Unter dem Nussbaum – Michael Donhauser

AutorMichael Donhauser
VerlagMatthes & Seitz Berlin
Datum16. Januar 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten508
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3751809917

„Fluchtgedanken ins Gestrüpp./Mit dem Wunsch, es zu verdichten./Seiner Verdichtung sprachlich näherzukommen./(Um dicht im Sinne von undurchdringlich zu sein.)“ (Zitat Pos. 504)

Thema und Inhalt

Diese Sammlung von Lyrik und Prosa 1986 bis 2023 vereint eine Auswahl von bereits in früheren Einzelausgaben veröffentlichten Texten. Teilweise wurden sie neu geordnet und ergänzt durch wiedergefundene Texte, Fragmente und neue Gedichte, die nach 2018 entstanden sind, drei davon sind in hier zum ersten Mal veröffentlicht. Eine weite Themenvielfalt führt durch beinahe vierzig Jahre schriftstellerisches Schaffen, oft sind es Varianten der Natur in allen Jahreszeiten und Zwischenjahreszeiten, manche Titel werden im Lauf der zeit nochmals zum Thema, ergänzt, anders betrachtet. Es geht auch um Kindheitserinnerungen, die Großeltern, sonntägliche Familientreffen, Festtage, das Sarganserland, Reisen, wo der lyrische Erzähler zum lyrischen Ich wird.

Gestaltung

In den Sammlungen „Der Holunder“ und „Die Wörtlichkeit der Quitte“ beobachtet der Schriftsteller einzelne Vögel, aber auch unterschiedliche Bäume, oder den Flug eines Stück Papiers im Wind, Er schaut und lässt seine Gedanken sprachlich weit schweifen. Im Abschnitt „Von den Dingen“ ergeben Beobachtungen eines Gestrüpps oder eines Misthaufens Sprachspiele in allen möglichen und immer neuen Varianten von Deutungen eines Begriffes und der lyrische Pfad führt vom Gestrüpp zum Misthaufen zu den Obstbäumen und gleichzeitig durch die religiösen Festtage des Jahres, Gedichte zwischen Erinnerung, Gegenwart und Vergangenheit. Umfassende Betrachtungen über den Kies sind gleichzeitig Metapher als Philosophie eines Lebens.

„Die Sprache ist eine unterhaltsame Einöde. (Meine leidenschaftliche Unterhaltung: der Kies. Hin und her und weggewischt: bis auf den Staub.)“ (Zitat Pos. 994)  

Venedig im Oktober und Aufenthalte in Frankreich inspirieren Michael Donhauser, seine Eindrücke in Worte zu fassen. Zwei Jahre nach der Verwirrung des Gestrüpps findet sich dann Klarheit in den Reihen der Zypressen in Siena.

Die Lyrik von Donhauser ist nicht in Formen und Reime gepresst, sie entfaltet sich frei. Nicht eingeschränkt durch Zeilenlängen lässt Michael Donhauser seinen Gedanken, die seine Beobachtungen begleiten, Zeit und Raum zur Entfaltung. So werden auch die Grenzen zwischen seiner Lyrik und lyrischen Prosa fließend. Wer ein neugieriges Interesse an den vielen Facetten von möglichen Ausdrucksformen der Sprache hat, wird diese Sammlung genießen.

Fazit

Auch wenn in der Beschreibung des lyrischen Schaffens von Michael Donhauser präzisiert wird, dass es ihm weniger um die Beobachtung geht, als um die Fragen im Zusammenhang des Beobachteten, so ist es doch die hier in sprachlicher Fülle geschilderte Vielfalt der Bewegungen und Erfahrungen in der Natur im Lauf der Jahreszeiten, der Eindrücke auf Reisen, der Stimmungen und Erinnerungen an seine Kindheitsheimat Liechtenstein und das nahe Sarganserland, die uns beim Lesen seiner Texte sofort in den Bann zieht und die Gedankenbilder, Stimmungen, Erfahrungen, Erinnerungen mit unseren eigenen verbindet. En Lyrikband, den man immer wieder in die Hand nehmen wird, um sich darin im positiven Sinne zu verlieren.

EINS+EINS=DREI: Buch 3 – Lutz Flörke & Vera Rosenbusch

AutorLutz Flörke
AutorinVera Rosenbusch
VerlagBoD – Books on Demand
Datum18. September 2025
AusgabeTaschenbuch
Seiten152
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3695133574

„Denk dir einfach eine Geschichte aus! Die Einwände kannst du später berücksichtigen. Schreib!“ (Zitat Seite 9)

Thema und Inhalt

Mitte September naht der Herbst und damit erscheint pünktlich zur Lese-Jahreszeit das nunmehr dritte Jahrbuch des Dichter-Duos Vera Rosenbusch und Lutz Flörke. Die neunzehn Geschichten sind den Monaten im Jahreslauf zugeordnet, beginnend im Januar und endend im Dezember. Die Texte sind entweder von Lutz Flörke oder Vera Rosenbusch verfasst, dazwischen Geschichten, die gemeinsam entstanden sind. Eines der Themen sind diesmal Eindrücke auf Reisen, von Hamburg bis Paris, Griechenland, oder auch auf die Insel Helgoland. Auch SEV, Schienenersatzverkehr, zeitlos aktuell, kann zu sehr unterschiedlichen Beobachtungen führen. Generell ist es eine bunte Mischung von allem, was das literarische Duo bewegt, erheitert, nachdenklich gestimmt und zu variantenreichen Denk- und Schreibweisen angeregt hat.

Umsetzung

Mit den hier als Einleitung zitierten Sätzen beginnt auf Seite neun die Januar-Geschichte und zugleich auch diese Geschichtensammlunng. Diese Worte könnten am Beginn jedes einzelnen Textes stehen, denn genau diese Freude am Schreiben, an den Gedankenspielen mit Erlebnissen des Alltags und mit vielen, unterschiedlichen Begegnungen von ebenso vielfältigen Figuren, verbindet alle Geschichten. Immer wieder hinterfragen Überraschungen und ironische bis skurrile Wendungen die Varianten des Erzählens, die Gedankenströme zwischen Erinnerung und Fiktion und die unterschiedlichen Ausdrucksformen der Literatur. So treffen wir diesmal auch auf literaturkritische Haustiere, die ihren Menschen so viel erklären könnten, aber leider nicht verstanden werden.

Fazit

Ein unterhaltsamer, literarischer Spaziergang durch die kleinen Erlebnisse und Situationen in den zwölf Monaten eines Schreibjahres. Aktuell und mit phantasievollen Umwegen, nachdenklich, aber immer auch mit einer guten Prise Humor und Empathie für das Menschliche. Kann eine Geschichte mit einem kürzlich erfolgten Umzug, röchelnden Rohren und und einem zur Weihnachtszeit völlig überlasteten Handwerker beginnen, und bei Giersch enden? Sie kann: typische, vertraute Alltagsprobleme eben, literarisch betrachtet und die Garantie für Lesevergnügen.

Hydra – Antonia Löffler

AutorAntonia Löffler
VerlagMILENA Verlag
Datum27. August 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten260
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903460447

„Kannst du mir sagen, was auf Hydra passiert ist, sage ich. Meine Großmutter dreht sich im Sessel um und richtet ihren Blick auf den großen alten Schrank neben dem Esstisch. Mehr zu ihm als zu mir sagt sie: Das fragst du bitte deine Mutter.“ (Zitat Seite 135)

Inhalt

Im November 1990 erzählen griechische Freunde dem Schauspieler Matthias Illis und seiner Frau Eva, Regieassistentin, sowie deren Freunden, den Schauspielern Thomas und Fanny, von einem Theaterprojekt auf der griechischen Insel Hydra, das im kommenden Sommer mit einem internationalen Team umgesetzt werden soll. Eva, Matthias, Fanny und Thomas wären der österreichische Teil der Truppe und sie sagen zu. Dreißig Jahre später schreibt Matthias Illis an einem Buch über die Ereignisse des Sommers 1991. Als im Januar 2022 die Journalistin Anne, die älteste Tochter von Eva und Matthias, mit ihrem langjährigen Freund Jacob knapp einem Flugzeugabsturz entgeht, nimmt sie eine Auszeit, um ihren Platz im Leben zu überdenken und endlich Antworten auf ihre Fragen über die Vergangenheit ihrer Eltern zu erhalten.

Thema und Genre

„Das Gewesene ist allein durch die Erzählung anderer Menschen rekonstruierbar. Alle Darstellungen der Vergangenheit sind Erfindungen von Leuten, die über die Vergangenheit sprechen.“ (Zitat Seite 239) Diese philosophische Aussage ist das Kernthema dieses Romans, in dem es um Familiengeschichten geht, die aus der Vergangenheit der Eltern in die Gegenwart reichen und um Entscheidungen und Geheimnisse, die auch das Leben der inzwischen erwachsenen Kinder prägen.

Erzählform und Sprache

Es ist Anne, die als Ich-Erzählerin die Ereignisse schildert, die zwischen Januar 2022 und Juni 2022 stattfinden, verbunden mit vielen Erinnerungen und Einblicken in ihre Gedankenwelt, ihre Beziehung zu Jacob, in ihre aktuellen Probleme und Gefühle. Anne hatte schon als Kind eine enge Bindung zu ihrer Großmutter und so fließen gemeinsame Gespräche in die aktuelle Handlung ein und ergänzen diese mit neuen Details. Annes Vater wird bald sechzig Jahre alt und hat begonnen, die Ereignisse auf Hydra zwischen Juni 1991 und August 1991 aus seiner Sicht aufzuschreiben. Als dritten Handlungsstrang erfahren wir die Vorgeschichte zu dem Hydra-Projekt, die verbunden ist mit dem Werdegang von Eva Illis ab 1989 und jene Ereignisse auf Hydra 1991, die Eva betreffen und von denen Matthias teilweise nichts weiß. Hier steht Eva im Mittelpunkt einer personalen Erzählform. Daraus ergibt sich die spannende Möglichkeit von unterschiedlichen Erzählsprachen, wobei das Manuskript von Matthias die Gelegenheit für zusätzliche Gedankenströme bietet, für seine Gedanken über das Schreiben, über das Erinnern, über Erinnerungslücken und Unschärfen in der Wahrnehmung so viele Jahre später.

Fazit

Eine packende Geschichte, die durch Facettenreichtum besticht und viele Details, die zunächst den Eindruck von eigenständigen, kurzen Erlebnissen im Alltag der Hauptfiguren machen und die erst im Laufe der Handlung ihre Zusammenhänge mit der Kerngeschichte offenlegen. Ein überzeugender Debütroman, der auf weitere Werke dieser Autorin hoffen lässt.

Codename Wüstentunnel – Salim Güler

AutorSalim Güler
VerlagHerausgeber: RMP
Datum17. Juni 2024
AusgabeKindle Format
Seiten295 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB0D2VK553Z

„Er würde nicht nur gegen die Hamas kämpfen, sondern auch die Angriffe der IDF überstehen müssen, die ganz Gaza in Schutt und Asche legen würde.“ (Zitat Pos. 239)

Inhalt

Peter Walsh, ehemaliges Mitglied einer Spezialeinheit des US-Geheimdienstes, konnte seine Tochter Nina kurz nach dem Terrorangriff der Hamas finden und sicher zurück nach Hause bringen. Dass sie nicht in die Hände der Hamas geraten ist, verdankt sie ihrem Freund Uri Peretz, der sie versteckt hat und selbst von den Hamas als Geisel genommen wurde. Nina ist überzeugt, dass ihr Vater Uri befreien kann. Doch diesmal ist es Peter Walsh auf Grund des Kriegsgeschehen nicht möglich, einfach in Israel einzureisen und von dort aus weiter nach Gaza. Es muss dies über Umwege, heimlich und unerkannt tun. Sein bester Freund Joe, ein hochbegabter IT- Spezialist, begleitet ihn und unterstützt ihn von Tel Aviv aus. Denn die zunächst größte Herausforderung ist es herauszufinden, ob Uri noch lebt und wo er versteckt gehalten wird.

Thema und Genre

Dieser Peter Walsh Thriller schließt nahtlos an den Vorgängerband „Codename Jericho“ an und führt direkt in den Angriffskrieg zwischen Israel und der Hamas. Weitere Themen sind Familie, Verantwortung, Freundschaft und Liebe, aber auch Unterdrückung, religiöser Fanatismus, Hass und Verrat.

Erzählform und Sprache

Die straffe Handlung beginnt Mitte Oktober 2023, knapp nach dem Terrorangriff der Hamas. Gleichzeitig, parallel an unterschiedlichen Schauplätzen stattfindende Ereignisse wechseln einander in den einzelnen Kapiteln ab. Ortsangaben als Kapitelüberschrift vereinfachen die Zuordnung. Der von einem Thriller erwartete Spannungsbogen ist gleichbleibend hoch, gekonnt lässt der Autor Gedanken, zwischenmenschliche Beziehungen und die damit verbundenen Konflikte, sachliche Erklärungen und Schilderungen einfließen, ohne diesen zu unterbrechen. Auch überraschende Wendungen, Unterstützung von unerwarteter Seite und das Gegenteil davon, beleben die Geschichte und machen dieses Buch zu einem fesselnden Pageturner.

Fazit

Dieser zweite Band der Serie ist in sich abgeschlossen ist und weist genügend erklärende Details der Vorgeschichte auf, um der Handlung problemlos folgen zu können, falls man den ersten Band nicht gelesen hat. Dieser Thriller besticht durch facettenreiche Figuren, Action und Spannung, qualifizierte Recherche und dadurch interessantes Faktenwissen. Damit sind packende, unterhaltsame Lesestunden garantiert.

Mitten im Tag – Andrea Winkler

AutorAndrea Winkler
VerlagSonderzahl Verlag
Datum30. Januar 2025
AusgabeTaschenbuch
Seiten168
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3854496700

„Man müsste jetzt wirklich hinausgehen, dachte ich, und in die Straßenbahn steigen, so, als wäre man noch nie in die Straßenbahn gestiegen, und hätte all das noch nicht gesehen, was ringsum sich bewegte.“ (Zitat Pos. 82)

Inhalt und Thema

Dieser Prosaband besteht aus zwei Teilen, der erste Teil enthält Erzählungen, der zweite Teil enthält Essays, Beiträge, die auf besondere Einladung zu Vorträgen und Gesprächen mit vorgegebenen Themen entstanden sind und bereits veröffentlicht wurden.

Die auch sprachlich mit unterschiedlichen Ausdrucksformen spielenden Texte umfassen einen vielfältigen Bereich aus intensiven Beobachtungen, verbunden mit eigenen Gedanken, Überlegungen, Abschweifungen in mögliche, imaginäre Fortsetzungen von Situationen.

In den Erzählungen stehen die unterschiedlichen Möglichkeiten des Reisens, der Fortbewegung zwischen Gehen, Wandern und Fahrten mit Straßenbahn und Bahn, der Beobachtung des Verhaltens der Mitmenschen, des Erkundens von Orten und Naturereignissen im Mittelpunkt. In einer Erzählung es um eine beklemmende Theateraufführung, in einer anderen um wehmütige Erinnerungen an die Großmutter.

In den Essays nimmt die Autorin Bezug auf Literatur, denkt über die Einsamkeit auf Buchmessen nach, zitiert für sie prägende Stellen in Erzählungen von Čechov, Tolstoi, Woolf bis zu Grillparzer und Kafka. Auch christliche Mystik aus Vergleichstexten fließt in das weite Spektrum der vergleichenden Beispiele ein.

Fazit

Es sind die vielen Gefühlsfacetten und zeitlos aktuellen Fragen, die diesen anspruchsvollen Erzählband prägen, und daraus ergibt sich eine ungewöhnliche, interessante Leseerfahrung.

Österreichischer Buchpreis 2025

AutorDiverse
RedaktionRamona Geng
VerlagHauptverband
des Österreichischen Buchhandels
Datum3. September 2025
AusgabeBroschüre
Seitenetwa 145
SpracheDeutsch

„Mit der Einführung einer neuen Debüt-Longlist möchte der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels noch mehr Aufmerksamkeit auf österreichische Nachwuchs-Autor:innen und deren Verlage lenken und damit die Sichtbarkeit herausragender Erstlingswerke weiter erhöhen.“ (Zitat aus der HVB-Presseinformation, 3. September 2025)

Thema und Inhalt

Erstmals wurde der Österreichische Buchpreis und der Debütpreis im Jahr 2016 vergeben. Die Longlist 2025 weist zehn Titel auf, welche aus zweiundsiebzig Titeln, eingereicht von neunundvierzig Verlagen, ausgewählt wurden. In diesem Jahr wurde erstmals auch für den Debütpreis eine Longlist erstellt, auf der sich sechs Titel befinden, ausgewählt aus neunundzwanzig Erstlingswerken, die von dreiundzwanzig Verlagen eingereicht wurden. Insgesamt standen einhundertein Titel aus den Bereichen Belletristik, Lyrik, Drama und Essay Auswahl, eingereicht von dreißig österreichischen, vierundzwanzig deutschen und vier Schweizer Verlagen.

Umsetzung

Die Broschüre, die ich in der elektronischen Ausgabe auf dem Kindle lesen konnte, beginnt mit umfangreichen Leseproben aus allen nominierten Büchern. Im Abspann ab Seite 106 folgen die Informationen über die nominierten Autorinnen und Autoren, anschließend werden die Mitglieder der Jury vorgestellt. Ab Seite 126 finden wir die Coverabbildungen der Bücher mit nochmaliger Angabe von Autorin oder Autor, Titel, Verlag, Seitenzahl und Preis. Am Ende der Broschüre findet sich der Bildnachweis. Die jeweilige Einteilung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge der Namen der Nominierten, beginnt mit der Longlist, daran schließt die Longlist Debüt an.

Fazit

2025 ist es eine sehr interessante, spannende Mischung, denn diesmal finden sich auch Lyrik, Prosa und zwei Theaterstücke unter den nominierten Titeln. Die ausführlichen Leseproben zeigen die Themenvielfalt, machen neugierig und laden zum Weiterlesen ein.

Jahre zwischen Hund und Wolf -Henning Ahrens

AutorHenning Ahrens
VerlagKlett Cotta
Datum16. August 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3608966459

„Es dämmerte rasant, der Wind hatte aufgefrischt; dies war die Stunde zwischen Hund und Wolf, die blaue Stunde.“ (Zitat Pos. 334)

Inhalt

Der erfolgreiche Comiczeichner Hardy Espen ist Deutscher, lebt jedoch seit Jahren in einem Haus in der Normandie. Als er im April 2021 eine Todesanzeige einer ihm unbekannten Frau namens Selma erhält, fährt er spontan zum Begräbnis nach Frankfurt. Als er nach wenigen Tagen nach Frankreich zurückkehrt, ist er nicht allein. In der Hand hält er eine Leine und an der Leine hängt sein Erbteil: Brahma, ein alter Golden Retriver. Seine Partnerin Aîné, eine Kunsthistorikerin, die nun einen Blumenladen führt, findet die Rasse knuddelig und so wird Hardy überraschend zum überzeugten Hundehalter. Doch wer ist diese Selma, die ihn offensichtlich kannte und an die er sich nicht mehr erinnern kann? Seine Nachforschungen führen ihn weit in seine Jugendjahre in Kiel zurück. Dies sind nicht die einzigen Fragen, die ihn beschäftigen, denn er findet im Meer die Erkennungsmarke eines deutschen Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg und gemeinsam mit dem Polizisten Vincent versucht er, mögliche Nachkommen zu finden.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Erinnerungen, um festgefahrene Lebenssituationen und Chancen für Veränderungen in jedem Lebensalter, wenn man den Mut dafür aufbringt.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte ist in zwei große Teile mit fortlaufenden Kapiteln gegliedert, Teil eins Hund und Teil zwei Wolf. Die personale Erzählform stellt neben Hardy auch weitere Hauptfiguren in den Mittelpunkt einzelner Kapitel. Die aktuelle Handlung verläuft chronologisch, wird jedoch von Abschnitten unterbrochen, die in der Vergangenheit spielen und frühere Ereignisse im Leben der Hauptfiguren schildern. Henning Ahrens ist ein genauer Beobachter der Menschen und ein angenehmer Erzähler, der sich Zeit nimmt für jede einer Figuren, für ihre Lebenssituation, ihre Gefühle und auch Konflikte.

Fazit

Die Stunde zwischen Hund und Wolf ist die blaue Stunde, die Zeit gegen Ende des Tages, es dämmert, ist aber noch nicht dunkel und es ist eine magische Zeit möglicher Veränderungen. Dies trifft auch auf die Lebenssituation der Figuren dieser Geschichte zu, Hardy, der mit seiner Fantasy-Comic-Serie sehr erfolgreich ist und daher unter dem Druck des Verlages an einem weiteren Band arbeitet, innerlich jedoch über ein völlig anderes Projekt nachdenkt. Da ist Hardys Nachbarin Heloise, für die es Zeit wird, sich nach Jahren von der Urne in ihrem Wohnzimmer zu trennen und eine Entscheidung zu treffen. Da ist auch Vincent Parbleu, Polizist vor dem Ruhestand, ein Jäger und Sammler von Abenteuern mit wesentlich jüngeren Frauen und auch für ihn hält das Leben eine überraschende Wendung bereit. Ein leiser Roman, klug, witzig, charmant.

Zeit der Mutigen – Dimitré Dinev

AutorDimitré Dinev
VerlagKein & Aber
Datum8. September 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten912
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3036950792
 

„Das Wissen allein aber reicht nicht, um sich zu retten. Um gerettet zu werden, braucht man einen Menschen.“ (Zitat Pos. 3922)

Inhalt

Eva trifft als Rotkreuzschwester auf dem Schiff Kulpa im Ersten Weltkrieg eine Entscheidung, die ihr weiteres Leben verändert. In der Donau will sie ihr Leben beenden, doch sie geht dem Fischer Xaver ins Netz. Auch die gemeinsame Tochter Angela muss sich eines Tages entscheiden und damit gibt sie nicht nur ihrem eigenen Leben eine unvorhersehbare Wendung mit weitreichenden Folgen.

Der Tiroler Gymnasiast Leopold meldet sich im zweiten Weltkrieg freiwillig, wird nach Griechenland geschickt, desertiert und lebt bei einer Gruppe Roma in Bulgarien, deren Oberhaupt Gjuro eines Tages einen ungewöhnlichen Gefallen von ihm einfordert. Als Leopold die Gruppe verlassen muss, kehrt er nach Hause zurück. Beide Entscheidungen haben ebenfalls Konsequenzen, die Leben verändern.

Rotarmisten greifen Ende des zweiten Weltkriegs eine Gruppe deutsche Soldaten auf und erschießen sie. Doch einer überlebt mit einer Kugel im Kopf und ohne Erinnerungen. Die unabhängige Schafhirtin Neda nimmt den Verletzten auf und er bleibt. Doch dann muss auch sie eine Entscheidung treffen, da er in Gefahr ist. Um ihn zu schützen, schickt sie ihn zurück an den Ort, wo er vermutlich aufgewachsen ist. Doch in seiner Erinnerung gibt es nur Neda. Das Leben geht weiter, mit neuen Herausforderungen diese Elterngeneration und ihre Kinder und Enkel und es erfordert Mut, den eigenen Weg zu finden und ihm zu folgen.

Thema und Genre

In diesem epischen Generationenroman geht es um europäische Zeitgeschichte mit Schwerpunkt Bulgarien und Roma, Krieg, Diktaturen, Unterdrückung, Widerstand, und den Wunsch der Menschen, ein selbstbestimmtes Leben nach den eigenen Überzeugungen zu führen. Werte wie Freundschaft, Treue, Familie und die Liebe sind wichtige Themen.

Charaktere

Dimitré Dinev nimmt sich viel Zeit für seine Figuren, er stellt jede detailliert und einprägsam vor, da er bereits mit Schilderungen der Kindheit beginnt. So füllt er sie mit Leben und folgt ihnen mit Empathie durch Konflikte, Probleme und Gefahren. Dadurch werden ihre Entscheidungen und Handlungen nachvollziehbar, wobei er seine Figuren schon im frühen Kindesalter aus traditionellen Rollenbildern löst, Frauen folgen selbstbewusst den Berufen ihrer Väter, treffen ihre eigenen Entscheidungen und kämpfen dafür in einer Zeit, als dies weder selbstverständlich noch einfach ist.

Erzählform und Sprache

Der Roman ist in große Teile gegliedert, deren Titel immer auch einen realen oder metaphorischen Bezug zur jeweiligen Handlung haben. So trägt der erste Abschnitt, in dem es um Eva und Xaver geht, die Überschrift „Wasser“. Jeder Teil folgt den Ereignissen einer der Hauptfigurengruppen und so ergeben sich lange Erzählstränge voller Leben und in einer packenden, einprägsamen Dichte, denn der Autor überzeugt auch durch seine fließende, bildintensive Erzählsprache.

Fazit

„Einen Freund kann man immer brauchen. Willst du mitmachen?“ (Zitat Pos. 15510) Mit diesem Satz endet dieser Roman, der neben einer spannenden Handlung, überzeugenden Figuren, und zeitlos aktuellen Themen auch interessante Einblicke in die nahe Vergangenheit Bulgariens bietet, ein Land, über dessen Geschichte ich bisher wenig wusste. Dieser letzte Satz und die darin enthaltene Aussage umfasst den Kerngedanken der Schicksale, die hier beeindruckend erzählt werden.

Verschworen: Ein Island-Krimi – Eva Björg Ægisdóttir

AutorEva Björg Ægisdóttir
VerlagKiepenheuer & Witsch
Datum
Ausgabe
Seiten
SpracheDeutsch
ISBN-13

„Die Wand war blutverschmiert, und man musste kein Experte sein, um zu sehen, dass die Worte zur Situation passten, egal, ob sie sich auf Þorgeir oder den Täter bezogen.“ (Zitat Pos. 517)

Inhalt

Am Dienstag, den 8. Dezember, wird in einem Sommerhaus die Leiche des einundvierzigjährigen Softwareingenieurs Þorgeir entdeckt. Er ist seit einigen Tagen tot und war durch mehrere Messerstiche brutal ermordet worden. An die Holzwand wurde mit einem schwarzen Filzstift eine Zeile aus einem isländischen Kirchenlied geschrieben. Für die Kommissarin Elma ist es der erste Fall nach der Babypause und er verlangt sofort ihren intensiven Einsatz. Die zunächst rätselhafte Inschrift führt zurück in den Sommer 1995, wo im beliebten Ferienlager des Christlichen Vereins in Vatnaskógur ein Junge ertrunken war. Die Ermittlungsunterlagen endeten damals rasch mit der Feststellung, es sei ein Unfall gewesen, doch jemand sieht dies anders. Auch Elmas Ehemann Sævar, der nun in Elternzeit auf die gemeinsame Tochter Adda aufpasst, beginnt heimlich zu recherchieren. Denn beim Leeren der Umzugskartons entdeckt er einen Karton, der noch von den Vorbesitzern ihres Hauses stammt, und darin befindet sich ein Tagebuch mit Einträgen aus genau diesem Sommer 1995.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman ist der fünfte Band der Serie „Mörderisches Island“ mit dem Ermittlerteam Hörður und Elma. Es geht um Geheimnisse und prägende Erlebnisse der Jugendzeit, und ein Verbrechen, das nun, fünfundzwanzig Jahre später, gerächt wird.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird in drei Handlungssträngen erzählt, die einander abwechseln und jeweils durch die Zeitangabe oder den betreffenden Namen in der Überschrift einfach zuzuordnen sind. Eine Erzählebene ist der Sommer 1995, der zweite Teil betrifft die Ereignisse in Þorgeirs Leben bis zu seinem Tod und im dritten Handlungsstrang geht es um die aktuellen Ermittlungen. So ergeben sich für den Leser parallel zu den Erkenntnissen der Polizei weitere Details und Hintergründe, damals und heute. Es wird jedoch nie mehr verraten, als die Informationen, welche das Ermittlerteam durch Recherchen und Gespräche erfährt. So bleibt dieser Kriminalroman offen für eigene Überlegungen und überraschende Wendungen, wobei der aktuelle straffe Zeitrahmen vom 8. bis zum 23. Dezember für zusätzliche Spannung sorgt.

Fazit

Ein Nordic Noir Kriminalroman in einem düsteren Ambiente, dessen Rätsel, einprägsame Figuren und gesellschaftskritische Themen für ein facettenreiches, packendes Lesevergnügen sorgen.

Das glückliche Leben – David Foenkinos

AutorDavid Foenkinos
VerlagKiepenheuer&Witsch
Datum4. September 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ÜbersetzerChristian Kolb
ISBN-13978-3462007923

„Es regte sich etwas Besonderes in ihm, das man spürt, wenn man in eine fremde Stadt kommt und sie einem gleich vertraut erscheint oder wenn einem eine Person zum ersten Mal begegnet und man im Nu eng mit ihr verbunden ist.“ (Zitat Pos. 1430)

Inhalt

Éric Kherson, ehemaliger Geschäftsführer eines Sportartikelherstellers, war im Mai 2017 in das Team einer alten Schulfreundin und jetzt Staatssekretärin Amélie Mortiers, gewechselt. Doch irgendwie ist er noch nicht in seinem Leben angekommen. Das Jahr 2020 beginnt mit einem für die französische Wirtschaft extrem wichtigen Geschäftstermin in Seoul. Doch ausgerechnet bei der entscheidenden Präsentation ist Éric verschwunden und Amélie muss den Termin allein wahrnehmen. Denn Éric hat zufällig eine besondere Einrichtung entdeckt, Happy Life, und das Angebot, sein eigenes Begräbnis als inszeniertes Ritual zu erleben, verändert seinen Blick auf sein Leben. Er ordnet seine Beziehung zu jenen Personen, die im wichtig sind, vor allem zu seinem Sohn, und bringt das Konzept von Happy Life unter dem Namen Lycoris erfolgreich nach Frankreich.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Neubeginn, Psychologie, die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit, Entscheidungen und ihre Konsequenzen, Familie und die Liebe.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird in drei Teilen erzählt. Der erste Teil zeigt Érics Werdegang und sein Leben bis zu diesem entscheidenden Ereignis in Seoul 2020. Im Mittelpunkt stehen Éric und Amélie. Im zweiten Teil geht es um Érics weitere Geschichte bis in das aktuelle Jahr 2024 und parallel dazu erzählt der dritte Teil Amélies Leben ab Seoul 2020, bis sich ihre Wege im Jahr 2024 wieder kreuzen. Die Erzählform trägt Elemente eines auktorialen Erzählers, mit erklärenden Fußnoten vertieft er den Blick auf einzelne Szenen oder ein besonderes Verhalten seiner Figuren. Die Sprache entspricht dem Genre Unterhaltungsroman.

Fazit

Ich habe bereits Bücher von David Foenkinos gelesen, doch mit diesem modernen Selbsthilfe-Roman hat er mich nur teilweise erreicht. Der erste Teil beginnt etwas behäbig und hat Längen. Von der Umsetzung dieses interessanten, wichtigen Themas hatte ich mehr Tiefe und im Verhalten der Figuren etwas weniger erkennbare Konstruktion erwartet. Ein Wohlfühlroman, der Frankreich begeistert hat und auch hier in der deutschen Übersetzung begeistern wird, mich hat er unterhalten, aber nicht überzeugt.

Der Italiener – Arturo Pérez-Reverte

AutorArturo Pérez-Reverte
VerlagFolio Verlag
Datum5. September 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ÜbersetzerCarsten Regling
ISBN-13978-3852569192

„Das nächste, ein paar hundert Meter vom Ufer entfernte Haus, war ihr eigenes: klein, einstöckig, von Palmen und Bougainvilleen umgeben. Sie beschloss, den Mann dorthin zu bringen und ihm zu helfen, bevor sie die Behörden informierte. Und dieser Entschluss veränderte ihr Leben. (Zitat Pos. 58 – 66)

Inhalt

Im Winter 1981 erweckt ein Buch über Gondeln in der Auslage der Buchhandlung Olterra das Interesse eines spanischen Journalisten auf Urlaub, der Venedig besucht. Die Buchhändlerin ist Spanierin, lebt jedoch seit fünfunddreißig Jahren in Italien. Zwei gerahmte Fotografien an einer Wand der Buchhandlung erwecken das Interesse des Journalisten. Er beginnt zu recherchieren, forscht in Archiven und sucht nach Menschen, die bereit sind, ihre Erinnerungen mit ihm zu teilen. So enthüllt sich ihm Schritt für Schritt die Geschichte der italienischen Kampfschwimmereinheit DECIMA MAS und deren geheime Aktionen gegen britische Schiffe in der Bucht von Gibraltar. Erst vierzig Jahre später, als aus dem jungen Journalisten ein Schriftsteller geworden war, wird ein Buch aus dieser Geschichte, die damit beginnt, dass der Hund der Buchhändlerin Elena Arbués am Strand einen schwer verletzten Taucher findet, den sie rettet.

Thema und Genre

In diesem Spionageroman, basierend auf reale Ereignisse während des zweiten Weltkrieges, geht es um eine geheime italienische Tauchereinheit, die in der Bucht von Gibraltar englische Schiffe sabotierte. Themen sind jedoch nicht nur Krieg, Spionage, Gegenspionage, Verrat und lebensgefährliche Einsätze, sondern auch die Schicksale der Menschen und um eine ebenso gefährliche Liebe zur falschen Zeit am falschen Ort.

Erzählform und Sprache

Der Journalist und Schriftsteller schildert die Geschichte seiner persönlichen Recherchen und die Gespräche mit Beteiligten als Ich-Erzähler. Diese Passagen wechseln sich mit dem zweiten Erzählstrang ab, der die Ereignisse in der Bucht von Gibraltar um 1942 und 1943 direkt schildert. Die Fakten im Hintergrund sind real, doch daraus ist eine eigene Geschichte, dieser Roman entstanden. „Wir sind an einem Punkt in dieser Geschichte angelangt, an dem die Fakten der Fantasie weichen: ein leerer Raum, der sich – trotz der Bedeutung der späteren Ereignisse – nur mit Vermutungen füllen lässt.“ (Zitat Pos. 2302) Die flüssige, elegante Sprache besticht durch bildintensive, lebhafte Schilderungen und erzählt in einer Palette zwischen einfühlsam beobachtend und sehr packend.

Fazit

Ein spannender, vielseitiger, interessanter Spionageroman, den man gebannt und mit Vergnügen liest.

Man sieht nur mit der Schnauze gut: Aspro ermittelt – Bernhard Aichner

AutorBernhard Aichner
VerlagHaymon Verlag
Datum4. September 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3709982662

„Eine Diebstahlserie erschüttert das kleine Dorf, in dem wir wohnen, jeder ist verdächtig, aber es gibt keine Spur. Von Tag zu Tag wird also klarer, dass die Chefin Hilfe braucht. Meine Hilfe.“ (Zitat Pos. 66)

Inhalt

Aspro versteht nicht genau, was da passiert ist. Es gibt doch genaue Regeln beim Stöckchenspiel, der Chef wirft, er holt – doch diesmal läuft etwas schief. Plötzlich ist da ein greller Blitz, ein unerklärbar gewaltiger Knall und jetzt liegt der Chef in einer grauen Kiste, überall Polizei. Der Hund ist durstig, müde, ihm ist kalt. Doch er hat Glück, eine junge Polizistin sieht ihn und nun hat er eine neue Chefin, ein neues Zuhause und einen neuen Namen, „Aspro“. Seine Chefin nimmt ihn mit auf das Revier und damit ist er ein Undercover-Polizeihund. Denn er ist eine großartige Spürnase, er deckt Diebstähle auf und Lügen kann er sofort riechen. Aspro versteht wesentlich mehr von den Menschen, als man von einem Hund erwarten würde, auch wenn er sich öfter mal über deren Verhalten wundert. Doch er spürt genau, wo seine Hilfe gebraucht wird und es Zeit ist für einen neuen Einsatz mit vielen Streicheleinheiten als Belohnung, im Idealfall in Verbindung mit Leberwurst.

Thema und Genre

In diesem besonderen Kriminalroman erklärt uns der seiner Meinung nach beste Spürhund die Polizeiarbeit und die Menschen.

Erzählform und Sprache

Aspro ist ein Hund, ein guter Hund, wie er betont, also beobachtet er und schnüffelt sich durch die Welt mit den Gedanken eines Hundes. Er schildert seine Abenteuer, die manchmal nicht so guten Ideen (wer kann schon widerstehen, wenn die Nase ganz laut „Wurst“ ruft) chronologisch, im Kreis der Jahreszeiten, und nimmt uns mit ein zufriedenes, spannendes, meistens abwechslungsreiches Hundeleben.

Fazit

Ein liebenswerter, unterhaltsamer Roman über einen liebenswerten, großartigen Schnüffler im Einsatz.
 

Deutschland im Ernstfall – Ferdinand Gehringer, Johannes Steger

AutorFerdinand Gehringer
Johannes Steger
VerlagHOFFMANN UND CAMPE VERLAG
Datum5. September 2024
AusgabeBroschiert
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455021080

„Mit diesem Buch wollen wir politische Entscheidungsprozesse, gesellschaftliche Reaktionen und infrastrukturelle Herausforderungen skizzieren, um Denkraum zu schaffen und Vorbereitung zu fördern.“ (Zitat Pos. 41)

Thema und Inhalt

„Was passiert, wenn wir angegriffen werden“ lautet der Untertitel dieses Sachbuchs, wobei die Autoren die Expertenmeinung, dass Raketen- und Bombenangriffe auf Deutschland veraltete Vorstellungen von Krieg sind, als Ausgangslage für ihre Recherchen nehmen. Da überall Formen von IT eingesetzt werden, sind es heute Bedrohungen durch Cyberangriffe auf wichtige Infrastrukturen, digitale Spionageaktivitäten und entsprechender Drohneneinsatz, Sabotageangriffe auf wichtige Infrastrukturen. Daraus ergibt sich die Frage nach dem aktuellen Stand von Deutschlands Sicherheit und Notversorgung, und die damit verbundenen Überlegungen, was passieren würde, wenn kritische Infrastrukturen wie Energie, Wasser, Telekommunikation ausfallen. Mit diesem Buch sollen keine Ängste geschürt werden, sondern die unterschiedlichen, präzise formulierten und behandelten Themen laden zum Nachdenken über mögliche zukünftige Szenarien ein.

Umsetzung

Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit der Ausgangslage an einem Tag in der Zukunft und behandelt Begriffe wie Spannungsfall und Gesamtverteidigung.

Im zweiten Abschnitt geht es um die betroffene Infrastruktur Verkehr und Logistik und die Auswirkungen. Auch die Frage, wer Entscheidungen trifft, wird mit den entsprechenden Verordnungen erklärt.

Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit dem brisanten Thema Demokratie, Medien, Meinungsfreiheit, Informationen und breit gestreute Desinformationskampagnen.

Im vierten Abschnitt geht es um die wichtige Versorgung mit Energie und Wasser, die Aufgaben der Komunen und den Schutz kritischer Infrastrukturen.

Der fünfte Abschnitt geht noch einen Schritt weiter und skizziert den eintretenden Verteidigungsfall auf Grund der Eskalation im Osten und nimmt eine theoretische Invasion ins Baltikum als Beispielszenario. Nun geht es um Wehrdienst, Schutzräume, Warnsysteme und die Frage, wie der neue Alltag in Deutschland in diesem Ernstfall aussehen könnte.

Der sechste Abschnitt schließt den komplexen Themenkreis und kehrt zu diesem fiktiven Tag in der Zukunft zurück und zitiert als essenzielle Voraussetzungen für das Verhindern von Katastrophen im Ernstfall die Stärkung einer gesamtgesellschaftlichen Resilienz in Verbindung mit Vorsorge und Solidarität.

Fazit

Es ist das Anliegen der Autoren und der vielen befragen Experten, sachlich anhand von anschaulichen Beispielen aus unterschiedlichen Perspektiven die möglichen Auswirkungen auf uns alle aufzuzeigen. Hier wird keine Panik durch Fake-Informationen verbreitet, aber auch nicht beschönigend eine falsche Sicherheit zitiert. Dieses Buch fordert uns auf hinzuschauen und über diese Themen nachzudenken, denn eventuell auftretende Krisensituationen können nur mit einer gemeinsamen Anstrengung aller gemeistert werden. „Eine Einladung zum Nachdenken über den Ernstfall.“ (Zitat Pos. 55)
 

Mein Name ist Emilia del Valle – Isabel Allende

AutorIsabel Allende
VerlagSuhrkamp Verlag
Datum4. August 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten359
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinSvenja Becker
ISBN-13 978-3-518-43220-4

„Hier in diesem verwunschenen Ort im Süden von Chile liegen meine ältesten Wurzeln, die Wurzeln meiner Vorfahren, von Mapuche, Spaniern und Mestizen, und sie reichen tiefer als die meiner Mutter aus Irland oder die an meinem Geburtsort in Kalifornien. Nur so kann ich mir die unwiderstehliche Anziehung erklären, die dieser entlegene Landstrich am Fuß der Vulkane auf mich ausübt.“ (Zitat Seite 349)

Inhalt

An ihrem siebten Geburtstag, dem 14. April 1873, geht ihre Mutter Molly Walsh mit Emila zu einem Fotografen. Das Foto ist für Emilias leiblichen Vater bestimmt, Gonzalo Andrés del Valle aus einer angesehenen chilenischen Familie, der die junge Molly verführt hatte. Für Emila allerdings wird Francisco Claro, der ihre Mutter noch vor Emilias Geburt heiratet, immer ihr geliebter Papo bleiben. Die wissbegierige, selbstbewusste Emilia wächst in einem Einwandererviertel von San Francisco auf. Sie spricht Englisch und Spanisch. Schon früh beginnt sie zu schreiben, mit siebzehn Jahren veröffentlicht sie mit Erfolg spannende Heftchenromane, allerdings unter einem männlichen Pseudonym. Kurz vor ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag wird sie die erste Reporterin für die Zeitung Examiner. Als Chile Anfang des Jahres 1891 vor dem Beginn eines Bürgerkrieges steht, setzt sie sich bei der Zeitung durch und wird als Kriegsberichterstatterin nach Chile geschickt, zusammen mit ihrem jungen Kollegen Eric Whelan. Emilia hat nicht vor, sich hinter den Fronten zu verstecken, wie immer ist es ihr wichtig, für ihre Reportagen direkt im Geschehen mit den Menschen zu sprechen, mitten in dieser grausamen, blutigen Auseinandersetzung. Diese Erfahrungen und auch die Einblicke in das Land Chile, das Kennenlernen des ihr bisher unbekannten Mannes, der ihr Vater ist und ihrer chilenischen Wurzeln, verändern und prägen sie. Sie beginnt, ihre Geschichte aufzuschreiben.

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses historischen Romans, der im 19. Jahrhundert spielt, steht mit Emilia del Valle eine freiheitsliebende, außergewöhnliche junge Frau, die sich den gesellschaftlichen Regeln ihrer Zeit widersetzt und ihren eigenen Weg geht. Gleichzeitig handelt dieser Roman von Chile, von den dort lebenden Menschen und der politischen Situation, die zu den blutigen Auseinandersetzungen des Jahres 1891 führt, von diesem Bürgerkrieg und den direkten Folgen.

Erzählform und Sprache

Emilia del Valle schreibt ihre Eindrücke und Erlebnisse chronologisch als Erinnerungen auf, bis sich daraus schließlich die ganze Geschichte ergibt. Daher ist die Erzählform die erste Person und dies bedeutet, dass wir die Ereignisse mit Emilas Augen sehen, verstärkt durch ihre Beobachtungen, Gedanken und Gefühle. Ihre Schilderungen der beeindruckenden Natur und des Umfeldes ergeben ein lebhaftes Bild Chiles zu dieser Zeit. Gleichzeitig setzt Isabel Allende gekonnt wiederholt entsprechende Reportagen Emilias ein, um zusätzliche Informationen und Details in journalistischer Form einzuflechten. Dies bringt sprachliche Facetten in den packenden, interessanten Stoff mit für mich neuem Wissen und Fakten, da ich bisher wenig über das Land und nichts über diesen dramatischen Bürgerkrieg und die realen Umstände wusste. Getragen wird die Handlung auch durch die unterschiedlichen Figuren, fiktive und einige reale Persönlichkeiten, die detailliert und lebensnah beschrieben werden.

Fazit

Ein sehr vielseitiger, eindrücklicher, bemerkenswerter Roman, spannendes Lesevergnügen von der ersten bis zur letzten Seite. Für mich eine weitere Bestätigung, warum Isabel Allende seit vielen Jahren eine meiner Lieblingsschriftstellerinnen ist.
 

Alle meine Meere – Laia Aguilar

Autor Laia Aguilar
VerlagThiele & Brandstätter
Datum21. August 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3851795806

„Am Ende ging man davon aus, dass Julieta ertrunken und ihre Leiche ins offene Meer hinausgetrieben worden war. In ihrer Familie wurde nie mehr über den Vorfall gesprochen.“ (Zitat Pos. 33)

Inhalt

Greta ist elf Jahre alt, als sie und ihre vier Jahre jüngere Schwester Julieta mit anderen Kindern am Strand spielen, auf Formentera, wo sie jeden Sommer verbringen. Greta kommt auf die Idee, mit Julieta nach dem verschollenen Schatz der Piraten zu suchen, von dem ihnen ihre Großmutter Matilde schon oft erzählt hat. Plötzlich ändert sich das Wetter dramatisch und dann sitzt Greta allein am Strand, ihre Schwester Julieta bleibt trotz einer sofortigen, großen Suchaktion verschwunden. Seit zwanzig Jahren ist Greta nicht mehr auf Formentera gewesen, doch die Ereignisse von damals sind immer noch tief in ihren Gedanken verwurzelt. Nun ist sie zurück auf der Insel, denn ihre Großmutter Matilde, inzwischen über neunzig Jahre alt, ist schwer krank. Auch Gretas Mutter Helene ist zurückgekommen, und die beiden Frauen kümmern sich abwechselnd um Matilde, gehen einander jedoch konsequent aus dem Weg. Das Schweigen zwischen ihnen dauert schon viele Jahre lang an, wird es Matilde gelingen, dass sie wieder miteinander reden? Kann Greta endlich mit den Ereignissen von damals abschließen?

Thema und Genre

In diesem Familienroman geht es um Verlust, Schuld, Geheimnisse, Schweigen. Weitere Themen sind die Insel Formentera und die alten Legenden und Mythen dieser Insel.

Erzählform und Sprache

Die aktuelle Handlung wird von den drei Hauptfiguren Greta, Helena und Matilde abwechselnd erzählt und der Ablauf ist chronologisch. Damit verbunden sind die unterschiedlichen Erinnerungen der Frauen, Gedankenströme und die damit verbundenen Gefühle, welche in diese Handlung einfließen. So ergibt sich langsam die Wahrheit hinter den damaligen Ereignissen, welche das Familiengefüge, besonders jedoch das Leben von Greta und Helena, für immer geprägt und verändert haben. Die alten Mythen von Formentera, die Geschichten über Meerjungfrauen, bringen Magie in die Handlung. Die Sprache entspricht dem Genre Unterhaltungsroman.

Fazit

Eine Familiengeschichte mit einer teilweise unglaubwürdigen Handlung und einem ebenso nur schwer nachvollziehbaren Verhalten der Hauptfiguren, die Schilderungen des sturen Schweigens zwischen Mutter und Tochter wiederholen sich mehrmals. Formentera und magische Momente wiegen für mich diese Mängel nicht auf. Ich bin jedoch sicher, dass dieser preisgekrönte Roman auch in dieser deutschen Übersetzung viele begeisterte Leserinnen finden wird.

Die Holländerinnen – Dorothee Elmiger

AutorDorothee Elmiger
VerlagCarl Hanser Verlag
Datum19. August 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3446282988

„Man müsse dies alles, sagt sie, im Kontext der Holländerinnen betrachten, man müsse alles, war nun folge, den Terror der Nächte, die schonungslosen Tage, vor dem Hintergrund dieser Geschichte verstehen, die der Theatermacher für sein Stück noch einmal hervorgeholt und ans Licht geschleift habe, weil er darin, so seine Erklärung, etwas in Bilder gefasst oder in diesen Bildern enthüllt finde, das er aber nicht sagen könne, das sich grundsätzlich nicht sagen lasse, das letzte Reale vielleicht, mit Lacan gesprochen, das Angst-objekt per excellence.“ (Zitat Pos. 415)

Inhalt

„Sie“ ist eine bekannte Schriftstellerin und wurde eingeladen, einen Vortrag über ihre Arbeit und ihre Texte zu halten. Doch stattdessen spricht sie nur über ihren letzten Text, einen Text, den sie nie fertiggestellt hat. Es ist drei Jahre her, seit sie den Anruf eines Theatermachers erhalten hatte, der gerade ein neues Stück vorbereitet, die Rekonstruktion eines tragischen Falls. Sie soll als Protokollantin alle Vorkommnisse und Ereignisse in einem Text festhalten, aus dem später das Drehbuch entstehen wird. Eine Reise, bei der sie sich von Beginn an unbehaglich fühlt. Einfache, etwas verwitterte Bungalows an einem abgelegenen, einsamen Küstenstreifen am Pazifik, in Südamerika irgendwo zwischen den Wendekreisen, und ein Pfad in den Urwald, auf dem vor einiger Zeit zwei Holländerinnen auf einer Wanderung spurlos verschwunden sind. Diesem Pfad will der Theatermacher mit seiner Gruppe folgen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Verstrickungen, Verbindungen, Beziehungen, und um die scheinbaren Zufälle im Leben. Themen sind Psychologie, Philosophie, der Mensch und die unberechenbare, wilde Natur und die damit verbundenen Urängste. 

Erzählform und Sprache

Die Schriftstellerin spricht bei einer Fachtagung als Vortragende über die Ereignisse auf dieser besonderen Reise, in der Ich-Form und durchgehend in der indirekten Rede. Ihre Unterlagen sind zahlreiche Notizen, Fragmente und Aufzeichnungen. Der Ablauf der chronologischen Handlung wird getragen von den Erinnerungen und damit verbundenen Gefühlen der Schriftstellerin, die Schilderung der eigenartigen Stimmung, dazu Geschichten, die ihr von anderen Mitgliedern dieser Gruppe um den Theatermacher erzählt werden und vertiefende fachliche und philosophische Erklärungen des Theatermachers selbst. Das allem zugrunde liegende Verschwinden der beiden Holländerinnen steht im Mittelpunkt der täglichen Gespräche der Gruppe und wird so weit als möglich durch Nachforschungen recherchiert. Was diese an sich klare Handlung so besonders macht, ist die in den Beobachtungen der Schriftstellerin manchmal unerklärbar zerfließende Realität, Splitterbilder anderer Bewusstseinsebenen, und im Hintergrund eine nicht definierbare Gefahr aus dem Urwald, ein subtiles Unbehagen, besonders während der dunklen Nächte.

Fazit

Dieser Roman ist in meinen Augen eine sehr moderne, eigenwillige und durch die Themenvielfalt facettenreiche Version des klassischen englischen Schauerromans. Teilweise unerklärbare Ereignisse, verbunden mit einem steten, beklemmenden Gefühl einer drohenden Gefahr werden später von jemandem, der dies selbst erlebt hat, erzählt. Keine einfache Lektüre, aber das sind die Romane von Dorothee Elmiger nie, aber es lohnt sich auch bei diesem neuesten Roman, sich die Zeit für diese vielschichtige Gegenwartsliteratur zu nehmen.

Die Abende in der Buchhandlung Morisaki – Satoshi Yagisawa

AutorSatoshi Yagisawa
VerlagInsel Verlag
Datum13. Oktober 2024
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten253
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinCharlotte Scheurer
ISBN-13978-3458644514

„Das Antiquariat Morisaki. Seit meiner Zeit hier war dieser Ort voll und ganz ein Teil meines Alltags geworden. Ein bescheidener Laden voller kleiner Geschichten.“ (Zitat Seite 14)

Inhalt

Auch drei Jahre nachdem sie zum ersten Mal die Buchhandlung ihres Onkels Satoru Morisaki betreten hatte, ist Takako nach wie vor begeistert von diesem besonderen Ort und dem ebenso besonderen Viertel, in dem das Antiquariat liegt. So besucht sie ihren Onkel und Tante Momoko so oft als möglich, und ist immer wieder neugierig, welche Kunden sie gerade antreffen wird, vielleicht Stammkunden, die sie aus ihrer Zeit in der Buchhandlung kennt. Außerdem schreibt ihr Freund Wada an einem Roman, in dessen Mittelpunkt die Buchhandlung stehen soll. Als Momokos Krankheit zurückkommt, ist es für Takako klar, dass sie frei nimmt und ihren Onkel nicht nur im Laden unterstützt.

Thema und Genre

In diesem zweiten Band der Kurzserie „Bücherliebe in Tokio“ geht es wieder um die Buchhandlung Morisaki, um Literatur, Schriftsteller, die Kraft der Bücher in schwierigen Zeiten des Verlusts und der Trauer, um Familie, Zusammenhalt, Freundschaft und Liebe.

Erzählform und Sprache

Auch diesmal erzählt die junge Takako die Geschichte. Diese Ich-Form erlaubt besonders intensive Schilderungen des Umfelds in diesem legendären Bücherviertel von Tokio und die persönlichen Eindrücke und Beobachtungen dazu. Sofort finden wir uns in Gedanken in dieser besonderen kleinen antiquarischen Buchhandlung wieder, umgeben von Büchern und literaturbegeisterten Menschen mit ihren Eigenheiten, ihren kleinen und auch großen Sorgen. Die Handlung berührt, ohne kitschig zu sein. Die Sprache überzeugt durch ihre schnörkellose, leise, poetische Form.

Fazit

Ein Wohlfühlroman mit liebenswerten Figuren, Lebenssituationen zwischen Zukunft und Abschied, in der besonderen Atmosphäre einer Straße, die Literatur atmet, in der sich Antiquariat an Antiquariat reiht. Obwohl beide Bücher eine abgeschlossene Handlung umfassen, lohnt es sich in diesem Fall, zunächst den ersten Band zu lesen, auch wenn es im vorliegenden zweiten Bücherliebe in Tokio-Band kurze Hinweise auf die Vorgeschichte gibt. Dies umso mehr, als meiner Meinung nach dieses Buch nicht ganz an „Die Tage in der Buchhandlung Morisaki“ herankommt.

Deutscher Buchpreis Die Nominierten 2025

HerausgeberFachmagazin Börsenblatt
Datum19. August 2025
AusgabeTaschenbuch
Seiten144
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3-7657-3456-4

„Geschichten, die bewegen, irritieren, fordern und bereichern – mal leise, mal laut, aber stets mit dem Anspruch genauer hinzuschauen: auf gesellschaftliche Entwicklungen, persönliche Schicksale oder sprachliche Experimente.“ (Zitat Seite 6, Vorwort von Karin Schmidt-Friderichs)

Thema und Inhalt

Das Taschenbuch „Deutscher Buchpreis 2025. Die Nominierten“ enthält die Leseproben on jenen zwanzig Romanen, die 2025 für den Deutschen Buchpreis nominiert sind und die Longlist bilden, aus welcher in der Folge die Titel der Shortlist ausgewählt werden, die am 16. September 2025 veröffentlicht wird. Der aus dieser Shortlist ausgewählte Siegertitel wird am 13. Oktober 2025 anlässlich der Frankfurter Buchmesse präsentiert. Die zwanzig nominierten Werke wurden von einer Jury aus 229 von Verlagen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eingereichten Romanen ausgewählt.

Gestaltung

Die zwanzig Autoren und Autorinnen werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt, beginnend jeweils einem kurzen Lebenslauf mit dem schriftstellerischen Werdegang und einem Foto. Daran schließt die Leseprobe an. Ein Bild der Titelseite mit den Angaben über Verlag, Erscheinungsdatum, Seitenzahl und Preis schließt die Präsentation ab, die jeweils insgesamt 8 Seiten umfasst.

Fazit

In Buchhandlungen liegt dieses kleine Taschenbuch in gedruckter Form auf, doch es ist nicht in allen Buchhandlungen erhältlich und rasch vergriffen. NetGalley Deutschland stellt es in elektronische Form, herausgegeben vom „Börsenblatt“, kostenlos zum Download bereit, in dieser Form habe ich es gelesen. Leider wurde diesmal (im Gegensatz zu den Vorjahren) auf eine Beschreibung des Themas des jeweiligen Romans verzichtet. Die Leseprobe allein macht auf Grund der sehr komplexen und teilweise ähnlichen, oft autofiktionalen, Themen eine Entscheidung schwierig, ob man das jeweilige Buch lesen will. Hilfreich ist es, die einzelnen Romane in einer Online-Buchhandlung zu suchen, wo man dann auch den Inhalt nachlesen kann. Dennoch ist dieses Büchlein ein lesenswerter, interessanter Überblick über die nominierten Romane.

Südliche Autobahn – Julio Cortázar

AutorJulio Cortázar
VerlagSuhrkamp Verlag
Datum5. Juni 2019
AusgabeTaschenbuch
Seiten266
SpracheDeutsch
ÜbersetzerRudolf Wittkopf
Fritz Rudolf Fries
Wolfgang Promies
ISBN-13978-3518242278

„Nie wird man wissen, wie das erzählt werden muß, ob in der ersten Person oder in der zweiten, indem man sich der dritten Person des Plurals bedient oder fortwährend Formen erfindet, die sich dann als nicht brauchbar erweisen.“ (Zitat Seite 379)

Thema und Inhalt

Es sind Alltagsthemen und alltägliche Situationen, über die Julio Cortázar schreibt. In der Sammlung „Geschichten der Cronopien und Famen“ finden sich auch kurze Texte, die mit wenigen Worten auskommen und dennoch eine ganze Geschichte erzählen. Diese oft skurrilen Texte verpacken sehr gekonnt die Freude am Spielen mit der Sprache und Humor mit ernster Gesellschaftskritik. Im Abschnitt „Handbuch der Unterweisungen“ finden sich zum Beispiel Unterweisungen im Weinen, im Singen, im Uhrenaufziehen, im Treppensteigen, im Verständnis berühmter Gemälde. Es folgen „Sonderbare Beschäftigungen“ über den wechselvollen Tag einer Tageszeitung und über das Verhalten bei Beerdigungen, sowie über die vergeblichen Bemühungen eines Kamels für eine Einreisegenehmigung. Cronopien und Famen sind phantastische Wesen mit sehr unterschiedlichen Eigenheiten und Verhalten, und darüber lesen wir in den Geschichten, in deren Mittelpunkt sie stehen.

In der ersten Sammlung dieses Buches finden wir die für Julio Cortázar so typischen Erzählungen zwischen Realität und Phantasie. Die Erlebnisse der einzelnen Figuren beginnen mit gewöhnlichen Situationen, ein Brief von Mama, ein Theaterbesuch. Zunächst kaum zu bemerken, wenden sich die Ereignisse Satz um Satz in beklemmende, bedrohliche Empfindungen und jeder Versuch der Figur, einen Ausweg zu finden, steigert nur die Ausweglosigkeit, was ist noch Realität, was bereits nicht mehr zu erklären?

Völlig unterschiedlich dagegen sind die Erzählungen der letzten Sammlung dieses Bandes, die mit einer Geschichte über menschliches Verhalten zwischen Realität und Gedankenströmen während eines langen Staus auf der Autobahn vor Paris beginnt. Einige der weiteren Erzählungen sind geprägt von den Eindrücken jener Jahre, die der Schriftsteller in Buenos Aires verbracht hat, und befassen sich kritisch mit der politischen Situation in Argentinien. In dieser Sammlung finden sich auch beeindruckende Geschichten, in deren Mittelpunkt  die menschlichen Gefühle stehen und die Suche nach dem schmalen Pfad zwischen Realität und Einbildung. „Mehr als einmal habe ich das Gefühl gehabt, als setzte sich alles wie von selbst in Bewegung, als besänftigte sich alles, als wiche der Boden zurück, und widerstandslos war ich bereit, auf diese Weise von einer Sache zur anderen zu schreiten.“ (Zitat Seite 667, aus „Der andere Himmel“)

Gestaltung

Dieser zweite Band der kompletten Erzählungen umfasst die Sammlungen „Die geheimen Waffen“ aus dem Jahr 1959, die „Geschichten der Cronopien und Famen“ aus dem Jahr 1962 und „Das Feuer aller Feuer“ aus dem Jahr 1966 mit der titelgebenden Erzählung „Südliche Autobahn“. Die Reihenfolge der Erzählungen verläuft chronologisch und ist nach dem Erscheinungsdatum der Originalausgaben angeordnet.

Fazit

Eine spannende Mischung von unterschiedlichen Geschichten, die ihren Ausgangspunkt in alltäglichen Situationen haben und mit humorvollen, sehr skurrilen Momenten spielen, oder jedoch aus einer ebenfalls alltäglichen Situation rasch in sich immer mehr steigernde, bedrohliche Krisen führen, eine Spirale von der Realität in das Phantastische und zurück.

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki – Satoshi Yagisawa

AutorSatoshi Yagisawa
VerlagInsel Verlag
Datum15. April 2024
AusgabeTaschenbuch
Seiten189
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinUte Enders
ISBN-13978-3458683377

„Wenn es diese Zeit nicht gegeben hätte, wäre mein Leben jetzt eintönig grau. Deshalb werde ich es nie vergessen. Das Antiquariat Morisaki.“ (Zitat Seite 7)

Inhalt

An einem Freitagabend Mitte Juni teilt ihr Freund Hideaki ihr mit, dass er heiratet, aber nicht sie, und Takako versinkt in tiefe Traurigkeit. Da sie in derselben Firma arbeiten, kündigt sie. Müde verschläft die Fünfundzwanzigjährige die Tage in ihrer Wohnung, bis sie plötzlich einen Anruf erhält. Ihr exzentrischer Onkel Saturo, den sie seit zehn Jahren nicht gesehen hat, braucht Hilfe in seinem Antiquariat in dem berühmten Bücherviertel Jinbōchō. Wohnen könnte sie in der kleinen Wohnung direkt über der Buchhandlung. Obwohl sie absolut nicht begeistert ist, denn Bücher interessieren sie nicht, sagt sie zu. Eines Abends überredet Onkel Saturo sie zu einem Spaziergang und führt sie in sein Stammcafé. Die neuen Eindrücke führen für Takako zu einer schlaflosen Nacht. Umgeben von unzähligen Büchern, beginnt sie zu lesen – und damit verändert sich ihr Leben.

Thema und Genre

Dieser erste Band der zweiteiligen Serie „Bücherliebe in Tokio“, ist ein Roman des in Asien entstandenen „Healing-Fiction-Trend“. In diesen Büchern geht es um Menschen an einem Wendepunkt in ihrem Leben, Lebensphilosophie, Symbolik und manchmal auch etwas Magie.

Erzählform und Sprache

Takako, die Hauptfigur der Geschichte, erinnert sich als Ich-Erzählerin an diese Monate im Antiquariat Morisaki, an ihre damalige Lebenskrise und die darauf folgenden Veränderungen in ihrem Leben. Sie erzählt chronologisch. Die Handlung ist eine Mischung aus ihren Gefühlen und Gedanken, aus den Gesprächen mit ihrem Onkel, dessen Leben wir so ebenfalls kennenlernen, und den aktuellen Ereignissen während dieser Tage im berühmten Bücherviertel Tokios. Ihr Onkel ist ein Spezialist die japanischen Frühmoderne der Literatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und sie teilt mit uns ihre beginnende Leidenschaft für Bücher. Takako schildert aber auch ihre Eindrücke von diesem besonderen Viertel Tokios mit der Hauptstraße Yasukuni-dori, wo sich Buchgeschäft an Buchgeschäft reiht. Lebhaft beschreibt sie die Menschen, die sie kennenlernt und ihre Eigenheiten. Die Sprache entspricht dem Genre, erzählt leicht, leise und ist angenehm zu lesen. Konflikte und Probleme wie Verlust und Trennung, aber auch Themen wir Liebe, Freundschaft und Familie, sorgen für Tiefgang.

Fazit

Ein einfühlsamer, unterhaltsamer Wohlfühlroman, der in Tokios berühmtem Bücherviertel Jinbōchō spielt.

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