Hortensiensommer – Ulrike Sosnitza

AutorUlrike Sosnitza
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 12. März 2018
FormatTaschenbuch
Seiten400
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3453422148

„Barfuß im feuchten Gras, die Hände in der Erde, dann bist du glücklich.“ (Zitat Seite 356)

Inhalt

Johanna Laurien, Mitte 30, ist Gartengestalterin und als „Gartenfee“ bringt sie die Gärten ihrer Kunden zum Blühen. Nur den eigenen Garten vernachlässigt sie, seit ein tragische Unglück sie und ihr Leben völlig aus der Bahn geworfen hat. Kann ihr neuer Mieter Philipp Mey, Lehrer für Mathe und Physik am örtlichen Gymnasium, sie in ihrer Isolation erreichen, etwas, woran ihre Familie und Freunde seit Jahren scheitern?

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Gärten, Blumen und den malerischen Ort Sommerhausen. Doch er handelt vor allem von Trauer, Schmerz, Isolation, aber auch von Familie, Liebe und Neubeginn.

Charaktere

Johanna ist Gärtnerin mit Herz und Können und rettet verwahrlosten Gärten, nur für sich selbst hat sie keine Lösung. Leider zwingt sie ihren Weg der absoluten Verdrängung auch ihrer Familie und Freunden auf, was deren Leben nachhaltig belastet.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird von Johanna und Philipp erzählt, wobei die einzelnen Kapitel einander abwechseln. So erfährt der Leser Hintergründe und die Gedanken der beiden Hauptprotagonisten. Wichtige Situationen werden so aus unterschiedlichen Sichtweisen dargestellt. Diese Erzählform macht die Geschichte stimmig und angenehm zu lesen. Die Schilderung der Blumen und Gärten sorgt für Sommerstimmung, die stringente und damit sehr egoistische Haltung der Protagonistin Johanna führt leider zu einigen Längen. Ein kluger Autor sagte einmal zu mir, manchmal müsse man seine Protagonisten einfach loslaufen lassen und schauen, was passiert, denn dann bekommt die Geschichte Eigendynamik. Vielleicht hätte sich dann die durchaus sympathische Gärtnerin Johanna früher aus ihrer starren Isolation gelöst und diesen Stillstand im Selbst wieder in Bewegung gebracht.

Fazit

Ein facettenreicher Roman, bunt wie ein Sommertag im Garten, durchbrochen von Gewitter und dunklen Wolken.

Die Verleugnung – Gregor Bähr

AutorGregor Bähr
Verlag tredition
Erscheinungsdatum 4. April 2019
FormatTaschenbuch
Seiten220
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3748253761

„An die guten Zeiten erinnert man sich, die schlechten vergisst man – ganz schön clever von der Natur.“ (Zitat Seite 94)

Inhalt

Der Reutlinger Reporter Ferry Stein wird zu einem Brand in Rehlingen gerufen. Seit vielen Jahren wohnte Alexandra Gehrwein, von allen „die Einsiedlerin“ genannt, im Gehöft Schofstall. Sie kam bei diesem Brand ums Leben. Bei seinen Recherchen erfährt Ferry Stein ihre Lebensgeschichte. Das gesamte Erbe, dazu gehörten auch ihre Tagebuchaufzeichnungen, geht an den  einst erfolgreichen Drehbuchautor Peter Siegmund. Dieser wundert sich, doch als er zu lesen beginnt, entstehen in seinem Kopf sofort Bilder und er schreibt das Drehbuch für eine Dokumentation. Doch der Produzenten verlangt mehr Sex and Crime und Siegmund schreibt unter einem Pseudonym eine völlig veränderte Geschichte. Ferry Stein, inzwischen Reporter in Berlin, erinnert sich jedoch an den damaligen Fall …

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Beziehungen und die manchmal völlig unterschiedlichen Erwartungshaltungen von Männern und Frauen. Ein Thema sind Traumata und natürlich geht es auch um Journalismus,  die Berlinale und die Ehrlichkeit in der Berichterstattung.

Charaktere

Charaktere Text

Ferry Stein ist Reporter, immer auf der Suche nach einer guten Story, aber für ihn ist Medienethik wichtig, das bedeutet Recherchearbeit und möglichst wahrheitsgetreue Artikel.

Peter Siegmund ist ein begabter Drehbuchautor, der sich jedoch um entscheidenden Moment für eine Karriere als Serienautor entschieden hat. Mit dem Ende der Serie war auch er am Ende. Er schätzt seine Unabhängigkeit, Frauen sind für ihn flüchtige Abenteuer, die er sofort wieder vergisst. 

Alexandra ist eine dieser Frauen, doch sie kann ihn nicht vergessen und lebt seit seiner Zurückweisung in ihrer eigenen Traumwelt.

Handlung und Schreibstil

Handlung und Schreibstil TextDie Geschichte ist in fünf inhaltlich bedingte Kapitel eingeteilt, in deren Mittelpunkt jeweils einer der Hauptprotagonisten steht. Die aktuelle Handlung wird durch Rückblenden in Form von Alexandras Tagebuchaufzeichnungen ergänzt. Dadurch erfährt der Leser auch die Zusammenhänge und Hintergründe. Zwischen dem 3. und 4. Kapitel liegt ein Zeitraum von zwei Jahren. Ab dem 4. Kapitel steigt der Spannungsbogen rasch an, durch die straffe, tagesgenaue Schilderung der Ereignisse der Tage der Berlinale im 5. Kapitel wird die Spannung nochmals gesteigert.

Die Sprache ist modern, locker, schildert anschaulich, aber ohne Längen, sodass man das Buch gerne und zügig liest.

Fazit

Ein spannender Roman mit psychologischem Hintergrund, in dem es um Ehrlichkeit und Eigenverantwortung geht. Falsche Hoffnungen und Fehlverhalten haben in diesem Fall gravierende Folgen. Überraschende Wendungen sorgen dafür, dass die Geschichte zum Kriminalroman wird.

Die Gärten von Monte Spina – Henrike Scriverius

AutorHenrike Scriverius
Verlag Droemer TB
Erscheinungsdatum 1. August 2019
FormatBroschiert
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3426307588

„Jeder vertrocknete Stock, der auf einmal wieder Blätter zeigte, kam mir vor wie ein Schulterklopfen, und jede Blüte, die mir morgens entgegenleuchtete, fühlte sich an wie ein Lob.“ (Zitat Seite 44)

Inhalt

Die Gärtnerin Toni Andersen liebt Gärten, Parks und Pflanzen, so lange sie denken kann. Als ihr Mann nach einem Autounfall stirbt, ist sie erst 32 Jahre alt. Sie braucht Abstand und Beaulieu House in England wird ihr neuer Arbeitsplatz. Als ihr ein Job als Gärtnerin auf einer kleinen Privatinsel vor Lanzarote angeboten wird, lehnt sie zuerst ab, sagt dann doch zu. Die wilde Insel Monte Spina und die weitläufigen, vernachlässigten Gartenanlagen durchdringen ihre Trauer und sie blüht auf, so wie die von ihr betreuten Pflanzen. Für ihren Arbeitgeber, den reichen, arroganten Investor Max Bror ist die Insel ein Rückzugsort und er will durch nichts und niemanden gestört werden. Doch Toni spürt ein Geheimnis und Geheimnisse haben sie schon immer neugierig gemacht.

Thema und Genre

Dieser Frauenroman spielt auf einer kleinen Insel im Atlantik und wie der Titel schon sagt, geht es auch um Gartengestaltung, Parks und die wilde Schönheit der Natur. Die Hauptthemen sind jedoch Verlust, Trauer, Schuldgefühle, sowie Freundschaft und Liebe.

Charaktere

Toni Anderson ist Gärtnerin aus Überzeugung. Sie gibt sich die Mitschuld am Unfall ihres Ehemannes, was es ihr schwer macht, die Trauer zu verarbeiten. Sie ist eine Kämpferin und sagt immer ihre Meinung, auch dort, wo es klüger wäre, vorher nachzudenken. Sie interessiert sich für ihre Mitmenschen und was wie Neugierde aussieht, ist auch der Wunsch zu helfen.

Max Bror ist sehr reich und hält die Menschen generell für käufliche Figuren, erkennt sofort die jeweilige Schwachstelle und spielt seine Spiele mit ihnen. Die Zusammenhänge, warum er so geworden ist, überzeugen mich nicht und die Gleichung „sehr reich = ekelhaft und überheblich“ ist mir zu stereotyp.

Handlung und Schreibstil

Die Hauptprotagonistin Toni erzählt ihre Geschichte rückblickend in der Ich-Form. Sie endet mit einem kurzen Epilog in der Gegenwart. Die Handlung erinnert an eine in die moderne Zeit transportierte Version des klassischen viktorianischen Romans. Eine selbstbewusste Protagonistin, hier Gärtnerin, statt wie im 19. Jahrhundert Gouvernante, die ihre Meinung sagt und Mr. Rochester, aus der Zeit gefallen, ist jetzt Max Bror, ein vermögender, überheblicher, charismatischer Arbeitgeber. Sehr gelungen sind die Beschreibungen der kleinen, wilden Insel. Die lebhafte Sprache macht das Lesen angenehm.

Fazit

Ich hatte auf Grund des Klappentextes und der Leseprobe mehr als diesen typischen Frauen-Unterhaltungsroman erwartet. Für Leserinnen, die dieses Genre gerne lesen und eine leichte Sommerlektüre suchen, die zum Träumen vom Meer, üppigen Gärten und prachtvollen Sonnenuntergängen auf einer kanarischen Insel einlädt, wird er perfekt sein.

Niemandskinder – Christoph W. Bauer

AutorChristoph W. Bauer
Verlag Haymon Verlag
Erscheinungsdatum 16. Juli 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten184
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3709972557

„Wir bemerkten es nicht, die Gegenwart war unsere Bühne, und erst als wir den Blick in die Zukunft richteten, kam uns die Vergangenheit in die Quere.“ (Zitat Seite 163)

Inhalt

Er, der junge Lyriker, schreibt in Paris Gedichte. Sie, Samira, fünf Jahre jünger und Verkäuferin in einer Boutique, wünscht sich von ihm einen Erfolgsroman, einen Ring und Kinder. Daran scheitert die Beziehung und er kehrt nach Innsbruck zurück, studiert Geschichte, unterrichtet an der Universität. Bei Recherchen für ein Fachbuch über die französische Besatzungszeit in Tirol findet er einen Artikel über eine junge Frau, die 1976 verschwunden ist. Auf dem Foto sieht sie Samira ähnlich, doch ihr Name ist Marianne, Nachkriegskind, Mutter Österreicherin, Vater Marokkaner. So kommt er 2015 wieder nach Paris, auf der Spurensuche nach Marianne und auch Samira.

Thema und Genre

In diesem Roman und Zeitbild geht es um das Schicksal der Besatzungskinder, die ohne Vater aufgewachsen sind. Im Fall von Marianne kommt noch ihre Hautfarbe dazu, die sie zur Außenseiterin im engen Land Tirol macht. Es geht um Entscheidungen, um völlig neue Lebenswege, um Beziehungen, deren Bestehen und deren Scheitern. Ein wichtiges Thema ist Paris nach dem Anschlag 2015 und die Stigmatisierung, die hoffnungslosen Lebensumstände, wenn man in einem falschen Teil von Paris geboren wurde.

Charaktere

Der Hauptprotagonist, Historiker, ist auf der Suche – nach dem Schicksal von Marianne als Beispiel für die Nachkriegskinder, die in keine Welt wirklich passten, nach Samira, die er nicht vergessen kann, und nach sich selbst.

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt in diesem Roman mehrere Geschichten, Schicksale in Vergangenheit und Gegenwart unterbrechen einander immer wieder, um die eigene Geschichte weiterzuführen. Der Schriftsteller, nun Historiker, erzählt in der „Ich-Form“, wobei die Gegenwart 2015 in Paris durch Rückblenden auf seine Zeit mit Samire ergänzt wird. Elisabeth, Mariannes beste Freundin, erzählt dem Historiker von der gemeinsamen Kindheit und Jugend, daher sind auch diese Abschnitte in der ersten Person geschrieben. Die Kapitel tragen Nummern, aber keine weiteren Angaben. Einfach zu lesen ist dieser Roman daher nicht. Manchmal muss man kurz zurückblättern, um wieder Klarheit zu haben, wo, wann und bei wem man sich gerade befindet. Die leichte, angenehme Sprache andererseits lässt auch das Weiterlesen fließen.

Fazit

Ein Roman mit Aktualitätsbezug und zeitgeschichtlichem Hintergrund. Im Mittelpunkt steht eine Suche in der politisch instabilen, von Anschlägen geschüttelten Stadt Paris im Jahr 2015. Vor allem aber schreibt der Autor über das Leben von einfachen Menschen, die in schwierigen familiären Verhältnissen, mit der „falschen“ Hautfarbe, oder einfach auf der „falschen“ Seite der Straße geboren wurden. Schicksale, die niemand kennt und die in der Zeitgeschichte in Vergessenheit geraten. Ein vielschichtiges Thema, eindrücklich erzählt. Die kurzen Gedankensprünge zwischen den Schicksalen und den Zeiten erfordern Aufmerksamkeit beim Lesen, doch diese Zeit sollte man sich nehmen.

Ein anständiger Mensch – Jan Christophersen

AutorJan Christophersen
Verlag mare verlag
Erscheinungsdatum 23. Juli 2019
FormatHardcover
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3866486072

„Am Ende geht es vor allem darum, dass wir mit dem, was wir tun, leben können.“ (Zitat Seite 179)

Inhalt

Steen R. Friis, Schriftsteller, seit vielen Jahren mit der Psychotherapeutin Frauke verheiratet, zieht sich zum Schreiben oft in sein gemütliches Haus auf einer kleinen dänischen Insel zurück. Hier findet er Ruhe und kann seine Gedanken beim Betrachten der Natur ordnen, um einen weiteren Bestseller zum Thema Anstand zu schreiben. Nun steht ein Wochenende mit Freunden bevor. Er hat Ute, seine Verlagsagentin und langjährige Freundin, auf „seine“ Insel eingeladen, zusammen mit ihrem Partner Gero. Es sollen gemütliche Tage werden, wandern, essen, plaudern. Beim Pilze sammeln erinnert Frauke Steen, für ihn völlig überraschend, an ein altes Versprechen. Bei ihrer Heirat waren sie sich einig gewesen, einander immer die gegenseitige Freiheit zu lassen, auch in der Liebe. Dies wirft Steen völlig aus der Bahn, mit unvorhersehbaren Folgen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Beziehungen, um den Alltag nach vielen Ehejahren, um Schweigen, das nicht immer Verständnis bedeutet, sowie um Ehrlichkeit und Schuld. Ein wichtiges Thema sind Wertvorstellungen, die eigenen und die der öffentlichen Meinung.

Charaktere

„Macht alles, was nötig ist, und bleibt anständig.“ (Zitat Seite 93). Dieser Satz charakterisiert den Hauptprotagonisten Steen R. Friis und seine Lebenseinstellung, von der er zutiefst überzeugt ist, bevor er an sich selbst und einen Überzeugungen zu zweifeln beginnt. Seine Frau Frauke fühlt sich aus seiner Welt als Schriftsteller ausgeschlossen, die Tochter Bea ist erwachsen und Frauke scheint mit der Situation überfordert. Zudem fühlt sie sich zum charmanten Gero hingezogen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte ist in die Zeit „Davor“ und „Danach“ eingeteilt. Dazwischen liegt ein Ereignis mit weitreichenden Folgen für alle. Die Handlung beginnt mit dem Eintreffen von Ute und Gero auf der Insel, Steen und Frauke erwarten sie. Erzählt wird die Geschichte im Nachinein von Steen, ist daher in der „Ich-Form“ geschrieben, mit einigen vorausschauenden Hinweisen. Ergänzende Ereignisse erfährt der Leser daher durch die Erinnerungen von Steen, sein Charakter wird neben den Gesprächen auch durch seine Gedanken akzentuiert.

Die gekonnte Sprache ist präzise, wo es um Dialoge geht, und beschreibend, wenn die Natur und das Umfeld geschildert wird, zusammen mit den Gedanken des Hauptprotagonisten.

Fazit

Der Autor legt schreibend seine Finger auf gesellschaftliche Klischees und Stereotypen, kritisch, manchmal sarkastisch überzeichnend, aber nie belehrend. Viele Themen werden angeschnitten, nicht alle werden umfassend beantwortet. Damit lässt er dem Leser Freiraum für eigene Gedanken und Überlegungen, regt auch nach der Lektüre zum Nachdenken an. Darauf sollte man sich einlassen können, dann wird man mit einer interessanten, vielschichtigen Geschichte in einer mit Vergnügen zu lesenden Sprache belohnt.

Die Villa an der Elbchaussee – Lena Johannson

AutorLena Johannson
Verlag Aufbau Digital
Erscheinungsdatum 18. Januar 2019
FormatKindle
Seiten403 (Print-Asgabe)
SpracheDeutsch
ASINB07CJZPM2W

Die Geschichte einer Schokoladen-Dynastie (Die große Hamburg-Saga, Band 1)

„Heutzutage reicht es längst nicht mehr aus, wohlhabend zu sein, du musst als Erster eine Idee haben.“ (Zitat Seite 56)

Inhalt

Frühjahr 1919 in Hamburg. Der Krieg ist zu Ende, doch Hans Hannemann, einziger Sohn und Erbe des angesehenen Handelshauses Hannemann & Tietz, war bisher nicht unter den Heimkehrern. Frieda Hannemann, die jüngere Schwester von Hans, interessiert sich für das Familienunternehmen, liebt Kakao und entwickelt hochwertige Schokoladeprodukte, die erfolgreich in Produktion gehen. Doch die Eltern sehen es als ihre einzige Aufgabe und Pflicht an, einen standesgemäßen, vermögenden Mann zu heiraten, der bereit ist, sein Geld in die Firma zu investieren und diese damit vor dem Bankrott zu retten. Frieda weigert sich, doch wie geht es weiter?

Thema und Genre

Dieser historische Frauenroman spielt in der Hansestadt Hamburg und schildert die Situation Deutschlands in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen, die angespannte Wirtschaftslage, Hunger und Inflation. Ein Thema ist die beginnende Eigenständigkeit der jungen Frauen, die im Gegensatz zum traditionellen Wertebild der Elterngeneration steht. Natürlich geht es auch um den Import von Kakao und die Erzeugung von hochwertiger Schokolade.

Charaktere

Hauptprotagonistin ist die junge Frieda Hannemann. Sie träumt von einer Ausbildung im Familienunternehmen und von persönlicher Unabhängigkeit. Sie will mehr vom Leben als ihre Mutter, eine typische Frau ihrer Zeit, die den Haushalt mit den Bediensteten führt und einen gehobenen Lebensstandard pflegt. Frieda gelingt es, ihre Pläne umzusetzen, wenn es um Schokolade geht, doch wenn es um ihre persönliche Zukunft geht, zögert sie und beugt sich immer wieder den familiären Zwängen.

Handlung und Schreibstil

Sehr gut ist die Stadt Hamburg in dieser Zeit geschildert, nicht nur die prächtige Seite der Handelshäuser, sondern auch der Alltag und die Armut der einfachen Menschen. Die Geschichte ist in der personalen Erzählperspektive Friedas geschrieben. Die Handlung ist im Stil eines typischen Frauenromans aufgebaut, im Mittelpunkt die gute, etwas naive und zögerliche Heldin, die von kleineren und größeren Schicksalsschlägen bedroht wird.

Fazit

Wer einen vielschichtigen Generationenroman erwartet, wird von diesem typischen Frauenroman mit einer teilweise nervend naiven Hauptprotagonistin enttäuscht sein. Wer sich jedoch in diesem Genre wohlfühlt, wird sicher Freude an dieser schokoladigen Geschichte mit historischem Hintergrund haben.

Die Malerin des Nordlichts – Lena Johannson

AutorLena Johannson
Verlag aufbau taschenbuch
Erscheinungsdatum 12. Juli 2019
FormatTaschenbuch
Seiten448
Sprachedeutsch
ISBN978-3-7466-3424-1

„Ich male nicht, was ich jetzt sehe, sondern das, was in meinem Geist ist, weil ich es vor langer Zeit gesehen habe.“ (Originalzitat Seite 8)

Inhalt

1922 ist Signe Munch 38 Jahre alt, gerade von ihrem Ehemann geschieden, der eine Ehefrau für den Haushalt suchte und kein Verständnis für ihre Liebe zur Malerei hatte. Nun widmet sie sich ihrer großen Liebe, der Malerei, nimmt Unterricht bei Pola Gauguin, studiert an der Kunstakademie, erhält Stipendien für Auslandsaufenthalte und stellt ihre ersten Bilder aus. Am liebsten malt sie Landschaften, doch sie spürt, dass noch viel mehr in ihr steckt, wenn sie nur den Mut hat. Mut, nicht nur für einen völlig neuen Malstil, sondern auch für eine neue Liebe: Einar Siebke. Dann kommt der politische Umschwung und mit ihm die Deutschen nach Norwegen.

Thema und Genre

Es handelt sich um einen Roman, der sich jedoch an die bekannten biographischen Daten aus dem Leben von Signe Munch hält. Thema ist die Malerei. Es geht vor allem um die Probleme, die Frauen auch noch im frühen 20. Jahrhundert hatten, ein Leben als Künstlerin zu führen und auch öffentlich anerkannt zu werden. Ein weiteres Thema ist  das Leben im von den Deutschen besetzen Norwegen im Zweiten Weltkrieg.

Charaktere

Signe Munch ist eine unabhängige Frau, sanft, freundlich, aber beharrlich. Auch in ihrem künstlerischen Ausdruck muss sie diese Sanftheit erst ablegen. Auch wenn sie eine tiefe innere Bindung zu ihrem berühmten Onkel Edvard hat, geht sie ihren eigenen Weg. Ihre beste Freundin ist die lebensfrohe Lilla, die perfekte Ergänzung zur eher ernsten Signe.

Handlung und Schreibstil

Der Roman spielt, mit vertiefenden Rückblenden, in den Jahren zwischen 1922 und 1945. Im Mittelpunkt steht der künstlerische Werdegang von Signe Munch. Lebendige Schilderungen aus dem Leben der Künstler, der Künstlervereinigungen und später aus dem besetzen Oslo, ergänzen die interessante Lebensgeschichte der Malerin. Die Sprache ist lebhaft erzählend und angenehm zu lesen. Man fühlt sich als Leser sofort in die Künstlercafés der Dreißigerjahre in Oslo versetzt.

Fazit

Dieser Roman über das Leben der Malerin Signe Munch ist interessant, lebendig und sehr gut recherchiert. Das Werk dieser Künstlerin ist verschollen und man weiß von ihr wenig mehr als ihren Lebenslauf. Doch die Autorin füllt die Lücken so geschickt und immer im Hinblick auf die bekannten Fakten, dass man das Gefühl hat, Signe Munch nun gut zu kennen. Ein farbenfrohes Lesevergnügen mit Tiefgang.Fazit Text

Die Stimmlosen – Melanie Metzenthin

AutorMelanie Metzenthin
Verlag Tinte & Feder
Erscheinungsdatum 17. Juli 2018
FormatKindle
Seiten527 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB079S59PWW

„Möglicherweise musste sich die Seilschaft der Anständigen auch dubioser Mittel bedienen, um diese Zeiten zu überstehen und aus den Trümmern einer alten Welt etwas Besseres entstehen zu lassen.“ (Zitat Seite 186)

Inhalt

Endlich ist der Krieg zu Ende, doch dieses erste Weihnachtsfest 1945 in Hamburg ist weit davon entfernt, für das Ärztepaar Richard und Paula Hellmer und ihre Familie und Freunde ein fröhliches Fest zu sein. Hamburg ist eine zerstörte Stadt, die Menschen hungern und es ist bitter kalt in diesem Winter. Zum Glück wurde die Wohnung und Arztpraxis von Paulas Vater nicht zerstört und so leben dort jetzt zehn Personen und Richard und Paula führen die Hausarztpraxis weiter. Auch Richards bester Freund, der Chirurg Fritz Ellerweg lebt mit seinem Sohn Harri bei ihnen und ihr Freund, der britische Besatzungsoffizier Arthur Grifford, hilft, wo er kann. Doch manchmal zweifelt Paula daran, dass es eine bessere Zukunft für Deutschland geben kann, zu sehr sind alle damit beschäftigt, einfach irgendwie zu überleben.

Thema und Genre

Dieser Nachkriegsroman zeigt das harte Leben im zerstörten Deutschland, hier speziell in Hamburg, auf. Es geht um den täglichen Überlebenskampf, um Schwarzmarkt, Hunger, Kälte, aber auch um Anständigkeit und Menschlichkeit. Ein wichtiges Thema ist das Verhältnis zwischen den Briten und Deutschen, beide Seiten haben bei Angriffen geliebte Menschen verloren und die Frage nach der Schuld ist nicht einfach zu beantworten. Es geht auch um die Straflosigkeit von ehemaligen NS-Parteimitgliedern in höheren Positionen, da die Seilschaften auch in der Nachkriegszeit erfolgreich funktionieren.

Charaktere

Dieser Roman führt das Leben der Protagonisten des ersten Bandes, „Im Lautlosen“, weiter und schließt zeitlich direkt an die Kriegsjahre an. Im Mittelpunkt stehen wieder Paula und Richard, Fritz und Arthur.

Handlung und Schreibstil

Die Nachkriegszeit wird eindrücklich und lebendig geschildert, man erkennt die intensive Recherche. Die Handlung ist spannend und die erzählend-beschreibende, flüssige Sprache wird durch lebhafte Dialoge aufgelockert. Der Zeitraum umfasst die Jahre von 1945 bis 1953 und steht somit auch für Aufbruch und Neubeginn.

Fazit

Ein sehr gut recherchierter, interessant zu lesender Nachkriegsroman, dessen Handlung auch für Spannung sorgt. 

Herbstvergessene – Anja Jonuleit

AutorAnja Jonuleit
Verlag dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum 1. September 2014
FormatTaschenbuch
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3423215404

„Noch bevor ich näher darüber nachdenken konnte, sagte ich: ‚Meine Mutter hätte sich niemals umgebracht.‘“ (Zitat Seite 27)

Inhalt

Seit zehn Jahren besteht der Kontakt zwischen Lilli Sternberg und ihrer Tochter Maja nur mehr aus Grußkarten zum Geburtstag und zu Weihnachten. Nun bittet Lilli ihre Tochter, zu ihr nach Wien zu kommen, sie müsse ihr etwas Wichtiges mitteilen. Als Maja eine Woche später in Wien vor dem Wohnhaus ihrer Mutter steht, ist diese tot, am selben Morgen von der Terrasse gesprungen. Für Maja passt das absolut nicht zum Charakter ihrer Mutter. Für das Begräbnis benötigt sie die Geburtsurkunde und das Geburtsdatum stimmt nicht mit der bisher bekannten Familiengeschichte überein. Dazu ein Foto, das die Großmutter Charlotte mit einem Baby zeigt, das nicht Lilli sein kann, und Maja beschließt, den Spuren nachzugehen, vorerst ohne genau zu wissen, wonach sie sucht.

Thema und Genre

In diesem Familienroman geht es um den Umgang mit der Vergangenheit, um die Lebensborn-Kinderheime des Nationalsozialismus, vor allem aber um schwierige Mutter-Töchter-Beziehungen.

Charaktere

Es ist ein Frauenroman, der von zwei Protagonistinnen erzählt wird. Charlotte, die Großmutter von Maja, muss sich den Gegebenheiten in der Lebensborn-Einrichtung fügen, bleibt jedoch aufmerksam und als sie eine gefährliche Entscheidung treffen muss, tut sie dies mit allen Konsequenzen. Maja dagegen wird durch Selbstvorwürfe, ihr Verhältnis zu ihrer Mutter betreffend, oft blockiert und ihre Recherchen und Erfahrungen machen sie nicht stärker, was logisch wäre, sondern eher unsicher und für eine Vierzigjährige erstaunlich hilflos.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in zwei Erzählsträngen erzählt: die Vergangenheit wird durch Charlottes Aufzeichnungen von ihrer Zeit in Hohehorst geschildert, wodurch sich auch die „Ich“-Form ergibt, während die Gegenwart aus der Sicht von Maja, somit ebenfalls in der ersten Person, wiedergegeben wird. Beide Erzählstränge wechseln einander ab. Die aktuelle Geschichte spielt vorwiegend in Wien und an der ligurischen Küste.

Beide Handlungen sind packend aufgebaut, doch wird die Geschichte in der Jetztzeit zu oft mit vorausdeutenden Hinweisen abgebrochen, was die Spannung erhöht, aber leider den Lesefluss hemmt.

Fazit

Die Handlungen der Protagonistin Maja sind nicht immer nachvollziehbar und ihre teilweise Hilflosigkeit nervt. Unterbrüche und Hinweise sollen die Spannung erhöhen, unterbrechen aber den Lesefluss. Sehr gut und stimmig ist dagegen der Erzählteil, der in der Vergangenheit spielt. Das macht das Buch insgesamt zu einem interessanten, lesenswerten Frauenroman.

Summer of 69: Der kleine Prinz, Neil Armstrong und ich – eine Zeitreise durch die Roaring Sixties – Jürgen Ahrens

AutorJürgen Ahrens
Verlag Independently published
Erscheinungsdatum 22. Februar 2018
FormatTaschenbuch
Seiten236
SpracheDeutsch
ISBN-13978-1976879159

„Zum ersten Mal würde ich auf eigene Faust auf Reisen gehen, ohne Eltern oder sonstige erwachsene Aufpasser. Was hätte es Aufregenderes, Prickelnderes, Berauschenderes geben können?“ (Zitat Seite 95)

Inhalt

Wir schreiben das Jahr 1969 und gleichzeitig brechen zwei sehr unterschiedliche Fahrzeuge auf eine große Reise auf: die Apollo 11 wird die ersten Menschen auf den Mond bringen, ein kleiner NSU Prinz, Bj, 1958, fährt zwei junge Männer kreuz und quer durch Europa, von Bremen über die Côte d’Azur bis nach Florenz und dann die 1‘400 km wieder zurück. Ein aufregender Sommer zwischen Abitur und Studienbeginn.

Thema und Genre

Dieser unterhaltsame Roman ist ebenso unangepasst, wie seine Protagonisten und wie diese Jahre des Aufbruchs ab 1968, die er beschreibt. Es ist ein Zeitgeist-Roadmovie, autobiografisch und irgendwie auch Coming of Age. Paris, die Côte Bleue und besonders Florenz sind so beeindruckend beschrieben, dass man dieses Buch auch als Ideengeber für Reiseziele und Besichtigungen lesen kann.

Handlung und Schreibstil

Sehr amüsant ist die geistige Verknüpfung dieser aufregenden Europareise des Autors und seines besten Freundes mit der bahnbrechenden ersten bemannten Mondlandung.

Dem Autor gelingt es großartig, das Lebensgefühl, diese einzigartige Stimmung von Aufbruch und Abenteuer einzufangen, das die Jugend damals insgesamt begleitete. Demos, politische Unruhen, Aufbegehren gegen die starren Regeln der Erwachsenen, erste Liebe, verbunden mit Spaß und Lebensfreude mit sehr genügsamen Mitteln. Auch die Standard-Musikfrage: Beatles oder Stones ist ein Thema und geraucht werden nicht nur Zigaretten.

Fazit

Eine interessante Zeitreise zurück in die 60er Jahre. Erzählt mit Humor und einem großen Augenzwinkern wird dem heutigen Leser sofort das Gefühl vermittelt, wie aufregend es damals war, jung zu sein und diese wichtigen Veränderungen mitzuerleben. Zum Erinnern für ältere Leser und eine Anwort auf die Frage „War das damals wirklich so großartig“ der nächsten Generation.

Das Lichtspielhaus (Zeit der Entscheidung) – Heidi Rehn

AutorHeidi Rehn
Verlag Knaur eBook
Erscheinungsdatum 26. April 2019
FormatKindle
Seiten512 (Print)
SpracheDeutsch
ASINB07JZDVXZ3

„Ein luxuriöses Lichtspieltheater wie das Elvira bietet den Zuschauern höchstes Vergnügen mit allem denkbaren Komfort.“ (Zitat Pos. 411)

Inhalt

Als die junge Wienerin Elsa Horwitz, Schauspielerin am k. k. Hof-Burgtheater, 1914 den charmanten Münchner Karl Donaubauer heiratet, besitzt seine Mutter Zenzi Donaubauer zwei Ladenkinos. Zwölf Jahre später, 1926, gehören der Familie Donaubauer fünf Lichtspieltheater und das neueste und modernste, der Elvira-Palast, wurde gerade mit großem Erfolg eröffnet. In sechs Wochen wird Elsa 34 Jahre alt, Alfred Hitchcock hat ihr gerade die Hauptrolle in seinem nächsten Film angeboten, als ihr Ehemann Karl sie plötzlich verlässt. In Zukunft wird er mit einer Tänzerin in Amerika leben und sie muss als alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern, gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter, die Geschicke der Donaubauer-Kinos lenken, durch Zeiten interessanter technischer und gefährlicher politischer Entwicklungen. Die Donaubauer-Frauen schaffen das, ist Zenzis Wahlspruch – doch genügt das?

Thema und Genre

In diesem Familien- und Generationenroman wird am Beispiel einer fiktiven Kinodynastie der Aufschwung der deutschen Filmindustrie, vom Stummfilm zum Tonfilm, mit immer neuen technischen Möglichkeiten, gezeigt. Auch die politische Situation der Zwischenkriegszeit in Deutschland ist ein wichtiges Thema.

Charaktere

Zenzi und Elsa sind zwei starke Frauen. Während Zenzi in ihrer Kinobegeisterung jedoch ihren Wurzeln treu bleibt und sich besonders für ihre kleinen Kinos für die einfachen Leute einsetzt, ist Elsa von den neuen Möglichkeiten des Tonfilms und der Qualität der Filme bekannter Regisseure fasziniert. Heinrich, der Ehemann von Karls Schwester Ulla, lässt sich rasch von geschäftstüchtigen Anhängern Hitlers überzeugen, doch Zenzi und Elsa lehnen nationalsozialistisches Gedankengut ab.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung beginnt im Jahr 1926, die kurze Vorgeschichte ab 1914 ist als eBook erhältlich. Durch Rückblenden ergänzt, endet dieser erste Band der Familien- und Kinogeschichte im September 1939. Die fiktiven Ereignisse sind in die realen geschichtlichen Entwicklungen und den raschen Siegeszug des Films interessant eingebunden und die Handlung ist spannend geschildert. Die Sprache bleibt im Stil dieser Zeit, was in den Dialogen durchaus passt. Allerdings wird diese Ausdrucksweise auch in der Erzählsprache beibehalten, da wird zum Beispiel mehrmals geschildert, wie ihr „blümerant“ wurde, sodass der Roman im Gegensatz zum interessanten Inhalt sprachlich teilweise sehr süß und trivial wirkt.

Fazit

Ein interessanter, spannender Familienroman mit zeitgeschichtlichem Hintergrund und ein sehr gut recherchierter, informativer Streifzug durch die Geschichte des Films. Sprachlich etwas trivial, aber inhaltlich ansprechend und lesenswert.

Was man von hier aus sehen kann – Mariana Leky

AutorMariana Leky
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 18. Juli 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832198398

„Man kann sich die Abenteuer, für die man gemacht ist, nicht immer aussuchen“, sagte ich. (Zitat Seite 256)

Inhalt

Wenn Selma, Luises Großmutter, von einem Okapi träumt, dann stirbt am nächsten Tag im Dorf jemand. Auch wenn die Dorfbewohner angeblich nicht daran glauben, benehmen sie sich in diesen vierundzwanzig Stunden besonders vorsichtig, denken über alle bisher in ihrem Leben ungesagten Dinge nach, schreiben manchmal sogar Briefe und sind froh, wenn der nächste Tag endlich da ist. Doch es ist genau so ein Morgen, der dann alles verändert.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um ein Dorf und seine Bewohner. Es geht um den Zusammenhalt einer kleinen Gemeinschaft, um Verständnis auch für manchmal nur schwer zu verstehenden Eigenheiten. Es geht um Heimat und Fernweh, um Verlust und um Liebe in allen Facetten.

Charaktere

Luise und Selma, Enkelin und Großmutter, sind einander sehr verbunden, da Luises Eltern wenig Zeit für sie hatten und haben. Eng mit den beiden verbunden ist auch der Optiker, der sich wie ein Großvater um Luise kümmert und dessen innere Stimmen manchmal laut durcheinanderreden. Dazu kommen die Menschen der Dorfgemeinschaft, speziell, schrullig und liebenswert, der Buddhist Frederik, der in Japan lebt und der Hund Alaska.

Handlung und Schreibstil

Luise erzählt die Geschichte in der Ich-Form, im Grunde sind es aufeinanderfolgende Ereignisse, die sich über Jahre ziehen, von der Vergangenheit bis in die Gegenwart, manchmal dicht und intensiv, manchmal vergehen Jahre wie im Zeitraffer. Der Roman enthält einen Prolog, drei Bücher, die in einzelne Kapitel eingeteilt sind und einen Epilog. Die Sprache ist einfühlsam, lebhaft schildernd und detailliert bei den einzelnen Charakteren. Dieses Buch regt zum Nachdenken an, da es auch um die Suche nach dem eigenen Weg geht, um Versäumnisse und Ängste. Doch der Grundtenor bleibt positiv und auch der Humor und das Lachen kommen nicht zu kurz.

Fazit

Eine eigenwillige Geschichte mit Tiefgang, positiv, klug und humorvoll erzählt. Liebenswerte Charaktere, die man am Ende des Buches nur ungern wieder in ihr Leben in diesem Dorf irgendwo im Westerwald entlässt.

Alte Sorten – Ewald Arenz

AutorEwald Arenz
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 18. März 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
ISBN-13978-3832183813

„In Sally wurde es das erste Mal seit langer Zeit für einen Augenblick ganz still, und sie bewegte sich nicht, um diese Stille nicht gleich wieder zu verlieren.“ (Zitat Seite 17, 18)

Inhalt

Sally, jung, Schülerin kurz vor dem Abitur, gerade wieder in einer psychotherapeutischen Klinik, verlässt diese und macht sich auf den Weg, einfach weg. Irgendwo zwischen Weite und Feldern, nahe bei einem Dorf, trifft sie auf die ältere Liss, die alleine einen Hof bewirtschaftet. Liss, schweigsam, unangepasst, findet in Sally viel von sich selbst in jungen Jahren wieder. Sie lädt Sally ein, bei ihr auf dem Hof zu übernachten und aus einer Nacht werden viele Tage. Es ist Herbst und gemeinsam erledigen sie die anfallenden Arbeiten – und aus dem ersten Schweigen werden Gespräche und gegenseitiges Verständnis.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das Erwachsenwerden, Erziehung, Familie. Doch auch gegenseitiges Verständnis und Aufbegehren gegen Vorurteile und Zwänge sind Themen. Gleichzeitig erfährt der Leser viel über das realistische Landleben, Obstbau und alte Obstsorten.

Charaktere

Liss und Sally, die beiden Hauptprotagonistinnen sind eigenwillig und für die Menschen um sie herum „anders“. Das Leben besteht für Liss‘ Vater aus Arbeit und genauer Ordnung, Bücher und Bildung passen nicht in dieses Leben. Doch Liss widersetzt sich der Enge des Dorflebens, auch wenn sie an den Hof zurückkehrt.

Sally ist jung, begabt, doch sie hat ihren eigenen Willen und ihre eigene Meinung, manchmal ist sie auch einfach eine Suchende. Ihre Eltern meinen es gut, verstehen sie aber nicht. So wie die meisten Erwachsenen mit Unverständnis auf Sally und ihre Probleme reagieren. Bei Liss, die sie nicht drängt, sondern wartet, bis Sally selbst entscheidet, fühlt sie sich akzeptiert.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt im Herbst, zwischen Anfang September und Mitte Oktober, auf einem großen Hof irgendwo auf dem Land in der Nähe eines Dorfes. Rückblenden in Form von Erinnerungen der beiden Protagonistinnen ergänzen die Handlung. Der Roman ist ein einzelne Kapitel eingeteilt, die als Überschrift das jeweilige Datum tragen. Im Mittelpunkt steht jeweils Sally oder Liss, sodass der Leser die Ereignisse auch aus verschiedenen Perspektiven erfährt. So erhält der Roman zusätzliche Tiefe. Die Spannung ergibt sich einerseits aus dem schrittweisen Annähern der beiden Frauen, den ebenso auftretenden Missverständnissen, andererseits aus der Frage, warum die Dorfbewohner Liss meiden.

Der Autor erzählt leise, eindrücklich, gibt jeder der beiden Frauen die passende Sprache. Intensive Schilderungen der Natur, der alten Obstsorten und des Landlebens im Herbst ergänzen die Geschichte, großartig, aber realistisch und ohne falsche Romantik.

Fazit

Ein leises, eindrucksvolles Buch, in dessen Mittelpunkt zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Frauen stehen, die bald erkennen, wie viel sie gemeinsam haben. Eine Geschichte und Sprache, die den Leser sofort in ihren Bann zieht und noch lange in den Gedanken bleibt.

Bella Ciao – Raffaella Romagnolo

AutorRaffaella Romagnolo
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 20. März 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten528
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257070620

„Leben heißt gehen, und ohne Vergangenheit geht man, lebt man.“ (Zitat Seite 413)

Inhalt

Borgo di Dentro ist eine kleine Stadt im Piemont. Giulia Masca ist hier geboren und aufgewachsen. Am Valentinstag 1901, wenige Wochen vor der geplanten Hochzeit im März, sieht sie durch Zufall ihren Verlobten Pietro Ferro in einer sehr vertrauten, innigen Umarmung mit ihrer besten Freundin Anita. Sie nimmt das Geld, das sie für die Aussteuer gespart hatte und bezahlt damit die Überfahrt nach New York. Nun hat ihr Sohn Michael sie zu einer Europareise überredet und am 6. März 1946 kehrt Mrs. Giulia Masca, elegant und begütert, nach 45 Jahren in den Ort ihrer Kindheit zurück. Beinahe gegen ihren Willen macht sie sich auf die Suche nach der Vergangenheit.

Thema und Genre

Dieser Generationenroman schildert die Geschichte Italiens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Parallel dazu zeigt diese Erzählung auch das Schicksal der italienischen Auswanderer, die unter schwierigen Bedingungen versuchen, sich in Amerika ein neues Leben aufzubauen. Themen sind die politischen Veränderungen in Italien, die beiden Weltkriege, die Arbeiterbewegung, Unterdrückung durch Feudalherren, Faschismus und Widerstand. Eine wichtige Rollen spielen starke Frauen, mutige Männer und die Familie.

Charaktere

Im Mittelpunkt steht das Schicksal der Mitglieder der Familien Leone, Masca, Ferro und Franzoni. Starke Frauen wie Giulia Masca, Anita Leone und Adelaide Franzoni unterstützen ihre mutigen, unbeugsamen Ehemänner, Brüder und Söhne. Die Charaktere sind gut gewählt und wirken authentisch.

Handlung und Schreibstil

Der zeitgeschichtliche Hintergrund und die bekannten Ereignisse, die sich aus den Partisanenkämpfen und Widerstand gegen Mussolinis Regime ergaben, sind per se sehr packend. Die Schicksale der einzelnen Familien und ihrer Mitglieder erhöhen die Spannung.

Gekonnt verknüpft die Autorin Fiktion und Tatsachen, die Handlung und ihre Figuren. Die Geschichte beginnt in der Gegenwart mit Giulias Rückkehr und wird in Rückblenden erzählt, wobei der zeitliche Ablauf eingehalten wird. Die zwei Handlungen verlaufen parallel und schildern abwechselnd die Ereignisse in Italien und in Amerika. Der Roman ist in drei „Bücher“ eingeteilt. Am Beginn jedes Buches finden sich die jeweils um die neuen Mitglieder erweiterten Stammbäume der Familien, ergänzt mit den Namen weiterer wichtiger Personen.

Fazit

Ein Generationenroman, Familienschicksale in der wechselvollen Geschichte Italiens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein zeitgeschichtlich sehr interessantes Thema, umfassend recherchiert, das spannend und einfühlsam erzählt wird. Eine packende Lektüre, die beeindruckt und nachklingt.

Archipel – Inger-Maria Mahlke

AutorInger-Maria Mahlke
Verlag Rowohlt Buchverlag
Erscheinungsdatum 21. August 2018
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3498042240

„Seitdem hat sich der Füllstand der Straßen zu einem verlässlichen Barometer für die Zerbrechlichkeit oder Stabilität der Verhältnisse auf der Insel entwickelt.“ (Zitat Seite 387)

Inhalt

Rosa Bernadotte Baute bricht ihr Kunststudium ab und kehrt in ihre Heimat zurück, auf die Insel Teneriffa. Dort gehören die Bernadottes zur einflussreichen Oberschicht. Rosas Mutter ist Politikerin, Rosas Großvater mütterlicherseits, Julio Baute, lebt im Asilo La Laguna, wo er mit 96 Jahren noch Pförtnerdienste innehat. Er hat die politische Geschichte Teneriffas in den beinahe einhundert Jahren seines Lebens miterlebt, aktiv gegen die Faschisten im Bürgerkrieg, dann ihr Gefangener. Rosas Vater Felipe Bernadotte ist Historiker. Er hatte ein Forschungsprojekt gestartet, das auch die Aufarbeitung  die Rolle seiner Familie unter Diktator Francisco Franco beinhaltet hätte, doch eine Kollegin wurde mit der Leitung beauftragt, worauf er sich vor elf Jahren ins Privatleben zurückgezogen hatte.

Thema und Genre

Dieser Roman ist eine Mischung aus Generationen- und Familienroman und arbeitet gleichzeitig die Geschichte Teneriffas im 20. Jahrhundert auf. Daher sind neben Themen wie Familie, gesellschaftliche Strukturen und Grenzen, auch die Politik und der Widerstand ein Schwerpunkt. Die Geschichte spielt auf Teneriffa.

Charaktere

Drei Familien stehen im Mittelpunkt dieses Romans: die adeligen, privilegierten Bernadottes, die Frauen Morales Ruiz, arme Unterschicht, Haushaltshilfen bei den Bernadottes, und die gutbürgerliche Familie Baute. Diese unterschiedlichen Familien sind durch die Ereignisse dieser einhundert Jahre, durch ihr Umfeld oder auch durch die Liebe miteinander verbunden. Julio Baute, geboren 1919, ist der stille Hauptprotagonist dieses Romans, denn er allein hat dies alles er- und überlebt, es ist auch seine Geschichte, die hier erzählt wird.

Handlung und Schreibstil

In dieser Geschichte bilden kurze Rückblenden nur einen erklärenden Hintergrund. Erzählt wird die Handlung in einem einzigen Strang, dieser ist eingeteilt in Kapitel mit Zeitangabe. Eher ungewöhnlich ist es, dass die Geschichte von der Gegenwart in die Vergangenheit erzählt wird. Sie beginnt im Jahr 2015 und endet schließlich im Jahr 1919. Dennoch hält der Spannungsbogen den Leser gefangen, denn statt wie üblich zu erfahren „was passiert“, ist hier die interessante Frage „wie ist es dazu gekommen“.

Die Sprache erfasst viele Details, ergänzt durch Schilderungen und Beschreibungen, auch die Charaktere sind sehr stimmig entwickelt. Ein Glossar am Buchende erklärt spanische Bezeichnungen, beschränkt sich leider auf die gängigen Wörter und Wortverbindungen, die man ohnedies kennt, auch wenn man die Sprache nicht spricht.

Fazit

Ein zeitgeschichtlicher Generationen- und Familienroman, erzählt am Beispiel von drei Familien. Es geht vor allem um das Leben der einzelnen Menschen, beeinflusst durch die Ereignisse, die sich durch die politische Situation ergaben. Einhundert Jahre, interessant und spannend erzählt „im Rückwärtsgang“, von 2015 bis 1919.

Die Oleanderfrauen – Teresa Simon

AutorTeresa Simon
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 9. Januar 2018
FormatTaschenbuch
Seiten544
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3453421158

„Auf der linken Seite des Medaillons steckte das vergilbte Schwarzweißfoto eines jungen Mannes, der verschmitzt in die Kamera lächelte, auf der rechten Seite eine getrocknete zartrosa Blüte.“ (Zitat Seite 49)

Inhalt

Jule Weisbach hat Geschichte und Germanistik studiert, das Studium jedoch nicht beendet. Stattdessen hat sie  ihr Café Strandperlchen eröffnet, das sie inzwischen mit viel Liebe zu hervorragenden Kaffeequalitäten und dem Fachwissen einer Barista führt. Zusätzlich recherchiert sie als Auftragsarbeit Familiengeschichten und schreibt diese auch nieder. Auch Johanna Martens, 73 Jahre alt, hat dieses gemütliche Café entdeckt und als sie auf dem Dachboden ihrer verstorbenen Mutter einen kleinen Koffer mit einem Tagebuch findet, welches eine Sophie Terhoven ab 1936 geführt hat, ersucht sie Jule um Unterstützung. Beide Frauen sind von Sophies Tagebuch tief beeindruckt und beginnen mit Nachforschungen.

Thema und Genre

Dieser Generationenroman hat das Leben in Hamburg zur Zeit des zweiten Weltkrieges zum Thema. Gesellschaftliche Normen, Familie und Freundschaft spielen eine wichtige Rolle.

Charaktere

Im Mittelpunkt dieses Romans stehen zwei Frauen, die ihre Entscheidungen selbst treffen und dazu stehen. Die junge Sophie, Tochter aus einer begüterten Kaffeedynastie, verliebt sich 1936 in ihren Kindheitsfreund, den Sohn der Köchin und kämpft um ihre Liebe. Jule droht eine gewaltige Mieterhöhung für ihr „Strandperlchen“, dazu kommen ihre Selbstzweifel, geschürt durch ihre kritische Mutter. Doch Aufgeben kommt für Jule nicht in Frage. Mit Johanna versteht sie sich trotz des Altersunterschiedes sofort, nicht nur wegen der gemeinsamen Recherchen im Zusammenhang mit dem Tagebuch.

Handlung und Schreibstil

Der Roman spielt in Hamburg und die Ereignisse finden auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen statt. Sophies Geschichte beginnt im Jahr 1936 und ist in Form von Tagebucheinträgen teilweise ich der „Ich-Form“ geschrieben, doch werden die ergänzenden Ereignisse in der 3. Person erzählt, sodass der Leser auch Hintergründe erfährt, die Sophie im Moment ihrer Tagebuchaufzeichnungen noch nicht wissen konnte. Der zweite Handlungsstrang spielt in der Gegenwart, Hamburg 2016, und hier stehen Jule und Johanna im Mittelpunkt.

Die Sprache erzählt fließend, interessante Schilderungen ergänzen die gekonnt geknüpfte Handlungsstruktur.

Fazit

Sein sehr gut recherchierter Roman, der das Leben in Hamburg in den Kriegsjahren lebendig werden lässt. Es macht Spaß, beim Lesen zu erleben, wie sich die beiden Handlungsstränge durch überraschende Wendungen annähern. Spannende Unterhaltungslektüre auf hohem Niveau.

6 Uhr 41 – Jean-Philippe Blondel

AutorJean-Philippe Blondel
Verlag Goldmann Verlag
Erscheinungsdatum 8. März 2016
FormatTaschenbuch
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442483747

„Wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie wieder vor mir, die nächtlichen Straßen von London, damals in jenem heißen Juli.“ (Zitat Seite 138)

Inhalt

Nach einem  Wochenend-Besuch bei ihren Eltern sitzt Cécile, 47 Jahre alt und eine erfolgreiche Geschäftsfrau, um 6 Uhr 41 im Frühzug zurück nach Paris. Der Platz neben ihr ist der letzte frei Platz im Waggon und ein Mann setzt sich neben sie. Es ist Philippe Leduc, der Mann, in den sie vor vielen Jahren verliebt war. Bis zu einer gemeinsamen Reise nach London und deren katastrophalem Ende. Siebenundzwanzig Jahre ist das nun her. Soll er sie ansprechen, hat sie ihn erkannt?

Thema und Genre

In diesem Roman schauen zwei Menschen in Gedanken und unabhängig von einander zurück in ihre Jugend und eine Entscheidung, die sie damals getroffen haben. Beide erinnern sich und fragen sich auch, was wäre gewesen, wenn.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt im Zeitraum von weniger als zwei Stunden, nur die Länge einer Bahnfahrt. Durch die jeweiligen Gedanken der beiden Protagonisten ergeben sich erklärende Rückblenden in die Vergangenheit. Sie waren erst zwanzig Jahre alt, als ihre Beziehung in London abrupt zu Ende ging. Wir erfahren auch, wie es im Leben von Cécile und Philippe weiterging, wo sie heute stehen. Wobei beider Leben eine andere Entwicklung genommen hatte, als damals zu erwarten war. Die Spannung ergibt sich aus der Frage, ob die beiden doch noch miteinander reden, oder ob sie schweigend vorgeben, einander nicht erkannt zu haben.

Die Sprache ist leise und poetisch, aber auch präzise beobachtend und macht aus diesem Buch eine sehr angenehme Lektüre.

Fazit

Zwei Menschenleben, die sich dem Leser nur durch die Gedanken der beiden Protagonisten erschließen, denn sie sitzen schweigend im Zug nebeneinander. Eine leise Geschichte, die nachdenklich stimmt.

Die Liebe im Ernstfall – Daniela Krien

AutorDaniela Krien
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 27. Februar 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257070538

„Man muss die Liebe vom Ernstfall aus betrachten.“ (Zitat Seite 144)

Inhalt

Fünf moderne Frauen, alle etwa Ende dreißig, treffen Entscheidungen, mit deren Konsequenzen sie anschließend irgendwie zu leben versuchen. Sie kennen einander, von kaum bis sehr gut, und manche Handlungen breiten sich in diesem Kreis von Einzelschicksalen wie die Schwingung einer Welle aus, beeinflussen und verändern auch das Leben der anderen Frauen.

Thema und Genre

In diesem Roman, genau genommen sind es fünf Erzählungen, geht es um Frauen, die ihren Platz im Leben gefunden zu haben glaubten, nun aber mit veränderten Umständen konfrontiert sind. Es geht um die Problematik, Mutter zu werden und darum, Entscheidungen zu treffen und in der Folge mit diesen Entscheidungen zu leben.

Charaktere

Die Protagonistinnen dieses Romans sind fünf Frauen und dazu passend fünf große Kapitel, die jeweils eine der Frauen zur Hauptfigur haben. Alle fünf Charaktere haben Probleme, mit den Folgen des jeweiligen Verhaltens, der Entscheidungen, die sie treffen, zu leben. Sie alle sind eher destruktiv und es bereitet ihnen, große Schwierigkeiten, sich selbst treu zu bleiben, auch wenn auf dem Klappentext das Gegenteil geschrieben steht.

Handlung und Schreibstil

Der rote Faden, der sich als Gemeinsamkeit durch die fünf Frauenleben zieht, ist teilweise so fein, dass sich der Roman wie Einzelerzählungen liest. Es wird jeweils ein aktueller Zeitpunkt aus dem Leben gegriffen, wo die Handlung einsteigt und weitergeht. Die Geschichte wird durch Rückblenden ergänzt und aufgerollt.

Im Mittelpunkt der einzelnen Handlungen steht jeweils eine wichtige Entscheidung und die Ereignisse, die zu dieser Entscheidung führen. Im Verlauf der Handlung erfährt der Leser, wie die jeweilige Protagonistin mit den Folgen ihrer Entscheidung zu leben versucht.

Der Schreibstil ist knapp und geradlinig, auch die Beschreibungen der Befindlichkeiten der Protagonistinnen beschränken sich auf prägnante Feststellungen in kurzen Sätzen. Dadurch liest sich dieses Buch rasch und zügig.

Fazit

Ein Roman, gebildet aus fünf Einzelerzählungen. Frauen, die Entscheidungen treffen, mit denen sie dann nicht umgehen können, was im Buch oft eine negative Stimmungslage erzeugt. Ich hatte mit starken, modernen Frauenfiguren gerechnet, fand zwischen diesen Seiten aber zweifelnde, sich selbst hinterfragende Protagonistinnen, die ich eher bedauert, als verstanden habe.

Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta – Máxim Huerta

AutorMáxim Huerta
Verlag Thiele & Brandstätter
Erscheinungsdatum 1. Februar 2019
FormatTaschenbuch
Seiten360
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3851793772

„Du musst lernen, stark zu sein und Brücken zu bauen, zu hoffen, den Herbst vorbeiziehen zu lassen und dem Winter zu danken, dass er uns den Frühling bringt … und den Sommer. (Zitat Seite 124)

Inhalt

Seit dem völlig unerwarteten Tod seiner Frau besitzt Dominique Brulé, inzwischen 74 Jahre alt, einen wunderbaren Blumenladen in Saint-Germain, mitten in Paris. L’Étoile Manquante, der fehlende Stern, das ist seine jung verstorbene Frau, die ihm immer noch fehlt und die er nie durch eine andere Frau ersetzt hat. Dennoch ist er nicht allein, die Freundinnen Doña Mercedes und Doña Tilde, zwei ältere Damen, Spanierinnen, die vor mehr als vierzig Jahren nach Paris gekommen waren, sind täglich bei ihm im Geschäft und man sorgt sich umeinander. Da sucht er eine junge Aushilfe und mit der jungen Violeta Gadea, ebenfalls aus Spanien nach Paris gezogen, kommen frischer Wind und neue Aufgaben in den Laden und in das Leben aller Beteiligten.

Thema und Genre

Ein Wohlfühlroman, in dessen Mittelpunkt Verluste in der Vergangenheit stehen, Einsamkeit, Freundschaft, Blumen und natürlich die pulsierende Stadt Paris. Es geht auch um Verzeihen und Lebensbejahung, das kleine Glück und eine gute Prise Magie.

Charaktere

Violeta und Mercedes, trotz des Altersunterschiedes zwei Frauen, deren Leben durch Männer und unvorhersehbare Ereignisse eine völlig neue Wendung genommen hat, doch während Mercedes verbittert ist, bleibt Violeta offen und positiv. Monsieur Dominique kam nie über den Tod seiner großen Liebe Julie hinweg, bemüht sich aber, dennoch ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Tilde scheint manchmal etwas ruppig, aber der Schein trügt.

Handlung und Schreibstil

Es ist ein leiser, poetischer Roman, in dessen Mittelpunkt auch die Frage steht, wie Mercedes auf einen Ruf aus der Vergangenheit reagiert. Manchmal muss etwas Magie eingreifen, damit die Ereignisse den richtigen Lauf nehmen. Teilweise verzögern sehr lange Diskussionen um ein Thema die Handlung. Doch die poetische Sprache und die verträumte Stimmung, die sich durch diese leise Geschichte zieht, sorgen insgesamt für ein positives Leseerlebnis.

Fazit

Ein poetischer, leiser Roman um Alter, Einsamkeit und Freundschaft, um Frühling und einen positiven Blick in die Zukunft. Das Flair von Paris, gekonnt eingefangen, sorgt mit einer Prise Magie und Romantik für unterhaltsame Lesestunden.

Die grüne Ente – Manu Causse

AutorManu Causse
Verlag Droemer Verlag
Erscheinungsdatum Februar 2019
FormatTaschenbuch
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3-426-30589-8

„Ehrlich, alter Mann, ein Vater und sein verrückter Sohn, eine Geister-Ente voller Schatten und Geheimnisse, was meinst du, wohin das führt?“ (Zitat Seite 196)

Inhalt

Der zur Zeit nicht sehr erfolgreiche Comic-Zeichner Éric erbt von seinem Onkel ein kleines, altes Haus und Titine, einen grünen 2CV Baujahr 1973. Spontan beschließt er, einen Ausflug mit dem Auto zu machen und seinen autistischen Sohn Isaac, zehn Jahre alt, mitzunehmen. Die Klinik, in der sein Sohn lebt, hat er allerdings nicht informiert. Isaacs Mutter spricht von Entführung und fordert die Gendarmarie auf, eine Suchaktion zu starten. Kann das gut gehen? Die Geister auf dem Rücksitz, seine bei einem Unfall mit diesem Auto verstorbenen Eltern, sein verstorbener Onkel und die rätselhafte Katze Sphinx, sind unterschiedlicher Meinung.

Thema und Genre

In diesem Roadtrip in Buchform geht es um die Situation von Eltern mit einem autistischen Kind, um Liebe, Überforderung, Hoffnung und Selbstzweifel. Ein Thema sind auch Kindheitstraumata.

Charaktere

Isaac, der schweigsame, in sich selbst lebende Sohn, Éric, der liebende Vater, der irgendwie etwas verloren und überfordert wirkt, der Gendarm, der sich nicht immer an die Vorschriften hält und Marion mit ihrem Schmetterling, deren Kindheit ihr Misstrauen gegenüber allen Menschen erklärt – sie alle sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie für den Leser auf Distanz bleiben.

Handlung und Schreibstil

Die personale Erzählform in Multiperspektive zerpflückt die Handlung, die Charaktere bleiben trotzdem, oder gerade deswegen, Figuren, die man zwar interessiert betrachtet, aber nicht wirklich kennenlernen möchte. Man verfolgt ihre Geschichte gespannt, aber unbeteiligt.

Der Klappentext spricht von poetisch und märchenhaft, beides konnte ich in dieser Erzählung nicht finden. Die Idee ist originell und vielversprechend, die Umsetzung enttäuscht.

Fazit

Was hätte man aus diesem phantasievollen Plot machen können! Entstanden ist eine trotz der offensichtlichen Bemühungen eher humorlose Geschichte, deren „kleines Wunder“, das der Klappentext verspricht, nicht märchenhaft, sondern konstruiert wirkt.

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