Die goldene Ananas – Dennis Kornblum

AutorDennis Kornblum
IllustrationDila Bayar
Verlag tredition
Erscheinungsdatum 8. Dezember 2020
FormatTaschenbuch
Seiten580
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3347122109

„Als er dieses Thema gedanklich einigermaßen zu seiner vorläufigen Zufriedenheit abgehakt hatte, schweiften seine Gedanken noch einmal zu dem, was Willi über die goldene Ananas gesagt hatte, eine ziemlich merkwürdige Metapher, die Elias zuvor noch niemals gehört hatte.“ (Zitat Pos. 1647)

Inhalt

Elias ist sechsundzwanzig Jahre alt, spielt Gitarre und kennt sich mit allen Varianten der Musikrichtung Death Metal aus. Seine bisherigen Umzüge führten ihn vom Elternhaus in ein Übergangs-Wohnheim, ein weiteres Wohnheim und jetzt bezieht er seine erste eigene Wohnung in einem Mehrparteienhaus. Einerseits freut er sich darauf, andererseits hat er Sorge, dass vielleicht sein genauer Tagesablauf gestört wird. Doch rasch lernt er die anderen Bewohner des Hauses kennen. Sie akzeptieren seine Eigenheiten, aber ermuntern ihn zu weiteren Schritten. Besonders der ältere Schreiner Willi kümmert sich um ihn. Im Juni ist er eingezogen und als es Herbst wird, ist er überrascht, was sich in einem halben Jahr alles verändert hat, nicht nur in seinem Leben.

Thema und Genre

In diesem Entwicklungsroman mit autobiografischem Hintergrund geht es um Ereignisse, die das Leben des Hauptprotagonisten, ein junger Mann mit Asperger-Syndrom, entscheidend prägen.

Charaktere

Elias ist ein guter und sehr genauer Beobachter, nicht nur seine persönlichen Eindrücke betreffend, einfühlsam blickt er auch hinter die gesellschaftliche Fassade seiner Mitmenschen und erkennt ihre Probleme. Sein Tagesablauf ist genau eingeteilt und täglich gleich. Abweichungen sind für ihn sehr unangenehm und machen ihn nervös.

Handlung und Schreibstil

Durch den autobiografischen Hintergrund der Geschichte, geschrieben in der personalen Erzählform mit Elias im Mittelpunkt, erhält man beim Lesen sehr interessante und wichtige Einblicke in das Leben von Menschen mit dem Asperger-Syndrom, die damit verbundenen Ängste, Zwänge und Unsicherheiten. Die Ereignisse während dieser Monate erklären nachvollziehbar wesentlich mehr, als jeder medizinische Bericht. Die absolute Ehrlichkeit macht Elias sympathisch und die Frage, ob es ihm gelingen wird, sich neuen Herausforderungen zu stellen, sorgt für Spannung.

Fazit

Eine Geschichte über die unterschiedlichen Bewohner eines Wohnhauses und eine Katze, in deren Mittelpunkt der neu eingezogene Mieter Elias steht, ein junger Mann, dessen Tage nach einem strengen Muster und immer gleich ablaufen müssen, damit er sich wohl fühlt. Bis er beginnt, sich selbst Ausnahmen aus der täglichen Routine zu erlauben und sein Einsatz nicht mehr nur für die goldenen Ananas ist. Ein eindrücklicher, überaus positiver Roman.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Band 8: Im Schatten junger Mädchenblüte 2 – Stéphane Heuet

AutorStéphane Heuet
Graphic Novel nachMarcel Proust
Verlag Knesebeck
Erscheinungsdatum 14. Juni 2011
FormatGebundene Ausgabe
Seiten48
SpracheDeutsch
ÜbersetzerKai Wilksen
ISBN-13978-3868732634

„Natürlich hatte er in seinem Atelier fast nur hier in Balbec gemalte Seestücke. Ich konnte in ihnen jedoch erkennen, dass der Reiz eines jeden von ihnen in einer Art Metamorphose der dargestellten Dinge bestand, entsprechend derjenigen, die in der Poesie als Metapher bezeichnet wird.“ (Zitat Seite 15)

Inhalt

In diesem zweiten Teil beobachtet der junge, schwärmerische Marcel täglich aus der Ferne eine Gruppe von Mädchen und überlegt, wer sie wohl sein mögen und wie er ihre Bekanntschaft machen könnte. Beinahe hätte er deswegen auch die Einladung des Malers Elstir, ihn im Atelier zu besuchen, nicht angenommen, was nicht nur wegen der Gespräche mit dem Künstler schade gewesen wäre, denn dort trifft er völlig überraschend auf Albertine Simonet und macht endlich ihre Bekanntschaft. Dann lernt er auch alle ihre Freundinnen kennen und verbringt nun jeden Tag mit den Mädchen, bis mit Kälte und Nässe der Herbst beginnt und alle Gäste abreisen.

Thema

1998 begann der französische Autor und Zeichner Stéphane Heuet, fasziniert vom Originalwerk von Marcel Proust, an einer Comic-Adaption zu arbeiten. Inzwischen liegen acht Bücher auch in einer deutschen Ausgabe vor.

Umsetzung

Diese Graphic Novel orientiert sich an Band 2 „Im Schatten junger Mädchenblüte“ des Werkes „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust. Es ist das siebente bisher in deutscher Sprache erschienene Buch der Graphic Novel Serie und Stéphane Heuet entwirft in seiner malerischen Umsetzung der sorgfältig ausgewählten Szenen ein großartiges Bild dieser Zeit. Das Leben in den Seebädern, die vielfältigen gesellschaftlichen Vergnügungen, Sport, Spiele, Ausflüge werden in den Zeichnungen lebendig. Der Besuch im Atelier des Malers Elstir schildert die Entstehung bekannter Gemälde des Impressionismus. Auch die Textpassagen schwelgen poetisch wie das Originalwerk.

Fazit

Dieser achte Band der Graphic Novel nach „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust führt uns mit seinen Illustrationen und Textausschnitten direkt in den lebhaften, unbeschwerten Sommer des gesellschaftlichen Strandlebens am Meer, mit kulturellen Veranstaltungen, Einladungen, Ausflügen, und wir sehen den jungen, verliebten Marcel inmitten einer Gruppe von fröhlichen Mädchen.

Der Himmel ist hier weiter als anderswo – Valerie Pauling

AutorValerie Pauling
Verlag HarperCollins
Erscheinungsdatum 25. Mai 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3749901043

„Fee dachte auf einmal, dass sie gern an ihrer Stelle wäre, befreit von den Vorgaben eines Orchesters, von Druck und Hierarchie und frei von der Vergangenheit.“ (Zitat Seite 117)

Inhalt

Felicitas „Fee“ ist eine Künstlerin auf ihrer Geige. Dann stirbt ihr Mann Jan, erst neununddreißig Jahre alt, zu Hause an einem Herzinfarkt, während sie ihren Solopart in einem Konzert spielt. Traumatisiert kann sie nicht mehr Geige spielen und auch zwei Jahre später verharrt sie noch in ihrer Trauer. Als sie ihren Job als Musiklehrerin verliert und gleichzeitig ihre Wohnung in Hannover gekündigt wird, trifft sie eine Entscheidung. Sie kauft ein großes, altes Haus, umgeben von einem weiten, verwilderten Grundstück, und zieht mit ihren vier Kindern nach Kirchenfleth in der Nähe von Hamburg, im Alten Land. Früher war das Haus ein Gasthof und so hat ihre vierzehnjährige Tochter Rieke die Idee, wieder Ausfluggäste zu bewirten. Denn es stehen wichtige Reparaturen an und Fee hat ihre finanziellen Rücklagen aufgebraucht. Nach einem gefährlichen Zwischenfall im Garten stürzen sich die Sozialen Medien und die Zeitungen auf die Geschichte, und obwohl alles gut gegangen ist, schildern sie Horrorszenarien und das ist das Ende des „Jardin de menthe“. Soll sie aufgeben und das Haus an den örtlichen Bauunternehmer und Investor verkaufen, der schon seit Jahren an dieser Immobilie interessiert ist?

Thema und Genre

Dieser Roman spielt im Alten Land, es geht um das Leben in einer Dorfgemeinschaft auf dem Land, den Jahreslauf in der Natur, Umwelt, Nachhaltigkeit. Kernthemen sind Familie, Trauer, Traumata, doch die Geschichte handelt auch von Freundschaft, Zusammenhalt, Entscheidungen, Aufbruch, dem Mut, neue Wege zu gehen.

Charaktere

Die Geigerin Felicitas tut alles für ihre Kinder und übersieht, dass sie mit ihrer an Egoismus grenzenden Trauer, die sie und ihr Leben steuert, auch die Kinder blockiert, für die das Leben weitergehen sollte. Sie will alles richtig machen, trifft die Entscheidungen allein, ist aber für ihr Alter erstaunlich vertrauensselig und naiv. Sie will das Beste für ihre Kinder, überfordert sie aber gleichzeitig. Eine zögerliche Figur, die manchmal nicht nur ihre Kinder, sondern auch uns Leserinnen nervt. Liebenswert sind dagegen die Kinder, die dem jeweiligen Alter entsprechend authentisch beschrieben sind und die Handlung beleben.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt im Lauf eines Jahres und ist in die Abschnitte Frühjahr, Sommer, Herbst, … Und wieder Frühjahr gegliedert, diese in einzelne Kapitel. Im Mittelpunkt der Handlung steht Felicitas. Die Ereignisse werden ergänzt durch interessante Schilderungen der dörflichen Gemeinschaft, beeindruckende Beschreibungen der Schönheit der Landschaft und Natur, dieser Weite, die langsam auch die Gedanken lösen und befreien kann. Natürlich spielt auch die Musik eine wichtige Rolle und ein Roman wie dieser kommt nicht ohne Gefühle und Liebe aus.

Fazit

Ein unterhaltsam zu lesender Roman über Verlust, Trauer, ein lebhaftes Familienleben, Aufbruch und Neubeginn. Das Alte Land als Ort der Handlung lädt zum Träumen ein.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Band 7: Im Schatten junger Mädchenblüte 1 – Stéphane Heuet

AutorStéphane Heuet
Graphic Novel nachMarcel Proust
Verlag Knesebeck
Erscheinungsdatum 3. März 2011
FormatGebundene Ausgabe
Seiten48
SpracheDeutsch
ÜbersetzerKai Wilksen
ISBN-13978-3868732627

„Ich war nicht alt genug und noch zu empfindsam, als dass ich schon auf das Verlangen hätte verzichten können, anderen zu gefallen und sie für mich zu gewinnen. Ich besaß nicht die noblere Gleichgültigkeit eines Mannes von Welt gegenüber den Personen im Speisesaal oder den jungen Herren und Damen auf der Strandpromenade …“ (Zitat Seite 13)

Inhalt

Um Marcels durch Asthma angegriffenen Gesundheit zu verbessern, fährt seine Großmutter mit ihm auf Sommerfrische in das Seebad Balbec. Endlich kann er im Ort Balbec selbst die Kirche besichtigen, von der ihm Swann erzählt hatte. Sie wohnen im Grand-Hotel von Balbec direkt am Meer und ordnen sich in den Tagesablauf der gesellschaftlichen Unterhaltungen, Ausflüge und gegenseitigen Einladungen ein.

Thema und Genre

1998 begann der französische Autor und Zeichner Stéphane Heuet, fasziniert vom Originalwerk von Marcel Proust, an einer Comic-Adaption zu arbeiten. Inzwischen liegen sieben Bücher auch in einer deutschen Ausgabe vor.

Umsetzung

Diese Graphic Novel orientiert sich an Band 2 „Im Schatten junger Mädchenblüte“ des Werkes „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust. Stéphane Heuet wählt bewusst die beiden wichtigsten Themen aus dem literarischen Vorbild aus, einerseits die impressionistischen Stimmungen des Meeres und der Landschaft des Seebades Balbec, andererseits die genauen, interessierten Beobachtungen des jungen Marcel. Detailliert wird das Verhalten der einzelnen Personen im Rahmen der strengen gesellschaftlichen Normen geschildert, die Mahlzeiten im Hotel, die Einladungen und der Tratsch. Bei diesen belebten Szenen mit vielen Figuren bleibt Stéphane Heuet dem Stil der Ligne claire treu.

Fazit

Dieser siebente Band der Graphic Novel nach „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust macht besonders durch seine Authentizität, die Vielfalt der Themen und Zeichnungen Spaß, da es immer wieder neue Details zu entdecken gibt.

So offen die Welt: Neue Gedichte – Ulla Hahn

AutorUlla Hahn
Verlag Deutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsdatum 10. August 2004
FormatGebundene Ausgabe
Seiten104
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3421058164

„Noch müssen wir es / einander nicht antun / dieses eine einzige / Nimmermehr / Wenn nur eines / meins oder deines / weiterschlägt“ (Zitat aus „Ruhig“, Seite 25)

Inhalt

Neue Gedichte, in vier übergeordnete Kapitel eingeteilt, die jeweils sechzehn bis einundzwanzig Gedichte enthalten.

Themen und Sprache

Themen des ersten Kapitels sind Liebe, Ehe, zeitlose Gefühle und Erinnerungen, Sehnsucht, auch hier beginnt in manchen Zeilen schon die Vorahnung des Alterns, leise Gedanken an Abschied schwingen mit.

Im zweiten Kapitel geht es vor allem um die Sprache, darum, Gedanken in Worte zu fassen, das Schreiben, eine Lesung und Geschichten.

Im dritten Kapitel schwingen mit den Gedanken zum Älterwerden auch die Beobachtungen des Lebenslaufes mit, Wehmut und Veränderungen. „Ja früher“, „Altern lernen“.

Im vierten Kapitel finden sich Texte und Gedanken, die ein kritisches Resümee ziehen über aktuelle Themen unserer Zeit „That’s life.

Immer wieder verbinden sich die Gedanken aus dem Leben und die eigenen damit verbundenen Erfahrungen mit Beobachtungen in der Natur, im ersten Teil ist es der Frühling, im zweiten Teil der Sommer, im dritten Teil lesen wir über einen „Tag im Herbst“ und im vierten Teil schließlich findet sich ein Text über einen „Vogel im Winter“.

Die Sprache probiert immer Neues aus, mal darf sie sich ganz traditionell reimen, dann wieder überrascht sie mit scheinbar willkürlich gesetzten Umbrüchen, lässt Satz- und Gedankenfragmente durch den Text wirbeln, spielt mit allen Möglichkeiten.

Fazit

Der vorliegende Gedichtband enthält Texte zwischen Lebensfreude, Erfahrung des Älterwerdens, Sehnsucht und Wehmut. In manchen Gedichten überwiegt die Neugier der Lyrikerin auszuloten, welche Möglichkeiten Sprache noch bieten kann, alles wird ausprobiert, und so unterliegen beim Lesen manchmal die Aussagen den kreativen Wortgefügen. „Alles fließt und Nichts an seinem Platz.“ (Zitat aus „Standort, Bestimmung“, Seite 68)

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Band 5: Im Schatten junger Mädchenblüte – Im Umkreis von Madame Swann Teil 1 – Stéphane Heuet

AutorStéphane Heuet
AutorMarcel Proust
Verlag Knesebeck
Erscheinungsdatum 8. April 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten48
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinAnja Kootz
ISBN-13978-3957284198

 „Meine Mutter jedoch verstand das sehr gut; sie wusste, dass ein großer Teil des Vergnügens, das eine Frau daran findet, in ein anderes Milieu als ihr bisheriges einzudringen, ihr abgehen würde, wenn sie nicht ihre alten Bekanntschaften von den verhältnismäßig glänzenden Beziehungen, die an ihre Stelle getreten sind, in Kenntnis setzen könnte.“ (Zitat Seite 41)

Inhalt

Marcel erinnert sich an seinen ersten Theaterbesuch. Mit seiner Großmutter sah er eine Aufführung mit der berühmten Schauspielerin Mme Berma als Phädra. Im Mittelpunkt dieses fünften Buches der Umsetzung des Werkes von Proust als Graphic Novel steht jedoch der kultivierte Herr Swann, der frühere Freund von Marcels Eltern, der durch seine Ehe mit Odette auf seinen gesellschaftlichen Status verzichtet hatte und vor allem das Mädchen Gilberte, die Tochter des Paares. Denn Marcel ist in Gilberte verliebt. Auch die gesellschaftspolitischen Schwerpunkte, die der junge Marcel sehr genau beobachtet und den vielen Gesprächen mit seinen Eltern und deren Gästen entnimmt, sind hier grafisch und textlich umgesetzt.

Thema

1998 begann der französische Autor und Zeichner Stéphane Heuet, fasziniert vom Originalwerk von Marcel Proust, an einer Comic-Adaption zu arbeiten. Inzwischen liegen sieben Bücher auch in einer deutschen Ausgabe vor.

Umsetzung

Diese Graphic Novel orientiert sich an den Bänden 1 und 2 des Werkes „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust. Auch in dieser Graphic Novel überzeugt Stéphane Heuet durch die Auswahl der Themen und Szenen und gibt es ein interessantes  Zeitbild der gehobenen Gesellschaft des Fin de siècle in Frankreich. Der Stil der Zeichnungen passt in diese Zeit, die Vorbilder sind die Impressionisten, vor allem die Sammlungen des Musée d’Orsay, die jedoch im Stil der Ligne claire umgesetzt werden.

Fazit

Auch dieser fünfte Band der Graphic Novel nach „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust macht viel Freude und überzeugt.

Viktor – Judith Fanto

AutorJudith Fanto
Verlag Verlag Urachhaus
Erscheinungsdatum 18. Mai 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten415
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinEva Schweikart
ISBN-13978-3825152574

„Tief in mir keimte die Hoffnung, dass ich durch ein Missverständnis – auf welche Weise auch immer – im falschen Leben gelandet war und dass mein eigentliches, mein echtes Leben irgendwo unberührt geduldig auf mich wartete.“ (Zitat Seite 73)

Inhalt

Geertje van den Berg studiert 1994 in Nimwegen Jura. Obwohl ihre Mutter Pauline aus einer wohlhabenden wienerisch-jüdischen Familie stammt, werden in der Familie keine jüdischen Traditionen mehr gepflegt. Für Geertje bedeutet dieses bewusste Verheimlichen des Judentums einen Konflikt, denn sie fühlt sich nicht als Geertje. Andererseits kennt sie auch ihre Wurzeln nicht, die Vergangenheit ihrer Familie, in der es einige sehr gut gehütete Geheimnisse gibt, über die nie gesprochen wird. Geertje ändert bewusst ihren Vornamen in Judith und begibt sich auf die Suche, die sie zurückführt in die Stadt Wien nach dem ersten Weltkrieg, wo ihr Großvater aufgewachsen ist, und besonders zu seinem geheimnisvollen, unkonventionellen Bruder Viktor.

Thema und Genre

In diesem Generationenroman geht es um die Nachkommen einer wohlhabenden jüdischen Wiener Familie, um die Schuldgefühle jener jüdischen Menschen, die überlebt haben, ihr Schweigen und die sich aus diesem Schweigen ergebenden Identitätsprobleme der heutigen Generation. Ein sehr interessantes Thema, das in dieser Form selten so eindrücklich geschildert wird.

Charaktere

Die einzelnen Personen der Handlung, die Mitglieder der Familie Rosenbaum und ihre Nachkommen, sind mit Humor und großem Einfühlungsvermögen für ihre Eigenheiten und ihre Verhaltensweisen beschrieben.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte der Familie wird in zwei Handlungssträngen erzählt, die einander abwechseln. Geertje-Judith schildert als Ich-Erzählerin ihr Leben im Jahr 1994, ihre Familie, ihr Studium in Nimhagen und ihre Recherchen. Parallel dazu erfahren wir die Geschichte ihrer Vorfahren in Wien, beginnend im Jahr 1914, bis zur Flucht von Geertje-Judiths Großeltern Felix und Trude im Jahr 1939 nach Belgien. Notizen über spätere Ereignisse schließen diesen historischen Teil ab, in dessen personalem Mittelpunkt Viktor steht, der Bruder von Felix. Die Sprache erzählt packend und die Handlung und Personen haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Besonders beeindruckt mich die Mischung aus Ernst, Tiefgang und gleichzeitig lebhafter Leichtigkeit, mit der diese Geschichte geschrieben ist.

Fazit

Ein großartiger Familienroman mit einer interessanten Problematik, klug, eindrücklich und humorvoll. 

Das Haus der Winde: Asta Nielsen und ein Sommer auf Hiddensee – Sylvia Frank

AutorSylvia Frank
Verlag Rütten & Loening
Erscheinungsdatum 15. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten328
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3352009570

 „Sie schloss für einen Moment die Augen und spürte dem Windhauch nach, der direkt von der See herüberwehte und sich auf ihre erhitze Haut legte. Er brachte Kunde von den Verlockungen, die der Sommer auf Hiddensee in den nächsten Wochen für sie bereithalten würde.“ (Zitat Seite 67)

Inhalt

Am 3. Juni 1934 ist Asta Nielsen zusammen mit ihrer Schwester Johanne auf dem Weg auf die Insel Hiddensee. Gerade hat sie sich nach mehr als zehn Jahren von ihrem Lebensgefährten, dem Schauspieler Grigori Chmara, getrennt. Sie will sich in ihr gemütliches Haus Karusel zurückziehen und zur Ruhe kommen, einfach den Inselsommer genießen. In Stralsund, knapp vor der Abfahrt des Dampfers, trifft sie Kai Henning zum ersten Mal. Kurze Zeit später haben sie und Johanne einen Bootsunfall und werden von Fischern gerettet. Einer von Ihnen ist Kai Henning, Fischer und Tischler. Sie verlieben sich, doch sie leben in unterschiedlichen Welten. Kann diese Liebe eine Zukunft haben?

Thema und Genre

In diesem Frauenroman geht es um Asta Nielsen, das Leben auf Hiddensee, die politische Situation 1934 und natürlich um die Liebe

Charaktere

Einige Personen in diesem Roman sind real, andere fiktiv. Die berühmte Stummfilmdiva und Schauspielerin Asta Nielsen, eine selbstbewusste, leidenschaftliche und empathische Frau, wird in diesem Roman sehr gut und authentisch beschrieben.

Handlung und Schreibstil

Die personale Erzählform stellt Asta Nielsen in den Mittelpunkt. Die Handlung findet im Sommer 1934 statt, beginnt mit einem Rückblick auf die Kindheit von Asta Nielsen als Prolog, und einem kurzen ersten Kapitel in Berlin. Die eigentliche Geschichte spielt dann auf der Insel Hiddensee, wobei der Schwerpunkt auf den Personen, dem gesellschaftlichen Leben und der Liebesgeschichte liegt. Leider kommen die einzigartige Schönheit und Flair der Insel Hiddensee dabei etwas zu kurz, andererseits schildert das Autorenteam Alltägliches sehr ausführlich, so wird zum Beispiel eine halbe Seite lang beschrieben, wir man Sonnenblumen hochbindet. Daneben erfahren wir aber auch sehr interessante Details über die Fischereitechnik in dieser Zeit und das Leben der Menschen auf Hiddensee.

Die Sprache ist einfach, leicht zu lesen, gleitet leider öfter ins Rührselige ab.

Fazit

Eine ambitionierte, ansprechende Idee für eine Geschichte, die eine elegantere Umsetzung verdient hätte.

Sturmvögel – Manuela Golz

AutorManuela Golz
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 17. Mai 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832181376

„Sie hatte nichts Besonderes getan, um alt zu werden. Sie hatte einfach nur gelebt und immer versucht, sich selber treu zu bleiben. (Zitat Position 2045)

Inhalt

Emmy Seidlitz stammt aus sehr einfachen, armen Verhältnissen. Sie wäre gerne länger in die Schule gegangen, aber schon zu Beginn des Ersten Weltkrieges wird sie wieder freigestellt, weil ihre Mithilfe zu Hause gebraucht wird. Mit vierzehn Jahren kommt sie als Dienstmädchen zu einer vermögenden Familie in Berlin-Charlottenburg. Dort lernt sie Hauke kennen, der trotz des großen Standesunterschiedes ihr Ehemann wird. Nun, 1994, sind ihre drei Kinder längst erwachsen, am 20. November wird Emmy siebenundachtzig Jahre alt und lebt ein einfaches, zufriedenes Leben. Hilde und Otto, die beiden älteren Kinder, entdecken inmitten des alten Gerümpels im Keller einen Aktenordner mit Dokumenten, welche Emmy als Besitzerin von Grundstücken in Potsdam ausweisen. Sie müssen dringend mit ihrer Mutter darüber reden, denn offensichtlich hat sie keine Ahnung, was diese Immobilien wert sind. Vielleicht ergibt sich an ihrem Geburtstag eine Gelegenheit?

Thema und Genre

In diesem Frauen- und Familienroman wird ein Frauenleben geschildert, welches vom Beginn des 20. Jahrhunderts, durch zwei Weltkriege und wechselvolle Zeiten, bis zum Ende des Jahrhunderts reicht. Es geht um Verlust, Familiengefüge und die Liebe.

Charaktere

Emmy ist humorvoll, vorlaut und eigenwillig, und hat sich trotz zweier Weltkriege ihre positive Lebenseinstellung bewahrt. Keksbrösel bedeuten für sie, dass es auch Kekse gegeben hat. Leider gleitet diese Hauptfigur teilweise ins Klischeehafte ab, auch alle weiteren Charaktere der Geschichte passen in unterschiedliche, aber zu gewollt typische Raster.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in mehreren Handlungssträngen erzählt, die einander abwechseln. Der aktuelle Erzählstrang umfasst einige Monate zwischen 1994 und 1995, die zweite Ebene erzählt das Leben Emmys in den Jahren 1911 bis 1945. Nicht immer halten die einzelnen Kapitel den Zeitablauf chronologisch ein und werden ergänzt durch Ereignisse in den Jahren 1974 und 1981. Jedes Kapitel trägt als Überschrift die jeweilige Zeitangabe, sodass es einfach ist, den Überblick zu behalten. Die gesamte Handlung bewegt sich im belletristischen Wohlfühlbereich und bleibt vorhersehbar. Auch die einfache Erzählsprache bringt keine Überraschungen. Auf Grund des Klappentextes hatte ich mehr erwartet.

Fazit

Ein leichter, positiver, manchmal etwas rührseliger Frauenroman, teilweise in die üblichen Klischees abgleitend, unterhaltsam zu lesen.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Band I: Combray – Stéphane Heuet

AutorStéphane Heuet, Marcel Proust
Verlag Knesebeck
Erscheinungsdatum 19. August 2010
FormatGebundene Ausgabe
Seiten72
SpracheDeutsch
ÜbersetzungKai Wilksen
ISBN-13978-3868732610

„Es ist verlorene Liebesmühe, unsere Vergangenheit heraufbeschwören zu wollen. Alle Anstrengungen unseres Geistes sind vergeblich, Sie verbirgt sich außerhalb seiner Reichweite, in irendeinem unvermuteten Gegenstand.“ (Zitat Seite 13)

Inhalt

Viele Jahre lang erinnert sich Marcel, wenn er nachts aufwacht und nachzudenken beginnt, nur an sein Zimmer in Combray, die abendlichen Rituale des Zu-Bett-Gehens. Bis er eines Tages seine Mutter besucht, ein Stückchen einer Madeleine in seinen Tee taucht und plötzlich kehren die Erinnerungen an seine Jugendzeit lebhaft und mit allen Gefühlen und Gerüchen zurück.

Thema

1998 begann der französische Autor und Zeichner Stéphane Heuet, fasziniert vom Originalwerk von Marcel Proust, an einer Comic-Adaption zu arbeiten. 2012 waren sechs Bände als Graphic Novel in französischer Sprache erschienen, die seit 2014 auch in einer deutschen Ausgabe vorliegen.

Umsetzung

Diese Graphic Novel orientiert sich an Band 1 des Werkes „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust. Durch seine Auswahl der für ihn wichtigen Kernszenen, die er textlich und zeichnerisch umsetzt, und auch den Aufbau der Bildfolgen, gelingt es Stéphane Heuet, die Stimmung des Originalwerkes einzufangen. In der berühmten Szene, als Marcel plötzlich durch den Geruch und dann Geschmack eines in Tee getauchten Stückchens einer Madeleine auch in die Erinnerungen an seine Kindheit eintaucht, fühlen auch wir uns sofort in diese besondere Situation versetzt. Der Stil der Zeichnungen erfasst die damalige Zeit bis in das kleinste Detail, ist gleichzeitig modern und einfühlsam und verbindet sich mit dem Text zu einer Einheit, die mich von der ersten Seite an begeistert hat.

Fazit

Eine sprachlich und zeichnerisch überzeugende, interessante und lebendige Umsetzung des Originaltextes, in deren Bildersprache man sofort eintaucht, immer wieder neue Details entdeckend. Für mich ist es gleichzeitig eine späte Anregung, mich doch noch auf das Originalwerk einzulassen, denn diese Graphic Novel macht auch neugierig.

Eine kurze Geschichte des Romans – Henry Russell

UntertitelEin Überblick über die wichtigsten Genres, Werke, Themen und Techniken
AutorHenry Russell
Verlag Laurence King Verlag
Erscheinungsdatum 25. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3962441760

„Das Buch, das Sie hier beginnen, in dem Sie schmökern, in das Sie hier und da eintauchen werden, ist ein Schnappschuss des Romans in Form einer Kurzgeschichte.“ (Zitat Vorwort Prof. Peter Boxall, Seite 6)

Thema und Inhalt

Dieses Buch ist ein Streifzug durch die Geschichte des Romans, am Beispiel von 67 ausgewählten Werken als besondere Beispiele zu der Vielfalt der unterschiedlichen Genres, Themen, Stil und Techniken. Der weite Zeitrahmen von eintausend Jahren beginnt mit „Die Geschichte vom Prinzen Genji“ von Murasaki Shikibu aus dem Jahr 1010, und endet mit „Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante, 2012.

Umsetzung

Die Einteilung in vier Teile ist präzise, logisch und sehr übersichtlich. Nach einer kurzen Einführung folgen die Kapitel GENRES, WERKE, THEMEN, TECHNIKEN, wobei die Werke den Hauptteil bilden. Jedem dieser Hauptkapitel ist ein Kreis mit einer bestimmten Farbe zugeordnet, der dann auch als Hinweis dient, worauf sich die Querverweise in den Fußzeilen beziehen. Das Buch endet mit einem Register, alphabetisch nach Autoren, dazu das oder die jeweils besprochenen Werke, immer mit Angabe der entsprechenden Seite, und einem Bildnachweis, denn es enthält im Kapitel WERKE zu jedem Buch eine meist farbige Abbildung des Covers und in den anderen Kapiteln finden sich Bilder der Autoren, entweder als Fotografie oder als Bild eines entsprechenden Gemäldes. 

In den Fußzeilen von jeder Seite finden sich Querverweise auf alle anderen Kapitel, immer mit Angabe der entsprechenden Seite, was dieses Buch auch zu einem sehr vielseitigen, rasch und praktisch einzusetzenden Nachschlagewerk macht.

Jeder vorgestellte Roman beginnt mit einem Infoteil mit Autor, Verlag, Sprache, Erscheinungsjahr, weitere wichtige Werke des Autors, Hintergrundinformationen zum Autor. Dann folgt eine Inhaltsangabe, jedoch selbstverständlich ohne zu viel zu verraten.

Im Kapitel Genres werden 36 unterschiedliche Genre besprochen, mit den entsprechenden Hauptvertretern unter den Schriftsteller:innen. Nach den im Hauptteil besprochenen 67 Werken, die sich unterhaltsam wie eine Sammlung von Kurzgeschichten lesen, beschäftigt sich das Kapitel Themen mit 24 Kernthemen, die oft in den Konflikten und Problematik von Romanen zu finden sind. Das Kapitel Techniken schließlich umfasst insgesamt 26 Abschnitte, beginnt mit Romananfängen und Romanenden und endet mit Überarbeitung.

Fazit

Dieses Handbuch wird man wohl zunächst mit großem Vergnügen von der ersten bis zur letzten Seite lesen. Man ist gespannt, welche der Bücher, die man schon gelesen hat, in dieser Auswahl von 67 Werken besprochen werden, andererseits wird man sicher angeregt, den einen oder anderen der vorgestellten Romane zu lesen, von dem man bisher noch nie gehört hatte. Die klare, übersichtliche Strukturierung mit den praktischen Querverweisen macht dieses Buch aber auch zu einem genialen Nachschlagewerk.

Wimpern und Asche: Gedichte – Mirko Bonné

AutorMirko Bonné
Verlag Schöffling & Co
Erscheinungsdatum 7. August 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten148
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895614095

„Jeder erwartet viel Besseres als Träume. / Such keinen Ausgang, finde den Eingang! (Zitat aus „Venceremos“, Seite 67)

Inhalt

Dieser Band enthält Gedichte, die in den letzten sechs Jahren vor dem Erscheinungsdatum entstanden sind, in insgesamt dreizehn Kapitel zusammengefasst, deren Überschrift sich immer als Aussage in einem der Gedichte des jeweiligen Kapitels wiederfindet. Nur das Kapitel „Wimpern und Asche“, das diesem Gedichtband auch den Namen gibt, umfasst ein einziges Gedicht.

Themen und Sprache

Die Themen umfassen alle Bereiche des Lebens, Gedanken, Gefühle, Fragen und die Suche nach Antworten. Es sind oft kleine Situationen, die den Autor zu seinen Gedanken und Überlegungen anregen, die sich dann oft zu einer Geschichte weiten. Da besucht er zum Beispiel das New Yorker Metropolitan Museum und findet dort, am Fuße einer Statue der Aphrodite, ein Gecko, klein, blau, aus Gummi, unterhält sich mit ihm. Immer wieder geht es um die Schönheit der Natur in allen Jahreszeiten und darüber, wie wir Menschen sie zerstören. Das Gedicht, das diesem Gedichtband den Namen gibt, „Wimpern und Asche“, ist eine Gedankenreise in epischer Länge, von der Alster bei Hochwasser folgt der Text drei Plastikkanistern, die dort treiben, in die Elbe, in die Nordsee, verbindet sie mit Fakten zu Mikroplastik im Meer. „Obgleich für Plastik wohl / dasselbe gilt wie für die Seele. Ein / endgültiges Verschwinden, / nein, das gibt es nicht.“ (Zitat aus „Wimpern und Asche“, Seite 76, 77). Das Gedicht „Zwischen den Zeilen“ dagegen erinnerte mich sofort an die Romane „Eiskalte Himmel“, 2006, und seinen neuen, 2021 erschienenen Roman „Seeland Schneeland“. „Am Morgen war die Schneelandschaft / zurück, nicht irgendeine, sondern die / am Ende des Romans. Und damit auch / das ganze Buch mit seinen Menschen.“ (Zitat aus „Zwischen den Zeilen“, Seite 116)

Fazit

Mirko Bonné ist ein Poet, der uns in seinen Gedichten, wie auch in seinen Romanen, eindrückliche und bewegende Geschichten erzählt.

Das Buch von der Riviera – Erika Mann und Klaus Mann

AutorErika und Klaus Mann
Verlag Kindler Verlag
Erscheinungsdatum 16. April 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3463407159

„Verwechseln Sie nicht die Börse mit der Oper, dazu neigt man am Anfang, weil beide gleich konventionelle und stattlich repräsentativ aussehen. In beiden wird Lärm gemacht, aber die Garage liegt also hinter dem Gebäude, wo man dafür zahlt, ihn zu hören.“ (Zitat Seite 28)

Inhalt

Diesen Reiseführer über die französische und italienische Riviera haben Erika und Klaus Mann 1931 verfasst. Die Route beginnt in Marseille und endet in La Spezia. Besonders detailliert werden die Städte Marseille, Cannes, Nice, Monte Carlo und Genua beschrieben.

Umsetzung

Der Hauptteil dieser imaginären Reise gilt der französischen Riviera und der mondänen, bereits damals ungemein beliebten Côte d’Azur. Erika und Klaus Mann treten in direkten Kontakt mit uns Lesenden, sprechen uns an, plaudern humorvoll, erzählen, schildern. Es ist kein Reiseführer im üblichen Sinn, dieses hier ist gleichzeitig ein unterhaltsamer Blick in das Leben der jungen Geschwister. Sie lassen uns teilhaben an ihren Lieblingsorten, besonders schönen, landschaftlich reizvollen Gegenden, und natürlich beschreiben sie auch ihre bevorzugten Restaurants. Diese und auch die Tipps betreffend Hotels und andere Unterkünfte enthalten auch die entsprechenden, im Jahr 1931 gültigen Preise. Mit lebhafter Leichtigkeit und einem humorvollen Augenzwinkern werden die Menschen beschrieben, auch Treffen mit Künstlerfreunden werden mit uns geteilt. So entsteht ein auch heute noch wunderbar zu lesendes, interessantes und sehr unterhaltsames Bild der Riviera in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts.

Fazit

Dieser literarische, autobiografische Reiseführer ist eine zeitlose, unterhaltsame Lektüre, die uns sofort in die Sommerstimmung an der berühmten Mittelmeerküste entführt.  

Das Wasserhaus – Reinhard Schultze

AutorReinhard Schultze
Verlag GRAFIT
Erscheinungsdatum 18. März 2021
FormatTaschenbuch
Seiten448
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3894257705

„Wir sind alle Akteure in einem komplizierten Feld. Das Wasser hat es verdient, dass wir unsere persönlichen Möglichkeiten so weit es geht ausschöpfen.“ (Zitat Seite 13)

Inhalt

Ma, die erfolgreiche Unternehmerin, wird gerade zum ersten Mal Großmutter und will nun mehr für die Familie da sein, ihnen mehr hinterlassen, als nur die Familienvilla im Allgäu und den Familiensitz Burg Gauchstein, eine Ruine mit Wasserturm. Doch gerade dieser Wasserturm könnte die Familie entzweien, denn als die Wasser-Südwest ihr die Leitung eines innovativen Wasseraufbereitungsprojektes in Südafrika anbietet, kann sie nicht ablehnen. Doch es gibt Personenkreise in Südafrika, die völlig andere Interessen vertreten, es kommt zu Problemen und schließlich benötigt sie zusätzliche Finanzmittel. Die Bank verlangt den Wasserturm als Sicherheit.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Geschichte einer Familie und ihrer Mitglieder. Ein wichtiges Thema sind saure Grubenwässer, Politik, internationale Wirtschaftsbeziehungen und die Frage nach dem Umgang mit der wichtigen Ressource Wasser.

Charaktere

Im Mittelpunkt des Romans stehen die Mitglieder der Familie Holzrichter: der Vater, Physiker, Spitzname „Forscher“, „Ma“ die Mutter, eine erfolgreiche Developerin, und die vier bereits erwachsenen Kinder, Jeffrey, der Älteste, ein Adoptivkind, Anwalt für Gesellschaftsrecht, und die eigenen Kinder Mies, Senta und Flocke, von Jeffrey „Bundeskanzlerin“ genannt, seit sie in Berlin Politikwissenschaften studiert und sich für Menschenrechte einsetzt. Mies arbeitet im Marketingbereich eines international tätigen Lebensmittelkonzerns, Senta bringt eine eigene Zeitung heraus.

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Handlung, spielt in Deutschland und Südafrika und wird chronologisch erzählt. Rückblicke ergänzen mit weiteren Details, wobei die alte Familiengeschichte eine wichtige Rolle spielt. Besonders die historischen Ereignisse im Zusammenhang mit dem Stammsitz der Familie in Sachsen sind nach wie vor wichtige Themen am Mittagstisch der Familie, wo bei gemeinsamen Treffen alle Ereignisse besprochen werden. Generell ist dieser Roman auf die einzelnen Personen dieser Familie, ihre Problematiken und Konflikte aufgebaut, in vielen Kapiteln steht Ma im personalen Mittelpunkt der Ereignisse. Den sprachlichen Schwerpunkt bilden die zahlreichen Dialoge. Auch die technischen und wissenschaftlichen Erklärungen zum Kernthema, der innovativen, umweltfreundlichen und leistbaren Wasseraufbereitung finden in Dialogen statt. Das moderne Weglassen alle Satzzeichen, die im Zusammenhang mit der direkten Rede gesetzt werden und das Fehlen von Angaben, wer gerade spricht, macht das Lesen der oft rasch wechselnden Dialogsätze zeitweise etwas anstrengend.

Fazit

Eine interessante Geschichte, in deren Mittelpunkt die einzelnen, sehr unterschiedlichen Mitglieder einer Familie stehen, ihre enge Beziehung zueinander und jeweils das eigene Leben. Die Handlung fließt eher ruhig, wie das Wasser, das brisante Kernthema des Romans, in einem breiten Strom und wird hauptsächlich in Dialogen erzählt.

Jane – Aline Brosh McKenna

AutorAline Brosh McKenna
ZeichnungenRamón K. Perez
ErzählerinCharlotte Brontë
Verlag Panini Verlags GmbH
Erscheinungsdatum 24. September 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten228
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3741609909

„Du weißt nicht, warum du hier bist? Okay. Meine Mom ist tot und mein Dad fast immer weg. Du bist meine Nanny.“ (Zitat etwa Seite 31)

Inhalt

Da ihre Eltern, in der Hochseefischerei tätig, von einer Fahrt nicht zurückkommen, wächst Jane bei ihrer Tante auf. Sie arbeitet auf einem Fischerboot, bis sie genug Geld für ein Busticket nach New York gespart hat. Um für ihr Kunststudium ein Stipendium zu bekommen, muss sie einen Job haben – und sie hat nur eine Woche Zeit. Auch Adele hat ihre Mutter verloren und ihr Vater Edward Rochester ist ein vielbeschäftigter, erfolgreicher Geschäftsmann. Jane will sich um das einsame Mädchen kümmern und sie fühlt sich auch zu dem rätselhaften, manchmal schroffen Mr. Rochester hingezogen. Doch Rochester hat ein dunkles Geheimnis und gefährliche Feinde.

Thema und Genre

Diese Graphic Novel ist eine moderne Neuinterpretation des Klassikers Jane Eyre von Charlotte Brontë.

Umsetzung

Aline Brosh McKenna ist eine erfahrene Drehbuchautorin. Sie nimmt sich aus dem ursprünglichen Roman die für sie wichtigsten Details und transferiert diese in das heutige New York. Es gelingt ihr, auch die düstere Spannung des Originalromans beeindruckend umzusetzen. Mit Ramón K. Perez konnte sie einen bekannten Künstler für die Zeichnungen gewinnen und das Ergebnis, das man nun in Händen hält, überzeugt und macht Freude. Die Charaktere sind einprägsam gezeichnet, die Bildsprache der einzelnen Szenen zeigt lebhaft das Umfeld in der großartigen Stadt New York, nimmt sich Zeit für viele Details, die es zu entdecken gibt und wird dunkel-düster, wenn es um die gefährlichen Situationen der Geschichte geht. Dass Jane Eyre in dieser modernen Version selbst Kunststudentin ist, die schon als Kind alles, was sie sah, sofort zu Papier brachte, ergibt spannende Bild in Bild Situationen, in denen sie ihre Eindrücke zeichnet und so die Ereignisse nochmals selbst interpretiert.

Fazit

Eine packende, moderne Jane Eyre, das Romantikdrama als interessante, beeindruckende Graphic Novel im New York der Jetztzeit.

Standphotos: Gedichte 1962 – 1970 – Rolf Dieter Brinkmann

AutorRolf Dieter Brinkmann
Verlag Rowohlt Buchverlag
Erscheinungsdatum 2. Aufl. April 2012
FormatBroschiert
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3498004613

„Die Sätze / werden langsam wieder / schwerer. Es liegt / vielleicht an / der Luft, oder / daß ich nicht / fortgezogen bin / zur rechten Zeit?“ (Aus „Gedicht vor Anfang des Winters“, Seite 70)

Inhalt

Diese Sammlung enthält alle Gedichtbände, die zwischen 1962 und 1972 erschienen sind, und zwar: Ihr nennt es Sprache, Le Chant du Monde, Ohne Neger, &-Gedichte, Was fraglich ist wofür, Godzilla, Die Piloten, Standphotos, Gras. Dabei wurde auch die Reihenfolge der einzelnen Gedichte, wie sie in den jeweiligen Erstausgaben angeordnet sind, nicht geändert.

Themen und Sprache

„Dankbar bin ich dagegen den Gedichten Frank O’Haras, die mir gezeigt haben, daß schlechthin alles, was man sieht und womit man sich beschäftigt, wenn man es nur genau genug sieht und direkt genug wiedergibt, ein Gedicht werden kann, auch wenn es sich um ein Mittagessen handelt.“ (Zitat aus dem Vorwort zu „Die Piloten“, Köln, Frühjahr 1968, R.D.B., Seite 186, 187)

Besser als der Dichter selbst kann man die Vielseitigkeit und facettenreiche Themenvielfalt dieser Gedichte nicht beschreiben. Es gibt nichts, das er nicht in Worte fasst, jeden Augenblick einer Alltagssituation, er beobachtet, beschreibt, verbindet mit philosophischen Gedanken und spontanen Gefühlen, Erinnerungen, er teilt auf, ordnet und fügt neu zusammen, um plötzlich im letzten Satz in einer knappen Feststellung zu enden, bewusst provozierend. Die Themen reichen von Waschmaschinen und Waschmittel, gelb angestrichenen Schränken, Rosen, Natur, Politik, bis zu Beziehungen, Trennung, Frauen, Sex und immer sind es Momentaufnahmen der eigenen Befindlichkeit, Fragen und knappe Statements in einer kritischen Realität. Immer wieder geht es um die einfache, rhetorische Frage, ob das, war er gerade notiert hat, ein Gedicht ist, oder um die Feststellung, dass dies jetzt ein Gedicht ist. Auch die Länge der Gedichte reicht von wenigen, knappen Zeilen bis zu Notizen und Texten in Prosa-Länge.

Fazit

Diese Gedichtsammlung hat wenig mit erbaulicher Lyrik und schönen Gedankenbildern zu tun, diese Texte fordern, sind wild, realistisch, unbequem, sie provozieren und es gibt kaum einen Gegenstand, sei er noch so einfach, keine Situation, die nicht von Rolf Dieter Brinkmann als einfache Tatsache unter Einbeziehung aller Sinne zu Papier gebracht wurde, oft mit einem knappen Statement, sein Resultat dieses Augenblicks. Man braucht Zeit für diese Texte, doch diese Zeit sollte man sich unbedingt nehmen.

Meteoriten – Éloise Cohen de Timary

AutorÉloise Cohen de Timary
Verlag Atlantik
Erscheinungsdatum 5. Mai 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ÜbersetzungMaja Ueberle-Pfaff
ISBN-13978-3455010848

„Sie waren allein auf der Welt. Nichts zählte außer der Gegenwart – ihrer Gegenwart. Sie waren bestrebt, sich möglichst nicht jeden Tag zu sehen. Um die Sehnsucht wachzuhalten, sie zu genießen wie ein Bonbon, das im Mund allzu schnell schmilzt.“ (Zitat Pos. 426)

Inhalt

Völlig überraschend erhält die junge Journalistin Marianne von Paul Wiazowski, ein bekannter, aber extrem schwieriger Schriftsteller, eine Zusage für ein Gespräch. Sie scheitert zwar dann an dem Versuch, ein ausführliches Interview zu erhalten, stattdessen lernt sie den Landschaftsarchitekten Virgile Lifar kennen. Diese hat sich erst kürzlich von seinem Freund getrennt, verliebt sich jedoch sofort in Marianne und sie sich in ihn. Gemeinsam entdecken sie Paris, fahren ans Meer, finden die perfekte gemeinsame Wohnung. Gerade als sie ihre weitere Zukunft planen, zu der auch Kinder gehören sollen, kommt der Tag, an dem sich alles ändert.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das französische Lebensgefühl, Musik, Lebensfreude, aber auch um Abschied, Trauer, prägende Entscheidungen, um Freundschaft und vor allem um die Liebe.

Charaktere

Virgile, Marianne, Florence, Olive und Kamel und ihre versteckte Bar, es sind authentische Figuren, die man beim Lesen sofort ins Herz schließt, die man gerne auch im realen Leben kennen möchte.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung wird im Zeitablauf nicht durchgehend linear erzählt, geht manchmal in die Zukunft, blickt zurück, was die Geschichte besonders lebhaft macht. Es gibt keine Kapitel, sondern Abschnitte, manchmal steht Marianne im personalen Mittelpunkt, manchmal Florence, in einigen Virgile. Der leichte, französische Lebensstil, die Liebe zur Natur, zum Meer und zum Leben prägen diese Geschichte, dazu die Musik von Patti Smith, Janis Choplin und vielen anderen aus dieser Zeit, Songs, die auch durch ihre lyrischen Texte das damalige Lebensgefühl geprägt haben und zeitlos geworden sind. Die Sprache passt perfekt zu dieser Geschichte einer großen Liebe, erzählt einfühlsam, wird aber niemals kitschig.

Fazit

Ein Roman über die Liebe, die Menschen, und die Freude am Leben. Durch dieses Buch schwingt Musik und die vielseitige, besondere Atmosphäre von Paris. Tiefgang erhält die Geschichte durch ein brisantes, aktuelles Thema, eine Problematik im Zusammenhang mit mehreren Entscheidungen, die zum weiteren Nachdenken anregt.

Mittwochs am Meer – Alexander Oetker

AutorAlexander Oetker
Verlag Atlantik
Erscheinungsdatum 5. Mai 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455010961

„Aber ja, sie waren wie ein Gedicht, sie schienen sich zu reimen, sie beide, sie passten wie zwei Puzzleteile, er hoffte in diesem Moment, dass sie ein langes Gedicht sein würden, er wollte das Ende nicht lesen, noch lange nicht.“ (Zitat Pos. 812)

Inhalt

Maurice van der Berge ist Anwalt in Paris, spezialisiert auf die Abwicklung von Insolvenzen. Einer seiner aktuellen Klienten ist eine Firma, die in dem kleinen bretonischen Hafenstädtchen Cancale Austernsäcke produziert und so fährt er jeden Mittwoch in die Bretagne. Obwohl er Ideen hat, die Fabrik zu retten, machen es ihm die sturen Arbeiter und einheimischen Fischer schwer, sie halten ihn für weltfremd und zu zögerlich. Im Hotel, in dem er zu übernachten pflegt, steht eines Mittwochs statt der ihm bekannten Rezeptionistin eine schöne Frau an der Rezeption, Dominique Vial. Plötzlich freut er sich auf seine wöchentlichen Reisen in die Bretagne.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um eine leidenschaftliche, intensive Liebesbeziehung am Meer in der großartigen Landschaft der Bretagne. Auch die Gedichte von Arthur Rimbaud spielen in dieser Geschichte eine Rolle.

Charaktere

Maurice van der Berge ist Anwalt, ein introvertierter, ernster Mann, den die Liebe zu Dominique völlig verändert. Die Beziehung beginnt mit einem Liebesbrief, den Dominique ihm schreibt, nachdem sie ihn an der Rezeption gesehen hat. „Wer war diese Frau, die so offen über ihre Gefühle schreiben konnte, ohne Angst vor einer Zurückweisung, ohne Angst vor Entdeckung?“ (Zitat Pos 353)  

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt einen Sommer lang in der Bretagne und ist in einzelne Abschnitte eingeteilt, die chronologisch jeweils als Überschrift das Datum des entsprechenden Mittwochs tragen und in Kapitel unterteilt sind. Rückblenden in Form von Erlebnissen, die Maurice und Dominique einander erzählen, ergänzen die eigentliche Handlung, von der ich mehr erwartet hatte. Denn diese wird durch die wiederholten Schilderungen der wöchentlichen Liebesszenen trotz der lebhaften Beschreibungen der großartigen, rauen Landschaft, der interessanten Sehenswürdigkeiten und der eigenwilligen Bewohner von Cancale etwas eintönig. Die Sprache erzählt flüssig und ist angenehm zu lesen.

Fazit

Eine leidenschaftliche, romantische Liebesgeschichte, die gerade in diesen Tagen die Gedanken sofort auf die Reise schickt, in die Bretagne, ans Meer und zur magischen Insel Mont-Saint-Michel.

Lichtjahre – Volker Weidermann

AutorVolker Weidermann
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 6. August 2007
FormatTaschenbuch
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13ISBN-13: 978-3442736423

„So ist ein Buch entstanden, das die Geschichte der letzten sechzig Jahre der deutschsprachigen Literatur in vielen einzelnen Porträts beschreibt, in Lebens- und in Werkporträts, die hoffentlich am Ende ein zusammenhängendes Bild ergeben.“ (Zitat Seite 10)

Thema und Inhalt

Der Untertitel dieses Sachbuches beschreibt bereits Thema und Inhalt: „Eine kurze Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute“ und beginnt, ergänzt durch entsprechende Rückblicke, im Mai 1945 und endet 2005. Die Auswahl der über 140 Schriftstellerinnen und Schriftsteller (teilweise nur mit einem kurzen Absatz erwähnt) hat der Autor selbst getroffen. Die Werke selbst nehmen einen eher kleinen Teil der jeweiligen Kapitel ein, den Hauptteil bilden geschichtliche Rückblicke und vor allem Anekdoten aus dem Leben der Autoren und Autorinnen.

Umsetzung

Mentor und großes Vorbild von Volker Weidermann war Marcel Reich-Ranicki und ähnlich wie dieser bekannte Literaturkritiker wertet auch Volker Weidermann in diesem Buch teilweise sehr subjektiv und ordnet auch gleich das literarische Schaffen der besprochenen Autoren und Autorinnen je nach politischer Gesinnung in gut und schlecht ein. Das erste Kapitel dieses Sachbuches beginnt mit der Frage „Wo waren sie am 8. Mai?“, nämlich im Mai 1945, und stellt sofort das Werk von Schriftstellern wie Thomas Mann, Hermann Hesse, Heinrich Böll und natürlich Heimito von Doderer ins künstlerische Abseits, lästert über Erich Fried, während er Seite um Seite mit Maxim Biller verbringt. Dass auch er Peter Handke ausschließlich nach „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morava und Drina“ be- und verurteilt, hat mich in diesem Wertungskontext nicht überrascht. Von „Scharfzüngig und humorvoll“ spricht der Verlag im Zusammenhang mit diesem Querschnitt durch 60 Jahre Literaturgeschichte, für mich lesen sich manche Abschnitte eher als abwertend, denn als scharfzüngig, kombiniert mit Volker Weidermanns leicht überheblichem, belehrenden Schreibstil. Abgesehen davon jedoch ist dieser Ausflug in die deutsche Literatur ein gelungener, anregender Querschnitt, der neugierig macht, bisher Unbekanntes zu entdecken und zu erlesen.

Fazit

Ein Querschnitt durch die deutsche Literaturszene zwischen 1945 bis 2005, wobei der Schwerpunkt weniger auf den Werken der besprochenen Autoren und Autorinnen liegt, sondern auf Gschichterln und Anekdoten aus dem Leben derselben.

Der Kryptologe – Elias Haller, Arne-Stiller-Thriller Band 1

AutorElias Haller
Verlag Edition M
Erscheinungsdatum 13. April 2021
FormatKindle
Seiten380 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB08KH6LGW7

„Der Täter hatte vier Zahlen hinterlassen. Zweifellos handelte es sich um eine Botschaft. Eine Botschaft als Kryptogramm.“ (Zitat Seite 50)

Inhalt

Annalena Winzer liegt tot in einem Abwasserkanal nahe der Dresdner Oper. Bekleidet ist sie mit einem schwarz-roten Rüschenkleid, das auf die aktuelle Inszenierung der Oper „Der feurige Engel“ hinweisen könnte, und in ihre Fußsohlen und Handflächen sind Zahlenkombinationen eingeritzt. Zuletzt besuchte sie mit ihrer achtjährigen Tochter Liliana  ein Einkaufszentrum und das Kind ist seither verschwunden. So hat der unangepasste Kriminaloberkommissar und Kryptologe Arne Stiller, gerade erst nach einer einjährigen Zwangspause in den Dienst zurückgekehrt, sofort einen brisanten Fall  zu lösen. Die Zeit drängt, will man das Kind noch lebend finden.

Thema und Genre

In diesem Thriller geht es um Kindheitstraumata, Psychologie, Gewalt, Rache, Dresden, die Oper und um die Kryptoanalyse.

Charaktere

Arne Stiller, Kryptologe, ist ein frustrierter, nicht teamfähiger Außenseiter. Er vertieft sich sofort intensiv und unbeirrbar in die Ermittlungen, für diplomatische Höflichkeiten hat er keine Zeit, wenn es um das Leben eines Kindes geht. Unterstützt wird er von seiner neuen Kollegin Inge Allhammer, sechzig Jahre alt, Alkoholproblem, ebenfalls eine schwierige Außenseiterin.

Handlung und Schreibstil

Die straffe Handlung wird in sehr kurzen Kapiteln und im genauen Zeitablauf erzählt. Es stehen jeweils entweder die Ermittler oder die Täterperson im Mittelpunkt eines Kapitels. Die Ereignisse beginnen am Sonntag um 12.45 Uhr und enden mit einem rasanten Showdown, der am Donnerstag der selben Woche um 21.05 Uhr beginnt, am Freitag Vormittag folgt dann die Schlussbesprechung der Ermittler, welche die Ergebnisse mit noch fehlenden Details ergänzen. Parallel zu den aktuellen Geschehnissen führen Rückblenden zu Ereignissen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Überraschende Wendungen sorgen für Rätsel und zusätzliche Spannung, doch manchmal verlieren die Fakten dadurch an logischer Glaubwürdigkeit. Der Autor ist bekannt für seine deutlich bis ins kleinste Detail geschilderten Tatszenarien, diesen Stil behält er auch in dieser neuen Serie bei.

Fazit

Dieser packende psychologische Thriller ist der Beginn einer neuen Serie, in deren Mittelpunkt der Kryptologe Arne Stiller steht.

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