sein Leben in die Hand, agiert, statt nur zu reagieren.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung ist stimmig und entwickelt sich zügig und ohne Längen. Dass ein Roman in diesem Genre insgesamt zu einem positiven Ende führt, ist keine Überraschung und wird vom Leser auch erhofft. Die überraschende Wendung in Bezug auf Edward und Beth ist für mich jedoch too much, von der Vorgeschichte her überhaupt nicht logisch und auch nicht stimmig. Bis zum diesem Punkt hatte mich die Geschichte wirklich überzeugt.

Fazit

Ein sehr gut recherchierter, romantischer Wohlfühlroman mit Humor, der den Leser direkt ins Herz England führt und die Natur und Charme der Cotswolds perfekt beschreibt. Eine unterhaltsame Lektüre für entspannte Lesestunden, am besten gemütlich irgendwo im Grünen oder am Strand.

Ein unvergänglicher Sommer – Isabel Allende

AutorIsabel Allende
Verlag Suhrkamp Verlag
Erscheinungsdatum 13. August 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten350
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3518428306

„Nicht die Schwerkraft hält unser Universum im Gleichgewicht, sondern die Liebe.“ (Zitat Seite 319)

Inhalt

Richard Bowmaster, 60, ist Professor an der Universität New York und holt eine Kollegin, Lucía Maraz aus Chile, 62, als Gastdozentin für sechs Monate an seine Fakultät. Sie wohnt als Untermieterin mit ihrem alten Chihuahua in Richards Haus, doch sie haben persönlich weniger Kontakt, als sie gehofft hatte. Es ist später Abend an einem Samstag Ende Januar 2016, als gerade ein eisiger Schneesturm über Brooklyn tobt, als Richard sie dringend um Hilfe bittet. In seinem Wohnzimmer sitzt Evelyn Ortega, eine junge Frau aus Guatemala. Auf dem Weg zum Tierarzt war Richard einige Stunden zuvor auf ihr Auto aufgefahren. Was wie ein Bagatellfall aussah, hat ungeahnte Folgen für alle. Denn Evelyn hatte für einen dringenden Weg in die Apotheke das Auto ihrer Arbeitgeber genommen, ohne zu fragen und im Kofferraum eine Leiche entdeckt. Zur Polizei können sie nicht gehen, da Evelyn sich illegal in den USA aufhält. Für Lucía gibt es nur eine Lösung – sie müssen das Auto und die Leiche loswerden und das möglichst rasch.

Thema und Genre

In ihrem neuesten Roman rund um einen Mordfall im eisigen Winter 2016 erzählt die Autorin von Schicksalsschlägen, Flucht und Hoffnungen. Es geht um die Lebensumstände der ungemeldet und illegal in den USA arbeitenden Menschen aus Mittelamerika, sowie um die aktuelle politische Lage. In den Geschichten von Lucía und Evelyn erhält der Leser einen Einblick in die Situation in Chile, Guatemala und Mexiko. Vor allem jedoch handelt dieses Buch vom Leben, von starken, mutigen Frauen und von der Chance auf einen Neubeginn.

Charaktere

Die Autorin stellt drei Personen in den Mittelpunkt der Handlung: Richard, den etwas schroffen, durch das Schicksal gezeichneten Einzelgänger. Die patente Lucía, deren Leben nie einfach war, die dennoch fröhlich und positiv geblieben ist. Evelyn, die nach einer abenteuerlichen Flucht durch Mexiko bei ihrer Mutter in den USA gelandet ist, jedoch abgeschoben werden soll, kümmert sich seit 2011 in New York rund um die Uhr um ihren Schützling Frankie und oft auch um seine Mutter. Sie alle sind speziell, etwas schrullig und gerade deswegen einfach liebenswert.

Handlung und Schreibstil

Die spannende Handlung spielt im Januar 2016, dazwischen immer wieder Kapitel mit Rückblenden, in denen die einzelnen Protagonisten sich in Gedanken an wichtige Ereignisse in der Vergangenheit erinnern, oder den anderen auch Geschichten aus ihrem Leben erzählen. Manche Rückblenden, wie zum Beispiel der abenteuerliche Weg Evelyns durch Mexiko, sind packend beschrieben und sehr spannend. Jedes Kapitel trägt als Überschrift die Namen der betreffenden Personen und auch eine Ortsangabe. Dies macht die Handlung für den Leser sehr übersichtlich und nachvollziehbar.

Isabel Allende erzählt diese besondere, sehr originelle Geschichte mit sprachlich beeindruckenden Schilderungen und vor allem wieder mit viel Wärme für alle menschlichen Facetten, Klugheit und Humor.

Etwas verwundet bin ich über den deutschen Titel, denn übersetzt würde der Originaltitel „Jenseits des Winters“ lauten, was wesentlich mehr Bezug zur Handlung hat.

Fazit

Eine spannende Geschichte mit politischen und sozialen Hintergründen, humorvoll und großartig erzählt. Die Charaktere sind originell und prägend für die Handlung, in der auch Freundschaft, Verständnis und Liebe nicht zu kurz kommen.

Der Brief – Carolin Hagebölling

AutorCarolin Hagebölling
Verlag dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum 9. Juni 2017
FormatBroschiert
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3423261463

„Es war der Tag, der mein Leben auf den Kopf stellte.“ (Zitat Seite 7)

Inhalt

Marie ist Journalistin und wohnt mit ihrer Partnerin, der Architektin Johanna, in Hamburg. Eines Tages erhält sie einen Brief von ihrer alten Schulfreundin Christine, der an sie adressiert ist, jedoch an eine ihr völlig fremde Adresse in Paris. Darin ist von ihrem Leben in Paris, ihrer Galerie und einem Mann Victor die Rede. Kurz darauf retourniert eine erboste Christine einen Brief an Marie und bittet sie, sie endlich in Ruhe zu lassen. Dieser neue Brief war diesmal von Marie mit der Pariser Adresse an Christine geschickt worden, sogar mit einem Foto von einer Ausstellungseröffnung. Auf diesem Foto ist Marie eindeutig zu erkennen. Nun ist Marie wirklich sehr beunruhigt und reist nach Paris, um selbst nachzuforschen.

Thema und Genre

Dieser Roman handelt von Beziehungen, stellt aber auch elementare psychologische und vor allem philosophische Fragen. Es geht um Entscheidungen, die getroffen werden und den weiteren Lebensweg prägen und die Frage, was wäre gewesen, wenn. Eine Frage die sich irgendwann im Leben wohl jeder Mensch stellt.

Charaktere

Johanna ist die geerdete Frau an Maries Seite, die versucht, die Dinge rationell zu sehen. Marie dachte dies auch, bis sie durch diese Briefe und die Ereignisse plötzlich an sich selbst und an ihrem Verstand zweifelt. Doch sie will Erklärungen und bleibt dabei immer sympathisch, da sie weiterhin auf die Menschen zugeht und mutige Entscheidungen trifft.

Handlung und Schreibstil

Durch die geheimnisvollen Briefe nimmt man als Leser sofort an Maries Leben teil und mit den nicht logisch erklärbaren  Ereignissen steigt die Spannung weiter an. Leider endet das Buch dann etwas abrupt und lässt viele Fragen offen, hier scheint die Autorin selbst irgendwie die Lust am Labyrinth ihrer Geschichte verloren zu haben.

Die flüssige Sprache liest sich angenehm und die Beschreibungen des Alltagslebens in Paris bringen Pariser Charme und Leichtigkeit in den Roman.

Fazit

Eine packende, ungewöhnliche Geschichte, die zum Nachdenken über das Leben anregt. Enttäuscht hat mich das etwas einfallslose Ende, das zwar den Kreis der Geschichte mit einer weiteren Überraschung schließt, den Leser aber irgendwie ratlos zurücklässt. Insgesamt jedoch ein mutiges, lesenswertes Debüt einer jungen deutschen Autorin.

David – Judith W. Taschler

AutorJudith W. Taschler
Verlag Droemer HC
Erscheinungsdatum 2. Oktober 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3426281338

„Alles, was auf diesen heißen Augusttag folgte, waren in den ersten Jahren tägliche kleine Katastrophen, sie mündeten in einer einzigen großen Katastrophe und die Folgen davon ließen aus ihrem Leben ein Desaster werden.“ (Zitat Seite 23)

Inhalt

Magdalena Millet kehrt nach 28 Jahren zurück ins Haus ihrer Kindheit, wo sie bei ihrer Oma Clara gelebt hat, bis diese überraschend verstorben ist und Magdalena in ein Heim kam. Sie renoviert das Haus, um darin zu leben.

Jan ist 18 Jahre alt, als seine Adoptivmutter bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Er findet sie, ihr Auto ist an einen Baum geprallt. Es ist ein großer, alter Davidsahorn, der auf Magdalenas Grundstück steht. Dieser Baum ist der Schlüssel zu einem alten Familiengeheimnis.

Thema und Genre

In diesem Familien- und Generationenroman geht es um jene Momente, in denen eine Entscheidung getroffen wird, die unvorhersehbare Folgen für alle Beteiligten und auch das Umfeld hat. Es geht auch um Vorurteile, das Leben in kleinen Dorfgemeinschaften und um die Liebe.

Charaktere

Die Autorin entwickelt unglaublich lebensnahe Charaktere mit allen menschlichen Schwächen, die den Leser mit ihren Schicksalen sofort in den Bann ziehen und uns mitfühlen lassen. Hier geht es nicht so sehr um die Frage, ob man einzelne Entscheidungen vielleicht anders getroffen hätte, sondern vor allem darum, was dann die Zeit, man kann es auch Ironie des Schicksals nennen, daraus macht.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung beginnt mit einem Ereignis in der Vergangenheit als Prolog und entwickelt sich in einzelnen Kapiteln zwischen Gegenwart und erklärender Vergangenheit weiter, bis sich der Bogen schließt. Die Geschichte ist in ihrer Komplexität spannend und schlüssig erzählt und bleibt auch nach der letzten Seite in den Gedanken des Lesers. Die poetische Sprache macht diesen Roman zu einem insgesamt beeindruckenden, großartigen Leseerlebnis.

Fazit

Eine facettenreiche Generationengeschichte in einer dichten, poetischen Sprache. Trotz der schwierigen Einzelschicksale ist es wunderbar positive Geschichte, die hier erzählt wird. Für mich persönlich eines meiner Lieblingsbücher 2018.

Das Marillenmädchen – Beate Teresa Hanika

AutorBeate Teresa Hanika
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 12. September 2016
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442757053

Ich dachte daran, was wir zu Anfang sind, was das Leben aus uns macht und welchen Teil wir davon selbst in die Hand nehmen.“ (Zitat Seite 80)

Inhalt

Elisabetta Shapiro wohnt noch immer in dem Haus ihrer Familie in Wien, in dem sie 1934 geboren wurde. Mit ihr leben auch die alten Erinnerungen und der große Marillenbaum in ihrem Garten, den ihr Vater gepflanzt hatte. Jedes Jahr kocht sie aus den Früchten Marmelade, wie es schon ihre Mutter getan hatte. Die Wohnung im ersten Stock vermietet sie und eines Tages zieht Pola ein, eine junge deutsche Ballettänzerin. Schicksal oder Zufall? Denn es gibt eine Verbindung in ihrem Leben.

Thema und Genre

In diesem Generationenroman geht es um die Zeit ab 1938 in Wien und das Leben der Menschen, die diese Zeit er- und überlebt haben. Es geht aber auch um Liebe, Mut und Feigheit. Der Roman spielt hauptsächlich in Wien, wobei die Autorin zwar die realen Örtlichkeiten verwendet, diese jedoch für ihre Handlung völlig verfremdet. Durch die Mariahilfer Straße bimmeln seit 1993 keine Straßenbahnen mehr, es gibt auch keine kleinen Häuser mit Gärten und Marillenbäumen, sondern urbane Gründerzeithäuser und Innenhöfe mit alten Kastanien. Eine Melange ist keine schwarze Flüssigkeit, sondern hell, da mit viel Milch. Es fahren keine Droschken, sondern Fiaker, die „Kneipen“ in der Nähe des Stephansdoms sind Bars und Restaurants. Auch der niederländische Maler Carel van Lier wird als Karel Lier nach Wien verpflanzt. Hier hat sich die Autorin leider keine Zeit für Recherchen genommen und sie kennt Wien wohl auch nicht. Es fällt vermutlich ihren deutschen Lesern auch nicht auf, mir als Wienerin aber schon. Diese Beschreibungen haben mit Wien leider nur den Namen gemeinsam und ich frage mich, was das für einen Sinn haben soll und ob der Verlag kein Lektorat mehr hat.

Charaktere

Elisabetta lebt mehr in und mit der Vergangenheit, als in der Gegenwart. Ihre eigene zwiespätige Gefühlswelt wird durch ihre gedanklichen Gespräche mit ihren beiden so unterschiedlichen Schwestern sehr gut geschildert. Auch Pola, die zornige junge Frau, die nur wirklich frei ist, wenn sie tanzt, ist stimmig beschrieben.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung besteht aus mehreren Erzählsträngen, teilweise in der Vergangenheit, teilweise in der Gegenwart, die oft und teilweise abrupt wechseln. Innerhalb des jeweiligen Zeitstranges sind die Episoden jedoch chronologisch. Elisabetta erzählt jene Teile, die sie selbst und die Rückblenden ihrer Erinnerung betreffen, in der ersten Person, für alle anderen Abschnitte wählt die Autorin die dritte Person. Wirklich überzeugend ist die sprachliche Qualität dieses Romans

Fazit

Ich hatte mir auf Grund der Leseprobe wesentlich mehr erwartet. Mich konnte dieser sehr konstruierte und oberflächlich erzählte Roman, abgesehen von der großartigen Sprache, nicht überzeugen. Wirklich genervt hat mich diese kitschige Beschreibung eines Eigenheims mit Gemüsegarten und Marillenbaum gleich neben einer der belebtesten Einkaufsstraßen Wiens, dazu ein kurzer nächtlicher Spaziergang vom Konzerthaus an die Donau (man bräuchte dafür etwa 90 Minuten). Ein Roman wohl eher für junge Leser, die gerne Liebesgeschichten mit etwas Vergangenheitsbezug lesen.

Der englische Liebhaber – Federica de Cesco

AutorFederica de Cesco
Verlag Europa Verlag
Erscheinungsdatum 29. Juni 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten360
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3958900806

„Wir müssen lernen, die Dinge aus der Distanz zu sehen.“ (Zitat Seite 90)

Inhalt

Die junge Anna Henke arbeitet nach Kriegsende im zerstörten Münster als Dolmetscherin für die britische Besatzungsmacht. Sie lernt den britischen Offizier Jeremy Fraser kennen und lieben. Obwohl diese Beziehung zwischen einer Deutschen und einem Mitglied des englischen Nachrichtendienstes absolut unerwünscht war, wollen sie trotz aller Hindernisse heiraten. Im April 1946 wird Jeremy in die Zentrale nach London zurückbeordert und aus Tagen werden lange Jahre, in denen Anna nie wieder etwas von ihm hört. Die gemeinsame Tochter Charlotte wächst dadurch als uneheliches Besatzungskind auf und lernt ihren Vater erst 1972 kennen. Kurz vor ihrem Tod übergibt Anna ihrer Tochter einige Schmuckstücke, persönliche Tagebuchaufzeichnungen und Tonbänder. Wird dies Charlotte helfen, die Geschichte ihrer Eltern besser zu verstehen?

Thema und Genre

Erzählt wird eine Liebesgeschichte nach einer wahren Begebenheit, die im Nachkriegsdeutschland beginnt und das Leben mehrere Menschen dauerhaft prägt. Der Hauptteil dieses Romans ist in Tagebuchform geschrieben und hat biografische Ansätze. Thema sind die deutschen Kriegs- und Nachkriegsjahre und die Frage, wie die Menschen mit der Vergangenheit umgehen. Es geht aber auch um den Aufbruch und Protest der 68er Generation.

Charaktere

Der Schwerpunkt dieses neuesten Romans der bekannten Autorin liegt mehr im Erzählen der Geschichte von Anna und Jeremy, den Lebensumständen im armen Nachkriegsdeutschland und weniger in der Charakterisierung der handelnden Personen selbst. Ihre Beweggründe ergeben sich eher aus dem Umfeld, als auch eigenen aktiven Entscheidungen und man hinterfragt sie als Leser daher auch nicht, sondern nimmt sie zur Kenntnis.

Handlung und Schreibstil

Kernstück der Handlung ist die Geschichte von Anna und Jeremy, erzählt in den Tagebüchern und Aufzeichnungen von Anna selbst, daher in Ich-Form. Die Sichtweise der erwachsenen Charlotte der Jetztzeit bildet eine untergeordnete Rahmenhandlung und wird in der 3. Person erzählt. Die gesamte Erzählung fließt auf allen Ebenen gleichmäßig dahin, ohne Spannung aufzubauen. Obwohl die Autorin politische Fragen um Verantwortung und Aufbegehren streift und auch die Jugendkultur der 68er in die Handlung einbringt, bleibt sie auch hier an der Oberfläche der allgemein bekannten Tatsachen. Die sprachliche Qualität dagegen ist auch diesmal wieder großartig.

Fazit

Ich hatte große Erwartungen in diesen neuesten Roman der bekannten Schriftstellerin, der in meinen Augen leider nicht an ihre früheren Bücher herankommt. Diese Geschichte, die sich 360 Seiten lang dem Leser als eine ruhig erzählte Biografie präsentiert, konnte mich leider nicht überzeugen. Es ist ein netter, sprachlich sehr gut geschriebener Liebes- und Generationenroman, der an der Oberfläche dahinplätschert, den Leser nicht fordert und schnell gelesen ist.

Das Mädchen aus Brooklyn – Guillaume Musso

AutorGuillaume Musso
Verlag Piper Taschenbuch
Erscheinungsdatum 3. Juli 2018
FormatTaschenbuch
Seiten496
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492312776

„Ohne es zu wollen, hatte ich die Geister der Vergangenheit heraufbeschworen, die einen Sturm der Gewalt losgetreten hatte.“ (Zitat Seite 146)

Inhalt

IDer Thriller-Autor Raphaël Barthélémy ist mit der Ärztin Anna Becker verlobt. Neugierig auf ihre Vergangenheit, über die sie nie spricht, drängt er sie so lange, bis sie ihm ein Foto zeigt und ihm ein dunkles Geheimnis aus ihrem früheren Leben andeutet. Einige Stunden später ist sie verschwunden. Gemeinsam mit seinem Freund Marc Caradec, ein ehemaliger Polizist einer Spezialeinheit, macht Raphaël sich auf die gefährliche Suche nach Anna. Die Ermittlungen in Frankreich und New York führen zu einem Verbrechen, dessen Hintergründe nie aufgeklärt wurden und einflussreiche Personen wollen, dass dies auch so bleibt.

Thema und Genre

Ein packender Thriller um ein grausames Verbrechen in der Vergangenheit. Ein wichtiges Thema sind jedoch nicht die Taten selbst, sondern die weitreichenden Auswirkungen auf die Opfer, deren Familien und das gesamte Umfeld, vor allem dort, wo Taten vertuscht und nie aufgeklärt wurden. Schauplätze sind Paris und New York.

Charaktere

Die beiden Hauptprotagonisten sind Raphaël und Marc. Der Schriftsteller Raphaël, glücklicher, alleinerziehender Vater des kleinen Theo, verfolgt gemeinsam mit seinem erfahrenen Freund Marc intensiv alle Spuren, die ihn zu Anna führen könnten. Anna dagegen ist die Hauptperson des Erzählstranges aus der Vergangenheit, deren Geschichte im Zuge der Ermittlungen aus den Erinnerungen der Beteiligten und Rückblenden langsam zu einem Gesamtbild zusammengefügt wird.

Handlung und Schreibstil

Der vielschichtige Plot besteht aus mehreren, zu Beginn unabhängigen  Handlungssträngen, die aus der Vergangenheit in die Gegenwart reichen und erst im Verlauf der Geschichte und nach überraschenden Wendungen die Zusammenhänge enthüllen. Dennoch bleibt die Handlung übersichtlich und nachvollziehbar. Interessant ist es, wie der Autor auch mit den Erzählformen spielt. Für die Gegenwart wählt er die Ich-Form aus Sicht von Raphaël, wobei er bei den Teilen, die Marc betreffen, in die dritte Person wechselt. Die Taten selbst werden wieder in der Ich-Form, aus Sicht der Opfer geschildert. So führt er den Leser ohne Längen durch die spannende, abwechslungsreiche Geschichte.

Fazit

Ein rasant geschriebener, packender Thriller mit einem gekonnten, für dieses Genre ungewöhnlich vielschichtigen Aufbau. Der Autor spielt mit den Handlungssträngen und Erzählformen, was spannendes Lesevergnügen garantiert.

Lady Liberty – Der Weg in die Freiheit – Annabelle Tilly

AutorAnnabelle Tilly
Verlag Tinte & Feder
Erscheinungsdatum 8. Mai 2018
FormatTaschenbuch
Seiten396
SpracheDeutsch
ISBN-13978-2919800391

„Glaubst du, dass Lady Liberty in zweihundert Jahren immer noch hier steht?“ (Zitat Seite 386)

Inhalt

Camille St. Laurent ist die jüngste von sechs Töchtern einer wohlhabenden, adeligen Pariser Familie. Sie will Journalistin werden, was im Jahr 1885 für eine Frau beinahe unmöglich war. Doch Jules Aragon, der Chefredakteur des Figaro gibt ihr eine Chance.

Sie soll nach New York reisen, um dort vom Aufbau der Freiheitsstatue zu berichten. Allerdings sollen die Leser denken, dass Camille ein Mann ist. Der Verleger Joseph Pulitzer, dem die New York World gehört, teilt den Reporter Patrick O’Sullivan ein, sich um „den Kollegen aus Frankreich“ zu kümmern.

Nach anfänglichen Zweifeln werden die beiden rasch ein Team und neben den Berichten über den Bau des Sockels für die Freiheitsstatue recherchieren sie in einem Mordfall: zwei Frauen sind ermordet worden. Sie folgen mehreren Spuren, doch als Camille die Zusammenhänge erkennt, könnte sie das nächste Opfer sein …

Thema und Genre

Dieser historische Unterhaltungsroman verpackt die Geschichte einer engagierten jungen Frau, die in der Männer-dominierten Welt des späten 19. Jahrhunderts ihren Weg gehen will. Themen sind das soziale Umfeld der wohlhabenden amerikanischen Familien, die Frauenrechte in Amerika, die Konstruktion der Freiheitsstatue und vor allem die Errichtung derselben in New York, wo es beinahe am Bau des entsprechenden Sockels scheitert.

Charaktere

Camille ist eine selbstbewusste Frau, die sich rasch den amerikanischen Gegebenheiten anpasst. Patrick ist irischer Abstammung und stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Er zeigt ihr sein New York und gibt ihr dadurch ein Gefühl von Freiheit abseits der engen gesellschaftlichen Zwänge, die damals in Europa noch vorherrschten.

Besonders liebenswert ist Camille’s Tante Catherine, die seit vielen Jahren in New lebt und bei der Camille wohnt. Tante Catherine ist eine nach außen hin etwas strenge alte Lady, die jedoch Sinn für Humor, Spaß und ein großes Herz hat.

Handlung und Schreibstil

Ort der Handlung ist vorwiegend New York. Die Ereignisse dieses Romans finden in den Jahren 1885 bis 1886 statt und in chronologischer Reihenfolge. Ein kurzer Prolog schildert den ersten Mord. Die Handlung ist in insgesamt 35 Kapitel eingeteilt, die Überschrift gibt jeweils Ort und Zeitrahmen an, es folgt ein kurzer Epilog. Spannung erhält die Geschichte durch die Mordfälle und die Klärung der Zusammenhänge, wobei die Autorin die Protagonisten und damit auch den Leser auf einige falsche Fährten führt. Der Schreibstil ist flüssig und sprachlich sehr angenehm zu lesen, Die Beschreibungen der Stadt New York im Jahr 1885 sind sehr lebhaft und anschaulich, auch die berühmten Schauplätze wie Coney Island fehlen nicht.

Fazit

Ein historischer Roman, der spannende Lesestunden garantiert. Die in den Roman eingebauten geschichtlichen Tatsachen sind sehr gut recherchiert, auch das Leben in der Stadt New York ist realistisch, anschaulich und interessant geschildert. Die ersten Frauenbewegungen im Zusammenhang mit dem angestrebten Wahlrecht für Frauen, sowie der mühsame Überlebenskampf der Frauen in den Armenvierteln im Gegensatz zum Leben der sehr reichen Gesellschaftsschicht vertiefen das Thema und machen aus diesem Buch mehr als nur unterhaltsame Trivia.

Die Schatten der Ideen – Klaus Modick

AutorKlaus Modick
Verlag Piper Taschenbuch
Erscheinungsdatum 10. August 2015
FormatTaschenbuch
Seiten464
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492308724

„Das College sei ein Zauberberg, der unter seiner akademischen Käseglocke dahindämmere, und damit werde das Abgeschiedene des Städtchens noch isolierter, die Puppenstubenidylle noch hinterwälderischer, der Elfenbeinturm noch weltentrückter.“ (Zitat Seite 55)

Inhalt

Moritz Carlsen, Schriftsteller und Übersetzer, wird von seinem früheren Studienkollegen Hocki eingeladen, am Centerville College in Vermont als Gastprofessor zwei Seminare in deutscher Sprache zu halten. Da ihm gerade die Ideen für einen neuen Roman fehlen und er daher das Geld benötigt, sagt er zu. Er bezieht ein altes Gästehaus, das zum College gehört. Im Keller entdeckt er durch Zufall eine Korrespondenz zwischen Carl Zuckmayer und Julius Steinberg, sowie die Tagebücher von Julius Steinberg, der zwischen 1939 und 1950 Assistenzprofessor für Geschichte am Centerville gewesen war. Neugierig geworden, beginnt er zu recherchieren. Doch in den Archiven findet sich kein Hinweis auf Steinberg und einige einflussreiche Personen sind sehr daran interessiert, dass dies auch so bleibt.

Thema und Genre

Es handelt sich hier um einen Roman auf zwei Zeitebenen, Hauptbezugsort der Handlung ist ist das Centerville College in Vermont, USA. Die Ereignisse, in deren Mittelpunkt Moritz Carlsen steht, spielen in der Gegenwart, während der Leser die Geschichte von Julius Steinberg aus dessen Briefen und Aufzeichnungen erfährt. Themen sind das Leben der vor den Nazis geflohenen Juden in Amerika, die Wirtschaftskrise, Gewerkschaften und die McCarthy-Ära.

Charaktere

Die Hauptprotagonisten sind Julius und Moritz. Beide zeigen Zivilcourage und lassen sich von politischem Druck nicht einschüchtern. Sehr gut beschrieben ist die Situation in diesem kleinen College, sowohl in der Gegenwart, als auch in der Vergangenheit.

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Geschichte ist in der personalen Erzählform geschrieben, Steinbergs Tagebücher in der Ich-Form. Beide Handlungsstränge sind sehr spannend aufgebaut und in sich geschlossen, wobei die Gegenwart die Vergangenheit gleichsam umschließt. Sehr anschaulich beschrieben ist das politische Umfeld im Amerika zur Zeit des WKII und danach. Auch diesmal verwöhnt uns der Autor mit sprachlich großartigen Schilderungen.

Fazit

Eine spannende Handlung, ein Roman mit interessanten Themen und eine gelungene, glaubhafte Idee. Wer schon Romane von Klaus Modick gelesen hat, wird auch diesmal begeistert sein und wer diesen Autor erst mit diesem Buch kennen lernt, wird sicher weitere Bücher von ihm lesen.

Unter blutrotem Himmel – Mark Sullivan

AutorMark Sullivan
Verlag Tinte & Feder
Erscheinungsdatum 22. Mai 2018
FormatTaschenbuch
Seiten596
SpracheDeutsch
ISBN-13978-1503950085

„Das Beste ist, um die Menschen zu trauern, die man geliebt und verloren hat, und dann die neuen Menschen willkommen zu heißen und zu lieben, die dir das Leben vor die Nase setzt.“ (Zitat Seite 360)

Inhalt

1943 ist Pino (Giuseppino) Lella siebzehn Jahre alt, liebt Jazz und Mädchen und träumt von   Amerika. Seine Familie lebt in Mailand, das von den Deutschen besetzt ist. Als die ersten Bomben der Alliierten auf Mailand fallen, wird er, wie zuvor schon sein jüngerer Bruder, in ein Jugendlager in den Alpen, die Casa Alpina, geschickt. Dort hat Pater Re eine Aufgabe für ihn. Mehrmals in der Woche führt Pino jüdische Flüchtlinge über gefährliche Berg- und Kletterpfade an die Schweizer Grenze. Doch sein Vater ruft ihn zurück nach Mailand und Pino verpflichtet sich widerwillig zur deutschen Armee. Am 8. August 1944 wird er der persönliche Fahrer von Generalmajor Hans Leyers und dadurch eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten. Er sieht auch Anna wieder, die er vor vierzehn Monaten ein Mal gesehen und nie vergessen hat. Doch der Krieg ist noch nicht zu Ende und seine Aufgaben sind gefährlich …

Thema und Genre

Dieser biografische, historische Roman erzählt eine wahre Geschichte und steht beispielhaft für die vielen noch immer unbekannten mutigen Menschen, die während des WKII unter Einsatz des eigenen Lebens einen täglichen heimlichen Kampf gegen die Nationalsozialisten führten, Menschenleben retteten, ohne sich jemals selbst als Helden zu präsentieren. In diesem Buch geht es um Norditalien unter deutscher Besatzung, von Juni 1943 bis Mai 1945. Der Roman handelt aber auch von persönlicher Verantwortung und Schuld und stellt die Frage, ob Mord, egal von welcher Seite, gerechtfertigt sein kann.

Charaktere

Die Hauptprotagonisten sind Pino Lella und Generalmajor Hans Leyers. Pino ist ein normaler siebzehnjähriger Teenager, als die Bomben der Alliierten auf Mailand zu fallen beginnen. Innerhalb weniger Wochen wird er erwachsen und übernimmt die Verantwortung für die Flüchtlinge, die er über steile Alpenwege führt. Obwohl er Angst hat, bleibt er spontan in seinen Entscheidungen und gibt nie auf. Er träumt vom Ende des Krieges und einem gemeinsamen Leben mit seiner großen Liebe Anna.

Hans Leyers hat gelernt, immer auf der richtigen Seite zu stehen. Befehle empfängt er direkt vom Führer, dennoch versucht er, eigene Wege zu gehen und seine Rolle blieb undurchschaubar, was auch dazu führte, dass er in den Jahren nach dem Krieg seine Verbrechen erfolgreich leugnen konnte.

Handlung und Schreibstil

Nicht nur durch die Geschichte, die ihm Pino Lella persönlich erzählt, sondern auch durch die nachfolgenden intensiven Recherchen gelingt dem Autor hier ein realistisches Portrait der Ereignisse während dieser für Norditalien prägenden Jahre vor Kriegsende.

Der Roman ist in 5 Teile eingeteilt und in insgesamt 34, fortlaufend nummerierte Kapitel.

Der Autor wählt die personale Erzählform, er erzählt die Ereignisse aus der Sicht von Pino, verzichtet jedoch auf die Ich-Form.

Die Geschichte ist sehr packend und sprachlich gekonnt erzählt. Der Spannungsbogen ergibt sich schon durch die tatsächlichen Ereignisse dieser Zeit, wobei die Spannung durch Pino Lellas Einsätze gesteigert wird.

Fazit

Ein großartiger Roman, den zu lesen sich wirklich lohnt, ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, über die außerhalb Italiens relativ wenig bekannt ist, da man nach dem Krieg über diese Ereignisse geschwiegen hat. Der reale biographische Hintergrund macht dieses Buch ungemein spannend.

Das Jahrhundertversprechen (Jahrhundertsturm-Serie, Band 3) – Richard Dübell

AutorRichard Dübell
Verlag Ullstein Taschenbuch
Erscheinungsdatum 8. Juni 2018
AusgabeTaschenbuch
Seiten656
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3548289663

„Träume tragen einen auch durch die finstere Nacht.“ (Zitat Seite 357)

Inhalt

Seit Max Brandow Weihnachten 1918, gerade vierzehn Jahre alt, der elfjährigen Luisa von Briest das Leben gerettet hatte und dabei nur durch ein Wunder überlebt, gehört auch er zur Familie und lebt auf Gut Briest. Die Wirtschaftskrise trifft auch Otto und Hermine von Briest, ihre Detektivagentur bekommt kaum mehr Aufträge und sie müssen damit rechnen, das Gut zu verlieren. Magda von Cramm wartet schon darauf, dieses zu erwerben, ganz im Sinne der verbitterten Feindschaft zwischen den beiden Familien. Ihr Sohn Sigurd von Cramm fährt Autorennen. Auch Max begeistert sich für Automobile, arbeitet als Mechaniker, aber träumt ebenfalls davon, selbst Rennen zu fahren. Luisa dagegen ist vom Film und den neuen Möglichkeiten begeistert, doch vor allem liebt sie Max. Doch sie leben in gefährlichen Zeiten, denn eine neue, extreme Partei ist dabei, Deutschland zu unterwandern …

Thema und Genre

Der dritte Teil der Jahrhundert-Trilogie spielt in der Zeit der Weimarer Republik. Dieser historische Roman umfasst die Jahre 1918 – 1934. Thema sind die extrem schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland mit Inflation und Weltwirtschaftskrise, vor allem jedoch die zuerst versteckt agierenden, dann immer offener und mächtiger werdenden Anhänger der Nationalsozialistischen Partei. Beschrieben wird auch in diesem dritten Band wieder eine wichtige technische Entwicklung, diesmal ist es das Automobil und hier besonders die Autorennen, doch auch die beginnende Filmindustrie ist ein Thema.  

Charaktere

Hauptprotagonisten sind die Mitglieder der beiden verfeindeten adeligen Familien von Briest und von Cramm. Unter den weiteren Protagonisten ist auch der bekannte Filmregisseur Fritz Lang, der sehr realistisch geschildert wird. Insgesamt jedoch sind die Charaktere sehr strikt in Gut und Böse eingeteilt, ohne die Graubereiche des menschlichen Charakters.

Handlung und Schreibstil

Der Roman ist in 4 Bücher eingeteilt, dazu ein Prolog und ein Epilog. Jedes Buch trägt eine Überschrift und den entsprechenden Zeitraum und ist in nummerierte Kapitel unterteilt, die jeweils neu mit 1 beginnen.

Die Handlung ist spannend und in einem sich steigernden Bogen aufgebaut, wobei sich die Spannung einerseits durch die Familiengeschichte ergibt, die erzählt wird, andererseits durch die ohnedies aufregenden realen historischen Ereignisse.

Die Sprache erzählt angenehm und flüssig, ergänzt durch detaillierte Beschreibungen.

Fazit

Ein Familienroman und Abschluss einer Generationsgeschichte, eingebunden in eine Episode neuerer deutscher Zeitgeschichte. Eine interessante Lektüre für Leser von historischen Romanen, wobei man diesen dritten Band auch lesen kann, ohne die beiden anderen Bücher zu kennen. Die Charaktere konnten mich allerdings nicht vollkommen überzeugen, ich hätte mir mehr Facetten gewünscht und weniger „gut und edel“.

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