Der große Plan: Denglers neunter Fall – Wolfgang Schorlau

AutorWolfgang Schorlau
Verlag KiWi-Paperback
Erscheinungsdatum 8. März 2018
FormatBroschiert
Seiten448
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462046670

„Doch das Böse in diesem Fall ist so perfide und im Bösen so perfekt, wie ich es in meiner Laufbahn als Polizist und Privatermittler noch nicht erlebt habe. (Zitat Seite 360)

Inhalt

Georg Dengler arbeitet jetzt seit zehn Jahren als Privatermittler und die Auftragslage ist, nun ja, schwankend. Da tritt das Auswärtige Amt in Berlin an ihn heran. Eine wichtige Mitarbeiterin, Anna Hartmann, ist verschwunden und Dengler soll im Auftrag des Außenministers die Ermittlungen des BKA und des Innenministeriums unabhängig begleiten. Zur Zeit ist Anna Hartmann als Beraterin der Troika im Zusammenhang mit der griechischen Finanzkrise tätig. Der einzige Anhaltspunkt ist ein kurzes Handyvideo, aufgenommen am 27. Dezember, wo zu sehen ist, wie Anna Hartmann zu nächtlicher Stunde rasch an einem dunklen Van vorbeigehen will und nicht mehr auftaucht. Mit ihr verschwindet auch ihr Laptop. Alles deutet auf eine Entführung hin und Dengler fragt sich, woran sie wirklich gearbeitet hat. Könnte sie brisante Daten im Zusammenhang mit der finanziellen Rettungsaktion für Griechenland entdeckt haben, die sie an die Öffentlichkeit bringen wollte? Diesen Fall kann er nicht allein bearbeiten, zusammen mit seiner Freundin Olga, seiner neuen Mitarbeiterin Petra Wolff und seinem verlässlichen Freundeskreis beginnt er zu recherchieren, doch jemand scheint jeden ihrer Schritte zu kennen und ist ihnen mindestens einen Schritt voraus, skrupellos, denn nur tote Menschen reden nicht.

Thema und Genre

In diesem Kriminalroman geht es um aktuelle Themen wie internationale Finanzmärkte und Finanzinstrumente, die Finanzkrise der EU im Zusammenhang mit Griechenland, Politik heute und in der Vergangenheit, im von den Nationalsozialisten besetzten Griechenland.

Charaktere

Mit wenigen geschichtlichen Ausnahmen sind die handelnden Personen fiktiv, jedoch realistisch und absolut glaubhaft, ihr Verhalten nachvollziehbar.

Handlung und Schreibstil

Der Autor ergänzt auch in diesem neunten Fall des Privatermittlers Georg Dengler die packende Handlung und Ermittlungen mit genau und ausführlich recherchierten Fakten. Die entsprechenden Erläuterungen stehen  in einem gelungenen Gleichgewicht zu den Ereignissen und sie unterbrechen den Spannungsbogen keineswegs, sondern sind ebenso spannend und interessant zu lesen. Parallel zur aktuellen Handlung führt eine Geschichte in die Vergangenheit von Annas Großvater Otto Hartmann, der, aus einfachen Verhältnissen stammend, zu einem erfolgreichen Direktor der Deutschlandbank aufgestiegen war. Nicht nur Georg Dengler erwarten in diesem gefährlichen, herausfordernden Fall eine Reihe von Überraschungen und völlig unvorhersehbaren Entwicklungen, sondern auch uns Lesende.

Fazit

Auch Martin Klein, Verfasser von Horoskopen und angehender Autor von Kriminalromanen, gehört zu Georg Denglers Freundeskreis. „Georg, deine Fälle eignen sich nicht für Kriminalromane,“ stellt Martin auf Seite 282 fest – hier irrt er, wie diese spannende, facettenreiche, interessante Mischung aus brisanten Themen, Fakten und fiktiver Krimihandlung beweist.  

Der Aufgang – Stefan Hertmans

AutorStefan Hertmans
Verlag Diogenes
Erscheinungsdatum 27. April 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten480
ÜbersetzungIra Wilhelm
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257071887

„Im ersten Jahr des neuen Jahrtausends fiel mir ein Buch in die Hände, aus dem ich erfahren sollte, dass ich zwanzig Jahre im Haus eines ehemaligen Mitglieds der SS gewohnt hatte.“ (Zitat Seite 7)

Inhalt

Im Spätsommer 1979 sieht Stefan Hertmans das Haus in Gent, im Stadtteil Patershol, zum ersten Mal. Es wirkt verwahrlost, feucht, stand schon längere Zeit leer. Dennoch lässt es den Autor nicht mehr los und er kauft es. Mehr als zwanzig Jahre später sieht er ein Buch, verfasst von Professor Adriaan Verhulst, Historiker, bei dem auch Hertmans studiert hatte. Er entdeckt, dass Adriaan Verhulst seine Kindheit in genau diesem Haus verbracht hatte. Dies weckt sein Interesse und er beschließt, die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner zu erzählen.

Thema und Genre

Dieser Roman ist die Geschichte eines Hauses in Verbindung mit der Geschichte jener Familie, die es viele Jahre lang bewohnt hat. Er basiert auf historischen Fakten, die sich aus umfangreichen Recherchen in Dokumenten, Büchern, den Tagebüchern von Mientje Verhulst und Gesprächen mit noch lebenden Zeitzeugen ergeben, ergänzt durch fiktive Elemente. Themen sind der politische Konflikt zwischen Flamen und Wallonen, die Besatzung Belgiens durch die Nationalsozialisten und die Zeit danach, aber auch Kindheitserinnerungen, Familie und Beziehungen.

Charaktere

Im Mittelpunkt der Geschichte steht das Leben von Willem Verhulst und seiner zweiten Ehefrau Harmina „Mientje“ Wilhers, die Eltern von Adriaan Verhulst.

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt, berichtet, es ist ein Roman über Belgien, der auf genau recherchierten Erinnerungen von Zeitzeugen, noch lebenden Familienmitgliedern, aufbaut, in Verbindung mit der umfangreichen Dokumentation, die man dem Autor zur Verfügung stellt. Wo er in seinen umfangreichen Recherchen keine Aussagen und Unterlagen fand, erklärt er, dass dies heute niemand mehr weiß, lässt Lücken, statt diese Lücken durch fiktive Vermutungen zu schließen. Die Handlung ergänzt der Autor durch Anekdoten und seine persönlichen Erinnerungen. Wir folgen Menschen vom Beginn ihres Lebens bis zum Ende, gleichzeitig besichtigen wir das Haus, in dem die wichtigsten Ereignisse dieser Menschen stattfanden, mit dem Autor im Jahr 1979 in der entgegengesetzten Richtung. Vom Keller bis zum Dachboden betreten wir die einzelnen Räume, sehen sie jetzt und damals, als die Familie Verhulst das Haus mit Leben gefüllt hat. Der Aufgang, eine fließende Bewegung statt eines Spannungsbogens.

Fazit

„Vielleicht möchte man durch den Besuch eines Ortes der Erinnerung, selbst wenn diese nicht die eigene ist, den Lauf der Geschichte für einen Augenblick aufhalten.“ (Zitat Seite 186). Mit diesem interessanten Roman, der ruhig und sachlich der Geschichte dieser Familie folgt, gleichzeitig aber atmosphärisch dicht das Haus selbst während der ersten Besichtigung des Autors vor dem Kauf beschreibt, ist dem Autor dies gelungen.

Die Stille der Gletscher – Ulrike Schmitzer

AutorUlrike Schmitzer
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 23. Februar 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten144
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903005259

„Das Spannendste ist, die Höhle gab es vorher noch nicht. Ich weiß das ganz genau.“ (Zitat Seite 41)

Inhalt

Im Auftrag einer Umweltschutzorganisation soll die Fotografin einen Gletscher fotografieren, um die jährlichen Veränderungen zu dokumentieren. Sie kontaktiert einen pensionierten Professor, dessen Langzeitmessreihen bereits fünfzig Jahre zurückreichen. Er ist beunruhigt, denn er hat Bohrlöcher von Probebohrungen im Gletscher entdeckt. Doch es läuft kein derartiges Forschungsprojekt, obwohl sich seit zwei Jahren eigenartige Teams für den Gletscher interessieren. Kurz darauf liest sie eine Meldung über den Fund einer Gletscherleiche aus dem ersten Weltkrieg, und kontaktiert den Gletscherarchäologen, denn gleichzeitig arbeitet sie an einer Porträtserie über Menschen, die sich mit Gletschern beschäftigen. Auch eine Biologin wird ihr empfohlen, eine bekannte Forscherin auf dem Gebiet der Schneealgen, doch diese ist von einer Expedition auf den Gletscher nicht zurückgekehrt. Vom Ehemann der Vermissten erhalten sie aktuelle Forschungsergebnisse, welche seine Frau im Safe aufbewahrt hatte. Nun erkennt das kleine, hartnäckige Team die Zusammenhänge, doch sie brauchen Beweise, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen – und genau das will jemand verhindern.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um den Klimawandel, das Schmelzen der Gletscher, das sehr lukrative, weit vernetzte Geschäft mit der Umwelt und die Rolle der investigativen Medien.

Charaktere

Der Roman kommt mit verhältnismäßig wenigen Seiten aus, dennoch sind die einzelnen Figuren mit ihren Fachgebieten und besonderen Eigenheiten sehr genau und lebhaft beschrieben.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte findet innerhalb von wenigen Wochen statt, wird von der Fotografin als Ich-Erzählerin geschildert. Genau folgen wir ihren Gesprächen, hartnäckigen Recherchen und den kreativen Ideen auf der Suche nach Verbündeten. Diese straffe Handlung sorgt für Spannung und Überraschungen, gleichzeitig nimmt sich die Autorin Zeit für Details und Erklärungen der Fakten zu diesem interessanten, wichtigen Thema.

Fazit

Eine spannende, facettenreiche Geschichte mit brisanten Themen.

JOE 9/11 – Thomas Antonic und Janne Ratia

AutorThomas Antonic – Janne Ratia
GrafikenTina Raffel
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 21. Juli 2014
FormatGebundene Ausgabe
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3902498977

„Er blickt wieder auf die Flasche und bemerkt, dass sich darin ein eingerolltes Blatt Papier befindet. Eine Flaschenpost.“ (Zitat Seite 97)

Inhalt

Am Morgen des 12. Juni 2000 findet die Besitzerin des Café Mundo in Sagres, Portugal, neben der Eingangstüre eine Polaroid-Aufnahme der Küste. Das Bild gefällt ihr und sie hängt es neben die Speisekarte. Ein Jahr später sieht Peter Novak, Fotograf aus San Franzisco, das Foto und sie schenkt es ihm. Zurück in San Francisco betrachtet er das Foto genauer und entdeckt etwas Ungewöhnliches. Für seinen Freund Martty Bruce ist klar, sie müssen sofort in Portugal Nachforschungen anstellen. Doch Peter muss sich auf eine einmalige Chance vorbereiten, eine Gruppenausstellung in einer bekannten Galerie in New York und so fliegt Martty allein. In Sagres macht er eine ungeheuerliche Entdeckung und kurz darauf einen schweren Fehler.

Thema und Genre

In diesem Thriller geht es um die Frage, was ein Menschleben wert ist und die damit verbunden menschlichen Verhaltensweisen und Entscheidungen.

Charaktere

Peter, der Künstler, hofft auf den Durchbruch, als er die Chance erhält, in New York auszustellen. Doch dies ist mit einer Entscheidung verbunden, die ihn vor einen Gewissenskonflikt stellt. Martty lernt in Portugal den charismatischen, geheimnisvollen Joe kennen, der ihm ein ungewöhnliches Geschäft vorschlägt.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte beginnt im Juni 2000, die Haupthandlung spielt dann im Jahr 2001. Aus den Konflikten der Hauptfiguren baut sich Spannung auf, wobei man beim Lesen mancher Szenen zwischen Schock, Kopfschütteln und Lachen schwankt. Packend, verstörend und schräg, gewürzt mit schwarzem Humor, überzeugt diese Geschichte auch sprachlich.

Fazit

Ein spannender, hintergründiger Thriller und ein interessantes, ungewöhnliches Lesevergnügen mit Überraschungen.

Die Verschwundenen – Wolfgang Popp

AutorWolfgang Popp
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 15. Januar 2015
FormatGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903005020

„Seit der Reise war mir aber klar geworden, dass es Menschen geben musste wie Philip, die genau wussten, was sie wollten, aber auch solche, die für andere die Scherben aufsammelten, und dass ich der Mann für die Scherben war und daran nichts falsch war.“ (Zitat Seite 157)

Inhalt

In fünf Episoden berichten fünf unterschiedliche Ich-Erzähler über das Wiedersehen mit einem Menschen, mit dem sie vor Jahren in mehr oder weniger engem Kontakt waren, bis dieser Mensch plötzlich mit oder auch ohne jeden Abschied und Erklärung verschwunden ist. Warum haben sie damals alle Kontakte abgebrochen und wie ist ihr Leben in diesen Jahren verlaufen? Ist es möglich, nach all den Jahren einfach weiterzumachen, oder ist es eher ein Neubeginn? „Wir wären alle zurück in einer Zufriedenheit, von der wir ohnehin nicht wissen, warum wir sie jemals verlassen haben. Ganz ehrlich, war es irgendwann später noch einmal so gut wie damals?“ (Zitat Seite 182)

Thema und Genre

In diesem Roman in Episoden mit fünf unterschiedlichen Erzählern geht es um Varianten von Beziehungen, von Menschen, die plötzlich mit oder ohne Vorwarnung verschwinden und sich nach vielen Jahren ebenso plötzlich wieder melden.

Charaktere

Damals gingen sie noch zur Schule oder waren Studenten. Sie waren befreundet, oder standen in einer anderen Form von Beziehung zueinander, heute, viele Jahre später, sind sie längst erwachsen und nicht immer führen sie genau jenes Leben, das sie damals geplant hatten, was beim Wiedersehen zu Überraschungen führt.

Handlung und Schreibstil

Auf den ersten Blick wirken sie wie fünf in sich abgeschlossene Geschichten, doch immer begegnen wir irgendwo am Rande des jeweiligen Geschehens kurz einer Person, die später selbst im Mittelpunkt einer anderen Geschichte stehen wird und so verbinden sich die Episoden zu einem Roman, dessen Fragen und Vermutungen durchaus auch zu überraschenden Resultaten führen können. Die geschilderten Ereignisse nehmen uns von Wien aus mit auf eine Reise in andere, teilweise weit entfernte Länder und so werden die Erlebnisse der einzelnen Figuren durch viele interessante Details, Beobachtungen und lebhafte Schilderungen ergänzt.

Fazit

Ein facettenreiches, interessantes Lesevergnügen.

Der Tintenfischer: Commissario Morello ermittelt in Venedig – Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo

AutorWolfgang Schorlau
AutorClaudio Caiolo
Verlag KiWi-Paperback
Erscheinungsdatum 10. Juni 2021
FormatBroschiert
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462001013

„Die Niuri stellen den Transport auf einer sicheren und günstigen Route zur Verfügung. Der kürzeste Weg ist der nach Sizilien. Das Ganze ist Big Business.“ (Zitat Seite 58)

Inhalt

An diesem Freitag, dem dreizehnten Mai, gehört Venedig noch den Einheimischen, denn die Corona-Ausgangssperre endet erst einige Tage später. Commissario Antonio Morello ist gemeinsam mit seiner Kollegin Anna Klotze unterwegs, da springt ein junger Mann von der Rialtobrücke in den Canal Grande. Anna rettet ihn. Er heißt David,  kommt aus Nigeria und ist nicht der erste Asylsuchende, der durch Selbstmord auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam machen will. Am Ende einer gefährlichen Flucht vor zwei Jahren wurden ihm und seiner Freundin in Sizilien die Reisepässe abgenommen und seine Freundin entführt. Doch nicht von der sizilianischen Mafia, sondern von der ebenso gefährlichen „Black Axe“, einer Gruppe der nigerianischen Mafia. Für Commissario Morello ist klar, dass er nach Sizilien zurückkehren muss, um die junge Frau zu suchen. Als sein Antrag auf Urlaub abgelehnt wird, fordert er seine Suspendierung heraus und macht sich sofort heimlich mit dem Segelboot eines Freundes auf den Weg nach Sizilien. Anna Klotz begleitet ihn, zunächst gegen seinen Willen, denn Morello weiß, dass damit auch sie in Sizilien in Lebensgefahr gerät, sollte er entdeckt werden. Doch wie gefährlich ihre Recherchen in diesem Bereich der lukrativen Geschäfte mit Menschen und anderen Waren sind, erkennen sie erst, als sie beginnen, dieses weit verzweigte Netz aufzudecken.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman, Band zwei einer Serie, spielt in Venedig und auf Sizilien. Themen sind illegale Einwanderung, Menschenschmuggel und die damit verbundene Ausbeutung durch Prostitution und Vermietung von Arbeitssklaven und natürlich die kriminellen Netzwerke der Mafia.

Charaktere

Der sympathische, hartnäckige Commissario Antonio Morello führt seinen heimlichen Kampf gegen die Mafia fort. Obwohl Morello das zur Zeit touristenfreie Venedig weiter schätzen lernt, sehnt er sich nach seiner Heimat Sizilien. Anna Klotze lernt während dieser Zusammenarbeit als Team den Commissario besser kennen und schätzen. Gleichzeitig passt sie auf, dass er tatsächlich vor allem die junge Frau aus Nigeria sucht, und sich nicht nur der intensiven Suche nach dem Capo dei capi der Mafia und seiner Vergangenheit widmet.

Handlung und Schreibstil

Auch in diesem zweiten Band der Serie im den sizilianischen Commissario in Venedig ist der Zeitrahmen der Handlung straff und damit sehr spannend. Die rasante Geschichte spielt innerhalb von wenigen Tagen zwischen dem 15. Mai und dem 1. Juni, diesmal vor allem auf Sizilien, und wird ergänzt durch lebhafte, authentische Schilderungen der Landschaft und der Menschen. Die italienischen Lieblingsrezepte des Commissario im Anhang machen sofort Lust, sie nachzukochen.

Fazit

Spannung, Action, Humor und brisante Themen mit genau recherchierten Fakten ergeben, zusammen mit den interessanten, vielschichtigen Figuren, einen packenden Pageturner, den man mit großem Vergnügen liest.

Ein Leben lang – Christoph Poschenrieder

AutorChristoph Poschenrieder
Verlag Diogenes
Erscheinungsdatum 23. März 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257071955

„Wir stehen für ihn ein, denn wir wissen etwas, was alle anderen nicht wissen: Wer er ist, woher er kommt.“ (Zitat Seite 95)

Inhalt

Schon in ihrer Kindheit sind sie eine eingeschworene Clique von sechs Freunden. Einer aus dieser Gruppe fehlt heute. Er war vor fünfzehn Jahren als Mörder zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden, obwohl er seine Unschuld beteuerte. Nun tritt eine Journalistin an die Freunde und den Anwalt heran, der den Angeklagten damals engagiert vertreten hatte. Sie will ein Buch über diesen Fall schreiben, recherchiert, kontaktiert die Mitglieder des Freundeskreises und aus vielen Erinnerungen und Aussagen der fünf Freunde, des verurteilen Freundes und des Anwalts fügt sich die Geschichte einer langjährigen Freundschaft, einer Anklage und eines langwierigen Indizienprozesses zusammen. Im Hintergrund immer präsent ist die Frage: Hat er, oder hat er nicht?

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Freundschaft, Loyalität und gegenseitiges Vertrauen. Was passiert, wenn plötzlich einer aus einer Freundesgruppe, eine Freundschaft seit Kindertagen, einen Mord begangen haben soll.

Charaktere

Wir kennen nur die fünf Personen der Clique mit Namen: Sebastian, Unternehmer, dem eine alte Hütte an einem See gehört, wo sie sich oft treffen; Till, der Musiker; Sabine, die studierte Astronomin, die mir ihrer direkten Art die Dinge beim Namen nennt; Benjamin, der sachliche, präzise Wirtschaftsanwalt; Emilia, Lehrerin, ruhig und immer irgendwie dazwischen. Dazu kommen der „Anwalt“ und natürlich der angeklagte Freund, „der Gefangene“, sowie die Notizen der Journalistin unter „Memo“. Diese Figuren mit ihren Aussagen, den sich daraus ergebenden unterschiedlichen Blickwinkeln und Widersprüchen bilden das Kernstück der Geschichte.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte ist in zwei Teile geteilt, diese wiederum in Kapitel, chronologisch erzählt. In jedem Kapitel werden die Aussagen, Erinnerungen, Meinungen, oft auch unterschiedlichen Gedanken, der zu den verschiedenen Themen und Eindrücken einzeln befragten Personen in der Ich-Form geschildert, jeweils mit dem Namen versehen und daher klar zuordenbar. Eine Journalistin recherchiert, führt die Interviews und schreibt ihre Notizen und weitere Hintergrundinformationen unter „Memo“. Somit besteht dieser Roman ausschließlich aus den Mitschriften von Aufnahmen, Mails, Notizen, Zeitungsausschnitten, von der Journalistin gesammelt, sortiert und zu einer geordneten, stimmigen Geschichte zusammengefasst. Durch diese Erzählweise gerät man sofort in den Sog dieser spannenden Ereignisse und Fragen, verfolgt mit Interesse die Entwicklung und Veränderung der einzelnen Figuren. Die Sprache des Autors überzeugt mit vielen feinen Zwischentönen, Andeutungen, Fragen und man liest diesen Roman mit Vergnügen.

Fazit

Dieser Geschichte liegt ein realer, noch heute heftig umstrittener Indizienprozess zugrunde, der, nahe an den Fakten, zu einem fiktiven Roman wurde. Eine packende Geschichte über Freundschaft, Vertrauen, unterschiedliche Facetten von Wahrheit, und damit verbunden die Frage, die sich die Freunde stellen: „Und geht uns die Wahrheit überhaupt irgendetwas an, solange wir Freunde bleiben wollen?“ (Zitat Seite 221)

Die Buchhandlung in der Amalienstraße – Heidi Rehn

AutorHeidi Rehn
Verlag Ullstein eBooks
Erscheinungsdatum 28. April 2022
FormatKindle Ausgabe
Seiten464 Seiten (Printversion)
SpracheDeutsch
ASINB09LNTD11X

„Die Zeiten ändern sich gerade grundlegend, und wir beide stecken mittendrin. Im letzten Herbst wurde hier in München der Schriftstellerinnen-Verein gegründet, jetzt waren wir auf einer Versammlung mit Rosa Luxemburg, was erwartet uns wohl als Nächstes?“ (Zitat Pos. 1853)

Inhalt

1910 ist Elly (Eleonore) Grafenstetter sechzehn Jahre alt, doch sie weiß genau, was sie will: sie will Buchhändlerin werden, nicht von einem Ehemann versorgt werden, sondern auf eigenen Beinen stehen. 1913 tritt Elly in der Buchhandlung von Theres und Ruth Lämmle in Münchner Amalienstraße ihre Lehrstelle an und auch ihre beste Freundin Henni wird dort als Ladenhilfe eingestellt. Diese Buchhandlung bietet als Schwerpunkt Münchner Literatur an, vor allem aber auch Literatur von Frauen für Frauen, und so kommen Elly und Henni bald mit der modernen Frauenbewegung in Kontakt. Doch dann beginnt der Krieg, ihre Freunde Leo und Zacherl melden sich freiwillig, und wer soll noch Bücher kaufen, wenn das Geld nicht für das nötigste Essen reicht? Es gibt kaum Papier und Zensur und Spitzel kontrollieren genau, ob verbotene Bücher angeboten werden, besonders in einer von Frauen geführten Buchhandlung. Doch Aufgeben kommt für die Buchhändlerinnen nicht in Frage.

Thema und Genre

In diesem historischen Roman geht es um München während der ersten zwanzig Jahre des 20. Jahrhunderts,  Freundschaft, den Wandel des Frauenbildes in der Gesellschaft, die Kriegsjahre, um Literatur und eine Buchhandlung.

Charaktere

Dieser Roman vereint fiktive und reale Personen. Die fiktiven Hauptfiguren sind Elly und Henni. Elly will Buchhändlerin werden und setzt dies auch zielstrebig um. Gegenüber ihrer Freundin Henni ist sie etwas besitzergreifend, egoistisch. Henni träumt davon, eines Tages einen eigenen Roman zu schreiben. Da sie aus einfachen Verhältnissen stammt, hat sie es schwieriger als Elly, geht aber selbstbewusst ihren Weg. Im Zusammenhang mit den tatsächlichen Ereignissen in diesen Jahren sind auch die entsprechenden Personen aus Politik, Kultur und Gesellschaft real, sowie die erwähnten Schriftsteller und Schriftstellerinnen und ihre Werke.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung spielt zwischen Mitte März 1910 und Mitte Juni 1919 und wird chronologisch erzählt, wobei die einzelnen Kapitel mit dem jeweiligen Datum versehen sind. Ort des Geschehens ist die Münchner Marxervorstadt und die Buchhandlung in der dortigen Amalienstraße. Die Ereignisse schildern die Zeit vor dem ersten Weltkrieg, die Kriegsjahre und die politischen Aufstände nach Kriegsende. Gleichzeitig geht es um die Anfänge der Frauenbewegung und das Schicksal von vier eng befreundeten Menschen, Elly, Henni, deren zwei Jahre älteren Bruder Zacherl, und Leo, ebenfalls Buchhändler. Die Sprache ist leicht zu lesen, was dem Genre Unterhaltungsliteratur entspricht. Die realen Konflikte und Probleme dieser schwierigen Jahre werden im Rahmen der Handlung erwähnt, ohne allerdings in die Tiefe zu gehen. Bücher und die Buchhandlung stehen weniger im Mittelpunkt, als ich es auf Grund des Titels erwartet hatte.

Fazit

Ein Unterhaltungsroman mit geschichtlichem Hintergrund, der in einer Münchner Buchhandlung in der Zeit des Ersten Weltkrieges spielt.

Die Schrift – Simon Sailer

AutorSimon Sailer
IllustrationenJorghi Poll
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 3. September 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten120
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650394

„Wer sich vor zehn Jahren für alte ägyptische Schriften interessierte, kannte Leo Buri. Heute will sich niemand mehr erinnern. Das heißt: abgesehen von mir.“ (Zitat Seite 7)

Inhalt

Dr. Leo Buri ist Ägyptologe und arbeitet im Archiv des Instituts für Ägyptologie in Wien. Alte Schriften faszinieren ihn, aber nicht wegen der Inhalte, sondern wegen der Schrift selbst. Er ist ein hervorragender Zeichner, vereinfacht Motive zu eigenen Symbolen, arbeitet an einer universell einsetzbaren Schrift. Eines Tages erhält er ein Kuvert mit einem vergilbten Blatt Papier, das von Zeichen einer geheimnisvollen, ihm völlig unbekannten Schrift bedeckt ist. Damit ist sein bisher beschauliches Leben in Wien abrupt zu Ende: seine Ehefrau verlässt ihn plötzlich, er muss Wien verlassen, landet in Brüssel, später in London und danach in den USA. Menschen wenden sich plötzlich von ihm ab, nur das Blatt Papier mit der unbekannten Schrift und das Rätsel um diese geheimnisvollen Zeichen und die Botschaft dahinter lassen ihn nicht mehr los.

Thema und Genre

In diesem modernen Schauerroman geht es um Sprache, Schriftzeichen, Zufälle, geheimnisvolle Botschaften und menschliches Verhalten.

Charaktere

Der Ägyptologe Leo Buri ist von Schriften und Schriftzeichen fasziniert. Sein zuvor ruhiges, zufriedenes Leben wird zur Obsession, als er in den Bann einer für ihn nicht deutbaren unbekannten Schrift gerät.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte von Leo Buri wird von einem Bekannten seines Freundes Peter erzählt und der Ich-Erzähler hält schon zu Beginn seiner Geschichte fest, dass sich außer Peter in Wien niemand mehr an den Ägyptologen erinnern kann. Peter war es auch, der dem Ich-Erzähler von Leos Verschwinden berichtete, Fragen nach Details jedoch nicht beantworten konnte oder wollte. Nach Peters Tod findet der Ich-Erzähler weitere Dokumente in dessen Nachlass und fügt diese Fragmente zu der vorliegenden Geschichte zusammen. Nicht nur die Geschichte wirft Fragen auf, auch der Ich-Erzähler selbst ist geheimnisvoll, denn wir wissen nichts von ihm, hat er die Geschichte erfunden, mit eigenen Gedanken und Vermutungen ergänzt, oder hat sie sich tatsächlich so ähnlich zugetragen. Greifbar und real ist jedoch die von diesem Verlag gewohnte, qualitativ und handwerklich hochwertige Gestaltung dieses Buches, gebunden, mit Lesebändchen. Jorghi Poll ergänzt den Text perfekt mit seinen aussagekräftigen, ganzseitigen Illustrationen.

Fazit

Eine rätselhafte, geheimnisvolle Geschichte über eine ebenso rätselhafte, geheimnisvolle Schrift mit viel Raum für einige Ideen, Interpretationen und Fragen, wie: was wäre eigentlich passiert, wenn … .

Der freie Hund: Commissario Morello ermittelt in Venedig – Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo

AutorWolfgang Schorlau
AutorClaudio Caiolo
Verlag KiWi-Paperback
Erscheinungsdatum 5. März 2020
FormatBroschiert
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462052459

„Werde ein guter Polizist in Venedig. Einem guten Polizisten kann man einen Versetzungsantrag nicht abschlagen.“ (Zitat Seite 43)

Inhalt

Commissario Antonio Morello wurde gerade aus Cefalù in Sizilien nach Venedig versetzt. Durch seine allzu intensiven Ermittlungen im Bereich des illegalen Kunsthandels ist er an die Spitze der Todesliste der sizilianischen Mafia gerückt. Morello wollte die Ermittlungen zu Ende führen, vermisst Sizilien und hasst Venedig aus Überzeugung von der ersten Minute an. An seinem ersten Arbeitstag, es ist ein Mittwoch, kommt er auf dem Weg zu seinem neuen Arbeitsplatz an einer Studentenkundgebung gegen die Kreuzfahrtschiffe vorbei und hört kurz dem Hauptredner zu. Früh am nächsten Morgen ein Anruf seines Stellvertreters: ein Toter, durch Messerstiche ermordet. Morello erkennt den Toten, es ist der junge Mann, der auf der Protestkundgebung gesprochen hatte. Ging es um die Studenteninitiative, oder um persönliche Motive? Der Ermordete ist der Sohn einer sehr einflussreichen, angesehenen venezianischen Familie und hatte nach Aussage seines Vaters keine Feinde. Doch rasch stößt Commissario Morello auf Zusammenhänge, die seine Ermittlungen in eine völlig andere Richtung lenken. „Il cane senza padrone“, der freie Hund, nennt man ihn in Sizilien, weil er sich bei seinen Ermittlungen niemals und von niemandem an die Leine nehmen lässt. Venedig ist nicht Sizilien, informiert ihn sein Vorgesetzter, Venedig braucht keinen „freien Hund“, oder doch?

Thema und Genre

In diesem Kriminalroman, der in Venedig spielt, geht es natürlich auch um Venedig, Massentourismus als wichtige Einnahmequelle und die Gefahren für die Substanz und die Lebensualität der Lagungenstadt durch gigantische Kreuzfahrtschiffe. Weitere brisante Themen sind die Verflechung von Politik und Wirtschaft, Korruption, die Macht der Mafia und der internationalen Kunstmarkt.

Charaktere

Antonio Morello, der Sizilianer in Venedig, vermisst seine Heimatstadt Cefalù, aber auch er kann sich dem besonderen Zauber Venedigs nicht lange entziehen. Er ist ein brillanter, hartnäckiger Ermittler, der gewohnt ist, besonders auf die leisen Töne zu hören und seiner Intuition zu folgen. Das Team, das er übernimmt, ist geprägt von den Vorurteilen Norditaliens gegenüber Süditalien und nun hat ein Süditaliener plötzlich die Position inne, auf die andere gehofft hatten. Einige Figuren in diesem Kriminalroman sind sehr sympathisch, andere weniger, jede hat ihre Eigenheiten und eines haben sie gemeinsam: sie sind absolut glaubhaft, authentisch und sehr italienisch.

Handlung und Schreibstil

Der straffe Handlungszeitraum, der nur etwas mehr als zwei Wochen beträgt, sorgt für zusätzliche Spannung. Die Geschichte ist packend und interessant, die Themen sind nach wie vor aktuell. Der besondere Charme dieses Kriminalromans liegt in den sich langsam ergebenden, sehr spannenden Zusammenhängen in diesem Mordfall und der gelungenen Mischung aus Recherche und aktionbetonten Einsätzen. Die italienischen Eigenheiten, geschildert mit einem Augenzwinkern und Humor, lockern die Handlung auf und dies alles wird verbunden durch einen liebevollen, aber dennoch nicht verklärten Blick auf die auf die einmalige Stadt Venedig mit ihren großartigen Palazzi und Kirchen, vor allem aber mit ihren kleinen, versteckten Plätzen, Wegen und Brücken.

Fazit

Ein interessanter, spannender, facettenreicher Kriminalroman, Beginn einer Serie um den sympathischen Commissario Antonio Morello und sein Team. Doch die heimliche Hauptprotagonistin ist die Stadt Venedig, La Serenissima, deren Zauber sich auch der Sizilianer Morello „Venedig stinkt, ist schmutzig, laut, unfreundlich“ bald nicht mehr entziehen kann.

Das perfekte Grau – Salih Jamal

AutorSalih Jamal
Verlag Septime Verlag
Erscheinungsdatum 18. Januar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3991200017

„Wir waren Ausreißer mit nichts in der Tasche als Sehnsucht. Gefangen in der Gewissheit, dass alles Bleiben sinnlos und vor sich selbst wegzulaufen unmöglich ist. Aber das wusste ich damals noch nicht.“ (Zitat Seite 19)

Inhalt

Sie treffen einander in einem etwas abgewohnten Hotel in einem vor Jahren sehr bekannten, jetzt beinahe vergessenen Seebad. Ante, genannt Dante, arbeitet hier als  Hausdiener, Haustechniker, Mann für alles, Mimi ist für Küche und Service zuständig, Rofu ist der Hilfskoch und Novelle ist eines der Saison-Zimmermädchen. Was sie eint, ist ihre Flucht vor der Vergangenheit, der eigenen, keiner gemeinsamen. Dante liest viel, ist in der Enge eines Dorfes aufgewachsen, seinen Träumen gefolgt, und findet den Namen Dante für sein bisheriges Leben passend: Inferno, Misserfolg und Pleiten. Mimi ist Engländerin, würde aber auch nach Paris passen, versteckt ihre roten Haare unter einer Doris-Day-Perücke und hat sich mit einem Fischgericht aus ihrer Ehe befreit. Novelle ist erst zwanzig Jahre alt, hat ein Talent für schlechte Anfänge, ist impulsiv, liebt Mangas und auch den Alkohol. Rofu, Schwarz, groß, kräftig, fröhlich und trotzdem zurückhaltend, ist nach einer abenteuerlichen Flucht im Schlauchboot in der Nähe von Lampedusa gerettet worden. Es scheint ein gelassener, ruhiger Sommer zu werden, doch dann taucht die Polizei auf, Mimi muss fort und Dante, Rofu und Novelle gehen mit ihr. Eine abenteuerliche, manchmal beinahe magische Reise beginnt. Als Novelle verschwindet, beschließen  Dante, Rofu und Mimi weiter nach Alt-Ötting zu reisen, dem Heimatort von Novelle.

Thema und Genre

In dieser Geschichte eines Sommers der Veränderungen geht es um Zusammenhalt und Freundschaft, um die Facetten von Flucht, um Suche und den Traum, anzukommen.

Charaktere

„Du bist ein Leuchtfeuer, das sich selbst sucht und dabei verbrennt. Du hattest immer die Wahl, doch du vermeidest sie. Das ist der Unterschied.“ (Zitat Seite 157) Mimi über Dante. „Flucht ist wie Fallen. Ein nicht enden wollendes Stürzen in ein schwarzes Loch. Du brichst auf, willst zu den Sternen, aber du verschwindest im unendlichen Nichts.“ (Zitat Seite 36) Rofu. Mimi ist unnahbar, manchmal sogar abweisend, aber einfühlsam, während Novelle mit ihren unterschiedlichen Stimmungen sich nie einordnen lässt.

Handlung und Schreibstil

Dante schildert als Ich-Erzähler die Ereignisse dieser spannenden, abenteuerlichen Reise voller Überraschungen, und von den liebenswerten und weniger liebenswerten Menschen, die den Weg der vier Hauptfiguren kreuzen. Gespräche über die jeweilige persönliche Vergangenheit ergänzen die aktuelle Handlung mit weiteren Details und Informationen. Der Autor scheut auch ernste, aktuelle sozial- und gesellschaftskritische Themen nicht, die er offen anspricht. Philosophische Gedanken des Ich-Erzählers und entsprechende Diskussionen vor allem mit Rofu und Mimi ergänzen ebenfalls die Geschichte dieser Reise, unterbrechen manchmal den Handlungsbogen. Da der Ich-Erzähler Dante ein sechsunddreißigjähriger Alt-Hippie mit dem entsprechenden Lebensgefühl ist, kommt auch der Humor in einigen sehr lustigen, skurrilen Szenen nicht zu kurz.

Fazit

Eine Geschichte mit vielen Zwischentönen. Es ist eine Sommerreise mit brisanten Themen, umhüllt von Poesie und beinahe magischen Momenten, auf der wir vier sympathischen Figuren auf der Suche nach einem Platz zum Ankommen im eigenen Leben folgen.

Die blaue Liste: Denglers erster Fall – Wolfgang Schorlau

AutorWolfgang Schorlau
Verlag KiWi-Taschenbuch
Erscheinungsdatum 15. März 2005
FormatTaschenbuch
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462034790

„Die Möglichkeit, die du gerade genannt hast, war für uns nicht relevant. Es ist unwahrscheinlich – aber ich kann es nicht ausschließen.“ (Zitat Seite 142)

Inhalt

Georg Dengler, ein erfolgreicher, kompromisslos ehrlicher Ermittler beim BKA Wiesbaden legt sich mit seinen Vorgesetzten an und verlässt das BKA. Um näher bei seinem kleinen Sohn zu sein, zieht er nach Stuttgart und startet einen Neubeginn als Privatermittler. Sein erster Auftrag betrifft ein Ereignis, das bereits zwölf Jahre zurückliegt. Es geht um den Absturz der Lauda-Air Maschine über Thailand am 26. Mai 1991, bei dem auch der Vater der Lebensgefährtin des Auftraggebers ums Leben kam. Dieser, der Wirtschaftswissenschaftler Paul Stein, hatte  seine Tochter  kurz nach dem Abflug der Maschine angerufen, weil er das Flugzeug verpasst hatte. Doch dann steht sein Name doch auf der Liste der Toten, identifiziert vom BKA. Leicht verdientes Geld, denkt Dengler, und nimmt den Auftrag an.

Thema und Genre

Dieser Politthriller handelt von nie schlüssig aufgeklärten Ereignissen im Zusammenhang mit der Treuhandanstalt, die nach der Wende die wichtigen Betriebe der ehemaligen DDR verwalteten sollte, wobei die Interessen der einzelnen Vorstandsmitglieder zwischen Erhalt und Sanierung einerseits, und sofortigem Verkauf andererseits, einander widersprachen. Ein Thema ist auch die Ermordung des damaligen Präsidenten der Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder,  am 1. April 1991, zu der sich zwar die RAF bekannte, aber Täter und Motiv unklar blieben.

Charaktere

Georg Dengler ist ein brillanter Ermittler, der logische Zusammenhänge erkennt, die andere vor ihm nicht gesehen haben. Oder aber bewusst nicht sehen wollten, weil rasch die passenden Ermittlungsergebnisse präsentiert werden mussten. Doch genau in diesen Fällen ist Dengler nicht bereit, wegzusehen und zu schweigen.

Handlung und Schreibstil

Da Teile der Handlung in der Vergangenheit liegen, gibt es mehrere Erzählebenen, die abwechselnd und in sich chronologisch geschildert werden. Zusätzliche Details in Form von Erinnerungen ergänzen die Ereignisse. Die intensive Recherche führt zu einer absolut glaubwürdigen Geschichte, in der sich Fakten und fiktive mögliche Versionen, reale und fiktive Figuren, zu einem nachvollziehbaren, spannenden und sehr interessanten Ganzen verbinden. Denglers Liebe zum Blues und zu gutem italienischen Essen ergänzen die Handlung sympathisch und lockern sie auf. Der Humor des Autors zeigt sich auch in der Gestaltung seiner Figuren. Denglers neuer Wohnungsnachbar ist Martin Klein. Mit seinen Kriminalromanen mit Privatdetektiven hatte Klein keinen Erfolg, also verfasst er Horoskope für Tages- und Frauenzeitungen und lebt sehr gut davon. „Wenn Sie also jemals einen Kriminalroman schreiben, wählen Sie nie einen private eye als Helden.“, erklärt er Georg Dengler auf Seite 93.

Fazit

Ein facettenreicher politischer Kriminalroman, der Fiktion und bekannte Fakten zu einer spannenden, brisanten Geschichte mixt, die immer im Bereich des absolut Möglichen bleibt.  

Der große Fehler – Jonathan Lee

AutorJonathan Lee
Verlag Diogenes
Erscheinungsdatum 23. März 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ÜbersetzungWerner Löcher-Lawrence
ISBN-13978-3257071917

„Ich möchte die Geschichte wichtiger Gesetze verstehen, ihre Entstehung, Entwicklung und was sie bewirken, um so herauszufinden, ob das Geheimnis, wie man einen Fall für einen Klienten gewinnt, manchmal nicht vielleicht in der Vergangenheit liegt.“ (Zitat Seite 253)

Inhalt

Der bekannte New Yorker Visionär, erfolgreiche Anwalt und kreative Stadtplaner Andrew Haswell Green ist tot. An diesem 13. November 1903 vor seinem Haus erschossen. Er hat die aufstrebende Stadt New York in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für immer verändert, indem er Schulen, Museen, die Bibliothek und den grünen Erholungsraum im Herzen der Stadt schuf und alles für alle Bevölkerungsschichten frei zugänglich. Der Täter stellt sich noch am Tatort. Inspector McClusky erhält die Aufgabe, die Hintergründe der Tat zu ermitteln, die Wahrheit zwischen wilden Spekulationen und Vermutungen zu finden.

Thema und Genre

Dieser Roman basiert auf einer wahren Geschichte und realen Personen. Im Mittelpunkt steht der “Father of Greater New York“ Andrew H. Green, eine der Schlüsselfiguren der New Yorker Stadtentwicklung, der nach seiner Ermordung mit den Jahren in Vergessenheit geriet, während die von ihm angeregten und mit seiner Unterstützung umgesetzten Objekte auch heute noch weltweit bekannt und berühmt sind.

Charaktere

Die meisten Personen der Handlung haben wirklich gelebt, der Autor ergänzt mit nur wenigen fiktiven Figuren dort, wo es in den Archiven keine Aufzeichnungen über die realen beteiligten Personen gab. Schmunzeln musste ich über den Text auf der Buchrückseite im Zusammenhang mit den Ermittlungen 1903 „Was wussten … der Präsidentschaftskandidat Tilden …“ denn Tilden ist bekanntlich bereits 1886 verstorben.

Handlung und Schreibstil

Die Idee und der Wunsch des Autors, den beinahe vergessenen „Father of Greater New York“ Andrew H. Green den Menschen wieder in Erinnerung zu rufen, überzeugt mich, auch seine genauen Recherchen, nicht jedoch die Umsetzung. Die Handlung besteht aus Einzelepisoden, welche abwechselnd die Herkunft, Jugend und den Werdegang von Andrew H. Green und seine langjährige Freundschaft mit dem bekannten Rechtsanwalt und Politiker Samuel J. Tilden schildern, und in einem zweiten Erzählstrang die Mordermittlungen von Inspector McClusky. In diesen nicht immer chronologischen Schnipseln aus dem Leben von Andrew H. Green und den bekannten Personen in seinem Umfeld, geht es vor allem um deren Eigenschaften, Gedanken und Gefühle. Greens unermüdlicher Einsatz für Bildung, Kultur und begehbare Freiräume für alle Bevölkerungsschichten kommt zu kurz, der Autor geht nur genauer auf die Errichtung des Central Parks ein. Die Sprache erzählt ruhig, scheint mir an die Ausdrucksweise der Zeit des späten 19. Jahrhunderts angepasst. Sehr gut gefällt mir die Idee, die einzelnen Kapitel mit den Namen der Eingangstore zum Central Park zu betiteln.

Fazit

Ich hatte eine spannende Geschichte in Anlehnung an die bekannten Fakten und wichtigen Ereignisse dieser für die Geschichte und Entwicklung New Yorks so prägenden Zeit erwartet, dieser Roman ist für mich eher eine Zusammenreihung von Szenen und Episoden aus dem Leben der beteiligten Personen. Der innere Klappentext verspricht einen mitreißenden Roman – ich habe ihn gerne gelesen, mich durchaus unterhalten gefühlt, aber er konnte mich nicht mitreißen. Für mich reiht sich dieses Buch in die lange Liste der in den letzten Jahren boomenden Romane ein, die sich fiktiv und romanhaft mit dem Leben von bekannten Persönlichkeiten beschäftigen, oder einem bestimmten Abschnitt aus dem Leben der jeweiligen Künstler, Künstlerinnen, ihrer Partner und Partnerinnen, und findet damit sicher begeisterte Leserinnen und Leser finden.

Die Ahnungslosen – Wolfgang Popp

AutorWolfgang Popp
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 13. September 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten280
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903005419

„Gewöhnlich trinkst du in so einer Situation den Rest von deinem Bier in einem Zug aus, schüttelst dir den Kopf leer und drehst dich um in Richtung Weiter-Geht´s. In dem Moment schaltete das Schicksal aber auf Weil-ich-schon-dabei-bin-dich-zu-Verunsichern, sagte „hi!“ und borgte sich dafür eine Stimme, die er kannte.“ (Zitat Seite 85)

Inhalt

Raul, vierunddreißig Jahre alt, ist Musiker, singt und spielt Gitarre, seine Songs schreibt er selbst. Nach zehn Jahren Amerika ist er zurück, wählt aus spontaner Neugierde die Telefonnummer seines Geburtsdatums und kurz darauf hat er einen Job im Geschäft von Karoline, Papier und Künstlerbedarf. Auf dem Weg dorthin entdeckt der das Lokal Drei Giraffen und bald darauf hat er dort seinen ersten Auftritt. Mit Karolines Bruder Walt beobachtet er eines Abends einen alten Mann, der mit seiner gelben Gießkanne einen Kastanienbaum gießt und schreibt den Song Trees, mit dem sein Erfolg beginnt, Walt findet seinen Stil als Künstler. Raul macht Christian, den Inhaber der Drei Giraffen, auf Walts Zeichnungen aufmerksam. Christians zweite Frau Lara ist Galeristin. Ebenfalls in den Drei Giraffen wird Kri, Christians erste Frau, Eventmanagerin, die Agentin der aufstrebenden Schauspielerin Zora. Immer wieder sind es die Drei Giraffen, in denen Zufälle neue Verbindungen knüpfen und alte beleben, manchmal auch verändern, neu und anders weiterführen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das Leben in seiner Vielfalt und die Überraschungen, die es bereithält, sobald man bereit ist, sich auf Neues einzulassen, Veränderungen anzunehmen. „Plötzlich ist sie wieder wo – und nicht irgendwo, und so ungewohnt das nach so langer Zeit ist, so großartig fühlt sich das auch an.“ (Zitat Seite 72)

Charaktere

Einfühlsam und mit Humor schickt der Autor seine unterschiedlichen Figuren im Alter zwischen Mitte dreißig, Teenager und demnächst hundert Jahre alt durch ihr Leben mit Alltag, Krisen, Entscheidungen und vor allem Überraschungen. „Walter ist sich sicher, gerade den besten Moment des Abends zu erleben, aber nur weil er nicht weiß, was in den nächsten Stunden alles passiert.“ (Zitat Seite 225)

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt die Geschichte in kurzen Episoden, wechselt die Erzählperspektiven und  stellt seine Figuren abwechselnd in den Mittelpunkt der einzelnen Kapitel. Zunächst treffen sie sich zufällig, um sich langsam miteinander zu verbinden. Sie rücken einander geschäftlich und privat näher und damit wird Schritt für Schritt, Entscheidung für Entscheidung, schließlich ein Gesamtbild, eine aus vielen Einzelepisoden in sich stimmige, ganze Geschichte. Diese Art des Erzählens ist interessant, unterhaltsam und sehr spannend.

Fazit

„Kürze ist, wenn es kürzer nicht mehr geht, wenn nur noch die richtigen Worte übrig bleiben, und deshalb schneidet und sticht sie auch, die Kürze.“ (Zitat Seite 223). Besser kann man diesen faszinierenden Roman nicht beschreiben, kein Wort zu viel, aber auch kein Wort zu wenig. Atemloses Lesevergnügen, und man schwankt zwischen dem Weiterlesen in jeder freien Minute und einem Innehalten, Genießen, um die Zeit bis zur letzten Seite noch hinauszuzögern.

Die Einsamkeit der Seevögel – Gøhril Gabrielsen

AutorGøhril Gabrielsen
Verlag Insel Verlag
Erscheinungsdatum 14. Dezember 2020
FormatTaschenbuch
Seiten174
SpracheDeutsch
ÜbersetzungHanna Granz
ISBN-13978-3458681212

„Einen Wind, der sich in Stundenkilometern messen lässt, kann ich analysieren und bis zu einem gewissen Punkt verstehen, im Gegensatz zu Gefühlen, die sich jeglicher objektiver Messbarkeit entziehen.“ (Zitat Seite 14)

Inhalt

Seit vier Jahren schreibt die Naturwissenschaftlerin an ihrer Doktorarbeit, mit dieser Studie vor Ort über die Auswirkungen des Klimas auf die Wanderung der Seevögel und auf die Vogelbestände wird sie dann abgeschlossen sein. Anfang Januar kommt sie auf diese abgelegene Halbinsel zwischen den Fjorden in Nord-Norwegen, der nächste Ort ist etwa einhundert Kilometer entfernt, im Winter nur auf dem Seeweg zu erreichen. Hier gibt es nur mehr eine einzige Hütte, in die sie einzieht. Es war geplant, dass ihr Geliebter Jo bald nachkommt und mit ihr hier die Zeit bis zum Mai verbringt, wenn die Seevögel zum Brüten in Scharen auf diese Insel kommen. Doch Jos Ankunft verzögert sich und sie ist in dieser winterlichen Einsamkeit der Natur völlig auf sich gestellt, allein – ist sie wirklich allein?

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Beziehungen, Familie, Gefühle, Erinnerungen, aber auch um das Leben in der kargen Einsamkeit des Nordens, die Schönheit der Natur, aber auch die Kraft der Elemente während der kalten, dunklen Wintermonate.

Charaktere

Die Wissenschaftlerin ist noch immer dabei, die teilweise bedrückende Ehe mit dem Vater ihrer nun dreijährigen Tochter Lina zu verarbeiten. Sie hatte damit gerechnet, dass ihr Geliebter Jo rasch nachkommen und sie die Einsamkeit der Hütte mit ihm teilen würde, denn mit der Zeit, die vergeht, macht ihr die Einsamkeit, immer nur von ihren eigenen Gedanken umgeben, zu schaffen. Die stete Veränderung zwischen der Euphorie der Ankunft und den Tagen im Februar wird durch die präzise, dichte Sprache intensiv spürbar. „Der Anblick ist überwältigend. Hier sind wir. Ich und die Elemente der Welt. Vereint.“ (Zitat Seite 15). „Die Frage scheint zu sein: Was ist es, das ich nicht sehe?“ (Zitat Seite 159)

Handlung und Schreibstil

Die Wissenschaftlerin schildert die Ereignisse als Ich-Erzählerin und teilt auch ihre Gedanken, Erinnerungen und Gefühle mit uns Lesenden. Die aktuelle Handlung umfasst einen Zeitrahmen von sieben Wochen, wird unterbrochen von einer zweiten Geschichte, die im Jahr 1870 spielt. Es ist die Geschichte einer Familie, die im 19. Jahrhundert hier an diesem Ort gelebt hat. Die Sprache verbindet die knappen, sachlichen Feststellungen der täglichen meteorologischen Daten mit den einprägsamen, großartigen Schilderungen von Landschaft und Natur. Sehr spannend ist die Gedankenwelt der Ich-Erzählerin beschrieben,  rätselhaft zwischen Realität und Einbildung.

Fazit

Eine packende, beklemmende Geschichte, eindrücklich und großartig in einer unglaublichen Dichte auf verhältnismäßig wenigen Seiten erzählt.

MERIAN live! Reiseführer Hurtigruten. Norwegen mit dem Postschiff – Ralf Schröder

AutorRalf Schröder
Verlag Merian, GRÄFE UND UNZER Verlag
Erscheinungsdatum 8. Juni 2017
FormatTaschenbuch
Seiten128
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3834224972

„Hurtigruten ist in gewisser Weise das letzte Relikt aus der Zeit, als der Wasserweg die natürliche Verbindung von Ort zu Ort war und nicht die Straße. Ein Linienschiff, das man wie eine Fähre nutzen kann, das Fracht und Passagiere mitnimmt, aber auch Touristen einen Platz an Bord bietet.“ (Zitat Seite 5)

Thema und Inhalt

Dieser handliche, kompakte Reiseführer ist die perfekte Ergänzung für die Reise selbst, wenn man sich für eine Norwegen-Reise mit dem Postschiff entscheidet.

Gestaltung

Einem kurzen Einleitungskapitel mit praktischen Informationen zur Reise, zu den Schiffen und Landausflügen folgt die eigentliche Reise. Hier halten sich Merian und der Autor genau an die Route der Postschiffe, beginnend in Bergen und endend in Kirkenes, wobei sowohl die Nordgehende, als auch die Südgehende Route angegeben sind. Von Bergen bis Kirkenes sind es insgesamt vierunddreißig Häfen und zu jedem findet sich ein Eintrag in diesem Reiseführer. Größere Orte und Städte mit längeren Aufenthalten enthalten ausführliche Informationen über Sehenswürdigkeiten, einem Stadtplan, Museen und Öffnungszeiten, Vorschläge für einen der Aufenthaltsdauer entsprechenden Spaziergang, aber auch Übernachtungsmöglichkeiten, Einkaufsadressen und Restaurants. Beschreibungen der von Hurtigruten angebotenen Landausflüge ergänzen die jeweiligen Einträge. Die bekannten MERIAN TopTen stellen zehn Höhepunkte der Reise vor und weitere zehn MERIAN Tipps informieren über weniger bekannte Sehenswürdigkeiten Die bekannten Merian-Tipps geben weitere interessante Hinweise. In der inneren Umschlagklappe finde man eine Karte von Norwegen mit der Postschiffroute. Der Reiseführer enthält auch eine Extra-Karte zum Herausnehmen zum Heraus- und Mitnehmen im Maßstab 1:2.000.000, was interessant ist, wenn man zum Beispiel Teilstücke der Route mit dem Auto zurücklegen will. Den letzten Abschnitt bieten Informationen über Norwegen, Fakten zu Wirtschaft, Bevölkerung, Geschichte Norwegens, eine Liste der wichtigsten Ausdrücke, ein kulinarisches Lexikon und praktische Tipps speziell für diese Reise.

Da die letzte Auflage dieses Reiseführers aus dem Jahr 2017 stammt, stimmen die Ankunfts- und Abfahrtszeiten in einzelnen Häfen nicht mehr, da Hurtigruten den Fahrplan geändert hat. Dies ist jedoch kein Problem, da auf den Schiffen A4-Blätter mit der Route und allen aktuellen Zeiten aufliegen, man findet diese auch auf der Hurtigruten-Seite und kann sie vor der Reise ausdrucken. Ebenfalls auf den Schiffen gibt es umfangreiche, aktuelle Broschüren mit ausführlichen Beschreibungen aller angebotenen Ausflüge und jeweils am Vortag entsprechende Informationsveranstaltungen an Bord.

Fazit

Vor gut einer Woche bin ich von einer Hurtigruten-Reise zurückgekehrt, auf der ich diesen Reiseführer in der Praxis verwenden und testen konnte. Leicht und handlich war er bei jedem Landgang in meinem Rucksack und auch an Bord habe ich damit schon die Route des kommenden Tages „erlesen“. Für mich war dieses MERIAN live! Taschenbuch der perfekte Begleiter.

Doktor Faustus: Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde – Thomas Mann

AutorThomas Mann
Verlag FISCHER Taschenbuch
Erscheinungsdatum 5. April 2012
FormatTaschenbuch
Seiten752
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3596904037

„Ich möchte seine Einsamkeit einem Abgrund vergleichen, in welchem Gefühle, die man ihm entgegenbrachte, lautlos und spurlos untergingen. Um ihn war Kälte – und wie wird mir zumute, indem ich dies Wort gebrauche, das auch er in einem ungeheuerlichen Zusammenhange einst niederschrieb!“ (Zitat Seite 15)

Inhalt

Dr. phil. Serenus Zeitblom ist sechzig Jahre alt, als er am 27. Mai 1943 beginnt, die Lebensgeschichte seines langjährigen Freundes Adrian Leverkühn niederzuschreiben. Der innovative Komponist ist vor drei Jahren verstorben und hat seinem Freund Serenus alle  persönlichen Aufzeichnungen und Unterlagen hinterlassen. Auf Grund dieser Aufzeichnungen schildert nun der Ich-Erzähler Serenus Zeitblom die Kindheit, Jugend, gemeinsame Studienzeit, aber auch die weiteren Lebenswege, die unterschiedlich verlaufen, sich jedoch immer wieder kreuzen. Teilweise verfasst Zeitblom die Texte zu einzelnen Kompositionen des genialen Musikers Leverkühn und erlebt auch seinen künstlerischen Werdegang schon ab der frühen Schulzeit mit, mit allen Höhen und Tiefen, geprägt von einer manchmal besessenen Hingabe zur Musik und zum Komponieren, der Suche nach neuen musikalischen Strukturen. „Nur einer so dringlich beobachtenden Freundschaft wie der meinen, konnte ein solcher  Bedeutungswechsel der Dinge fühlbar oder ahnbar werden, und Gott sei davor, daß die Wahrheit mir die Freude an Adrians Nähe beeinträchtigt hätte! Was mit ihm vorging, konnte mich erschüttern, mich aber niemals von ihm entfernen.“ (Zitat Seite 322)

Thema und Genre

Den realen Hintergrund dieses biografischen Romans um einen fiktiven Komponisten bildet die Geschichte Deutschlands zwischen 1884 und 1945, die gesellschaftlichen Veränderungen. Das alte Faust-Thema in dieser modernen Version, welche die unerschöpfliche künstlerische Schaffenskraft in den Mittelpunkt des Pakes stellt, steht für das Leben des Adrian Leverkühn, der als Künstler genial und hochbegabt, als Mensch jedoch einsam und unnahbar bis zur Gefühllosigkeit ist. Dieses Buch ist jedoch ebenso ein Gesellschaftsroman, ein zeitgeschichtliches Dokument Deutschlands in diesen wichtigen Jahren, das die Situation des Bildungsbürgertums, die Stellung der Frauen, die kulturellen und künstlerischen Strömungen, besonders in Musik und Sprache, schildert. Es ist eine weit gefasste Suche nach den kulturgeschichtlichen Gründen für die Entstehung des nationalen Gedankengutes, das sich aus dem Verständnis der deutschen Romantik entwickelt hat und mit zum Nationalsozialismus führte. Die Handlungsorte und Personen dieses Romans sind fiktiv, alle haben jedoch reale Vorbilder, dadurch wird dieser Roman auch autobiografisch geprägt.

Fazit

Meine hier notierten Bemerkungen sind keinesfalls als literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Roman von Thomas Mann zu sehen, dafür gibt es qualifizierte Fachliteratur, sondern schildern meine wichtigsten Eindrücke beim Lesen dieses interessanten, ideenreichen, zeitlosen, bis heute noch lebhaft diskutierten Romans des deutschen Literaturnobelpreisträgers.

Am roten Strand (Die Ben-Neven-Krimis Band 2) – Jan Costin Wagner

AutorJan Costin Wagner
Verlag Galiani-Berlin
Erscheinungsdatum 10. März 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3869712093

„Während sie einerseits gegen die Täter im „Fallkomplex Jannis“ ermitteln, müsyen sie ab sofort ihr Augenmerk auf die Frage richten, wie sie dieselben Täter schützen können.“ (Zitat Seite 192)

Inhalt

Der Ermittler Ben Neven hat im Einsatz Marko Gerhardt erschossen, der gemeinsam mit Anton Holdner den kleinen Jannis entführt hatte. Doch dies war nur der Anfang gewesen, denn inzwischen sind Ermittler bundesweit mit den Aufdeckungen in diesem „Fallkomplex Jannis“ und einem seit Jahren aktiven Pädophilenring beschäftigt, der vor zwei Jahren aktualisiert und ins Darknet gestellt wurde. Doch plötzlich sterben kurz hintereinander zwei der Hauptverdächtigen und es war kein natürlicher Tod. Nun muss das Ermittlerteam unter der Leitung von Marlene Kramer, Ben Neven und Christian Sandner in zwei sehr unterschiedliche Richtungen ermitteln.

Thema und Genre

Ein brisanter Roman in Anlehnung an bekannte Fakten über im Darknet sehr aktive Kinderpornografie-Gruppen und Missbrauch von Kindern.

Charaktere

Die Stärke dieses Romans liegt in den unterschiedlichen Figuren, ihren jeweiligen sehr realistischen Konflikten und Problemen, deren Komplexität viel Stoff zum Nachdenken bietet.

Handlung und Schreibstil

Die Ereignisse werden in kurzen, rasch wechselnden Szenen geschildert, bei jeweils unterschiedliche Figuren im Fokus stehen. So erhält man als Leser immer mehr Einblicke und weitere Details, ist teilweise im Wissen den Ermittlern einen Schritt voraus, ohne jedoch alle Zusammenhänge zu kennen. Dadurch bleibt das Leseerlebnis packend. Obwohl Band zwei einer Serie, gibt es zu Beginn genügend Hinweise für alle, die den ersten Teil nicht gelesen haben. Der Schreibstil des Autors beobachtet und schildert auch Nuancen der persönlichen Konflikte und Verhaltensweisen seiner Figuren.

Fazit

Ein Roman mit interessanten, facettenreichen Figuren, starken psychologischen Elementen und brisanten, zeitlos aktuellen Themen.

Der Buchhändler – Petra Johann

AutorPetra Johann
Verlag Rütten & Loening
Erscheinungsdatum 14. März 2022
FormatBroschiert
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3352009693

„Die Nachricht wird mir folgen, ich kann mich nicht vor ihr verstecken. Andererseits habe ich Übung darin, mich zu verstecken. Ich mache das seit Jahren, ich bin gut darin.“ (Zitat Pos. 4340)

Inhalt

Ein Wohngebiet am Rande der Kleinstadt Neukirchen, man kennt einander im Ortsteil Schönblick. Ein Buchhändler, Erik Lange, vierunddreißig Jahre alt, hat gerade erst die Buchhandlung mit Wohnung in Neukirchen übernommen. Er fühlt sich wohl hier, nur die Trennung von seiner fünfzehn Jahre alten Tochter Joelle macht ihn traurig. Doch deren Mutter, seine ehemalige Lebensgefährtin Tamara, will nichts mehr von ihm wissen. Als die neunjährige Tessi Brunner eines Morgens im gemütlichen Schönblick nicht am Früstückstisch auftaucht, einfach verschwunden ist und unauffindbar bleibt, beginnen hektische Suchaktionen und polizeiliche Ermittlungen. Als Tamara in den sozialen Medien ein „Geheimnis“ über Erik postet, hat dies gefährliche Folgen.

Thema und Genre

In diesem Thriller geht es um Kinder und ihre Familien, Beziehungen, kleine Dorfgemeinschaften, Nachbarschaft, Ermittlungsarbeit und menschliches Verhalten in Krisensituationen.

Charaktere

Die Autorin stellt uns interessante, sehr unterschiedliche Figuren vor, lebensnah, spannend, mit nachvollziehbaren Konflikten, auch psychologisch stimmig.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in einem knappen Zeitraum in der Jetztzeit und ihr Ablauf ist chronologisch. Der Fall der verschwundenen Tessi wird durch die Ermittlungen und durch die sich draus ergebenden Geschichten und Probematiken rasch zu einem komplexen, facettenreichen Fall. Die Autorin erzählt packend, schildert eindrücklich und mit einer guten Prise Humor.

Fazit

Ein spannender Thriller mit brisanten Themen und Konflikten und interessanten, vielschichtigen Figuren.

Gezeitenmord: Der erste Fall für Lykke Teit und Rudi Lehmann – Dennis Jürgensen

AutorDennis Jürgensen
Verlag KiWi-Paperback
Erscheinungsdatum 10. März 2022
FormatBroschiert
Seiten336
SpracheDeutsch
ÜbersetzungUlrich Sonnenberg
ISBN-13978-3462002416

„Die SMS war zwei Tage nach dem Tod des Mannes abgeschickt worden. Sie hatte den Notruf einer Leiche erhalten.“ (Pos. 234)

Inhalt

Lasse Espersen, Lehrer aus Melum, ist mit einem seiner Schüler, dem naturbegeisterten Villads Geertsen, im Watt unterwegs, als plötzlich dichter Nebel aufzieht. Als sie versuchen, sich vor der einsetzenden Flut an Land zu retten, entdeckt Villads einen teilweise im Sand vergrabenen Toten. Später wird der Lehrer gerettet, doch der elfjährige Junge ist seither verschwunden. Lykke Teit, seit drei Jahren Kriminalassistentin in Kopenhagen, wird mit dem Fall in Südjütland betraut und da der Fundort der Leiche im Grenzgebet liegt, schickt Deutschland einen eigenen Ermittler, Hauptkommissar Rudolf „Rudi“ Lehmann aus Flensburg. Im Mittelpunkt ihrer Recherchen steht das Dorf Melum, denn es geht nicht nur um den Mordfall, sondern vor allem um das Verschwinden von Villads. Vor eineinhalb Jahren war die damals sechsjährige Rosa Molberg ebenfalls spurlos aus Melum verschwunden, gibt es einen Zusammenhang?

Thema und Genre

Dieser dänische Kriminalroman mit Regionalbezug spielt in Jütland. Im Mittelpunkt stehen verschwundene Kinder, psychologische Tatmotive, sowie die Ermittlungstätigkeit der Kriminalpolizei.

Charaktere

Lykke Teit und Rudi Lehmann sind sympathische Ermittlerfiguren, hartnäckig, kreativ. Der jeweilige persönliche Hintergrund macht sie zu interessanten Charakteren, ebenso die anderen, in diesem Kriminalfall auftretenden Figuren. Sie alle sind bis ins Details glaubhaft und stimmig entwickelt.

Handlung und Schreibstil

Im Mittelpunkt der chronologisch erzählten Handlung, die in der aktuellen Zeit spielt, stehen die Ermittlungen. Parallel dazu erhalten wir auch Einblick in Ereignisse, die gleichzeitig zur Polizeiarbeit des Ermittlerteams stattfinden. Dies gibt uns Lesenden einen Wissensvorsprung, wir wissen teilweise mehr, als die Ermittler, was die Spannung erhöht. Denn Lykke und Rudi folgen vielen Spuren und erst überraschende Wendungen und neue Erkenntnisse lassen Zusammenhänge erkennen. Das Resultat ist eine packende, vielschichtige, aber immer realistische Geschichte, die uns bis zur letzten Seite Raum für eigene Überlegungen lässt.

Fazit

Ein spannender, facettenreicher Pageturner mit sympathischen Ermittlerfiguren. Der überzeugende Beginn einer neuen Serie.

1 15 16 17 18 19 44