Das späte Leben – Bernhard Schlink

AutorBernhard Schlink
VerlagDiogenes Verlag
Datum13. Dezember 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257072716

„Nein, für das Leben lässt sich keine Bilanz ziehen. Man macht dies und macht das, und am Ende war’s ein Leben. Mehr ist es nicht.“ (Zitat Seite 162, 163)

Inhalt

Der Jurist Martin Brehm ist sechsundsiebzig Jahre alt, als erfährt, dass er an Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium erkrankt ist und ihm maximal noch ein halbes Jahr bleibt. Seit zwölf Jahren ist er mit der wesentlich jüngeren Künstlerin Ulla verheiratet und David, der gemeinsame Sohn, ist erst sechs Jahre alt. Welche gemeinsamen Erinnerungen kann er seinem Sohn hinterlassen, was kann und sollte er noch regeln und wie will er die nächsten Wochen für sich selbst gestalten?

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Beziehung, Familie, Liebe, um das Abschiednehmen am Ende eines Lebens, um das Schaffen von gemeinsamen Erinnerungen und vor allem geht es darum, loszulassen.

Charactere

Martin Brehm blickt auf ein erfolgreiches Leben zurück, das von der Kindheit an davon geprägt ist, die Erwartungen zu erfüllen. Manchmal wurde er für kaltblütig gehalten, weil seine Gefühle sich immer erst mit einer gewissen Verzögerung einstellten. Seine Diagnose sieht er sachlich und die Situation wird für ihn rasch alltäglich.

Erzählform und Sprache

Martin steht im personalen Mittelpunkt des Geschehens und der Problematik, es ist seine Geschichte, die hier erzählt wird, seine Gedanken, Empfindungen und Überlegungen. Wir tauchen in seine Erinnerungen ein und sind gespannt auf seine Reaktion auf eine überraschende Entdeckung. Interessant ist es, Martins eigene Veränderung, die er in diesen Wochen durchläuft, mitzuerleben. Der Schriftsteller Bernhard Schlink erzählt auch diese Geschichte in seiner leisen, poetischen und präzisen Sprache.

Fazit

Eine einfühlsame Geschichte über die Entscheidung, wie ein Mensch die letzten Wochen seines Lebens selbstbestimmt verbringen will. Trotz des ernsten Themas ist es eine positive Geschichte, deren psychologische Elemente zum Nachdenken darüber anregen, wie man sich selbst in dieser Situation und mit diesem Wissen um die kurze, noch verbleibende Lebenszeit, entscheiden würde.

All die schönen Winter – ausgewählt von Clara Paul

AutorDiverse
Verlag Insel Verlag
Erscheinungsdatum 11. September 2023
FormatTaschenbuch
Seiten190
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3458682998

„Der Maronibrater war ein Bild aus dem Märchenbuch der Großstadt. Zwei Kastanien kosteten einen Kreuzer. Das war ein so unverrückbarer Preis wie etwa der der Semmel.“ (Zitat Seite 53, aus: Der Maronibrater, von Alfred Polgar)

Inhalt und Thema

Dieser Sammelband enthält zweiunddreißig Geschichten, die an eine Winterzeit, wie es früher war, erinnern. Das Buch ist in vier Abschnitte eingeteilt: Wundertage, Winterfreuden, Weihnachtszauber, Winterende

Gestaltung

Robert Walser eröffnet den Geschichtenbogen mit seiner Erzählung „Schnee“ und am Ende dieser Sammlung steht seine Geschichte „Winter“. Dazwischen finden wir alle bekannten deutschsprachigen Autoren und Autorinnen, von Thomas Bernhard über Max Frisch, Hermann Hesse, Peter Rosegger, Peter Handke, Elke Heidenreich, bis zu Robert Walser. Eine englische Autorin ist in dieser Sammlung auch vertreten, Katherine May.

Fazit

Es sind beschauliche Geschichten zum Wohlfühlen, Kindheitserinnerungen, die in eigene Erlebnisse zurückführen oder Geschichten, wir man früher schon gelesen hat, aber gerne wieder liest.

Die Digitalisierung der Schlaraffia – Prinz Rupi

AutorPrinz Rupi
Verlag Independently published
Erscheinungsdatum 13. April 2023
FormatTaschenbuch
Seiten125
SpracheDeutsch
ISBN-13979-8391208075

„Untertitel: Bestandsaufnahme und Zukunft“

Inhalt, Thema und Genre

Bedingt durch den Ausfall der regelmäßigen Treffen und Zusammenkünfte in der Zeit der Pandemie, ging der Autor auf die Suche nach neuen Möglichkeiten, diese Zusammenkünfte virtuell stattfinden zu lassen. Er untersucht die unterschiedlichen Aktivitäten in den sozialen Medien und wertet die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten aus. Es geht darum, die traditionelle Form der schlaraffischen Gemeinschaft, die schon seit der Gründung im Jahr 1859 ein weites internationales Netzwerk für Austausch und Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor umfasst, in eine moderne Zukunft zu führen. Eine innovative Verbindung der neuen technischen Möglichkeiten mit den geschätzten Traditionen.

Fazit

Auch wenn dieses Handbuch für die Schlaraffia geschrieben wurde und als Anregung an ein Mitglied der Vindobona verschenkt wurde, sind die darin enthaltenen Ideen und Anregungen auch für andere traditionelle und moderne Vereinsformen und Gruppierungen überlegenswert und einsetzbar.

Apeirogon – Colum McCann

AutorColum McCann
VerlagRowohlt Taschenbuch
Datum25. Januar 2022
AusgabeTaschenbuch
Seiten608
SpracheDeutsch
ÜbersetzungVolker Oldenburg
ISBN-13978-3499271878

„Ein Stein führt zu einer Kugel. Der nächste Selbstmordanschlag führt zum nächsten Luftangriff. Und immer so weiter.“ (Zitat Seite 288)

Inhalt

Abir Aramin, ein Mädchen aus Palästina, ist erst zehn Jahre alt, als sie von einem jungen israelischen Grenzpolizisten erschossen wird. Zehn Jahre davor war die junge israelische Studentin Smadar Elhanan bei einem Anschlag von drei Selbstmordattentätern getötet worden. Bassam Aramin, Abirs Vater, und Rami Elhanan, Smadars Vater, treffen zum ersten Mal in einer Gruppe von trauernden Menschen aufeinander, Israelis und Palästinenser, die nahe Angehörige und Freunde in diesen langen Jahren des Nahost-Konflikts verloren haben. Sie erkennen, dass sie eine gemeinsame, tiefe Trauer eint, und der Wunsch nach Frieden. Das ist der Beginn einer Freundschaft und des gemeinsamen, unermüdlichen Einsatzes für den Frieden.

Thema und Genre

Diese Geschichte ist ein facettenreicher politischer Roman, geschrieben in einer sehr poetischen Erzählsprache. Die Figuren sind fiktiv und stehen dennoch für ungezählte reale Schicksale, wie sie in diesem Konflikt täglich passieren. Es geht um Palästina und die israelische Besatzung. Dieser zeitlos aktuelle Roman ist 2020 erschienen, doch hat er in diesen Wochen eine nochmals neue Brisanz erhalten. Diese Geschichte ist ein Plädoyer dafür, friedlich Seite an Seite zu leben, zu lernen, miteinander auszukommen.

Erzählform und Sprache

Ein Apeirogon ist eine Figur mit einer zählbar unendlichen Menge an Seiten. So wird auch diese Geschichte in zwei Mal fünfhundert kurzen Kapiteln mit vielen unterschiedlichen Themen und Informationen geschildert, der erste Teil in einer Aufwärtsbewegung von eins bis fünfhundert Abschnitten, der zweite Teil als Abwärtsbewegung von fünfhundert bis zurück zu eins. Erzählt wird jedoch nicht nur die Geschichte von Rami und Bassam, sondern diese ist eingebettet in eine weite Fülle von Ideenschnipseln, sei es die politische Lage betreffend, die Geschichte Palästinas, die Menschen, aber auch die Natur, immer wieder taucht das Thema Zugvögel auf, die Schwingen der Freiheit über die von Menschen errichteten Mauern hinweg. Die Sprache ist bilderreich, intensiv, poetisch und beeindruckend.

Fazit

Apeirogon ist ein eindringlicher Roman mit einer zeitlos beklemmenden Aktualität. Kurz gesagt geht es darum, dass es immer zwei Seiten gibt, immer. „Jenseits von Richtig und Falsch liegt ein Ort; dort treffen wir uns.“ Diese auf Seite 312 zitierte Aussage stammt von dem persischsprachigen Dichter und Gelehrten Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī und besser, als mit dieser Aussage, kann der Inhalt dieses epischen Romans nicht zusammengefasst werden.  Wer dieses Buch noch nicht gelesen hat, sollte dies tun, jetzt, genau jetzt.

Tag der Wahrheit – Hendrik Falkenberg

AutorHendrik Falkenberg
Verlag Edition M
Erscheinungsdatum 1. September 2020
FormatKindle-Ausgabe
Seiten397 (Print)
SpracheDeutsch
ASINB085G6TGRR

„Die Fragestellung des Meetings war klar: Was hatten Lauras und Stevens Funde zu bedeuten und – war es überhaupt ein Fall fürs BKA?“ (Zitat Seite 47)

Darum geht es

An diesem frühen Morgen Ende Februar erlegt Florian Beck eine Hirschkuh, ohne Rücksicht auf die bestehende Schonzeit. Doch auch für ihn ist dies sein letzter Morgen Als er später gefunden wird, liegt er tot über der erlegten Hirschkuh. Sein Herz fehlt und wird kurz darauf von der BKA-Ermittlerin Laura Westermann gefunden, mit einer Notiz „Gruß ans BKA“. Dies ist eine von einer Reihe von Botschaften einer Gruppe von Klimaaktivisten, die inzwischen Mitglieder des obersten Managements von namhaften Unternehmen der Automobilindustrie in ihre Gewalt gebracht haben. Sie stellen Forderungen und ein Ultimatum, Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit für das BKA-Team Steven Haberland und Laura Westermann.

Themen dieses Kriminalromans, Band 1 der Westermann-Haberland-Serie, sind Umweltschutz, Klimawandel, die Hintergründe des Dieselskandals.

Meine Meinung

Eine spannende Geschichte mit aktuellen Themen, rasant erzählt, wenn auch nicht immer glaubwürdig. Stoff für unterhaltsame Lesestunden.

Nur zwei alte Männer – Thomas Sautner

AutorThomas Sautner
VerlagPicus Verlag
Datum22. Februar 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3711721327

„Haust du das gewusst? Dass du ein außergewöhnlich gut anzuzwinkernder Mensch bist?“ (Zitat Seite 10)

Inhalt

Julia Stern, zweiundfünfzig Jahre alt, ist die Leiterin des Kunst- und Zeitgeschichtearchivs in Wien und als ihre Mutter ihr auf dem Sterbebett gesteht, dass Joseph Wasserstein ihr leiblicher Vater sei, will sie diesen kennenlernen, unter dem Vorwand, einen Bildband zu planen. In seiner aktiven Zeit war Joseph Wasserstein ein berühmter, sehr erfolgreicher Fotograf, Erfinder einer besonderen Art zu fotografieren, nach ihm benannt. Damals waren ihm alte Menschen weise und gelassen vorgekommen, heute ist er selbst dreiundachtzig Jahre alt und nicht gelassen, sondern mürrisch und frustriert. Sein Nachbar und seit vierzig Jahren auch Freund Elve Hakim sieht dies anders. Mit sechsundsiebzig Jahren gibt er Kurse für orientalischen Tanz, spricht deutsch, denkt arabisch. So tanzen nicht nur seine Sätze, sondern auch er selbst durchs Leben. Schon nach dem ersten Treffen besucht Julia die beiden alten Männer regelmäßig und die nachmittäglichen Gespräche im Garten von Josephs Villa werden ein Fixpunkt im Leben dieser drei Menschen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das Älterwerden, Verständnis und Freundschaft, Philosophie und die Fragen des Lebens.

Erzählform und Sprache

Diese Geschichte eines Sommers, in dem es im Juni nochmals schneit, wird von den drei in ihrer Art so unterschiedlichen Figuren Joseph, Elve und Julia, getragen. Mit eindrücklicher Leichtigkeit schildert Thomas Sautner die Ereignisse des Alltags und die verständnisvolle Freundschaft zwischen den beiden alten Männern, die Julia sofort aufnehmen und in ihre Gespräche über das Leben, die Welt und die Geheimnisse des Universums, ihre Gedanken und Erinnerungen einbeziehen. Gleichzeitig beschäftigt ein aktuelles, beinahe magisches Ereignis nicht nur die Welt, sondern auch diese drei Menschen.

Fazit

Eine poetisch-locker-magische Geschichte über Freundschaft und das Leben.

Warten auf den Anruf – Birgit Rabisch

AutorBirgit Rabisch
VerlagAchter Verlag
Datum12. Oktober 2009
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten504
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3981237214

„Es geht mir darum, mir eine Familie zu erschreiben. Keine Traumfamilie, keine Wunschfamilie … überhaupt eine Familie.“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

Die Schriftstellerin Verena will ihre Geschichte über die wichtigen Frauen ihrer Familie in der aktuellen Zeit beginnen, mit Irène Vonderwied, die darauf wartet, am nächsten Morgen einen besonderen Anruf zu erhalten. Doch ihre Agentin überzeugt sie, die Geschichte chronologisch zu beginnen, mit Verenas Urgroßmutter Emma Hartkopf, Gattin des Wissenschaftlers Erich Hartkopf, der bei der Entwicklung der Chemiewaffen im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte. Emmas Tochter Wilhelmine dagegen interessiert sich nicht für Chemie, sondern ist eine begeisterte Physikerin. Ihr Fachgebiet ist die Kernphysik und sie ist von den vielen Möglichkeiten einer friedlichen Nutzung der Atomenergie überzeugt, wenn nur erst der Zweite Weltkrieg zu Ende ist. Erst jetzt führt die Geschichte zu Wilhelmines Tochter Irène. Physik fand Irène schon immer langweilig. Sie ist eine international bekannte Biologin, Fachgebiet Stammzellenforschung.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um drei Generationen von Frauen und jede dieser Frauen ist mit einer in ihrer Zeit besonders wichtigen Wissenschaftssparte eng verbunden, Chemie, Physik und Biologie. Doch während Emma noch die traditionelle Ehefrau und Mutter ist, bestimmen Wissenschaft und Forschung das Leben von Wilhelmine und Irène, beide auf ihrem Fachgebiet hochbegabt, ehrgeizig und sehr erfolgreich. Themen sind Frauenleben, die Stellung der Frau im Gefüge der universitären Wissenschaften, Familie, Freundschaft, Liebe, und die mit den jeweiligen bahnbrechenden Forschungsergebnissen verbundenen ethischen Fragen nach persönlicher Verantwortung und über mögliche Grenzen der Wissenschaft.

Erzählform und Sprache

Dieser Roman ist ein drei große Abschnitte geteilt, Emma, Wilhelmine, Irène. Die Geschichte der im jeweiligen Mittelpunkt stehenden Frauenfigur wird chronologisch und personal erzählt. Erinnerungen greifen jedoch immer wieder in vorhergehende Abschnitte zurück und und ergänzen mit weiteren Details, besonderen Ereignissen, neuen Sichtweisen und Gedanken. Diese Erzählform sorgt für Spannung, während die präzisen, aber gut verständlichen Erklärungen der wissenschaftlichen und geschichtlichen Hintergründe, Fakten und Realität, die fiktive Handlung mit interessantem Wissen ergänzen. Die Autorin Verena als Ich-Erzählerin bespricht die einzelnen Schritte des Schreibprozesses an ihrer Geschichte mit ihrer Agentin und diese Gespräche umrahmen die drei Abschnitte, verbinden sie.

Fazit

Ein packender, interessanter Wissenschafts-, Frauen- und Generationenroman, eine spannende, gelungene Mischung, die man mit großem Vergnügen liest.

Vierundzwanzigsieben kochen – Tim Mälzer

AutorTim Mälzer
Verlag Mosaik Verlag
Erscheinungsdatum 11. Oktober 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442394159

„Dieses Buch soll eine Hilfestellung für alle sein, die sich am eigenen Herd gerne aufs Wesentliche konzentrieren: gutes und unkompliziertes Essen. Eine Alltagsküche, die einem nicht alltäglich vorkommt.“ (Zitat Seite 9, Einleitung)

Thema und Inhalt

Auch in seinem neuen Kochbuch trägt jedes der über einhundert Rezepte die typische Handschrift von Tim Mälzer. Es geht bei den Rezepten um Anregungen und wie schon der Titel 24/7 sagt, sind sie rund um die Uhr alltagstauglich und können an den jeweiligen persönlichen Tagesablauf und die eigenen Vorlieben angepasst werden. Was die Rezepte verbindet, ist eine Rückkehr zum Wesentlichen, eine Küche mit je nach Saison überall erhältlichen Zutaten, Kochen mit Spaß statt Stress, schnörkellos und dennoch kreativ.

Gestaltung

Die gebundene Ausgabe liegt stabil in der Hand und macht einen robusten Eindruck, dieses Buch wird es verzeihen, den einen oder anderen Fleck während des Einsatzes zu erhalten. Doch es ist wesentlich mehr, als „nur“ ein weiteres Kochbuch, eine weitere Sammlung von Rezepten. In insgesamt neun Kapiteln von Frühstück bis zu Süßes & Dessert umfasst jedes Rezept eine Seite mit dem Text, Zutaten und Zubereitung, und auf der gegenüberliegenden Seite findet sich das passende, ganzseitige Foto. Besondere Tipps ergänzen die Rezepte und in der Buchmitte finden wir einige Textseiten, „Kulinarische Alltagsbeobachtungen“ von Thees Uhlmann. Was Vegetarierinnen wie mich und natürlich auch Vegetarier besonders freuen wird, ist die große Auswahl an vegetarischen Gerichten und ich wusste schon beim Lesen, dass zum Beispiel die Krautfleckerl mit Lammhack und Weintrauben auch ohne Lammhack schmecken werden.

Fazit

Auch dieses Kochbuch von Tim Mälzer ist wieder nicht einfach nur ein Kochbuch, sondern auch ein Lesebuch, eine anregende Gedankenreise mit genussvollen Bildern, die sofort zu neuen Ideen führen. Das Lesebändchen ist eine praktische Ergänzung, ich zähle allerdings schon jetzt zwölf eingelegte Zettelchen, nachdem ich dieses Buch begeistert von der ersten bis zur letzten Seite durchgeschmökert habe.

Mit Büchern das gefrorene Meer der Zeit löchern – Ruprecht Frieling

AutorRuprecht Frieling
Verlag Antheum Verlag
Erscheinungsdatum 26. November 2021
FormatTaschenbuch
Seiten516
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3959495318

„Ich bewerbe gern und gezielt Bücher, die teilweise ein Nischendasein führen. Dazu habe ich 222 unterschiedliche Bücher aus den verschiedensten Genres zusammengestellt, die in diesem bunten Lesebuch vorgestellt werden.“ (Zitat Seite 8)

Thema und Inhalt

Ruprecht Frieling stellt hier mit 222 ausführlichen Rezensionen ebenso viele Bücher vor. Bewusst, wenn auch mit Bedauern, verzichtet er auf die bekannten Klassiker, sondern beschränkt sich auf die Gegenwartsliteratur des 20. und 21. Jahrhunderts und hier wiederum nicht nur auf bekannte Autoren und Autorinnen, sondern auch auf bisher wenig bekannte.

Gestaltung

Der Autor teilt seine Vorschläge in zwölf Kapitel ein, wobei jedes Kapitel einem Genre entspricht, beginnend mit Roman und endend mit Sachbuch. Kapitel wie zum Beispiel Underground und Szene, Kriminalliteratur, Fantastische Literatur und Biografisches zeigen die Vielfalt der Lesetipps, natürlich fehlen auch Liebesromane und Science Fiction nicht. Den Abschluss bildet ein Kapitel mit zehn negativen Bewertungen, um zu zeigen, dass Rezensenten nicht nur begeisterte Reaktionen schreiben.

Fazit

Die Vielfalt der Literaturvorschläge in Kombination mit den informativen, lebhaften und durchaus unterhaltsam zu lesenden Rezensionen machen dieses Buch per se zu einem Lesebuch, zum Schmökern von der ersten bis zur letzten Seite. Das genussvolle, lesende Stöbern in dieser Schatzkiste der modernen Literatur lässt auch den persönlichen Wunschzettel wachsen und es könnten sich unerwartete Nebenwirkungen einstellen. In meinem Fall ist es Thomas Bernhard, von dem ich niemals etwas lesen wollte – und nun liegt sein Roman „Holzfällen“ schon auf meinem Bücherstapel.

„What I Loved – Siri Hustvedt

AutorSiri Hustvedt
VerlagSceptre
Datum19. Januar 2012
AusgabeKindle-Ausgabe
Seiten386 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB006W2V0QI

„Every story we tell about ourselves can only be told in the past tense. It winds backward from where we now stand, no longer the actors in the story but its spectators who have chosen to speak.” (Zitat Seite 364)

Inhalt

1975 entdeckt Leo Hertzberg, Professor für Kunstgeschichte, in einer Galerie ein Gemälde eines damals noch weitgehend unbekannten Künstlers, das ihn durch die darin verborgene Aussagen sofort beeindruckt und eine Woche später kauft er es. William Wechsler, der Künstler, wollte wissen, wer sein Bild gekauft hatte und seit dem ersten persönlichen Treffen verbindet Leo und Bill eine enge Freundschaft. Fünfundzwanzig Jahre ist das nun her und Leo erzählt die Geschichte ihrer beiden Familien, die untrennbar miteinander verbunden sind.

Thema und Genre

Dieser Roman spielt in New York, im lebhaften Künstlerviertel SoHo, und es geht um Freundschaft, Ehe, Eltern und Kinder, um Lebensentwürfe und die Suche nach künstlerischen Ausdrucksformen, Künstlerleben und den Kunstmarkt. Wichtige Themen sind Psychologie und Gefühlswelten, Beziehungen zwischen Liebe und Obsession, Verlust, Trauer, Hoffnung und Enttäuschungen.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird ausgehend von der Gegenwart rückblickend erzählt, wobei ein chronologischer Zeitablauf, beginnend fünfundzwanzig Jahre zuvor, eingehalten wird. Dieser Rahmen wird jedoch durch viele weitere Ereignisse unterbrochen, an die sich der Ich-Erzähler Leo Hertzberg spontan erinnert. Da geht um um prägende Erlebnisse aus der Kindheit, Erinnerungen an die Eltern, aber auch einzelne Situationen und die damit verbundenen Gefühle. Im Mittelpunkt stehen zwei Familien: Leo Hertzberg, seine Ehefrau Erica Stein, Anglistin, der gemeinsame Sohn Matthew, und Bill Wechsler, seine erste Ehefrau, die Lyrikerin Lucille Alcott, der gemeinsame Sohn Mark, sowie Bills zweite Ehefrau, die Historikerin Violet Blom. Dazu kommen weitere wichtige Figuren, die durch ihr Verhalten das Leben der beiden Familie entscheidend beeinflussen. Ergänzt wird die Handlung durch eine lebhafte Schilderung der New Yorker Künstlerszene und kritische Betrachtungen des Kunstsektors. Siri Hustvedts Figuren zeichnen sich durch eine starke Präsenz und eine intensive Gefühlswelt aus, was diesen Roman eindrücklich und packend macht, zusammen mit gekonnt eingesetzten Spannungselementen. Diese Intensität spiegelt sich auch in der Sprache wider. Ich habe den Roman in der Originalsprache gelesen, die deutschsprachige Ausgabe trägt den Titel „Was ich liebte“.

Fazit

Eine komplexe, intensive und menschlich sehr kluge Geschichte, auch sprachlich überzeugend – keine Neuerscheinung, aber zeitlos lesenswert.

Alle ungezählten Sterne – Mirko Bonné

AutorMirko Bonné
VerlagSchöffling
Datum27. Juli 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten332
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895613487

„Ich hatte eine junge Marsianerin bei mir zu Gast, nach einer Bruchlandung bei mir untergekrochen. Sobald Gefühle ins Spiel kamen, wurde alles, was sie von sich gab, kryptisch, und ich fragte mich, ob das Absicht war, fragte mich aber zugleich, zu welchem Zweck ich mich überhaupt auf sie einließ.“ (Zitat Seite 32, 33)

Inhalt

Der Ingenieur Benno Romik, ist beinahe siebzig Jahre alt und trotz seiner Pensionierung noch fallweise als sachverständiger Brückenkommissar in Hamburg tätig. Soeben hat er erfahren, dass seine Krankheit ihm nur mehr eine in Tagen abzählbare Restlebenszeit gewährt. Es ist in einer sternenklaren Julinacht, als Benno Romik auf seinem Balkon schläft, um dies ein Mal in seinem Leben getan zu haben, als um exakt 2 Uhr 48 ein geparktes Auto in Flammen aufgeht und die darauffolgende Explosion Hollie Magenta, einundzwanzig Jahre alt, unangepasst, tough, zornig und abweisend, in sein Leben wirbelt. Brücken begleiten sein Leben, er bewundert sie, begutachtet sie, doch er hat keine gebaut, nur in seinem Flur steht ein riesiges Modell. Nun muss er eine Brücke zu bauen, von Mensch zu Mensch, um alle gegenseitigen Vorurteile und das Unverständnis zwischen den Generationen zu überbrücken, eine Brücke, die auch ihm neue Wege eröffnen könnte

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das Leben in den Unsicherheiten und Brüchigkeiten unserer aktuellen Zeit, von der älteren Generation teilweise schwer zu verstehen und um die Unterschiede zwischen den Generationen, die intensiver und unüberbrückbarer scheinen, als je zuvor. Im Zentrum stehen Brücken, real, oft Symbole, das Universum mit der Vielfalt an nicht zu fassenden Sternen und die ebenso schwer zu fassende Vielfalt an zwischenmenschlichen Beziehungen.

Erzählform und Sprache

„Das Gute an jedem Ende: Alles ist Vergangenheit. Auf mich kommt nichts mehr zu, ich habe die Zukunft hinter mir.“ (Zitat Seite 18) Mit diesem Argument bricht der Ich-Erzähler Benno Romik aus der Chronologie seiner Lebensgeschichte aus, er will nicht mehr schildern, sondern spontan erzählen. Sein Leben teilt er gedanklich in fünf Teile ein, beginnend mit der Kindheit und endend mit Hollie Magenta. Er folgt dem Ablauf der aktuellen Ereignisse, deren Zeitrahmen wenige Wochen umfasst, doch unterbricht er diese durch seine Erinnerungen und weit gefächerten Gedankenflüge, ungeordnet, wie sie sich ergeben. Er ist immer noch ein Suchender in seinem Leben, und diese Tage mit Hollie, die Gespräche und Auseinandersetzungen, stellen auch sein bisheriges Leben in Frage. Einfühlsam, aber mit einer geradlinigen Offenheit, geht Mirko Bonné mit seinen zwei Hauptfiguren um, und ebenso präzise umgibt er sie mit einem Kreis von ihnen nahestehenden Figuren, die zumindest in den Gedanken immer präsent sind und ihr Leben geprägt haben und immer noch prägen. Er ist ein poetischer Erzähler, der uns mit dieser Geschichte und seiner Sprache sofort in seinen Bann zieht. Er spielt mit Anlehnungen an literarische Vorbilder, schafft metaphorische Gedankenbilder, doch er lässt es uns frei, ob wir auch diesen, oder nur der Handlung folgen wollen.

Fazit

Ein großartiger Roman, literarische Magie, die mich zunächst sprachlos machte. Eine Geschichte, der man von der ersten bis zur letzten Seite gebannt und ohne Unterbrechungen folgen will und es gleichzeitig bedauert, schon auf der letzten Seite angelangt zu sein.

Das Glutnest – Margaret Laurence

AutorMargaret Laurence
VerlagEisele Verlag
Datum26. Oktober 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinMonika Baark
ISBN-13978-3961611744

„Was sieht sie gerade? Hausfrau, vierfache Mutter, diese etwas zu kleine und fettgepolsterte Frau mit dem Mantel von anno dazumal, der falschen Rocklänge, wie ich mir ständig von Katie sagen lassen muss, dem falschen Lippenstift und zur Krönung des Ganzen der schreiend komische Hut.“ (Zitat Pos. 193)

Inhalt

Als Stacey Cameron neunzehn Jahre alt ist, verlässt sie die Enge ihrer Geburtsstadt Manawaka und geht nach Vancouver. Dort lebt sie auch heute noch, inzwischen neununddreißig Jahre alt, seit sechzehn Jahren mit Clifford „Mac“ MacAindra verheiratet, Mutter von vier Kindern. Ihr Mann ist als Vertreter viel unterwegs, sie kümmert sich um den Haushalt und die Kinder. Sie hatte von einem aufregenden Leben in der Großstadt geträumt und fragt sich immer öfter, ob das wirklich alles war, der turbulente,   anstrengende Familienalltag in dem Haus am Bluejay Crescent und ihre Ehe, in der es mit den Jahren schweigsam geworden ist. Es geht ihr gut, sagt sie, wenn sie gefragt wird, doch wie geht es ihr wirklich, genügt es, wenn sie sich bemüht zu funktionieren, wie es von ihr erwartet wird?

Thema und Genre

Dieser Roman der kanadischen Schriftstellerin ist 1969 erschienen und zeigt eine kurze Zeitspanne im alltäglichen Familien- und Gefühlschaos einer bald vierzigjährigen Hausfrau in einer damals noch von Männern dominierten Gesellschaft.

Charactere

In dieser Geschichte geht es um die chaotische Stacey, bald vierzig Jahre alt, Hausfrau, Mutter, sie liebt ihre Kinder und ist dennoch enttäuscht und frustriert darüber, dass ihr Leben völlig anders verläuft, als sie es erhofft hatte.

Erzählform und Sprache

Der Schwerpunkt dieses personal erzählten Romans liegt weniger im Tagesablauf mit den  alltäglichen Ereignissen der Hauptfigur Stacey, sondern in der intensiven Darstellung ihres Charakters, ihrer Gedanken und Gefühle. Sie liest Zeitungsmeldungen und blickt in einzelnen Situationen dann gleichsam als Beobachterin auf ihr Verhalten. Gerade aus dieser abwechslungsreichen Erzählform ergibt sich die Spannung der Handlung, denn bei Stacey, einer etwas chaotischen Durchschnittsfrau in der damals üblichen Hausfrauenrolle, liegt meistens ein großer Unterschied zwischen dem, was sie sagt und den ausführlichen Gedanken, die sie dazu hat, die sie jedoch für sich behält. So erhalten wir Einblick in die Konflikte der einzelnen Figuren. Aus der inneren Befindlichkeit, wenn sie über ihr Aussehen nachdenkt, haben wir beim Lesen rasch ein Bild von ihr, die sie umgebenden Personen beschreibt Stacey durch ihre eigenen Wahrnehmungen und Gedanken. Durch ihre Erinnerungen erfahren wir ergänzende Details aus ihrem bisherigen Leben und das ihres Mannes. Auch die Sprache, besonders in den Gedankenphasen, fügt sich nachvollziehbar in das Charakterbild von Stacey ein.

Fazit

Ein interessant zu lesender Roman über das Leben einer unangepassten, eigenwilligen Frau in einer Zeit, als von Ehefrauen noch das Gegenteil erwartet wurde.

Irgendwo. Aber am Meer – Arnold Stadler

AutorArnold Stadler
VerlagS. Fischer
Datum29. März 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3100751317

„Ich hatte den Verdacht, dass sie auf Schloss Sayn eigentlich Greta Thunberg hatte hören wollen und mir übelnahmen, dass ich nicht Greta Thunberg war, sondern ein weißer Alter, der für alles verantwortlich gemacht werden konnte.“ (Zitat Seite 13)

Inhalt

Seit etwa zwanzig Jahren verbringt ein Schriftsteller mehrere Wochen im Sommer auf der griechischen Insel Lefkada, als Gast im Haus seines Schwagers Micha und mit nachdenklichem, sehnsüchtigen Blick auf die Insel Ithaka. Diesmal freut er sich noch mehr als sonst auf diese Reise, denn er fährt mit seinem neuen Auto, einem nicht unbedingt klimafreundlichen SUV. Doch vor diesen glücklichen Sommertagen liegt eine Lesung aus seinem nächsten neuen Buch, auf Schloss Sayn im Westerwald, am Himmelfahrtstag. Die anschließende Diskussion, im Programm modern als „Talk“ bezeichnet, wird für ihn zum Fiasko, denn plötzlich dreht sich die Diskussion nicht um sein Buch, sondern um die Energiekrise und Greta Thunberg und aus dem Publikum tönt der Ruf „Altmännergeschwätz“. So wird Sayn zu einem Fixpunkt in seinen Gedanken, der ihn auch auf seiner Reise nach Lefkada begleitet, zusammen mit der Frage, wo sein Platz im Leben ist und ob jemand, der wie er schon viele Jahre durch das Leben wandert, unbedingt ein Ziel haben muss.

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein älterer Schriftsteller mit seinen Gedanken zu aktuellen Themen unserer Zeit, mit seinen Fragen, Lebenserfahrungen, und Erinnerungen, mit seiner Sehnsucht nach einem Ort, wo er dem Leben zuschauen kann.

Erzählform und Sprache

Die Handlung verläuft chronologisch während der Sommermonate, im Mittelpunkt stehen Reisen, die Rückreise von einer Lesung, und einige Wochen später die Reise nach Griechenland, und dann die Wochen auf Lefkada. Doch dies ist nicht mehr als eine Art Rahmen, der die Vielfalt der Gedanken und Überlegungen des Schriftstellers als Ich-Erzähler umfasst. Wer wissen möchte, wie sich eine moderne, immer wieder überraschende Interpretation der Erzähltechnik „stream of consciousness“ (Bewusstseinsstrom) liest, wird in diesem Buch fündig. Da genügt ein Satz, um die Überlegungen zu einem bestimmten Gedanken oder Ereignis einzuleiten, und etwas später beginnt mit genau dem gleichen Satz eine neue Gedankenreihe, diesmal jedoch eine völlig andere Sichtweise. Es ist dieses scheinbar so Ungeordnete im Bewusstsein des Ich-Erzählers und die gekonnte Umsetzung, dazu die Ausdruckskraft der Sprache, die den Sog dieses Romans ausmachen.

Fazit

„Und so schöne Fragen, die mir auch nicht weiterhalfen, drängten sich schon wieder in meinem verqueren Inneren. Würde ich als Mann der schönen Sätze enden?“ (Zitat Seit 151) Diese Sorge des selbstkritischen Ich-Erzählers ist unbegründet, auch wenn er für die Fülle seiner Fragen, die er an sich selbst und an das Leben stellt, nicht immer Antworten findet und wenn, dann mehr als eine. Ein literarisches, poetisches, aber auch herausforderndes Leseerlebnis.

Das Alphabet der Schöpfung – I.L. Callis

AutorI. L. Callis
VerlagEmons Verlag
Datum20. September 2018
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten464
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3740804169

„Ein fast unwiderstehlicher Drang zu lachen bemächtigte sich seiner. Alexander hätte ihm nachgegeben, wenn er nicht Angst gehabt hätte, gleichzeitig den Verstand zu verlieren.“ (Zitat Pos. 3978)

Inhalt

Alexander Lindahl ist Journalist. Sein Jugendfreund Max van Damme sucht jemanden, der ein Buch in Form einer populärwissenschaftlichen Dokumentation über sein Unternehmen Phoenix, ein internationales Biotechnikunternehmen, schreibt. Neugierig geworden, sagt Alexander zu, denn Phoenix ist eines der führenden Gentechnik-Unternehmen Europas und beschäftigt im Forschungsbereich internationale Spitzenkräfte. Max sichert Alexander zu, dass er freien Zugang zu den einzelnen Abteilungen habe und schreiben könne, was er für richtig hält. „Bei Phoenix gibt es keine Zensur. Fortschritt braucht Freiheit.“ (Zitat Pos. 926) Als Alexander jedoch entdeckt, woran Phoenix tatsächlich arbeitet, erkennt er rasch, dass die angebliche Freiheit ohne Zensur in Wahrheit ein lückenloses Überwachungsprogramm beinhaltet und es lebensgefährlich ist, zu viele Fragen zu stellen.

Darum geht es

In diesem Wissenschaftsthriller geht es um moderne Forschung im Bereich Gentechnologie, DNA, Biotechnologie und damit verbunden um Forschungsethik und die Frage, ob die Interessen der Zukunftsforschung wichtiger sind, als Verantwortung und Werte. Diese Themen ergeben, eingebettet in eine rasante Handlung mit einer überzeugenden Hauptfigur, überraschenden Wendungen und gefährlicher Action ein spannendes Lesevergnügen, das im Hinblick auf die Möglichkeiten einer sehr nahen Zukunft durchaus realistisch sein könnte.

Meine Meinung

Ein packender, vielseitiger Page-turner.

Ein Winter in Istanbul – Angelika Overath

AutorAngelika Overath
Verlagbtb Verlag
Datum12. April 2023
AusgabeTaschenbuch
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13 978-3442773220

„Es war dieser eine Winter in Istanbul, der bald vorbei sein würde. Warum sollte er nicht einen Winter haben! Einen Winter nur für sich.“ (Zitat Seite 169)

Inhalt

Cla, fünfundvierzig Jahre alt, Religionswissenschaftler, ist Gymnasiallehrer an einer internationalen Schule im Engadin. Sein Spezialthema ist der Dialog zwischen den Religionen und als ihm die Stiftung einer Schweizer Privatbank ein Forschungsstipendium in Istanbul anbietet, nimmt er dieses an. Während ihn sein Cusanus-Projekt zurück in den Winter 1437/38 führt, entdeckt er durch Baran, einen jungen Kellner, Stadtführer, Schauspieler, Übersetzer mit türkisch-griechischen Wurzeln, das heutige Istanbul im Winter abseits der Touristenwege. Er verliebt sich in diese lebhafte, bunte, vielseitige Stadt, und nicht nur in die Stadt. Seit zwei Jahren lebt er in einer festen Beziehung mit Alva, doch nun fragt er sich, ob er dabei ist, sich zu verlieren, oder ob er sich gerade erst wirklich findet.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es einerseits um mögliche Dialoge zwischen den Religionen, um das vor sechshundert Jahren gespaltene Konstantinopel und um das heute ebenso gespaltene Istanbul. Gleichzeitig geht es um wichtige persönliche Entscheidungen, Selbstfindung, mögliche neue Lebenswege und die Liebe in vielen Facetten.

Erzählform und Sprache

Angelika Overath schildert abwechselnd die Begegnungen, Entdeckungen und Erlebnisse von Cla während der Wintermonate in der heutigen Zeit und die geschichtlichen Ereignisse einer Reise, die vor beinahe sechshundert Jahren, ebenfalls im Winter, stattfand. Die Handlung ist eingebettet in poetische, lebhafte und eindrückliche Beschreibungen der ungemein vielfältigen Schönheit der Stadt Istanbul. Diese Geschichte von Cla, Alva und Baran wird in dem Roman „Unschärfen der Liebe“, erschienen am 12. April 2023, fortgesetzt. Ich habe die beiden von der Art des Erzählens her völlig unterschiedlichen Bücher in umgekehrter Reihenfolge gelesen und es hat mein Lesevergnügen nicht geschmälert.

Fazit

Angelika Overath ist eine wunderbare, vielseitige Erzählerin, deren Sprache alle Facetten zwischen einfühlsam, poetisch, nachdenklich, kritisch und lebhaft, spannend umfasst.

Immer nach Hause – Ursula K. Le Guin

AutorUrsula K. Le Guin
VerlagCarcosa
Datum16. Oktober 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten859
SpracheDeutsch
ÜbersetzungMatthias Fersterer, Karen Nölle
Helmut W. Pesch
ISBN-13978-3910914001

„Ein Buch ist eine Handlung; es nimmt nicht nur Raum ein, sondern ereignet sich auch in der Zeit. Es ist nicht Information, sondern Beziehung.“ (Zitat Seite 393)

Inhalt

Die Kesh, ein kalifornisches Volk, leben in einer weit entfernten Zukunf im Na Tal, dem heutigen Napa Valley. Sie leben genügsam und im achtsamen Einklang mit der Natur, bemühen sich um Frieden untereinander und auch zwischen Menschen und Tieren. Während ihres Lebens können sie mehrere Namen annehmen, die sich nach ihrer persönlichen Entwicklung richten. Nordeule war der Erstname eines kleinen, eigenwilligen Mädchens. Jetzt, als ältere Frau, hat sie ihren Letztnamen gewählt, Erzählstein, denn sie erzählt ihr Leben, ihre Kindheit, schildert ihre Erlebnisse, abenteuerliche Reisen, Begegnungen, Feste und Bräuche in ihrem Heimatort Sinshan. Die Romanhandlung wird ergänzt durch unterschiedliche Erzählungen, Geschichten, Lyrik, Essays und Texte zu Erzähltheorien.  

Thema und Genre

Themen sind die noch utopische Schilderung einer möglichen, friedlichen Lebens- und Gesellschaftsform im Einklang mit der Natur und ihre kulturelle Vielfalt, und im Gegensatz dazu ein kriegerisches Volk, das in einer großen Stadt lebt, sich durch Beutezüge und Eroberungen versorgt. Dieses Werk ist der phantastischen Literatur zuzuordnen, mit mythischen, magischen, aber auch sozial-utopischen Elementen zu möglichen Gesellschaftsstrukturen.

Erzählform und Sprache

Erzählsteins autobiografische Geschichte ist ein Roman, das Kernstück, aber nur ein kleiner Teil, des Buches. Ergänzt wird der Roman durch eine bunte Vielfalt von Texten in Form von Lebenserzählungen, kürzeren Geschichten, dramatischen Werken, Gedichten, Beschreibungen des Alltagslebens und der Feste im Jahreslauf, Naturschilderungen. Ursula K. Le Guin betont, dass sie die Grundlagen für die Mythen, Rituale und Gedichte in der mündlich überlieferten Literatur der Native Americans fand, sie hörte zu, verzichtete jedoch bewusst darauf, diese nachzuahmen oder sich anzueignen.

Im letzten Drittel des Buches findet sich ein ausführliches Glossar über das Volk der Kesh, ihre Landkarten, Künste, Kleidung, Essen, die Tänze, Musikinstrumente, das Kesh-Alphabet, eine Grammatik dieser Sprache. Es folgen spätere Texte, daran schließen Essays und Schriften aus Vorträgen an. So finden wir hier auch Le Guins bekannte Tragetaschentheorie des Erzählens. Mit einer ausführlichen Schilderung der Entstehung dieses Werkes in allen Details von der Idee bis zur Umsetzung, und der Vorstellung der Mitwirkenden endet das Buch.

Fazit

Ein in dieser Vielfalt einzigartiges, faszinierendes Buch. Keine einfache Lektüre, doch gerade der besondere Aufbau erlaubt Unterbrechungen, oder einen Wechsel zwischen den Abschnitten und Themen. Das Buch kann auf unterschiedliche Arten gelesen werden, es muss nicht chronologisch sein, man könnte zum Beispiel zuerst Erzählsteins Geschichte zu Ende lesen – doch wie auch immer man die persönliche Lesereise gestaltet, es ist ein sehr beeindruckendes Erlebnis.

Hildur – Die Spur im Fjord – Satu Rämö

AutorSatu Rämö
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 1. Oktober 2023
FormatKindle
Seiten369 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinGabriele Schrey-Vasara
ASINB0C172319C

„Der rote Rucksack mit den Ponys darauf war das Letzte, war von den Mädchen zu sehen war. Dann verschwanden sie.“ (Zitat Seite 16)

Inhalt

Hildur Rúnarsdóttir hat Geschichte studiert, wollte aber keine akademische Laufbahn einschlagen. Zu sehr ist sie von ihrer Vergangenheit geprägt und immer noch auf der Suche nach Antworten, denn ihre beiden jüngeren Schwestern sind vor beinahe fünfundzwanzig Jahren eines Nachmittags spurlos verschwunden. Seit nunmehr zehn Jahren ist Hildur zurück in ihrer alten Heimat Ísafjörður und leitet als Kriminalbeamtin die Abteilung für vermisste Kinder im Verwaltungsbezirk Westfjorde. Als im November 2019 eine Lawine ein Gebiet mit Sommerhäusern unter sich begräbt, werden auch Hildur, ihr neuer Kollege Jakob Johanson, ein finnischer Polizist, und ihre Chefin Beta zu Hilfe gerufen, denn angeblich war eines der Häuser bewohnt. Es gibt tatsächlich einen Toten, doch dieser ist eindeutig ermordet worden. Damit beginnt eine Serie von Morden, die auf den ersten Blick überhaupt nichts gemeinsam haben, doch Hildur ist überzeugt, dass es einen Zusammenhang gibt.

Darum geht es

Dieser Kriminalroman, Band eins der Hildur-Reihe, spielt in Island. Im Mittelpunkt stehen unterschiedliche Ereignisse, die teilweise in der Vergangenheit stattgefunden haben, und rätselhafte Mordfälle in der Gegenwart. Weitere Themen sind Verlust, Familie, Beziehungen und das Leben in einem abgelegenen, wilden Teil Islands im grauen Wintermonat November.

Meine Meinung

Hildur liebt das Surfen im unbeständigen, stürmischen Meer, um den Kopf freizubekommen, Jakob dagegen strickt Pullover in den komplizierten isländischen Mustern. Dieses interessante, sympathische Ermittlerteam in Kombination mit einer spannenden Handlung, einer glaubhaften Geschichte mit Tiefgang, und lebhaften Schilderungen der beeindruckenden Natur und Landschaft Islands garantieren ein facettenreiches Lesevergnügen.

Memoria – Zoë Beck

AutorZoë Beck
VerlagSuhrkamp Verlag
Datum9. Oktober 2023
AusgabeBroschiert
Seiten280
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3518472927

„Schauen Sie nach vorn. Es hilft niemandem, wenn Sie jetzt anfangen, Türen zu öffnen, die Sie am Ende nicht mehr schließen können.“ (Zitat Seite 45)

Inhalt

Harriet Laurent, bald dreiunddreißig Jahre alt, lebt in Frankfurt. Sie ist gelernte Klavierbauerin und auf dem Weg zu einem Auftrag, als ihr Zug in einen Waldbrand gerät, was im Sommer nichts Außergewöhnliches ist. Harriet rettet eine alte Frau vor dem rasch näherkommenden Feuer und bringt diese in deren SUV zu einem Notfallzentrum. Erst als sie den Wagen dort abstellt, fällt ihr ein, dass sie gar keinen Führerschein hat und noch nie Auto gefahren ist. Ihren Rucksack mit den Ausweisen hat sie im Feuer verloren. Problemlos erhält sie neue Ausweise, auch einen Führerschein. Wie kann es sein, dass sie seit beinahe sechzehn Jahren einen Führerschein besitzt und sich nicht erinnern kann? Sie fährt nach München, wo sie aufgewachsen ist, um der Sache mit dem Führerschein und auch den eigenartigen Erinnerungsfragmenten, die immer öfter in ihren Gedanken auftauchen, auf den Grund zu gehen. Doch jemand will unbedingt verhindern, dass sie sich erinnert.

Thema und Genre

Dieser Thriller spielt in Deutschland in der nahen Zukunft und es geht um Forschung, Psychologie und die Frage, ob und wie KI unsere Erinnerungen manipulieren könnte. Es geht auch um Erlebnisse und Entscheidungen im Leben eines Menschen, die weite Kreise ziehen und nicht nur das eigene Leben für immer verändern.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte spielt in der nahen Zukunft. Die Handlung findet innerhalb eines knappen Zeitrahmens statt, was die Geschichte rasant und spannend macht. Auch unvorhersehbare Wendungen fehlen nicht, bleiben jedoch immer nachvollziehbar. Durch ihre Recherchen und gegen alle Widerstände setzt Harriet ihre Vergangenheit Stück für Stück neu zusammen, bis sie auch ihre alptraumartigen Erinnerungsblitze zuordnen kann. Die Sprache passt zum Genre, erzählt klar und packend und schildert die möglichen Lebensumstände der Menschen in einer nahen Zukunft beklemmend realistisch.

Fazit

Ein moderner, intelligenter Thriller mit einer durch ihre vielen Facetten sympathischen Hauptfigur und sehr interessanten Themen.

Der graue Peter – Matthias Zschokke

AutorMatthias Tschokke
Verlag Rotpunktverlag
Erscheinungsdatum 15. März 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3858699770

„Es gibt solche, die spannende Geschichten zu erzählen haben, und solche, die nichts zu erzählen haben. Oder die möglicherweise viel zu erzählen hätten, das aber nicht von sich wissen, weil sie nichts in sich eindringen, sondern alles an sich abperlen lassen wie an einer Regenhaut.“ (Zitat Seite 12)

Thema

Es geht um einen Mann, Peter, unauffällig, ein introvertierter Einzelgänger, ein grauer Peter in einem grauen Leben, der sich auf einer Bahnfahrt von Nancy nach Basel plötzlich um einen alleinreisenden Jungen kümmern muss, der in Basel von seinem Onkel erwartet wird.

Meine Meinung

Hans Ulrich Probst bezeichnet Zschokke als einen Meister der Gestaltung der Ereignislosigkeit und ich stimme nur teilweise zu, ich fand nichts Meisterhaftes und Poetisches, dafür aber die Ereignislosigkeit in einem gleichförmiges Dahinplätschern der Handlung mit einigen irritierenden Momenten zwischen einem alten Mann und einem achtjährigen Jungen.

Sich lichtende Nebel – Christian Haller

AutorChristian Haller
VerlagLuchterhand Literaturverlag
Datum15. Februar 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten128
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3630877334

„Der junge Wissenschaftler spürte, dass diese konkrete und anschauliche Beobachtung in einer Verbindung zu den besprochenen theoretischen Problemen stand. Von welcher Art diese war, blieb ihm unklar, und er war auch zu müde, um weiter darüber nachzudenken.“ (Zitat Seite 8)

Inhalt

Im Frühjahr 1925 beobachtet der junge deutsche Physiker Werner Heisenberg, Gastdozent am Kopenhagener Physik-Institut, zu später Stunde im Faelledparken interessiert eine schattenhafte Gestalt. Ein Mann, der im Lichtkreis der Straßenlaterne auftaucht, dann unsichtbar im Dunkel verschwindet und kurz darauf im nächsten Lichtkreis wieder auftaucht. Die Gedanken des Wissenschaftlers beginnen um die Wahrscheinlichkeit des Auftauchens im nächsten Lichtkreis zu kreisen. Noch ahnt er nur vage, dass diese Beobachtung kurz darauf, während eines Aufenthaltes auf Helgoland, eine wichtige Rolle bei der Entwicklung seiner Quantentheorie spielen wird. Der einsame Spaziergänger dagegen ahnt nichts von seinem Beobachter. Helstedt ist ein emeritierter Professor für Geschichte, und sein Leben ist von Trauer, Einsamkeit und Erinnerungen geprägt.

Thema und Genre

In dieser Novelle geht es um die Fragen des Lebens, um Verlust, Trauer, Alter, Einsamkeit, um Quantenphysik, Philosophie. Ein Thema sind die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung, verbunden mit der Frage, ob wirklich nur existiert, was man auch mit Worten beschreiben kann.

Charactere

Die beiden Hauptfiguren, den jungen Wissenschaftler Heisenberg und den  Geschichtsprofessor im Ruhestand, verbinden zwei Dinge, eine kurze, zufällige Begegnung, die allerdings nur von Heisenberg wahrgenommen wird, und die persönliche Einsamkeit. Doch während sich diese bei Helstedt durch die Trauer über den Tod seiner Ehefrau nach dreißig gemeinsamen Ehejahren ergibt, sucht Heisenberg die Einsamkeit der Natur auf der Insel Helgoland, um in Ruhe über seine physikalischen Fragen im Zusammenhang mit dem Atommodell nachzudenken.

Erzählform und Sprache

Es sind zwei unterschiedliche Lebenswege und Schicksale, die in dieser Novelle abwechselnd erzählt werden und die Christian Haller durch eine kurze Momentaufnahme, eine zufällige und unbewusste Begegnung, verbindet. Doch dieser Moment hat Auswirkungen auf beide Männer, denn auch in Helstedts Leben bahnen sich Veränderungen an. Die klare, genau beobachtende Sprache vertieft die besondere Art dieser Geschichte.

Fazit

Eine dichte, komplexe Geschichte auf verhältnismäßig wenigen Seiten, die gerade deshalb fasziniert und viel Platz für einige Überlegungen lässt.

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